Also ein Interview. Ich stelle fest, dass der zweite Schritt schwieriger ist, als der Erste. strategon ist sofort bereit, uns Rede und Antwort zu stellen.
"Na selbstverständlich! Das mache ich gerne - ich habe selbst großen Spaß an der Story und finde es toll, wie viele Leute ihre folgen."
Das ist die Begeisterung, die ich mir gewünscht habe. Soviel zu Schritt eins. Aber welche Fragen sollen es denn sein? Bei einem klassischen Treffen hast Du vielleicht zehn Fragen auf dem Zettel und der Rest entwickelt sich dann im Gespräch. Wie mache ich es dann hier?
Ich entscheide mich für einen Fragenkatalog. Ein paar Spoiler in einer PN und hoffe, dass ich nicht nur einsilbige Antworten zurück bekomme. Vielleicht wäre ein Chat besser gewesen?
Doch die Sorge ist unbegründet. strategon bleibt seiner Linie treu und gibt Auskunft. Ausführlich und mit genau so viel Detailtreue, wie in seiner Story.
"Die Eröffnungsfrage muss natürlich sein: Wie bist Du darauf gekommen, Civ1 auszupacken? Hast Du auch mit Civ1 angefangen, damals in der Steinzeit, oder wann bist Du in die Civ-Reihe eingestiegen."
Ich selbst erinnere mich daran, wie ich mit 8 oder 10 neben meinem Vater auf einem Barhocker gesessen habe - wegen dem Überblick - und er Civilization gespielt hat.
"Ja, wie kam ich eigentlich auf diese Schnapsidee? Ich muß gestehen: Civ1 ist das einzige Spiel, das ich wirklich regelmässig wiederauspacke ... die DOS-Box sei Dank. Es macht wirklich jedes Mal wieder Spaß, und ich entdecke immer wieder etwas neues. Vor allem ist es noch so rudimentär gehalten. daß man seine eigenen Geschichten spinnen kann - das Spiel im Kopf eben. Meine erste Partie habe ich wirklich in den 1990ern auf dem ATARI ST gespielt, und irgendwie finde ich immer wieder zum Klassiker zurück, auch wenn ich die anderen Teile ebenfalls schätze, vor allem Civ5."
Wir haben hier einen Civver der ersten Stunde. Erinnert sich hier noch wer an die 90er? Ich möchte wetten, einige warem damals noch nicht einmal geboren.
"Wie viel Zeit hast Du insgesamt in die Story gesteckt - und wen oder was dafür hinten angestellt?"
"Oh, das mag ich gar nicht so genau wissen. Ziemlich viel. Aber es macht mir eben Spaß ... für die Bildbearbeitung allein brauche ich pro Folge immer so eine knappe Stunde, überlege mir dabei auch, wie die Geschichte weitergeht. Auf diese Weise macht mir die Partie viel mehr Spaß, als wenn ich nur so CIV spielen würde."
Das kann ich unterschreiben. Richtige Stories brauchen gute Bilder - und das kostet Zeit. Aber das sieht man auch am Turm. Nach und nach spannt sich auch für den Schreiber der Bogen, was mich zur nächsten Frage führt:
"Die Geschichte hat sich ja allmählich entwickelt. Ab wann hat Dich Deine Story besonders gepackt? Wo war Deiner Meinung nach der Punkt, an dem aus einem Spielbericht eine Story mit Details und Leidenschaft geworden ist? Oder war schon von Beginn an die Begeisterung hoch?"
"Das hat sich über die Zeit entwickelt, ist ja klar. Am Anfang wusste ich noch gar nicht, wohin die Reise geht, und ich musste erstmal ein paar Figuren entwickeln. So richtig gepackt hat es mich, glaube ich, mit der sehr schwierigen Überwältigung der Mongolen im 11. Jahrhundert v. Chr. (
Die Unterwerfung des Khans). Das war ein turning point, weil die Geschichte sonst definitiv anders verlaufen wäre ... Babylonien wäre wohl sonst zwischen Griechen und Mongolen zerrieben worden."
In solchen Situationen zeigt sich, dass mit Kreativität halt auch eine KI auf hohen Stufen besiegt werden kann.
Abseits der Spielmechanik halte ich diese Spielphase ebenfalls für den Punkt, an dem aus einer Story mit viel Nostalgie eine Story des Monats wurde. Erstaunlich, was so ein Mongolenüberfall alles bewirkt. So viel kulturelle Strahlkraft hätte ich Dschingis gar nicht zugetraut.
