Gold Peak
Das Land des Phönix ist das schönste Land der Welt. Zumindest, wenn man einen Phönizier fragt. Mit seinen weiten Wäldern, hohen Bergen und meist steinigen und von Klippen gesäumten Küsten hat das Land eine Natürlichkeit und Urtümlichkeit, die jedem Phönizier das Herz höher schlagen lässt. Und was wäre dieses schöne, wilde Land mit heiterem und sonnigen Wetter? Langweilig und etwas für weichliche Südländer.
An einem Tag wie diesem gar nicht so schlecht, dachte Juliett während sie unter einem eilig aufgebauten Zeltdach am Hafen von Gold Peak bei strömendem Regen auf die Ankunft von Kaiserin Daenerys Stormborn von Troja wartete. Das Zeltdach reichte so nah an den Pier heran, wie es möglich war und führte bis zu den wartenden Wagen, aber trotzdem fürchtete die Königin des Phönix, dass ihre Besucherin aus Troja gründlich nass werden dürfte beim Ausstieg aus dem Schiff.
"Warum müssen wir gerade heute solch ein Sauwetter haben?", murrte sie.
"Was meint Ihr mit 'Sauwetter', Eure Majestät?", fragte Duke Raleigh neben ihr schelmisch. "Ist doch gutes phönizisches Wetter. Der Regen fällt fast lotrecht, nur leicht zur Seite geneigt."
Normalerweise hätte sie die ganze Strecke mit dem Flugzeug zurückgelegt, aber Gold Peak besaß ebenso wie Mirtan noch keinen Flughafen und deshalb musste sie für die letzte Etappe wieder aufs Schiff umsteigen. Dieses Mal auf den Stolz der trojanischen Polarflotte, dem Flugzeugträger Balerion. Benannt nach dem größten Drachen, der je von einem Menschen geritten wurde. Wobei ihr Drogon wohl mit Balerion gleichziehen könnte, so groß wie er schon geworden war.
Es gab unschöne Gerüchte oder besser gesagt Meldungen über golorische Aktivitäten, weshalb sie auf ein besonders martialisches Auftreten setzte. So landete ihre Maschine auf dem Deck des mächtigen Flugzeugträgers Balerion, der gerade in den Hafen von Gold Peak einlief. Ein imposantes Schauspiel, wie der Träger in Begleitung von vier Begleitzerstörern unter den Augen zahlreicher Phönizier das Hafenbecken passierte. Eine Botschaft, die gewiss auch dieser Tarjak verstehen würde. Wenn er zumindest die Intelligenz eines Hundes besitzt, der oberste Hundeführer.
Dany grinste Memnon an. "Das Wetter scheint Eure Laune nicht zu trüben, Euer Gnaden." Ja, das Wetter. Man hatte sie im Vorfeld vor der Launenhaftigkeit die phönizischen Wetters gewarnt, welche es gerade trefflich unter Beweis stellte. Obwohl Dany auf dem Deck war wurde sie noch nicht nass, denn über ihr und ihren Begleitern hielten die Matrosen eine große Plane und schirmten sie so vor dem Regen ab. Naja sie hatte schon weitaus schlimmeres als Regen auf ihrer Haut kleben. Blut zum Beispiel. Also machte ihr das wenig aus. Sie hatte sich auch wetterfest angezogen. Kein luftiges, buntes Gewand, welches Arme, Rücken und einen tiefen Ausschnitt frei ließ, wie es in Troja durchaus Mode war. Sie trug ein purpurnes Kleid und einen ebenfalls in dunklen Tönen gehaltenen Mantel, der sie vorm Regen schützte. Auf ihre Krone verzichtete sie zumindest beim Ankunftsbesuch und sie war auch ganz froh, das Ding nicht immer tragen zu müssen.
Das Flaggschiff der 9. Flotte legte am Hafen an und wenige Augenblicke später konnten die Kaiserin des Römischen Reiches und ihr Gefolge es verlassen und an Land gehen. Dort erwartete sie auch schon unter einem Pavillon die phönizische Königin Juliett I. und ihr Gefolge.
Trotz des Regens legte die Kaiserin den Weg würdevoll und entschlossen zurück. Wie bereits gesagt, machten ihr ein paar Tropfen nichts aus.
Es war ein wahrhaft majestätischer Anblick, der sich Juliett hier bot. Der gewaltige trojanische Flugzeugträger stellte jedes andere Schiff im Hafen von Gold Peak in den Schatten. Sie erinnerte sich an die Tage als das Land des Phönix noch ein Teil von Glorimantis war. Die Goloren hatten auch einiges an technologischen Wundern aufzubieten, doch stets nur die Goloren. Nach der Befreiung aus Tarjaks Tyrannei waren die größten Errungenschaften der Phönizier ein landesweites Netz von dampfgetriebenen Eisenbahnen und die große Brücke über die Narrowwater Strait. Aber einen solchen Koloss aus Stahl zu Wasser zu lassen...
Eines Tages..., dachte die Königin schluckend, bevor sie der Drachenmutter entgegen schritt und sich selbst ebenfalls dem Regen aussetzte. Ihr Butler James eilte ihr sogleich dienstbeflissen mit einem Regenschirm hinterher und bewahrte ihr kostbares dunkelgrün-goldenes Kleid davor, vom Regen völlig durchweicht zu werden. Ihr Premierminister schritt ihr mit großen Schritten hinterher, nachdem er sich selbst von einem der umstehenden Höflinge einen Regenschirm gegriffen hatte.
Wenige Schritte vor Daenerys blieb Juliett stehen und vollführte einen leichten, wenn auch unbeholfenen Hofknicks. Ihre Mutter Emma hatte ihr im Vorfeld versucht beizubringen, wie man einen solchen richtig ausführt, hatte dabei aber nur mäßigen Erfolg. Und außer der Kaiserin des Römischen Reiches gegenüber kam Juliett auch nie in die Verlegenheit, einen solchen ausführen zu müssen. Aber die Kaiserin von Rom stand vom Stande her, auch wenn sie nicht die Herrscherin über Phönizien war, über der Königin des Phönix und von daher gebührte ihr diese Höflichkeit.
"Eure Majestät, ich heiße Euch herzlich willkommen im Königreich des Phönix", begrüßte sie ihren hohen Gast etwas nervös. Zur gleichen Zeit traf auch Raleigh ein und entspannte den beschlagnahmten Regenschirm über der Kaiserin, ohne dabei Rücksich darauf zu nehmen, ob er selbst dem Regen ausgesetzt wurde.
"Es ist mir eine Freude, Euch endlich persönlich kennenzulernen", hängte Juliett an.
