„Resignation vor der motorisierten Gewalt“
An der Schloßstraße in Frankfurt dürfen Radfahrer nicht überholt werden.
Nach einem gewalttätigen Angriff auf einen Radler wird über andere
Lösungen debattiert.
In Bockenheim dürfen Radfahrer auf einem 800 Meter langen Abschnitt der Schloßstraße –
zwischen Adalbertstraße und Rödelheimer Straße – nicht überholt werden.
Sie sollen stadtauswärts und -einwärts in der Mitte der Spur fahren, die früher allein dem Auto vorbehalten war. Grund der Regelung: Die Schloßstraße ist auf dem Abschnitt sehr eng, weil an beiden Seiten noch Parkplätze sind. In der Mitte ist außerdem ein altes Gleisbett für die Straßenbahn. Autos und Lastwagen können daher beim Überholen von Radlern
den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern nicht
einhalten.
Autofahrer rammt Radler
Das hat einen Autofahrer nicht weiter gekümmert, als er mit seinem
schwarzen Audi A6 einige Tage vor Ostern auf der Schloßstraße
stadteinwärts unterwegs war und einen Radfahrer abdrängte. Als dieser
den Autofahrer an einer Ampel zur Rede stellte, kam es zum Eklat. Der
Autofahrer beschädigte zuerst das E-Bike mutwillig und fuhr dann auf den
Radfahrer los – das Opfer wurde über Motorhaube und Windschutzscheibe
durch die Luft mit dem Rücken auf den Asphalt geschleudert. Zahlreiche
Zeugen beobachteten fassungslos den Vorfall.
Geregelt ist das Überholverbot von Rädern entlang der Schloßstraße mit neu
montierten Verkehrszeichen. Es wurde unter der Nummer 277.1 vor vier
Jahren in die deutsche Straßenverkehrsordnung aufgenommen. Außerdem gilt
Tempo 30 auf der Strecke. Auf der Fahrbahn sind Fahrrad-Piktogramme mit
kleinen Pfeilen markiert worden, um die Spur für Radfahrer auszuweisen.
Diese sollen nicht zu nahe an den parkenden Autos vorbeifahren, da sich
plötzlich öffnende Türen nicht selten zu tödlichen Unfällen führen.
Deshalb wurde eine markierte Schutzzone, die sogenannte Dooring Zone,
eingerichtet.
Neue Zeichen sorgen für Verwirrung
Zu Beginn der neuen Verkehrsführung gab es erhebliche Probleme. Vielen
Autofahrern war das nicht unbedingt leicht verständliche neue
Überholverbotszeichen fremd. Sie drängten rücksichtslos Radfahrer auf
die Dooring Zone ab. Vor dreieinhalb Jahren bestand jedoch die Hoffnung,
dass sich die Regelung mit der Zeit einspielt. „Die Situation hat sich
gebessert“, sagt Ortsvorsteher Thomas Gutmann (Grüne). Gelegentlich gebe
es noch „unschöne Situationen“, gesteht er ein.
Auch wenn viele Autofahrer inzwischen ihren Frieden mit der neuen
Regelung geschlossen haben: Wer die Schloßstraße als Radler nutzt, wird
immer noch häufig Autofahrer im Nacken spüren, die dicht auffahren und
sie auf den Schutzstreifen abdrängen wollen. Vor allem Ortsfremde
scheinen die Verkehrsregelung nicht zu kennen oder missachten sie.
Gerade bei Dunkelheit wird der in der Mitte fahrende Radler gerne als
störendes Hindernis betrachtet, das weggescheucht gehört. Stadteinwärts
kommen die Autos ohnehin oft mit hoher Geschwindigkeit von der
Breitenbachbrücke gebraust. Jeder Beobachter kann sich vor Ort auch
recht schnell davon überzeugen, dass sich ein beträchtlicher Teil des
motorisierten Verkehrs wenig um Tempo 30 schert, wenn kein Radfahrer auf
der Strecke unterwegs ist.
„Ich erwarte von den Autofahrern schon, dass die Grundzüge der Straßenverkehrsordnung bekannt sind“, sagt Ingmar Bolle, Sprecher des Straßenverkehrsamts, zur Situation auf der
Schloßstraße. Er sieht bei einem Prozentsatz von 10 bis 15 Prozent der
Verkehrsteilnehmer ein „Verhaltensproblem“. Die Überwachung der Regeln
sei Aufgabe der Landespolizei.