Der Bund ist tot!
Der deutsche Bund, wie er heute besteht, hat nur noch wenig mit dem Bund von 1815 zu tun und die Bundesakte wird von den meisten Fürsten nur noch als Vorschlag betrachtet, wie man sich verhalten könnte, den man aber genauso gut auch ignorieren kann.
Ursprünglich sollte der Bund inneren und äußeren Frieden nach Deutschland bringen. Der Sachsenkrieg dürfte dieses Ziel ad absurbum geführt haben: Preußen behauptet, Sachsen habe sächsische Rebellen in Preußen finanziert. Eine durchaus plausible Behauptung, hat doch Sachsen erst wenige Monate zuvor Anspruch auf die beim Wiener Kongress verlorenen Gebiete erhoben und diese Ansprüche nie ausdrücklich, sondern nur durch einen allgemeinen Schwur auf die Bundesakte revidiert. Aber was macht Preußen nun? Bringt es die Angelegenheit in die Bundesversammlung und beantragt es eine Bundesexekution gegen Sachsen? Nein, es marschiert ohne Kriegserklärung in Sachsen ein und übt Selbstjustiz. Damit hat Preußen ein klares Signal abgegeben: der dt. Bund ist faktisch tot.
Sachsen wurde aber durchaus unterstützt, unter anderem von Österreich, dessen Kaiser immerhin den Vorsitzenden des dt. Bundes darstellt. Auch damit wurde ein Signal abgegeben: der dt. Bund lebt und er duldet keine Selbstjustiz, sondern verteidigt seine Mitglieder.
Wie ging diese Angelegenheit nun aus? Konnte die Koalition den Angriff Preußens auf einen souveränen Staat abwehren? Oder hat Preußen den Krieg gewonnen und Sachsen für seine Handlungen bestraft? Weder noch: Preußen und Österreich besetzen am Ende Sachsen mit jeweils 10.000 Soldaten! (Zum Vergleich: Sachsen hat insgesamt etwa 13.000 Soldaten.) Sachsen wurde von seinem größten Verbündeten verraten und die beiden deutschen Großmächte teilten sich das Land ein, wer seine Soldaten wohin schicken sollte! Damit setzte Österreich ein neues Signal: es gibt keinen dt. Bund, es gibt höchstens Einzelstaaten, die in seinem Namen Machtpolitik betreiben.
Während des Sachsenkrieges kam der sogenannte thüringische Schwur auf: einige tapfere Soldaten schworen, an den Kriegen gegen deutsche Brüder nicht mehr teilzunehmen. Man sollte doch meinen, die Fürsten hätten daraufhin ihr Verhalten überdacht und geändert, nicht wahr? Tja, da kennt man die deutschen Fürsten schlecht: die meisten haben vielmehr überlegt, wie sie diese Soldaten möglichst effektiv aus ihren Heeren heraushalten könnten. Was sagt uns das? Ganz offensichtlich haben sie auch in Zukunft nicht vor, in Deutschland Frieden zu wahren. Mit der Zielsetzung des deutschen Bundes und der Bundesakte hat das natürlich wenig zu tun.
Es gab nach dem Sachsenkrieg natürlich stolze Reden, jetzt wolle man den Bund aber wirklich stärken. Tatsächlich folgte das Bielefelder Diktat, das Schaumburg-Lippe ohne jegliche Legitimation durch den Bund erlaubte, Lippe-Detmold zu annektieren und dabei unzählige Erbansprüche überging. Unterschrieben wurde die Prolklamation von den größten ausländischen Mächten, die zwar mit dem Thema überhaupt nichts zu tun haben, dafür aber ganz toll Soldaten schicken können, falls jemand ein Problem mit diesem Diktat hat. Die Schwächung des schon vorher halbtoten Bundes ist mehr als offensichtlich. Wen wundert es noch, unter den Unterzeichnern den großen Stärker-des-Bundes-Kaiser von Österreich zu finden?
Das aktuellste Beispiel für die angebliche Wahrung des inneren Friedens dürfte der östereichisch-preußisch-dänisch-nassauisch-waldeckisch-wasweißich-er Beistandspakt sein: zunächst schien er ja noch Sinn zu machen: Österreich, Preußen und Dänemark garantieren sich alle ihre Besitzungen, es werden wohl hauptsächlich die außerbündischen gemeint sein, nichts besonderes. Beim Beitritt Nassaus sollten Beobachter aber langsam aufhorchen: Nassau ist ein relativ kleines Land und könnte es wohl mit keinem Gegner aufnehmen, der bereits Österreich, Preußen und Dänemark schlägt. Der wichtige Part ist also die Garantie Nassaus durch die anderen Vertragspartner. Dieser Part macht aber eben nur Sinn, wenn alle Beteiligten die Bundesakte, in der sich ja bereits alle Mitglieder gegenseitig ihr Gebiet garantieren, für ein wertloses Stück Papier halten. Analog gilt das natürlich auch für Waldek, das nun auch garantiert, die unselige Zersplitterung Deutschlands in Einzelstaaten und die Unterdrückung von Deutschen durch Dänen, von Polen durch Preußen und von unzähligen Völkern durch Österreich zu verteidigen, womit die bisherigen nationalistische Reden seines Fürsten als reine Lippenbekenntnisse entlarvt sind.
Das waren verschiedenste Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit (Preußens Einmarsch in Sachsen war erst September letzten Jahres) und traurigerweise waren es noch nicht einmal alle.
Das schönste Beispiel, wo der Bund außenpolitisch versagte, ist die Konferenz von Antwerpen. Man erinnere sich: Luxemburg ist Teil des deutschen Bundes und untersteht damit seinem Schutz. Was hielten Österreich und Preußen von diesem Schutz? Nicht das geringste, sie übergaben den größten Teil Luxemburgs neben einem guten Teil der restlichen Niederlande Frankreich, dem deutschen Erbfeind schlechthin, und schnitten sich als „Ausgleich“ selbst ein Stück vom niederländischen Kuchen ab. Neben der reinen Tatsache, dass nun Frankreich, das selbst kein Mitglied des deutschen Bundes ist, Territorium desselben kontrolliert, fällt auf, dass Frankreich nun die Bundesfestung Luxemburg bequem umgehen kann, womit sie ihren Nutzen verliert und der deutsche Bund ein Loch in seiner Verteidigung gegen Frankreich klaffen hat. Das ist doch wohl seitdem ein wichtiges Thema bei den deutschen Fürsten, oder? Naja, fast, im Moment versuchen sie hauptsächlich, bei der drohenden Hungersnot durch Ausfuhrverbote von Nahrung innerdeutsche Solidarität zu verhindern. Zur Stärkung des Bundes ist das natürlich viel besser geeignet als eine Verteidigung gegen Frankreich.
Zusammenfassend lässt sich sagen: es gibt keinen deutschen Bund mehr. Es gibt Klein- und Mittelstaaten, die nur dank der Gnade Österreichs und Preußens noch existieren und es gibt Frankreich, das interessiert und amüsiert abwartet, ob es den Deutschen immer noch möglich ist, sich selbst weiter zu schwächen, wie sie es bisher kontinuierlich getan haben, oder ob man langsam anfangen sollte, den Rhein mal wieder als französische Ostgrenze zu beanspruchen.
Es bleibt uns nur noch zu hoffen, dass sich etwas ändert in Deutschland, bevor es zu spät ist. Dass die deutschen Fürsten endlich anfangen, zusammenzuarbeiten, anstatt gegeneinander. Ob das wahrscheinlich ist, darf der geneigte Leser selbst entscheiden.