Kaiserin Daenerys erwiderte die Willkommensgeste ihrer Gastgeberin und vollzog ebenfalls einen leichten Knicks. "Königin Juliett, die Freude liegt ganz meinerseits, dass wir uns nach dem regen Briefverkehr nun endlich persönlich kennenlernen können. Ich war schon neugierig auf Euch und auf Euer Land."
Sie vermied jeglichen Kommentar über das Wetter, denn sie wusste, für die Phönizier war jenes nicht ungewöhnlich. Sie neigte ihren Kopf kurz zu Raleigh und bedankte sich bei dem Herzog für den Regenschutz. Ihre Begleiter Memnon, Sidon und Baelisch, ihre Zofen und Wachen waren leider immer noch dem Regen ausgesetzt. Aber dies dürfte sicherlich nicht mehr lange der Fall sein.
"Ich denke auch, wir haben sehr viel zu besprechen", sagte sie im Hinblick auf die jüngsten Informationen aus Glorimantis. Dany musterte ihr Gegenüber. Die Königin von Phönizien war ebenfalls noch sehr jung und schien sich jedoch auf den ersten Blick hin der Bedeutung und der Verantwortung ihres Amtes bewusst zu sein. Der Kleidungsstil war etwas weniger offenherzig als in Troja oder Rom, aber das lag wohl auch an dem Wetter. Während im heißen Assyrien viele Frauen sogar Kleider trugen, die eine Brust komplett frei ließen, wäre so eine Mode hier wohl äußerst unpraktisch.
Juliett nickte. "Dem stimme ich zu. Die Neuigkeiten aus Gorblinsch sind äußerst beunruhigend. Doch lasst uns solche Dinge lieber später und unter besseren... Umständen besprechen."
Sie vollführte mit ihrer Hand eine einladende Geste in Richtung des Pavillons und der wartenden Höflinge und Wagen, welche sie zum Palast bringen sollten. Anschließend schritt die Königin Seite an Seite mit der gut einen Kopf kleineren Kaiserin durch die versammelte Menge.
"Ich möchte Euch auch noch einmal persönlich zur Geburt Eurer Tochter beglückwünschen", bemühte sich Juliett um etwas Smalltalk. "Wie ich höre, hat sie Eure Augen."
Danys Mundwinkel zogen sich nach oben und bildeten ein sanftes Lächeln auf ihrem Gesicht. "Ich danke Euch, Ihr seid äußerst zuvorkommend, jetzt daran zu denken. Ihr habt richtig gehört, mein kleiner Sonnenschein bekam meine Augenfarbe mit. Ihr müsst wissen, im alten Valyria waren violett oder veilchenblau die dominierenden Augenfarben, wenn man den alten Schriften glauben mag. Mittlerweile gibt es jedoch nur wenige Menschen in unserem Reich, deren Augen noch diese Färbung haben. Bei uns gilt es gewissermaßen als etwas besonderes. Als ein Zeichen von den Göttern besonders bedacht zu sein. Ich hoffe, dass dies wahr ist und meine Kleine ein glückliches Leben erwartet." Hierbei ließ sie weg, dass bei den Targaryens die valyrischen Merkmale häufiger aufgrund exzessiven Inzests vorkamen. Selbst ihre Eltern waren Halbgeschwister, wobei dies in diesem Fall nicht beabsichtigt war und sie es erst nach der Heirat erfuhren.
"Und ich bin mir sicher, dass wird es", erwiderte Juliett während die beiden in das wartenden Automobil cuivinischen Baus einstiegen. "Leider haben wir nicht nur unsere leiblichen Kinder, um die wir uns kümmern müssen, sondern all die Millionen Kinder unserer Länder."
Die Wagen setzten sich in Bewegung. Das Auto Ihrer Hoheiten beförderte dabei lediglich die beiden Herrscherinnen, sowie je zwei Leibwächter. Die anderen wichtigen Staatsgäste und -bediensteten folgten in den weiteren Wagen des Konvois. Die Fahrt verlief über die altmodischen, jedoch hervorragend erhaltenen Pflastersteinstraßen von Gold Peak zum King Robert Square, an dessen Westende sich der Milton Royal Palace, das Ziel der Fahrt, befand. Es gab noch nicht viele Automobile auf den Straßen der Stadt, dafür aber umso mehr Pferdekutschen, deren hartgesottene Fuhrleute selbst bei diesem Wetter ihre Fahrgäste durch die Stadt transportierten.
Dany fragte sich, ob das Wetter so weit im Norden immer so war, als sie Juliett zum Wagen folgte. Raleigh half den beiden gekrönten Häuptern beim Einsteigen und dann fuhren sie auch schon los. "Da sprecht ihr was Wahres aus. Wir sind Mütter von Millionen und wir müssen uns um sie alle kümmern. Ich will mein Volk versorgt und glücklich wissen. Ihr wollt sicherlich das selbe, aber das ist keine einfache Aufgabe. Wir haben eine ähnliche Vorgeschichte. Ihr wurdet Königin, nachdem euer Vater starb, und ich, nachdem mein Bruder im Kampf fiel. Ihr habt sogar ebenfalls eine größere Macht am Hals, die eure Unabhängigkeit wieder beenden will. So war es bei mir damals auch."
Dabei blickte sie aus dem Fenster und nahm die Eindrücke von Phöniziens Hauptstadt auf. Jene besaß einen gewissen Charme mit ihrer aus trojanischer Sicht eher fremdartigen Architektur und was den Verkehr anging war es hier sogar ähnlich, wie in Troja. Nunja fast, die Phönizier fuhren auf der linken Straßenseite. "Eure Hauptstadt blieb bisher vom Krieg verschont, wie ich sehe? Ich hoffe wir können ihn auch weiterhin von hier fernhalten. Es ist wirklich ein schöner Ort. Wenn auch ganz anders als Troja."
Juliett nickte. "Gold Peak war die letzte Stadt, die während der Rebellion befreit wurde, und die Goloren haben keinen großen Widerstand mehr geleistet, sondern die Stadt schon bei den ersten Anzeichen von Kämpfen geräumt. Deshalb waren die Schäden glücklicherweise gering."
Die Wagenkolonne hielt vor dem Milton Royal Palace, einem großen neugotischen Bau, der die gesamte Stirnseite des Platzes einnahm und doch recht klein für einen königlichen Palast war. Um diesen Umstand zu beheben, wurden sowohl am Nord- als auch am Südende die angrenzenden Häuser eingerissen, um Platz für eine Erweiterung zu schaffen. Für die Dauer des kaiserlichen Besuchs wurden die Bauarbeiten jedoch unterbrochen. Ein großes, weinrotes Zeltdach mit goldenem Zierrat spannte sich über den Gehsteig vom Eingang zur Straße und schuf somit eine trockene, mit einem roten Teppich ausgelegte Passage.
