[RL/CotW] Ein Khan, ein Tier, ein Schuss

[Gullix]

Ich hab gerade im Internet was gelesen, wo ich mal nachfragen muss.

bei uns im Naturschutzgebiet läuft jeder zweite Hund ohne Leine, ich könnt immer kotzen. Wenn man die Leute drauf anspricht, bekommt man genau diese Antwort. Neulich erst gesehen wie ein riesen Hund hinterm Reh herlief. Wenn die Instinkte kicken, geht der bravste Hund durch.

Vor einigen Jahren war ich, zur Schonzeit, bei einem Schutzgebiet spazieren.
Ich konnte einen Hund beobachten der mehrere Rehe gejagt hat.
Keine Besitzer weit und breit... Da ich den Jäger aus diesem Gebiet kannte, habe ich ihn angerufen.
Ich habe ihm beschrieben wie der Hund aussieht. Der Jäger meinte, dass der Hund das wohl regelmäßig macht.
15 Minuten später habe ich einen Schuss aus der Richtung gehört...
Das war's dann wohl mit dem Hund.

Jop. War letztes bei meinem Vater als der nen Anruf bekommen hat. Er ist selber Jäger und er wurde von einem anderen Jäger angerufen der ihm erzählte, dass er gerade einen Hund erschossen hatte. Das Tier lief frei im Wald herum.
In der Gegend wurden in den Monaten davor immer wieder (teils schwer) verwunderte und sogar verendete Tiere gefunden, welche höchstwahrscheinlich von Hunden angegriffen wurden.
Der vermutliche Besitzer des Hundes (war da noch nicht eindeutig klar ob er es wirklich war und ich habe noch kein Update bekommen) wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach ermahnt, dass er seinen Hund nicht frei in den Wald laufen lassen sollte.
Schade um das arme Tier, aber der Jäger hat hier absolut richtig gehandelt.

Frage 1, wenn ich im Naturschutzgebiet einen Hund frei rumlaufen lassen würde, würde ich riskieren dass der abgeschossen wird?

Frage 2, falls Ja, findest du das gut? Neige zum Ja.

Frage 3, kann es passieren, dass man zusätzlich zum toten Haustier noch eine Geldstrafe aufgebrummt kriegt?

[Mongke Khan]

Zu Frage 1: Wildernde Tiere sind immer ein delikates Thema. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass wildernde Hunde und Katzen entnommen werden dürfen, einige Länder weichen davon allerdings ab bzw. schränken das stärker ein. Das BJagdG definiert Katzen beispielsweise als wildernd, wenn sie >200m vom nächsten besiedelten Gebiet angetroffen werden. Einige Länder haben das auf 500m raufgesetzt, andere ganz verboten, weil es da immer wieder... emotional wurde zwischen Jägern und Haustierbesitzern. Deshalb ist eine pauschale Antwort nicht möglich: Ländersache

Bei Hunden kommt hinzu, dass sog. privilegierte Hunde (Poilzeihunde, Jagdhunde, Blindenhunde) und Zierhunde (die ob ihrer Art und Gestalt dem Wild nicht gefährlich werden können, also Fußhupen) nicht geschossen werden dürfen. Man muss sich als Jäger also sehr sicher sein, ob man schießen darf oder nicht - und sollte im Zweifel immer nicht schießen. Wenn ein Problemhund immer wieder auffällt, wäre das beste Vorgehen wohl: der Behörde Bescheid geben, Abschussgenehmigung für den betroffenen Hund abholen (wenn mildere Mittel fehlschlagen und der Besitzer sich uneinsichtig zeigt), erlegen.

Bei Naturschutzgebieten kommt noch dazu, dass diese über eigene Verordnungen verfügen, in denen geregelt sein kann, dass die Jagd nicht oder nur eingeschränkt erlaubt ist. In dem Fall wäre der Hund vor einem Schuss also sicher - wenn aber Totschlagfallen gegen Haarraubwild aufgestellt wurden und der Hund da reintappt, würde ich das als Fall von PP interpretieren. In den meisten Naturschutzgebieten müsste eine Leinenpflicht bestehen (in BaWü sogar in allen Jagdrevieren). Sehe da trotzdem ständig Leute mit freilaufenden Hunden. Gerade auch jetzt zu den Brut- und Setzzeiten.

tl;dr: Im dümmsten Fall, ja. Effektiv nein.

Zu Frage 2: Hm, schwierig. Dafür spricht, dass ein freilaufendes Haustier wild lebende Tiere beunruhigen oder auch töten kann (freilaufende Katzen sind da richtig übel). Diese Tiere sind gesetzlich geschützt und diesen Schutz finde ich gut. Dagegen spricht, dass das Haustier nichts für seine bescheuerten Besitzer kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, würde ich zuerst diese anwenden (also z.B. demjenigen das Tier wegnehmen). Andernfalls wie oben beschrieben: behördlich abklären, dann entnehmen.