Strategon ist aber noch nicht fertig mit seiner Antwort und das erstaunt mich nicht.

"Daß Babylon nicht besiegt wurde, war dieser sehr mutigen Seeoffensive zu verdanken. Und ab da entwickelte sich die Geschichte wie von selbst. Vor allem habe ich mir vorgestellt, wie ich das darstellen kann: Babylonien unterwirft die ungleich mächtigere Mongolei ... es war mir klar, daß ich nicht einfach so tun kann, als ob die Mongolen damit aus den Geschichtsbüchern verschwunden werden. Ich wollte sie deshalb als unterlegene, aber starke Volksgruppe erhalten. Dies wurde dann auch zu einer zentralen Grundidee der Geschichte, die sich immer mehr ausdifferenziert hat."
Wie strategon schon gesagt hat, wollte er seine eigene Geschichte spinnen. Also die Story, die in seinem Kopf entstanden ist. Warum hat er dann auch die Leser so weit in seinen eigenen Kopf hinein gelassen, will ich wissen.
"Easypolls war eine tolle Möglichkeit, die Leserschaft einzubeziehen. Gab es eines oder mehrere Wahlergebnisse, die Dich besonders gestört haben? Als Stichworte Trumsch und Atomschlag. Würdest Du bei einer anderen Story noch einmal dem Auditorium so viel Einfluss zugestehen?"
"Oh ja, ich hatte Trumsch eigentlich aus Fun zur Wahl gestellt. Dass er dann wirklich mit seiner Masche durchkommt (wie vielleicht auch sein reales Vorbild), hat mich ziemlich geschockt. Ich hatte eigentlich wenig Lust, einen solchen Hallodri und frauenverachtenden Demagogen zu spielen. Außerdem mag ich es gar nicht, in CIV-Partien mit Atombomben um mich zu werfen. Ich versuche das immer zu vermeiden. Dennoch habe ich mich schließlich der Herausforderung gestellt, und die Ära Trumsch kam bei den Lesern, denke ich, gut an. Wichtig war mir, den
Atomschlag auf Berlin im Jahr 2001 wirklich dramatisch dazurstellen und nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Immerhin sind dabei 1 Millionen Menschen ums Leben gekommen ... unfassbar, wenn man mal darüber nachdenkt. Ich hoffe, da ist dem ein oder anderen auch ein Schauer über den Rücken gelaufen."

Aus meiner Sicht, hat das sensationell geklappt. Nach dem Euphorie, ob der Abwurf gelingt, ob Berlin gebrochen werden kann, ob der Flugzeugträger Gulkisar sein Ziel erreicht oder abgefangen wird, hat mich der Bericht dann wieder auf den Boden gebracht. Auch dass strategon seine dritte Atombombe nicht auch noch gezündet hat, nur weil er sie hatte, hat dazu beigetragen.
"Die Mitbestimmung war aber sicher ein guter Motivationsschub für mich und auch die Leser. Für mich wurde die Geschichte damit unvorhersehbarer, weil die Leser oft etwas anderes präferierten, als ich es mir gewünscht hätte. So hätte ich gerne die Räterepublik weiterentwickelt oder hatte noch gute Storyideen für eine Wahl von Ebkhbaatharyn Baakhan. Aber so ist das eben in der Demokratie. Schade ist nur, daß die "Kriegslobby" doch immer sehr stark ist. Sicher gibt es bei Kriegen etwas mehr Action, aber für die Geschichte ist es spannender, wenn man nicht zuviele Gegner aus dem Spiel nimmt. Gerade Civ1 läßt außerdem wenige Möglichkeiten zu, die Wahlergebnisse auch ingame umzusetzen."
Also schlummern da noch ein paar verschollene Ideen. Unterdrückte Frauenpower durch Macho Trumsch. Wen wundert es da, dass akutell mehr Frauen in der Story auftauchen, neben der unvergleichlichen Efgenia? Da der Turm sich ja zum Ende neigt, schauen wir etwas in die Zukunft.
"Wird es noch etwas von Dir zu lesen geben?"
"Noch läuft "ETszk" ja noch. Ich denke auch, daß die Partie nicht sofort mit dem Erreichen des Raumschiffs im Alpha-Centauri-System enden wird - dann werde ich wohl erst einmal innehalten. Es macht aber Spaß, Geschichten mithilfe eines Computerspiels zu entwickeln. Ich würde dieses Konzept gerne noch ausbauen. Von daher: Wenn Interesse besteht, wird es sicher nicht die letzte Story aus meiner Feder bleiben."