Nachdem ein Diener die Tür des Wagens geöffnet hatte, verließ Juliett diesen als erste. Als Daenerys ebenfalls ausgestiegen war, sagte sie: "Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Für Euch und Euer Gefolge wurde der gesamte Nordteil hergerichtet. Im Speisesaal ist ein Festmahl vorbereitet, aber selbstverständlich könnt Ihr Euch erst einmal frisch machen und Eure Räumlichkeiten beziehen, wie es Euch beliebt."
Obwohl die Bauarbeiten unterbrochen wurden, entging es Dany nicht, dass hier noch Erweiterungen geplant waren, was wohl in Anbetracht der erst kürzlich erlangten Unabhängigkeit Phöniziens nicht groß verwunderlich war. Jetzt war die Zeit, das Reich aufzubauen und ebenso den Herrscherpalast. Troja war nach seiner eigenen Unabhängigkeit, was das anbelangte, besser aufgestellt gewesen, aber hauptsächlich, weil es auf die jahrtausendealten Hinterlassenschaften des Imperiums zurückgreifen konnte.
"Sehr freundlich von Euch, aber ich fühle mich frisch genug. Was wohl auch an eurem Wetter liegen muss." Dany entbot ihrer Gastgeberin ein Grinsen. "Wenn Ihr mich entschuldigt, werde ich nur schnell ein paar trockene Sachen anziehen und danach an Eurem Fest teilnehmen." Ein bisschen war sie halt doch nass geworden.
Tatsächlich ging es recht schnell und die Kaiserin von Rom und Troja erschien wieder bei ihrer Gastgeberin im Speisesaal. Sie trug nun ein hellblau-goldfarbenes Kleid, welches vom Schnitt her den phönizischen Kleidungsstücken noch am ehesten entsprach. Immerhin bedeckte der Rock ihre kompletten Beine und auch die Schultern waren nicht frei und der Ausschnitt auch nicht so tief. In Troja trug man solche Mode eher im Herbst und im Winter, aber das phönizische Sommerklima entsprach bereits dem trojanischen Herbst. Ihre Haare trug sie in Anbetracht der Frisuren phönizischer Frauen auch nicht offen. Doreah hatte jene ebenfalls zusammengesteckt, was schon fast ein ungewohntes Gefühl für die Kaiserin war.
Auch Juliett hatte die Gelegenheit genutzt, in ein trockenes Kleid zu schlüpfen. Es war purpur, mit weinroten Ärmeln und Unterrock und golden bestickt.
Im Speisesaal stand an einem Ende eine große Tafel, an deren einen Kopfende zwei Stühle für die beiden Monarchinnen standen. Das andere Ende der Tafel blieb ohne Stühle. Die Tafel war außer für Juliett und Daenerys zur Linken der Königin noch für Premierminister Raleigh, Königinmutter Emma, Außenminister Milton sowie die beiden Prinzessinnen Cathryn und Judith eingedeckt. Zur Rechten der Kaiserin saßen Memnon, Ratsherr Baelisch, Botschafter Priscus, Konsul Antonius, sowie Flottenadmiral Seneca.
Des weiteren standen noch mehrere andere Tische in dem großen Raum, an denen Platz war für all die phönizischen Adligen und übrigen Kabinettsmitglieder sowie das übrige Gefolge von Daenerys, welches an dem Festmahl teilnahm. Insgesamt weit über 100 Personen.
Zu Essen gab es neben gebratenem Hirsch als Hauptspeise noch zahlreiche weitere Gerichte, die typisch für das Land des Phönix sind, vor allem Kartoffel- und Fischgerichte und, als besondere kulinarische Eigenart Phöniziens, Haggis.
Die Kaiserin kostete von allen Speisen, die ihr serviert wurden. Das Hirschfleisch mundete ihr vorzüglich, obwohl es etwas mehr Würze vertragen hätte, aber sie wusste die einheimische Gewürzpalette war noch nicht so ausgeprägt, wie die trojanische. Vielleicht würden sich in diesem Bereich gute Exportmöglichkeiten ergeben. Wenn sie Juliett die teilweise recht scharfen Würzmittel Trojas schmackhaft machen konnte. Vom Haggis kostete sie zwar, aber es war nicht wirklich ihr Geschmack. Dennoch zwang sie sich einige weitere Bissen davon zu nehmen, denn wie sie vernahm, handelte es sich hierbei um ein landestypisches Gericht, und sie wollte ihre Gastgeber nicht beleidigen.
Konsul Antonius war hingegen nicht so vorausschauend und kostete vor allem von Wein und Bier. Zwar war es noch im Rahmen, aber doch etwas früh nach Danys Geschmack. Zuhause ließ sie ihm seine Eskapaden durchgehen, aber hier sollte er sich doch etwas benehmen und sie hoffte, er würde sich zusammenreißen.
Sie genossen die Musik und die Gespräche, bei denen es zunächst um Belanglosigkeiten ging, wie den Roddau-Pokal in Cuivinien und ob Phönizien eine Austragung in Troja unterstützen würde. Noch begann nicht der ernste Teil des Staatsbesuches.
Von der Idee eines Roddaupokals in Troja zeigte sich vor allem Milton hellauf begeistert und ließ es sich nicht nehmen, von seinem Bau einer Roddau-Arena hier in Gold Peak zu erzählen und dass er bei Fertigstellung einen eigenen Rennstall sponsern wolle.
Nachdem das Festessen beendet war, verlegte sich die Veranstaltung in den Thronsaal, in dem eine Kapelle für angemessene Musik zum gemeinschaftlichen Tanz und zur Unterhaltung spielte. Währenddessen gingen beständig Diener mit mit Getränken und kleinen Speisen beladenen Tabletts durch die Menge, sodass die Gäste gut versorgt waren. Auf phönizischer Seite ließ sich dabei vor allem die Kronprinzessin nicht zweimal bitten, zum Glas zu greifen, und schon bald saß sie mit dem ähnlich gesinnten, wenn auch älteren, Antonius zusammen an einem kleinen Tisch am Rande des Saales zum geselligen Trunk und Gespräch.
Milton, als einziger männlicher Angehöriger der Königsfamilie, übernahm es indes, die Kaiserin von Troja zum Tanz zu bitten.