Mir wäre ja am liebsten, man müsse eine Art "Haustierführerschein" machen, bevor man sich Hund oder Katze anschaffen darf (Hundeführerschein gibt es länderweise ja schon). Immerhin übernimmt man da jahrelang Verantwortung für ein Mitgeschöpf und dafür, was das in der Umwelt so treibt; da sollte man meiner Meinung nach nachweisen können, dass man mit dieser Verantwortung umzugehen weiß. Schlimm genug, dass es keinen Kinderführerschein gibt

tl;dr: Nur als ultima ratio.

Zu Frage 3: Ja. Einerseits kann der Jäger dich auf Schadensersatz verklagen (E: was bei einem Stück Rehwild so 500 - 1000€ von der Größenordnung wären), andererseits kann es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln (freilaufender Hund in Naturschutzgebiet mit Leinenpflicht). Wenn es ganz blöd läuft und der Straftatbestand der Wilderei nach §292 StGB erfüllt ist, droht sogar eine Freiheitsstrafe.

tl;dr: Ja.

[Gullix]

Sehr gute Antwort.

[Mongke Khan]

Von einer Anekdote weiß ich, da hat ein Jäger einen anderen besucht. Nach der Jagd sah der Besucher auf dem Rückweg eine Katze, die >200m vom nächsten Hof weg war und hat sie erschossen. Durfte er auch, rechtlich gab es nichts zu beanstanden. Blöderweise war diese das einzige Bezugstier für das behinderte Kind, das auf dem Hof gewohnt hat. Sowas sieht man einem Tier erst recht nicht an. Eingeladen wurde der Jagdgast kein zweites Mal.

[klops]

was war der anekdotische Grund für den Abschuß?
200m sind für ne Katze nix, das gibts doch ständig überall

[Mongke Khan]

Katzen wildern auch ständig überall Zumindest Freigänger (die töten dann just for fun) und verwilderte Hauskatzen (die töten nicht for fun, sind meistens Hauskatzen, um die sich keiner mehr kümmern wollte). Der Grund war daher: wildernde Katze. Stubentiger sind harmlos - wenn sie wirklich zu Hause bleiben. Die Anwesenheit im Garten kann schon reichen, dass Vögel ihren Nachwuchs nicht mehr füttern. Das sind dann Schäden, die man gar nicht erst sieht.

Im Schnitt kommen (meines Wissens nach) auf jede Hauskatze rund 2 toten Singvögel pro Jahr. Bei 15 Mio. Hauskatzen sind das dann 30 Mio. tote Vögel. Das dürfte von der Größenordnung wie Vogelschlag durch Gebäude sein.

[ttte]

Wenn die Katze noch eine Lebenserwartung von 5 Jahren gehabt hätte, hat der Jäger damit 10 statistische Vogelleben geretttet.

[klops]

Die Zahlen haben mich gerade etwas interessiert, ist aber schwierig, was realistisches zu finden. Die Angaben schwanken z.T. erheblich.

Es gibt aber anscheinend drei sehr große direkte "Vogelkiller", die zumindest grob in der selbst Größenordnung liegen: Fenster/Fassaden, Verkehr und Katzen

Indirekte Gründe wie Zerschneidung und Verkleinerung der Lebensräume oder auch Insektensterben ist echt schwierig zu beziffern, dürfte aber auch erheblich sein.

[Mongke Khan]

[xist10]

Wobei 2 Singvögel pro Katze pro Jahr sind gefühlt relativ wenig.
Ich dachte, Katze sind deutlich erfolgreichere Jäger. Sind Singvögel so selten Ziele ?

[Asmodan]

Ich habe das so verstanden das auf jede Katze (also auch Hauskatzen die nie rauskommen oder andere die nie jagen können und werden) 2 Singvögel kommen. Das heißt die Katzen die jagen sind sehr viel erfolgreicher als 2 pro Jahr.

[Kendogan]

Reine Stubentiger töten eher wenig Vögel.

[Großadmiral Thrawn]

Wobei 2 Singvögel pro Katze pro Jahr sind gefühlt relativ wenig.
Ich dachte, Katze sind deutlich erfolgreichere Jäger. Sind Singvögel so selten Ziele ?

Anekdotische Erfahrung: meine zwei Katzen versuchen sich gerne an der Vogeljagd im Garten. Allerdings gelingt das nicht immer, weil die Vögel ja auch wegfliegen können. Im Sommer liegt aber mindestens einmal ein angenagter Vogelkadaver irgendwo im Garten herum, den wir dann entsorgen müssen.

[Mongke Khan]

Und dass das nicht immer gelingt, führt nicht dazu, dass den Vögeln das egal ist

[Großadmiral Thrawn]

Sehe ich auch so, aber du kannst Freigängerkatzen auch nicht einsperren, die nehmen dir dann die Bude auseinander und haben enormen Stress - artgerecht sieht da auch anders aus. Es ist halt immer eine Abwägung.

Grundsätzlich wäre eher eine Verringerung der Katzenpopulation in Deutschland sinnvoll, aber das kriegst du niemals durch gegen den Widerstand von Katzenhalter*innen.