Nun, das bleibt zu hoffen.
Verlassen wir jetzt einmal Babylon und schauen uns im Forum um. Hat strategon für die Jury noch ein paar Tipps, wo andere Perlen zu finden sind?
"Wenn Du nicht das Forum mit Deiner Geschichte fesselst, welche Story liest Du selbst gerade?"
"Ich folge regelmäßig Goszuls
Großen Imperien - unglaublich, was der Mann da leistet, ein irres Projekt. Ich hoffe, es geht irgendwann weiter. Ansonsten verfolge ich mehrere Let's Plays of Youtube, vor allem von Steinwallen und Writing Bull. Letzterem ist es auch zu verdanken, daß ich auf dieses Forum stieß, was auch die nächste Frage beantwortet :-) ."
Das hat sie, trotzdem will ich sie nicht verschweigen. Schließlich hat strategon noch mehr zu erzählen.
"Abschließend: Du bist Jahrgang 2013, was die Registrierung angeht. Was hat Dich ins Forum gebracht? Civ1 wird es wohl nicht gewesen sein."
"Ursprünglich hatte ich Fragen zur PAE-Mod/Civ4. Und dann hatte ich eben die Idee für "Ein Turm, sie zu knechten ...". Ich habe festgestellt, daß mir (bei der wenigen Zeit, die fürs Computerspielen bleibt), ein so forenbegleitendes Spielen einfach mehr Spaß macht. Im Austausch mit anderen Foristen, ob jetzt durch eine solche Story oder bei einer MP-Partie (?), ist das Spiel eben nicht nur simpler Zeitvertreib, sondern mehr eine Kultur- und Erzähltechnik. Das reizt mich. Und das ist es in meinen Augen auch, was so viele hier immer wieder zu "Civilization" und in euer Forum lockt."
Dem kann ich mich nur anschließen. Es ist nicht nur das Spiel an sich, es ist das Mitfiebern, Lernen und Austauschen. Das Civforum als Audruck einer Kulturtechnik zu sehen, ist sehr philosophisch. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Aber wer weiß, ob nicht in Zukunft einmal die Zeit der Internetforen wie der Buchdruck und die Verbreitung des geschriebenen Wortes betrachtet wird. Könnten wir dann ein Teil unserer eigenen Geschichte werden?
"Ich habe gehört, es soll auch noch andere Computerspiele als die Civ-Reihe kulturgeben. Was spielst Du noch?"
"Kaum noch. Dazu ist meine Zeit dann doch zu eingeschränkt. Ein großer Fan bin ich aber von den Paradoxtiteln, etwa von Sengoku, Crusader Kings 1 + 2 und Europa Universalis. Die eignen sich sogar noch besser für Geschichten, wie ich sie hier in "ETszk" erzähle. Außerdem bin ich riesiger Dwarf-Fortress-Fan. Es ist einfach das grandioseste Spiel, das ich kenne - trotz ASCII-Grafik. Eigentlich bevorzuge ich sogar Spiele mit spartanischer Grafik, weil ich in ihnen meine Fantasie besser umherschweifen lassen kann. Was Civilization angeht, bin ich aber auch von den Mods zum Teil 4 schwer begeistert, etwa Base, PAE und Caveman 2 Cosmos ... auch wenn mir der fünfte Teil spielerisch mehr liegt."
Hat nicht jemand Lust, in einem seiner Mods demnächst das Civforum als Kulturwunder einzubauen, frage ich und bekomme da Zustimmung.
"Unbedingt! Und natürlich Civ 1 selbst ... als Verbeugung vor dem Klassiker, wie es ETszk ja schließlich auch ist.""
Damit schließt sich also der Kreis, von Civ 1 zu seinen aktuelleren Nachfolgern. Jetzt freue sehe ich gespannt dem Zeitpunkt entgegen, wenn das babylonische Raumschiff auf Alpha Centauri eintrifft. Dass es nicht nur ein bloßen Durchklicken der letzten Runden wird, konnte ich zwischen den Zeilen der Story schon herauslesen. Ich bedanke mich herzlich bei strategon für die ausführlichen Antworten und hoffe, sie haben noch etwas mehr Einblick in den aktuellen SdM-Titel "Ein Turm sie zu knechten" gegeben.
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Das Interview führte Frederick Steiner