Dany wusste nicht viel von Milton, aber Varis konnte ihr immerhin noch das ein oder andere Detail aus dem Leben des reichsten Mannes von Phönizien erzählen. So wusste sie, dass er als ein entschlossener und draufgängerischer Typ galt, in den ein oder anderen Skandal verwickelt war und es immer wieder schaffte, aus allem gestärkt hervorzugehen. Manch einer in Phönizien würde ihn wohl trotz seiner bisweilen charmanten Art als skrupellos bezeichnen. Nun war er als Außenminister quasi einer der engsten Berater von Königin Juliett und somit umso mehr ein Mann, mit dem man rechnen musste. Jedenfalls wäre es vorteilhaft, ihn auf ihrer Seite zu wissen und so zeigte sich auch die Kaiserin von ihrer charmantesten Seite. Milton jedenfalls schien das selbe von ihr zu denken und tat es ihr gleich. Auch war er zu ihrem Glück ein formidabler Tänzer, womit es ihr leicht fiel, ihm dafür Komplimente zu machen...
"Wie ich gehört habe, seid Ihr ein großer Fan von Wagenrennen? Nun in dem Fall dürfte es euch in Troja oder auch Rom gefallen. Mit dem Cirkus Maximus und dem Apollon-Ring haben wir die wohl die größten Wagenarenen der Welt. Sofern Ihr uns nicht mit eurem Bau übertrumpfen wollt."
Sie lächelte ihn an und fühlte sogleich wie es für den Tanz erforderlich war seine Hand um ihre Hüfte. Sie hoffte dabei nur, dass Memnon gerade in eine andere Richtung schaute.
Milton lachte leise. "Keine Sorge, werte Kaiserin", sagte er auf Hochvalyrisch, welches er im Gegensatz zur Königin, wenn auch mit Akzent, sprach und daher nicht auf die Übersetzungen von Medeia, einer Dienerin von Daenerys, angewiesen war. "Ich habe nicht den Ehrgeiz, es mit den legendären Arenen von Rom und Troja aufzunehmen. Aber bislang finden die Wagenrennen in unserem Lande lediglich auf dafür abgesperrten Weiden statt. Ein angemessener Veranstaltungsort ist daher schon lange überfällig."
Während des Tanzes sah Milton seine Nichte und Antonius am Rande des Saales sitzen und nahm sich vor, die beiden im Auge zu behalten. Milton und die Kaiserin unterhielten sich noch über weitere kulturelle Besonderheiten ihrer beiden Länder und nach drei Musikstücken beendete er schließlich den Tanz mit Daenerys, verneigte sich vor ihr und küsste ihren Handrücken.
"Eure Majestät, es war mir eine Freude."
Als Milton die Kaiserin verließ, bot sich ihr stattdessen Emma zum Gespräch an, die aber im Gegensatz zu ihrem Bruder auf Medeias Dienste angewiesen war.
Die Abendveranstaltung ging noch einige Stunden, doch schon einige Zeit vorher verschwanden, von allen unbemerkt, Cathryn und Antonius. Oder von fast allen unbemerkt, denn Milton war nicht entgangen, wie sich die beiden fortschlichen und so folgte er den beiden unauffällig bis zu Cathryns Schlafgemach.
Mädchen, Mädchen, dachte er. Wenn das deine Schwester wüsste...
Von Milton würde die Königin sicher nichts erfahren, denn er gönnte seiner Nichte das kleine Techtelmechtel und vor allem war Milton sicher vieles, aber nicht prüde. Und, dachte er auf dem Rückweg zum Thronsaal: wer weiß, wann diese Information über den guten Antonius noch nützlich wird.
"John, da bist du ja", wurde er gleich von seiner Schwester empfangen. "Wo warst du denn?"
"Nur etwas frische Luft schnappen, Schwesterherz", meine Milton. "Und dabei den Vögeln lauschen."
Am nächsten Morgen nahmen Kaiserin Daenerys und Königin Juliett zusammen mit Raleigh, Emma, Milton, Kriegsminister South Ridge, Memnon, Baelish, Antonius, Botschafter Priscus sowie Flottenadmiral Seneca das Frühstück in weniger offizieller Atmosphäre im durchaus geräumigen königlichen Arbeitszimmer ein. Zu diesem Zweck wurde die gemütliche Sitzecke um einen weiteren Kaffeetisch und ein paar weitere Sessel erweitert, um allen Platz zu bieten. Juliett nahm sich dabei entgegen des Drängens ihrer Mutter die Freiheit, in Hosen und Bluse zu erscheinen.
"Guten Morgen, Eure Majestät, Mylords und -lady!", begrüßte Juliett ihre Gäste. "Ich bin sicher, der letzte Abend steckt allen noch etwas in den Knochen, daher dachte ich, es täte uns allen gut, das Frühstück in dieser gemütlichen Atmosphäre einzunehmen." Glücklicherweise war sie nach ihrer Erfahrung vom Neujahrstag dieses Mal weiser und hatte am Vorabend entsprechend wenig getrunken. "Auf dem Tisch stehen Tee und Kaffee und James wird gern unsere Frühstückswünsche entgegennehmen."
Juliett selbst bestellte bei besagtem Butler ein Full Phoenician Breakfast und wartete bis alle anderen ebenfalls etwas bestellt hatten.
Es war durchaus ein schöner und auch unterhaltsamer Abend und auf seine Art und Weise empfand Dany auch den phönizischen Außenminister als eine interessante und ebenfalls unterhaltsame Persönlichkeit. Dennoch über den Weg trauen würde sie ihm nicht, so viel war sicher. Ich bin jung und nicht dumm. Jedenfalls ging es nicht all ihren Begleitern am nächsten Morgen so gut wie ihr. Antonius schien einen ziemlichen Kater zu haben, aber das kannte sie von ihm zur Genüge, weshalb sich ihr Mitgefühl auch stark in Grenzen hielt. Zumindest hat er sich gestern benommen und uns nicht blamiert. Er war sogar recht unauffällig, fast so als wäre er gar nicht auf dem Ball zugegen gewesen. Selbst Memnon schaute nicht so glücklich drein, als hätte ihr sonst so disziplinierter Bär zu tief ins Weinglas geschaut. Das war einer der Momente, wo sie froh war, als stillende Mutter nicht trinken zu dürfen.
Nur als sie Juliett im zum Frühstückssaal umfunktionierten königlichen Arbeitszimmer wieder begegnete, ärgerte sich Dany leicht. Na da hätte ich mir auch etwas bequemeres anziehen können, dachte sich die trojanische Kaiserin in ihrem weinroten, mit Silberstickereien verzierten Kleid und den etwas zu hohen Schuhen. Nunja jetzt ist es zu spät.
