“Anfänglich bezieht sich der B[arbaren].-Begriff aus griech. Sicht auf fremdsprachige Gruppen. “Hellenen-B.” entsprechen als ‘asymmetrische Gegenbegriffe’ einem in der Ethnologie bekannten Muster: Andersartige, Fremde werden in stark ethno- bzw. hellenozentrisch bestimmten Vorstellungen als B. wertend von der eigenen Kultur abgegrenzt. Die Antithese ist häufiger in negativer als positiver Prägung des ant. B.-Bildes faßbar [sic!]. Fremd-, Rand- und Grenzvölker begegnen darin ebenso wie Juden, Christen und “Heiden”. Der B.-Begriff hat als ‘europäisches Schlüsselwort’ (A. Borst) die Ant. überdauert. Der (spät)ant. Vorstellungsgehalt bestimmt letztlich auch den modernen wiss. Terminus “Barbaricum”. […]
In der Skala negativer B.-Topoi dominieren, z.T. tierischer Lebensweise entsprechend, Wildheit, Roheit [sic!] und Unbildung. In das Gegenbild zur hellenischen Zivilisation passen Fremdenfeindschaft, Gesetz- und Treulosigkeit, sklavisches, feiges ebenso wie maßlos übertriebenes Verhalten und zahlreiche Varianten dieser Vorurteile […]
Die Römer übernehmen den B.-Begriff von den Griechen. Die anfängliche Selbstbezeichnung als B. grenzt sie sprachlich von den Griechen ab: Plautus überträgt aus dem Griech. ins Barbarische, d.h. Lat. und spricht wohl mit negativem Beiklang vom barbarischen Land, Städten und Gesetzen (. Cato verwahrt sich gegen die herabsetzende Benennung der Römer als B. durch die Griechen. […]
Die Expansion Roms, die schwere Konfrontation mit den Kelten und Karthagern, aber auch die Erfahrungen der Bürgerkriege - B. kämpfen auf beiden Seiten - prägen das röm. B.-Bild nachdrücklich. Der B.-Vorwurf trifft den äußeren wie den inneren Feind - so z.B. Antonius und Verres.
Der röm. Begriff schließt bekannte B.-Völker wie Perser, Thraker, Skythen und der Expansion folgend die jeweiligen Randzonen des Imperiums, d.h. Gallien, Spanien, Britannien, Germanien und die Parther ein. Das B.-Bild verdichtet sich in den Begriffen feritas, immanitas, inhumanitas, impietas, ferocia, superbia, impotentia, furor, discordia, vanitas, perfidia, imprudentia . Wilde B.-Stämme müssen - metaphorisch ausgedrückt - wie Tiere domestiziert werden. Den Gegensatz zur röm. Zivilisation verkörpern die Keltiberer oder die Germanen. Naturnahe Lebensweise steht positiv für freie Völker (liberae gentes) wie Germanen und Skythen und in der Tradition der Nordvölkeridealisierung für jugendliche, kriegerische Kraft.
Die Romanisation ermöglicht die Integration auch von B. in die Reichsbevölkerung, die mit der Constitutio Antoniniana (212 n.Chr.) röm. Bürgerrecht erhält.
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osemann, Volker : “Barbaren”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester, Online verfügbar unter: https://referenceworks.brillonline.c...rbaren-e212470, abgerufen am 13.03.2024.
Anmerkung: Zur besseren Leserlichkeit habe ich Querverweise auf römische Quelltexte im Text entfernt.