Erwartung
Ich habe nicht dafür trainiert und bei dem Höhenprofil darf ich auch nicht erwarten, meine 10er-Bestzeit von 44:38 zu schlagen. Cool wäre es aber trotzdem

Ich visiere mal die 45 Minuten an. Außerdem gilt es natürlich, meinen mitlaufenden Kollegen zu schlagen
Start
Mit leerer Blase und gut gebundenen Schuhe stehe ich schon 30 Minuten vor Beginn am Startpunkt. Langweilig! Es nehmen 243 Leute am Lauf teil und der Beginn ist in einem Dorf auf der Straße. Nach 500 Metern kommt man auf Feldwege. Alles sehr eng.
Kilometer 2: 8:45 Minuten, Puls 172
Es bleibt zwei Kilometer eng, bis es sich einigermaßen aufteilt. Ich laufe schneller als die anvisierten 4:30 min/km und es fühlt sich ganz gut an. Da ich nicht trainiert habe, habe ich auch nichts zu verlieren und riskiere, ein bisschen schneller zu laufen. Meinen Kollegen habe ich am Start vor mir aus den Augen verloren, aber nach etwa 1,5 Kilometern sehe ich ihn und bleibe 20-30 Meter hinter ihm.
Kilometer 2,75: 12 Minuten, Puls 176
Ich erreiche exakt die Distanz, die ich bei meinem bislang einzigen Cooper-Test (12 Minuten Laufen) geschafft habe. Damals war ich danach völlig erledigt, jetzt gerade geht es mir super. Allerdings bin ich bisher auch 13 Höhenmeter runter (bzw. eher 12 hoch und 25 runter), von daher kein sauberer Vergleich.
Kilometer 3,4: 15 Minuten, Puls 176
Läuft gut

Wir erreichen nun den See. Ich komme meinem Kollegen näher und habe das Gefühl, ihn bald zu überholen

Ich habe versäumt, mir vor dem Rennen nochmal meine Pulswerte aus vergangenen Rennen in Erinnerung zu rufen, aber 176 zum aktuellen Zeitpunkt sind wohl sehr ambitioniert

Wie gesagt: Ich laufe hier auf Risiko. Bei den vergangenen Bergläufen war ich erstaunt, wie viel ich rausholen kann, und will das jetzt austesten.
Kilometer 4,76: 21 Minuten, Puls 180
In einer Steilkurve, die ich in der Rückschau sehr leicht auf der Karte identifizieren kann, ziehe ich an meinem Kollegen vorbei
Kilometer 5: 22 Minuten, Puls 178
Ich bin sehr gut in der Zeit, aber spüre mehr Erschöpfung, als ich zu diesem Zeitpunkt sollte. Ich denke mir, dass hier die Quittung für mein riskant hohes Tempo kommt. Aber jetzt habe ich das Ziel vor Augen, meine Bestzeit zu knacken
Kilometer 7: 31:16 Minuten, Puls 175
Es ist sehr anstrengend, aber ich halte durch. Der Puls ist eine Momentaufnahme, nachdem es gerade kurz bergab ging, und war im Durchschnitt über Kilometer 7 auf 177. Durchschnittstempo bisher 4:27 min/km, was hochgerechnet 44:30 Minuten wären - aber das ist eine Betrachtung aus der Rückschau. Ich weiß, dass mein Kollege mir, seit ich ihn überholt habe, dicht auf den Fersen ist.
Kilometer 8,4: 37:45 Minuten, Puls 179
Ich bin extrem erschöpft. Jetzt geht es ein paar Meter bergab, da nochmal Kraft tanken und Tempo halten.
Kilometer 8,6
BÄM: Seitenstechen

Aber es ist nicht mehr weit. Das will ich jetzt unter Schmerzen ins Ziel bringen.
Kilometer 8,7
Keine Chance. Mir kommen beinahe Tränen von den Schmerzen beim Versuch, mein Tempo zu halten. Ich muss langsamer werden.
Kilometer 9: 40:55, Puls 167
Auf den letzten 300 Metern ist ein halbes Dutzend Leute an mir vorbei, die ich alle wiedererkenne als Leute, die ich vor einer Weile überholt habe. Darunter natürlich auch mein Kollege, dem ich ein gutes Restrennen wünsche. Wie man an meinem Puls sieht, bin ich durch das Seitenstechen nicht mehr in der Lage, Leistung abzurufen. Der Schmerz ist im Wesentlichen unter Kontrolle, aber er fühlt sich an wie eine zerbrechliche Vase in meinem rechten Brustkorb, die ich vorsichtig balancieren muss, damit sie nicht zerbricht. Da ich hier nichts mehr gewinne, ist auch schlichtweg nicht mehr der Wille da, hier noch mehr rauszuholen.
Kilometer 9,3
Hier beginne ich ein bisschen einen Endspurt, der sich aber sehr in Grenzen hält.
Zieleinlauf
Nach 10,05 Kilometern mit einer Zeit von 46:20. Den Umständen entsprechend bin ich einigermaßen zufrieden.
Fazit
Zur Auswertung noch ein paar Zahlen, Kurven und Rundendaten.
Während des Laufs habe ich nicht so sehr auf meinen Puls geachtet, aber in der Rückschau und im Vergleich mit früheren Rennen ist klar, dass ich am Anfang einfach mein Blatt überspielt habe. Fünf Kilometer mit einem Durchschnittspuls von 176-178 waren zu viel. Das Seitenstechen war kein Pech (zumindest nicht im Wesentlichen), sondern logische Konsequenz der Überanstrengung. Interessante und lehrreiche Erfahrung