"Ihr seid eine gute Gastgeberin, Königin Juliett. In der Tat fühle ich mich ausgeruht, aber dem ein oder anderen meiner Begleiter steckt der gestrige Abend wirklich noch etwas in den Knochen." Dabei sah sie Antonius und Memnon kurz an. Diesen Seitenhieb hatten sich die beiden wirklich redlich verdient.
Zum Glück sind Troilos und Prometheus zu Hause. Naja nicht ganz, letzterer befand sich auf einer diplomatischen Mission nach Ithaka, um nach Tysites auch den dortigen Regenten Achilles für ihre Reformvorhaben zu gewinnen. Mit den zwei mächtigsten Fürsten des Reiches hinter sich dürfte es keinen allzu großen Widerstand mehr dagegen geben. Nun war Achilles nicht wirklich der Fürst von Ithaka und Mykene, aber Odysseus hatte ihm in seinem Testament die Regentschaft über seine Ländereien übertragen, bis sein leiblicher Sohn Telemachos alt genug war.
"Full Phoenician Breakfast – das hört sich interessant an. Ich nehme das gleiche wie Ihre königliche Majestät."
Wie zuvor übersetzte Medeia wieder für sie. Die kleine Übersetzerin wollte unbedingt mal mit auf eine Auslandsreise und hatte nun auch einiges zu tun, wenn gleich ihr das Übersetzen Spaß zu machen schien.
"Ihr sagtet gestern zu recht, dass wir viel zu besprechen haben", begann Juliett dann. "und ich denke, jetzt ist dafür die rechte Zeit. Deshalb habe ich das Frühstück auch hier einberaumt, wo wir ungestört sind.
Das größte Thema dürfte dabei wohl der bedauerliche Konflikt zwischen Eurem Reich und unserem Nachbarn Flores sein. Wie Euch sicher bekannt ist, sind die Streitpunkte Folter und Todesstrafe in meinem Königreich ebenso wie in Flores verboten, da wir beides für moralisch nicht vertretbar halten. Jedoch ist Phönizien der Ansicht, dass ein Staat die Verantwortung über Wohlergehen und Leben der eigenen Bevölkerung hat, nicht jedoch über das anderer Völker. Aus diesem Grund beunruhigt mich das aggressive Vorgehen Flores' in diesem Fall außerordentlich. Leider haben sie auch wiederholte Verhandlungsangebote unsererseits von vornherein abgewiesen, weswegen ich leider außer der vermehrten Lieferung phönizischer Waren an Troja, um die ausbleibenden floresischen etwas auszugleichen, so unmittelbar leider keinen Weg sehe, wie Phönizien diese auch für uns unangenehme Situation beheben helfen kann."
"Ihr solltet Eure bisherige Rolle nicht klein reden, denn Ihr habt schon mehr zur Entspannung beigetragen, als Ihr glaubt. Ich schätze Euch als eine ehrliche Person ein und deshalb will ich offen sein. Auch wenn Ratsherr Baelisch mir sicher davon abrät." Sie schaute zu dem soeben genannten, dessen Augen ihr verrieten, dass er dies wirklich gerne tun würde. "Flores hatte zwar die Beschränkungen wieder aufgehoben, aber es war immer noch nicht genug. Ohne die zusätzlichen Lieferungen aus dem Ausland, darunter auch Phönizien, hätte ich keine andere Wahl gehabt, als in Flores einzumarschieren und so die nötigen Nahrungslieferungen zu erzwingen. Versteht Ihr, Ihr hattet sehr wohl Euren Anteil, mir eine Alternative zu diesem mir ebenfalls unliebsamen Schritt zu bieten. Nichtsdestotrotz ist die Lage zwischen uns und Flores noch so ziemlich angespannt und der Ältestenrat zeigt sich leider stur.
Troja ist Euch dafür und auch für Eure anderen Bemühungen überaus dankbar und ich kann Euch versichern, sofern es zur keiner dramatischen Verschlechterung der Situation kommt, wird es von meiner Seite aus keinen Krieg geben. Troja setzt jetzt viel eher darauf, seine eigene Landwirtschaft aufzubauen und zu modernisieren, um so die künftige Abhängigkeit zu vermindern. Wenn dieser Schritt erst vollbracht wurde, hat dann Flores das Nachsehen.
Aber leider ist Flores ja nicht der einzige Nachbar, der uns Kopfzerbrechen bereitet. Ihr habt sicher auch Nachricht aus Feron erhalten oder?"
Juliett nickte. "Ja. Es scheint als ginge es mit Gorblinsch zu ende. Duke Raleigh weiß aber mehr über diese Angelegenheit. Mylord?"
"Hoffen wir es, Eure Majestät", übernahm Raleigh das Wort. "Aber vorher könnte Tarjak uns noch einmal gefährlich werden. Die Berichte von der Armee, die er bei seiner Hauptstadt sammelt, sind beunruhigend, bieten aber auch mehrere Möglichkeiten.
Die erste wäre, Tarjaks Plan auffliegen zu lassen und ihn so von einem Angriff abzubringen. Die Gefahr wäre abgewendet und Leben würden geschont. Ich weiß, dass Ihr dieses Vorgehen bevorzugen würdet, Eure Majestät," Juliett nickte zustimmend. "dennoch glaube ich nicht, dass es unsere beste Option ist. Mir scheint ein Sieg über die Gorblinsche Armee auf dem Schlachtfeld erstrebenswerter. Mylord South Ridge?"
Nun übernahm der phönizische Kriegsminister das Wort. "Eure Majestäten, Mylords, Mylady, den Plan des Feindes im Voraus zu kennen ist der feuchte Traum eines jeden Feldherren, denn ein aufgedeckter Plan ist stets zum Nachteil dessen, der ihn gefasst hat. Tarjak hat vor, die Flotte unserer trojanischen Freunde zu umgehen und uns in einem abgelegenen Teil von South Ridge anzugreifen. Das zu wissen, gibt uns die Möglichkeit, ihm eine Falle zu stellen, indem wir seine Armee bei der Landung angreifen, wenn sie am verwundbarsten ist. Um Tarjak aber in Sicherheit zu wiegen, darf die trojanische Flotte ihr Patroullienverhalten aber nicht ändern und kann unsere Armee daher kaum unterstützen. Gleichzeitig brauchen wir jedoch zur Erringung eines möglichst vernichtenden Sieges selbst eine möglichst schlagkräftige Streitmacht, nicht zuletzt um unsere Verluste so gering wie möglich zu halten. Idealerweise können wir die Goloren wieder zurück ins Meer und direkt in die Arme der dann herbeigerufenen trojanischen Flotte treiben."
