Der Sultan kam aus dem Staunen und Stottern kaum raus während der offiziellen Gespräche. Hilal führte größtenteils die Verhandlungen mit Tama Matri. Tama Matri war der Name der geistigen und weltlichen Führerin der Filari. Sie war auch die Einzige die einen Zusatz in ihrem Namen trug. Dieser wurde ihrem Namen allerdings nachgestellt, um dessen Bedeutung nicht über zu hervorzuheben. Nach den Gesprächen stand Tama Matri elegant auf und verbeugte sich vor dem immer noch fassungslosem Repräsentanten der Perser. In ihren weißen, langen Gewändern schien es, als würde sie schwebend den Raum verlassen.
Hilal half seinem Sultan auf und führte ihn zu seinen Gemächern. Langsam erholte sich dieser von seinem Schock und begann seinem Unmut und seiner Verwunderung Luft zu machen…
„Was geht denn hier nicht richtig?“
„Also Chef, andere Völker andere Sitten…“, antwortete Hilal diplomatisch.
„Bullshit! Frauen an der Macht? Wo kommen wir denn da hin? Und warum überhaupt??“
„Habt ihr denn eben gar nicht zugehört, oh Sultan?“
„Zuhören? Ich war damit beschäftigt keinen Herzinfarkt zu bekommen.“
„Also die Frauen ihres Stammes beherrschen als Einzige die Kunst der Landwirtschaft. Und diese Fertigkeit hat sie in die Lage versetzt sich selbst zu ernähren, auch ohne die Hilfe ihrer Männer“
„Aha, also sind Männer nur noch ihre Haustiere oder was? Und dann noch dieses süffisante Lächeln von der Schnecke eben…“
„Ich verstehe ja ihre Meinung, aber bitte nennen sie das Oberhaupt unseres Verhandlungspartners bitte nicht so….. Und nein Männer haben hier einen ebenso hohen Stellenwert wie bei uns, nur...“
„Nur was? Ein Mann der nicht für seine Familie sorgt ist doch nur ein halber Mann…“
„Also eigentlich ist das ja ganz anders… Seit die Frauen die Landwirtschaft eingeführt haben, mangelt es niemandem an Essen. Und die Männer gehen dennoch täglich jagen.“
„Jaja, aber was soll denn das bitte? Also Landwirtschaft, OK, aber warum muss es eine weibliche Anführerin sein?“
„Diese Tradition geht auf eine Urahnin der Tama Matri zurück. Auf Marana Matri, sie war damals die erste die diesen Titel führte. Sie war es auch die das gesellschaftliche Leben ihres Volkes neu ordnete“
„Hör auf, mir solche Schauergeschichten zu erzählen!“
In Hilal brodelte es. Den ganzen Tag hatte er versucht das gute Gesicht des persischen Volkes zu wahren, aber dieser sture Dummkopf war bereit alles aufs Spiel zu setzen.
„Jetzt halten Sie einfach mal die Schnauze! Sie reden immerzu von pompösen Prunkbauten in Persepolis und dann, wenn es darauf ankommt die Baumaterialien zu erhandeln, stellen Sie sich an wie ´ne Jungfrau beim Pissen. Kommen Sie endlich runter von ihrem Egotrip und erkennen Sie, dass die Welt weiter geht als ihr fetter Bauch den Horizont begrenzt!“, schrie Hilal seinen Sultan an.
Der Sultan war erschrocken und noch bevor er etwas antworten konnte, verließ Hilal den Raum. Er schickte die fünf Haremsdamen zu ihm herein. Danach ging Hilal zum Dorffeuer und aß dort etwas von dem gebratenen Fleisch. Er war immer noch wütend, aber er war auch sehr ausfallend geworden. Dafür würde er morgen sicherlich büßen müssen. Dessen war er sich sicher. Gerade als er einen weiteren Happen Fleisch vom Knochen abbiss, tippte ihm jemand auf die Schulter. Als er sich umdrehte, war er sehr überrascht. Es war die junge Frau, die sie heute ins Dorf geführt hatte.
„Hilal, richtig?“, fragte sie mit einem liebenswerten Lächeln auf den Lippen.
„Äh. Ja. Genau, aber woher?“
„Ich bin Cleo und ich kam nicht umhin, ihr lautes Gespräch eben mitzuverfolgen…“
„Also das, naja… eigentlich…“
„Es gehört Mut dazu, sich mit seinem Herrscher anzulegen und während der Gespräche heute haben sie große Weisheit bewiesen“
„Ich mache nur meinen Job…“, wertete Hilal sein Verhalten ab. Wer weiß wie lange es noch sein Job wäre
„Aber ihr habt auch Eindruck bei der Matri gemacht. Tama würde gerne noch mit euch ein privates Gespräch führen“
„Wie jetzt? Was jetzt, mit mir?“
„Ihr schient ihr der richtige Ansprechpartner für ihr Angebot…“
Hilal wusste zwar nicht worum es ging, aber er fühlte sich geehrt. Er stand auf und folgte Cleo. Zu seinem Verwundern ging sie aber nicht zum Palast, sondern in Richtung der Äcker am Mare See. Was ihn wohl dort erwartete. In seinem Kopf gingen viele Gedanke umher, als sie durch den fast dusteren Waldweg gingen. Einzig der Vollmond erhellte die sonst finstere Nacht. Nachdem die beiden das Ende des Weges erreichten, konnte Hilal seinen Augen kaum glauben. So weit sein Blick in die Nacht reichte, waren Felder. Eine Heerschar Frauen bewässerte und bearbeitete die Felder. Jetzt wo er nachdachte, fiel ihm auf, dass am Dorffeuer fast nur Männer gewesen waren. Warum war ihm das vorher nur entgangen?
Er war noch in Gedanken versunken, als sich jemand von den Äckern aus auf Cleo und ihn zu bewegte. Zunächst konnte er nicht erkennen, wer es war. Doch dann sah er das goldblonde Haar der Matri im Mondlicht glänzen. Damit hatte er nicht gerechnet. Also nicht mit der Arbeit bei Nacht und auch nicht mit der Matri auf den Feldern.
„Hallo Herr Hilal“, begrüßte ihn Tama.
„Äh, also…“
„Es tut mir leid, dass ich so spät des Nachts nach ihnen hab rufen lassen. Aber mir sind Dinge zu Ohren gekommen“
„Welche Dinge denn geehrte Matri? Ich hoffe etwaige Probleme ausräumen zu können.“
„Also Herr Hilal, wie mir meine kleine Schwester Cleo berichtete, gab es einen kleinen Disput in ihrem Quartier“
„Also das, naja, das war doch eigentlich nichts….“, versuchte Hilal zu beschwichtigen.
„Da da da, nicht doch Herr Hilal, ich darf sie doch Hilal nennen, oder? Ich hatte da etwas ganz anderes im Kopf…“, sagte Tama Matri und lächelte verschwörerisch.
„Also… naja ihr könnt mich gerne Hilal nennen, geehrte Matri. Aber was meint ihr bitte? …“
„Nennt mich doch einfach Tama. Hier auf den Feldern bin ich nicht anders, als die anderen fleißigen Arbeiterinnen. Wir konnten anhand der Verwirrung eures Sultans seine Ablehnung unserem Volk gegenüber erkennen. Dabei sind wir an einer friedlichen Koexistenz interessiert“
„Das wird sich geben… Tama… er wird sich an diesen Gedanken gewöhnen“
„Ihr habt da mehr Vertrauen in ihn, als ich es mir erlauben kann, in ihn zu stecken. Ich habe da eine andere Idee um unser kleines Vertrauensproblem zu lösen……“