"So meine Herren, damit wären wir vollzählig."
Washington räuspert sich. "Wie sie wissen, steht der Kolossbau kurz vor der Vollendung. Jedoch verstummen die Gerüchte nicht, wonach ein ferner Herrscher den doch noch schneller bauen könnte als wir. Das wäre für uns fatal. Denn wir hatten einen komfortablen Vorsprung, den wir dann verspielt hätten."
Er blickt grimmig in die Runde, alle schauen betreten auf den Boden. Ja, sie hätten den Koloss einfach in Vanille bauen können. Oder den Siedler verzögern. Aber das hätte gewaltige Nachteile in der weiteren strategischen Entwicklung gehabt und wichtige Schritten massiv verzögert. Auch der verfaulte Weizen in der Kornkammer hat schmerzlich Zeit gekostet. Zeit, die es wieder aufzuholen galt.
"Ich greife daher den Vorschlag des Baumeisters auf, den er bitte nochmals selber erklären möge."
Er macht eine Geste, der Baumeister erhebt sich.
"Oh, äh, nun ja...wie ich letztes Mal schon vorgetragen hatte, ist der Transport des Kolosses nicht ganz unproblematisch. Wir brauchen dringend mehr Boote, sonst verzögert sich der Aufbau noch weiter. Es würde uns sehr helfen, wenn die Fischerboote unserer Thunfischflotte vor Zimt dabei mithelfen können."
Empörtes Raunen. "Wir sollen auf eine ganze Fischsaison verzichten? Weißt Du überhaupt, was für Konsequenzen das haben wird?", poltert der Bürgermeister von Zimt.
"Äh, ja...vermutlich wird es eine Hungersnot geben."
"Das ist unerhört, das kann ich nicht zulassen!" Das Raunen verstärkt sich
Der Baumeister schaut etwas hilflos zu Washington, welcher beruhigend die Hände hebt.
"Aber, aber, meine Herren...Herr Bürgermeister, mit Verlaub, aber wir alle haben große Bürden und Entbehrungen auf uns genommen, nur um Ihrer Stadt dieses Weltwunder zu schenken."
Die Runde beruhigt sich wieder, aber der Bürgermeister blickt immer noch finster drein.
"Wir haben", führt Washington fort, "Euch eine Schmiede gebaut, die erste im ganzen Reich. Sobald der Koloss steht, wird Eure Stadt produktiver und reicher denn je sein. Sie wird berühmt werden, weit über Madagaskamerikas Grenzen hinaus."
Er lächelt. "Was ist denn dagegen eine kleine Hungersnot, an die sich in ein paar Jahren eh kaum noch jemand erinnern kann."
Er macht eine herrschaftliche Geste.
"Der Koloss wird ewig stehen, meine Herren, und ewig Reichtum bringen."
Wieder Raunen, alle schauen auf den Bürgermeister von Zimt, der wirkt unschlüssig, nickt dann aber. "Na gut, dann soll es so sein."
Verhaltener Jubel und vereinzelter Applaus.
Washington entgeht aber nicht, dass der anwesende Wissenschaftler bei seinen Worten leicht mit dem Kopf geschüttelt hat. Einer Geste, der er später noch unbedingt auf den Grund gehen muss.
Nach dem Gespräch kommt der Bürgermeister von Zimt zu Washington. "Sir, erlauben Sie mir bitte eine Frage...ist es denn sicher, dass wir als erste den Koloss bauen?"
Washington klopft ihm auf die Schulter. "Machen Sie sich darüber keine Sorgen, mein Lieber."
Der Bürgermeister lässt sich aber nicht abwimmeln. "Sir, mit Verlaub, aber ist es sicher, dass unsere ganze Arbeit nicht umsonst war?"
Washington nimmt ihn zur Seite. "Mein Guter, sicher ist gar nicht. Aber sehr wahrscheinlich."
Die Miene des Bürgermeisters verfinstert sich wieder. "Also kann es auch sein, dass ich meine Bürger völlig grundlos in eine Hungersnot treibe, ohne dass wir am Ende wirklich davon profitieren?"
Washington mustert ihn verärgert. Zorn steigt in ihm auf. "Glaubt Ihr eigentlich, mein eigenes Volk wäre mir egal? Wisst Ihr überhaupt, wie viele solcher Entscheidungen ich täglich treffen muss? Meint Ihr, wir hätten es mit Zaudern und Zögern und ohne ein gewisses Risiko soweit gebracht? Und vertraut Ihr mir etwa nicht, dieses Risiko richtig abzuwägen?"
Mit jedem Satz sackt der Bürgermeister immer weiter in sich zusammen. "Nein, Sir, natürlich, Sir", murmelt er kleinlaut.
"Na also." Washington klopft ihm nochmals auf die Schulter. "Macht Euch keine Sorgen, sollte wider Erwarten doch der Fall der Fälle eintreten, wird Eure Stadt reich entlohnt werden. Das verspreche ich Euch."
Der Bürgermeister wirkt jetzt zufrieden und bedankt sich bei Washington für diese großzügige Geste.
Später, als alle gerade am Gehen sind, tritt Washington an den Wissenschaftler heran und will von ihm wissen, warum er vorhin nicht mitgejubelt und den Kopf geschüttelt hat.
"Äh, oh, Sir, das ist Ihnen aufgefallen? Das war nicht meine Absicht."
"Aber es ist die meine, den Grund für Deine Haltung zu erfahren."
"Ach, das ist nichts, Sir. Ich will Sie nicht unnötig beunruhigen."
"Ich möchte aber beunruhigt werden. Weil ich dann seltener überrascht werde."
Er blickt sich um und raunt dem Wissenschaftler dann zu: "Komm bitte morgen früh vorbei, damit wir darüber sprechen können."
"Na gut, Sir, wie Sie meinen."
Als die Runde aufgelöst ist, blickt Washington aus seinem Fenster über die Meeresbucht in Richtung Südosten, wo demnächst der Koloss in den Himmel ragen würde.
Natürlich nur, wenn alles glatt lief.