General Antonius rieb sich die Schläfe, als wolle er die Auswirkungen des gestrigen Abends so abmildern.
"Das ist wirklich ein ausgezeichneter Plan. Ich hatte nie besonders viel übrig für die Goloren und stelle mich deshalb für dieses Gefecht zur Verfügung."
Nun richtete er sich an seiner Kaiserin: "Euer Gnaden, wir könnten aus Odysseia problemlos eine Brigade mit 5000 Soldaten zur Verstärkung hier her verlegen."
Dany sah jedenfalls auch die großen Erfolgschancen dieses Planes, aber dennoch behagte ihr das soeben vorgeschlagene ganz und gar nicht. Denn sie wollte den Krieg möglichst vermeiden und nicht die Goloren ins offene Messer laufen lassen. "Premier Raleigh, in der Tat man könnte meinen, Ihr stammt von dem großen Caesar ab. Ich teile Eure Ansicht insofern, dass solch ein Vorgehen zwangsläufig zum Erfolg führt. Aber dennoch scheint Eure Königin Bedenken dagegen zu haben und ich teile jene. Wir würden nichts anderes tun, als durch Untätigkeit einen Krieg ausbrechen zu lassen, den wir mit einer Bekanntgabe von vornherein vermeiden könnten."
"Eure Majestäten haben beide anscheinend gemeinsam, dass ein sanftes Herz unter ihren Brüsten schlägt, aber bedenkt die Vorteile! Wir können Glorimantis langfristig als militärischen Machtfaktor ausschalten und dazu golorische Fischereigründe und Technologien zur Versorgung unserer eigenen Bevölkerung nutzen. Womit alle Sorgen vom Tisch wären." Baelisch schien also mit den Plänen des Herzogs zu sympathisieren.
"Eure Majestät, ich muss Euch leider insofern berichtigen, als dass unser Königreich sich seit seiner Gründung im Krieg mit Gorblinsch befindet, da mit Tarjak kein für beide Seiten zufriedenstellender Friede erreicht werden konnte", widersprach Raleigh der Kaiserin. "Wir haben lediglich einen, durch die Macht Eurer Flotte herbeigeführten, Waffenstillstand. Ich denke, dem wird auch meine Königin zustimmen."
Juliett nickte. "Das tu ich", bestätigte sie. "Des anhaltenden Krieges mit Gorblinsch ist sich jeder Phönizier bewusst. Mir gefällt aber der Gedanke an dieses vermeidbare Blutvergießen nicht."
"Leider, Eure Majestät, ist es aber eine Tatsache, dass Kriege letztlich nicht durch die Vermeidung von Schlachten gewonnen werden können", ermahnte Raleigh seine Königin. "Wenn wir Tarjaks Streitmacht aber entscheidend schlagen können, mag das ausreichen, um ihn zum Frieden zu bewegen. Und sollte es nicht ausreichen, sollte er ausreichend geschwächt sein, dass wir unsererseits Druck machen können. Wenn wir die Schlacht aber meiden, verbleiben wir in diesem ungewissen und gefährlichen Patt."
Diese Argumentation brachte Dany ins Grübeln. Natürlich war die Aussicht auf ein eigentlich vermeidbares Blutbad nicht gerade berauschend, aber was war die Alternative? Etwa einen jahrelangen Sitzkrieg führen, bis eine Seite unvorsichtig wird und dann...
Selbst ihre eigenen Berater waren von diesem Plan überzeugt, es gab ja auch keine andere Möglichkeit und wenn ja, so wollte Danys Verstand nicht drauf kommen. "Ihr kennt meine Bedenken, aber es ist wirklich eine Frage nach dem kleineren Übel. Jetzt ein vermeidbares Blutbad eingehen oder jahrelang sich zu belauern, um dann zu einem späteren Zeitpunkt..."
Unterdessen betrat James den Raum wieder und brachte auf einem kleinen Wagen die ersten Speisen, wobei er den beiden Herrscherinnen natürlich zuerst auftischte. Beiden stellte er je ein Glas frischen Apfelsaft sowie eine Schüssel Frühstücksflocken mit Milch hin. Nachdem er auch die restlichen Speisen serviert hatte, reichte er Juliett noch eine offenbar wichtige Notiz und verließ den Raum dann wieder so unauffällig wie möglich.
Als die Königin die Notiz durchlas wechselte ihr Gesichtsausdruck recht zügig von neugierig zu entgeistert. Nachdem sie die Nachricht zweimal durchgelesen hatte, fasste sie tonlos zusammen: "König Garon von Feron hat soeben die Öffentlichkeit über einen golorischen Angriffsplan auf unser Königreich informiert."
"Damit erübrigt sich wohl diese Diskussion", kommentierte ihre Mutter Emma in ihrer üblichen trockenen Art.
"Ich zieh diesem Köterkönig das Fell über die Ohren!", fluchte South Ridge.
"Und ich spendier dir das Kürschnermesser dazu", knurrte Milton mit zusammengekniffenen Zähnen.
"Entschuldigung!", sagten beide unisono nach den mahnenden Blicken von Juliett und Raleigh.
Nachdem sie sicher war, dass beide sich wieder angemessen benahmen, fragte Juliett: "Und nun?"
"Nun ist Tarjak erst einmal diplomatisch blamiert, aber ich bezweifle, dass ihn das sonderlich stören wird", meinte Raleigh bevor er in nachdenkliches Schweigen verfiel.
"Auf jeden Fall dürfte sich die Diskussion erledigt haben. Ich glaube selbst Tarjak ist nicht dumm genug unter diesen Umständen anzugreifen. Zumindest nicht nach seinem nun öffentlich bekannten Plan."
Dany wusste nicht so recht, ob sie betrübt oder vielleicht sogar froh darüber sein sollte. Immerhin mussten sie jetzt keine Entscheidung fällen, an deren Ende Blut an ihren Händen klebte.
Baelisch jedenfalls hatte wie so oft eine Idee. "Nein, ich glaube auch nicht, dass Tarjak jetzt angreift. Aber er wird es später versuchen und dieses offenkundige Wissen sollten wir uns zu Nutze machen. Breitet seine Pläne wieder und wieder vor den Regierungen der Welt aus und gewinnt ihre Unterstützung für eine Strafexpedition gegen Glorimantis unsererseits."
"Ihr wollt in Glorimantis einmarschieren?" Während Dany ihn zweifelnd anschaute, konnte niemandem das zeitgleiche Glitzern in Antonius Augen entgehen. Er hasste die Goloren und hielt sich mit seiner Meinung auch nicht zurück. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Troja sie schon längst unterworfen und zurück ins Meer getrieben. Nun sah er wohl die Chance dazu gekommen.
