
Zitat von
Louis XV.
Das geht mir ähnlich, allerdings denke ich dann auch immer wieder an so Szenen, wie Armstrong mögliche Doping-"Verräter" wie Christophe Bassons mit Mafia-Methoden kaltgestellt und vom Rest des Feldes isoliert hat. Insofern war es leider dann irgendwie doch auch nicht so ganz dieses "Die haben alle gedopt, damit herrschte Waffengleichheit, und am Ende hat doch wieder der beste Sportler gewonnen."
Armstrong war sicherlich ein taktisch und planerisch herausragender Sportler, insofern hat er aus ganz verschiedenen Gründen alle seine Duelle gegen Ullrich gewonnen (wobei Ullrich vielleicht einfach auch nicht 2003 auf Armstrong hätte warten dürfen). Und Ullrich war (leider) keine Figur, die sich, insbesondere im Nachhinein, so richtig gut eignet, um ihr zuzujubeln.
Aber auch damals schon war ein Sport "ohne Doping" oder mit "weniger Doping" prinzipiell möglich, und sehr viele Menschen haben es sich sehr bequem gemacht mit "die anderen machen es doch auch" und "man kann es ja nicht nachweisen". Mit Christophe Bassons gab es unlängst ein Interview in der SZ. Da beschreibt er, dass Festina ihm zwei Verträge vorgelegt hat: Einen mit 4000 Euro im Monat, wenn er nicht dopt, und einen mit 40.000 Euro im Monat, wenn er bereit ist, zu dopen. Und er galt halt als das französische Jahrhunderttalent - und hat sich dagegen entschieden. Ist ein ziemlich beeindruckendes aber in weiten Teilen auch verstörendes Interview. Weil, ganz ehrlich, wie viele von uns hätten sich da für den ersten Vertrag entschieden? "Hier, komm, wir geben dir mehr Geld, wir übernehmen das organisierte Doping für dich, und am Ende kannst du auch noch Ruhm und Ehre gewinnen - und alle anderen machen es doch auch; tu es!"
Und an den Stellen merkt man dann eben wieder, dass die Doper eben doch Menschen "betrügen" (entgegen dem großen Ullrich-Slogan, er habe "nie jemanden betrogen"). Nämlich uns, die Zuschauer. Wir werden betrogen um einen Wettkampf, der "hätte sein können".
Und das ist dann der Punkt, wo ich mit der Tour 2022, trotz aller Höhen, dann doch wieder meine Zahnschmerzen als Fan habe, wenn ich mir ansehe, wie zwei Fahrer einfach den Rest des Feldes komplett in Grund und Boden fahren, und niemand anders auch nur eine Gegenattacke setzen kann, sobald Pogacar oder Vingegaard ernst machen. Was hätte das für eine Tour "sein können", in der Bardet, Thomas, Gaudu, Vlasov und meinetwegen auch Vingegaard und Pogacar sich ernsthaft um den Sieg gestritten hätten? Eine Tour, in der Kämna eben nicht auf den letzten 200 Metern eingeholt worden wäre? Eine Tour, in der Geschke das Bergtrikot hätte gewinnen können, weil die Favoriten nicht mal eben am letzten Berg alles pulverisieren?
Ich glaube tatsächlich daran, dass der Radsport "sauberer" ist, als er es in den 2000ern war. Aber gewisse Leistungen machen einen eben leider doch stutzig, und ich kann nicht mehr so ganz an übermenschliche Mutanten-Leistungen glauben, in denen gewisse Fahrer so viel deutlich besser sind, als andere Fahrer.