Zitat von
Polly
Anstoß 3 war komplex, menschlich und humorvoll. Als Anstoß3 auf dem Markt erschien, gab es keinen anderen Fußball-Manager, der sich mehr um die menschliche Seite des Fußballs gekümmert hätte. Davor waren Fußballmanager (und die FM-Serie hat das [leider] wieder fortgesetzt) nicht viel mehr als ein Statistk- und Tabellenprogramm, bei dem (wie du schon richtig sagtest) man genau wusste, dass ein Druck auf diesen einen Knopf die Variablen X1 und X2 und die Werte Y und Z hochsetzt und welche Folgen dies im Spiel haben wird.
Ich kann gut verstehen, dass man solche Spiele gerne mögen kann. Auch ich habe in Strategiespielen wie Civ, SMAC oder Rome gerne die vollständige Kontrolle über meine Aktionen und möchte wissen, auf was ich mich mit einem Klick einlasse. Allerdings sind dies nun mal Strategiespiele und ein Fußball-Manager ist für mich in erster Linie die Simulation einer Sportart, in der Zufall, Launen und Glück große Rollen spielen und derjenige ein guter Manager ist, der aus den seltsamsten Situationen (halbe Ersatzbank krank, andere Hälfte von Außerirdischen entführt [gab es in A3 tatsächlich]) noch den größten Vorteil ziehen kann.
Wenn ich an A3 zurückdenke, dann fällt mir vor allem ein Punkt ein, der es nach meiner Meinung von allen anderen Managern abhebt. Das Team! Der eigene Verein war nicht mehr nur eine Ansammlung von abstrakten Spielern, die sich nur in den Namen und den Werten unterschieden. Jeder Spieler hatte eine eigene Persönlichkeit und innerhalb der Mannschaft Mitspieler, die er partout nicht leiden konnte, mit denen er sich zoffte oder sich weigerte mit ihnen im Trainingslager im gleichen Zimmer zu schlafen. Man erfuhr, wenn ein Spieler eine neue Freundin hat, Vater wurde und musste ihn aufbauen, wenn er gerade eine Trennung durchlebte. Einige Spieler waren regelrechte Schleimer und kamen regelmäßig zu mir um mir zu sagen, was für ein toller Trainer ich doch bin - andere wiederum boten mir eine Vertragsverlängerung ohne Aufpreis an, weil sie die Atmosphäre im Verein mochten, während wieder andere ihre Oma die Verhandlungen führen ließen. Es gab also nicht nur einen Wert "Teamstimmung", der für alle galt, sondern das Team bestand tatsächlich aus einzelnen "Menschen" und wenn man einen Ausländer in die Mannschaft holte und niemand seine Sprache konnte, so fühlte er sich gleich ausgegrenzt und man musste ihm mit viel Einzelgesprächen und italienischen Mannschaftsessen in die Mannschaft integrieren. Gelegentlich hatte man das Glück eine Integrationsfigur im Team zu haben, der diese Aufgabe automatisch annahm, während so manch Superstar sich beleidigt fühlte, wenn er plötzlich Konkurrenz bekam. Genauso hatte man als Trainer jedesmal vor dem Spielbeginn Schweißperlen auf der Stirn, wenn es darum ging eine geeignete Kabinenansprache zu wählen ohne sich wieder einmal vor den Jungs lächerlich zu machen. In der Halbzeitpause musste man dann seinen Torwart trösten, der gleich drei Bällen in fünf Minuten hinterherschauen musste ... "Junge, das war nicht schlimm. Ich habe hier eine Tüte mit Keksen, nimm dir doch einen ... ach, nimm doch gleich die ganze Tüte. Siehst du, geht doch schon wieder besser."
Auch neu für damals war die Rollenspieleinlage, dass man sich gewisse Managerpunkte auf eigene Fähigkeiten legen konnte und somit eine Trainerpersönlichkeit schuf und sich erst im Laufe der Zeit verbesserte. Wenn man also prompt von einem 3. Ligisten in die Bundesliga wechselte, konnte man sicher sein, dass man es aufgrund seiner schlechten Werte wahrscheinlich nicht lange dort aushalten konnte. Der eigene Charakter hatte auch ein Privatleben und musste Geld für seine Freundin beseite legen und die Hobbies seiner Kinder bezahlen. Wenn man trotzdem noch zu viel Geld hatte, konnte man dieses in den zahlreichen Nebenspielplätzen loswerden. Egal ob Totto, Doping, Schiedsrichterbestechung oder Schlechtreden von Konkurrenztrainiern in der Presse ... zum gelegentlichen Ablenken gab es viele Möglichkeiten. Und ja - man hatte häufig keine Ahnung, ob diese Aktion wirklich etwas bringen würde, aber so ist das im Fußball.
Der größte Pluspunkt der Anstoß Serie war bisher immer der Humor. Wie schon in A1 und A2 sieht man A3 an, dass es sich nicht ganz zu ernst nimmt. Da kullert der Ball schon mal ins Tor, weil er auf einen Maulwurf trifft ... da stürzt das Flugzeug mit der ganzen Mannschaft ab um danach die Nachricht zu bekommen, dass es nur ein Aprilscherz war ... da kann man sich selbst als Spieler aufstellen und zum Superstürmer werden ... da verlassen Topspieler das Team, weil der Freundin das Stadion nicht gefällt ... und und und ...
Braucht man alles eigentlich nicht? Stimmt. Aber ich habe mit diesem Spiel durch die ganzen Gimmicks mehr Spaß gehabt als mit allen anderen ... und es war mir wesentlich lieber als der "zeig mir doch noch ein Dutzend Statistiken"- FM200X.
Dass Anstoß 3 so erfolgreich war, sieht man übrigens schon daran, wie der FM sehr viele Dinge im Laufe der Jahre von A3 geklaut und nach und nach in sich selbst eingebaut hat (nicht zuletzt, weil der Chefentwickler von A3 irgendwann zum FM gewechselt ist).