"Ein Einmarsch? Wie sollten wir Gelar einnehmen. Ihre Landkolonien sind hingegen greifbar reich und, wenn das Groß der golorischen Armee in Gelar steht, nicht stark geschützt. Eure Majestäten müssen nur ihr Einverständnis geben und wir können uns die Filetstücke aus dem golorischen Reich herausschneiden und ihnen auf lange Sicht die Stärke für einen Angriff auf Phönizien oder Odysseia nehmen.“
"Letzteres entspricht einem seit längeren ausgearbeiteten Plan unserer Generalität", antwortete South Ridge, dem man immer noch ein wenig seinen Ärger über die feronische Indiskretion anhörte. "Dieser sieht vor die Lupine Isles, so nennen wir die golorische Inselgruppe nördlich von Odysseia, in einer vereinten Operation zu besetzen. Dafür bräuchten wir die Feuer- und vor allem Luftunterstützung durch die eure Flotte, während phönizische Truppen das Risiko eingehen würden, die Inseln selbst zu besetzen.
Der Verlust der gut ausgebauten Lupine Isles wäre ein herber Schlag für Tarjak und würde ihm einiges an Kapazitäten zur Kriegsführung nehmen. Nicht zu schweigen von dem Gewinn für unsere Seite. Und wenn das allein nicht reicht, könnten von dieser Basis aus Operationen gegen die golorischen Gebiete nördlich von Feron durchgeführt werden, bis Tarjak kapituliert."
"Vielleicht bietet sich uns jetzt aber auch ein anderer Weg", meinte Raleigh noch immer nachdenklich.
"Mylord?", fragte South Ridge.
"Ich denke, Lord Baelischs Vorschlag hat etwas für sich. Tarjaks Pleite können wir ihm noch lange unter die Nase reiben. Gleichzeitig jedoch sollten wir vielleicht gewisse Geheimoperationen in Gorblinsch durchführen, mit dem Zweck, die dortige Unruhe, die offenbar bereits vorhanden ist, weiterhin anzustacheln. Wenn alles gut geht, könnte sich das Reich von Gorblinsch auflösen oder durch ein uns freundlicheres Regime ersetzt werden, ohne dass wir auch nur einen Schuss abgeben müssen."
"Sagtet Ihr mir nicht eben noch, dass Kriege ohne Schlachten nicht gewonnen werden können?", fragte Juliett.
Raleigh zuckte mit den Schultern und meinte: "Ausnahmen bestätigen die Regel."
Er wollte gerade etwas nachsetzen als Julietts Butler den Raum wieder betrat, und die leeren Teller abzuräumen. Vor Daenerys und seiner Herrin stellte er den Hauptgang des Full Breakfast ab: Einen reichgefüllten Teller mit gebratenem Speck, gebratenen Würstchen, einem Spiegelei, gebackenen Bohnen und gebratenen Champignons.
Bevor er den Raum verließ, legte er wieder eine Nachricht auf den Tisch. Dieses Mal vor Kaiserin Daenerys.
"Ob unsere Flotte euch dafür zur Verfügung steht obliegt alleine der Kaiserin, aber Tarjak hat mit seinen jüngsten Handlungen die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise gezeigt. Jedoch nichts überstürzen. Wie gesagt sollten wir dies vorher propagandistisch ausschlachten und dann gegen Tarjak vergehen. Achja, für Geheimoperationen ist Ratsherr Varis der richtige Mann. Leider verweilt unser Eunuchenwunder in Troja, aber wir könnten ihn instruieren."
Noch während Baelisch sprach, stellte James das Frühstück vor ihren Majestäten ab und reichte dieses Mal Kaiserin Daenerys einen Zettel. Nicht ohne eine mitleidsbekundende Mine zu machen. Was für ein Frühstück! In Troja pflegte zumindest sie leichter zu frühstücken. Viel Obst, eingelegte Oliven, Schafskäse mit Fladenbrot, Salate mit hauchdünnen mageren Schinken, Thunfisch, Kaviar und Lachs, diversen Kräutern etc., obwohl ungewohnt sah das vor ihr ausgebreitete nicht schlecht aus. Vielleicht etwas deftig, aber nicht schlecht.
Nun las sie den Zettel und ihr Gesichtsausdruck versteinerte sich mit jedem Wort. Wieder und wieder überflogen ihre Augen die Zeilen, ihr Verstand ungläubig in Bezug auf das, was ihre Augen sahen. Alle Anwesenden richteten ihre Blicke zu Daenerys. Juliett fragte sie, was vorgefallen sei.
"Sarapion von Byzanz, mein Schwiegervater. Er ist verstorben...", brachte sie mehr mit sich selbst beschäftigt hervor. Das war nun ein Schock, denn sie hielt ihn nicht für so gesundheitlich angeschlagen und dachte, dass er noch lange leben würde, und dann hatte er nicht einmal die Gelegenheit seine Enkeltochter kennenzulernen.
Juliett schloss die Augen und schluckte. Dann nahm sie die Daenerys Hand und sagte mit mitleidvoller Stimme: "Es tut mir sehr leid."
Auch die anderen Anwesenden bekundeten ihr Beileid und Raleigh meinte im Anschluss: "Ich denke, wir lassen Ihrer Majestät besser ein wenig Ruhe und setzen uns zu späterer Stunde erneut zusammen."
Juliett nickte zustimmend.
Dany brauchte einen Moment, ehe sie realisierte, dass Raleigh gerade mit ihr sprach. Prometheus, wie wird er diese Nachricht aufgenommen haben?
Normalerweise wollte sie nicht verletzlich oder schwach wirken, aber in diesem Fall war es ihr zumindest für den Moment egal. "Ja, das wäre vielleicht das beste. Etwas Ruhe im Moment..."
In ihren Händen hielt sie noch immer den Zettel, auf dem die unglückselige Botschaft steht.
Alle erhoben sich und verließen schweigend den Raum. Nur Juliett blieb mit Daenerys zurück, um der Trauernden etwas Trost zu spenden. Der Moment brachte Erinnerungen an den Tod ihres Vaters zurück. Unmittelbar danach hatte sie selbst kaum Zeit zum Trauern gehabt und war für jede Pause dankbar.
Sie räusperte sich leise, um den Kloß aus ihrer Kehle freizubekommen. "Ich hatte mit Sarapion leider nur einen kurzen Briefwechsel und kannte ihn leider nicht besonders. Wie war er denn so?"
"Er war ein Ehrenmann. Als damals die Ajin uns angriffen war Byzanz ursprünglich mit ihnen verbündet, aber aufgrund der ajinischen Kriegsverbrechen in Troja und Argos wechselte Byzanz die Seiten und unterstützte uns. Mit ihrer Hilfe gelang es uns, die Republik zurückzudrängen. Auch danach erwies er sich stets als zuverlässig. Die Idee zu meiner Hochzeit mit Prometheus stammte von ihm und Troilos. Weder ich noch mein Gemahl waren zunächst begeistert davon, bis wir uns selber kennenlernten. Damals war spürbar, dass das Vater-Sohn-Verhältnis nicht das beste war. Sie liebten sich schon, aber ihre Ansichten gingen zu weit auseinander. Dennoch glaube ich wird es meinen Mann schwer treffen, vom Tod seines Vaters zu hören.
Als wir ihn noch vor Rhaenys' Geburt in Konstantinopel besuchten, nun er war leicht angeschlagen aufgrund dieses Gas-Unfalls im Palast. Aber nie hätte ich damals gedacht ihn zum letzten Mal zu sehen. Nun ist es..."
Dany war traurig, ihr Herz fühlte sich schwer in ihrer Brust an und sie wollte heulen. Wann hatte sie zum letzten Mal ausgiebig Tränen vergossen? Aber diese Blöße wollte sie sich doch nicht geben, obwohl sie Juliett als vertrauenswürdig einstufte.
Juliett ergriff noch einmal Daenerys Hände und sah ihr in die Augen. "Das Leben lässt uns leider viel zu selten die Gelegenheit, uns von unseren Liebsten so zu verabschieden, wie wir es gerne würden, und egal wann sie von uns gehen, es scheint immer zu früh. Aber mir scheint Sarapion hatte ein gutes Leben geführt und viel erreicht. Ich bin mir sicher, er konnte in dem Wissen zu Gott gehen, dass er seiner Familie und seinem Volk würdiges Erbe hinterlassen und die Welt nach seinen Möglichkeiten zu einer besseren gemacht hat."
Die beiden saßen noch einige Zeit beisammen und redeten oder schwiegen zusammen, bevor Juliett letztlich James aussandte, um die zuvor Versammelten wieder herbeizuholen.
Ihre Gastgeberin tat alles, damit sie sich wieder besser fühlte, und obwohl die Nachricht sie noch mitnahm, wollte auch Daenerys die Gesprächsrunde wieder fortsetzen. "Es ist immer schwer, da habt Ihr Recht. Nun denn, ich denke auch wir sollten die Gesprächsrunde wieder aufnehmen. Mir geht es soweit wieder, es geht halt."
Nachdem die anderen wieder Platz genommen haben, nicht ohne noch einmal ihr Bedauern über den Verlust von Sarapion auszurichten, konnte es wieder weitergehen und es war ausgerechnet Dany, die das nächste Thema ansprach.
"Es wäre mir fast entfallen, aber sicher hätte in diesem Fall der gute Baelisch daran gedacht. Eure Majestät, wie wir hörten hat Flores euch ein Hilfsangebot unterbreitet. Ihr werdet verstehen, dass uns jegliche Hilfe von Flores für andere Nationen besorgt, gehen mit jenen doch oftmals politische Gegenleistungen einher. Selbstverständlich gedenke ich Euch nicht vorschreiben zu wollen, mit wem Ihr welche Abkommen trefft, und deshalb würde ich Euch gerne ein Gegenangebot unterbreiten. Troja kann sicher mit Flores Schritt halten. Also was haben Euch die Ältesten in Aussicht gestellt?"
"Ja, das haben sie. Lord Raleigh?", bat Juliett ihrem Premierminister zu übernehmen, da dieser darüber besser auf dem Laufenden war.
"Natürlich, Eure Majestät. Im Wesentlichen handelt es sich bei dem floresischen Angebot bislang um ein bedingungsloses Hilfsangebot zum Wiederaufbau unseres Landes, vor allem in Bereichen unserer technologische Infrastruktur. Eine Gesandtschaft des Königreichs ist zur Zeit in Flores, um die genaueren Bedingungen auszuarbeiten, aber wir hoffen auf Ingenieure, Baupläne sowie notwendigem Know-how vor allem zur Elektrifizierung des Landes sowie der Errichtung von modernerer Infrastruktur wie z.B. die offensichtlich fehlenden Flughäfen. Sofern keine Bedingungen durch Flores folgen, gehen wir davon aus, dass sie diese Hilfe leisten wollen, um für gute Beziehungen mit unserem Königreich zu sorgen und unsere Völker enger aneinander zu binden."
"Trotz der Krise zwischen Euch und Flores", übernahm Juliett wieder das Wort: "wäre eine solche Hilfe durch Flores für mein Königreich ungemein wertvoll. Zum einen um das Land voranzubringen und zum anderen, um die Beziehungen zu diesem direkten Nachbarn zu verbessern."
"Also alles ohne Gegenleistung? Das wundert mich ein wenig, sind die Ältesten in jüngster Vergangenheit nicht gerade sehr spendabel gewesen. Nun denn, vielleicht wollen sie Euch nur wirtschaftlich gegen die golorische Bedrohung unterstützen. Sollte es jedoch Anzeichen von weiteren Hintergedanken geben, so wäre ich Euch verbunden, wenn Ihr es mich wissen lasst.
Ratsherr Baelisch, Ihr habt gehört, was die Floreser anboten. Inwieweit kann Troja da mithalten?"
"Nun ich muss zugeben, was die Elektrizität angeht sind die Floreser uns voraus, aber den Bau von Autobahnen, Eisenbahnstrecken, Häfen und Flughäfen bekommen wir ebenfalls hin. Also wäre Troja in diesen Bereichen in der Lage, mehr als Flores zu bieten."
"Leider", antwortete Raleigh "wissen wir noch nichts genaues über die floresischen Wiederaufbauhilfen, weder über den Umfang noch über den Preis. Meine Äußerungen von eben sind soweit nur Mutmaßungen.
Allerdings freut es mich zu hören, dass auch Troja Phönizien gern beim Wiederaufbau unterstützen würde, und gern würden wir euch einbeziehen. Ich schlage daher vor, dass ich sowohl mit Flores als auch Euch Kontakt halte und versuche, daraus ein gemeinsames Projekt von Troja, Flores und Phönizien zu schmieden. Vielleicht würde ein solches auch helfen, die Differenzen zwischen euren Ländern etwas zu mindern.
Ich kann aber leider noch keine Aussagen treffen für den Fall, dass dieser Plan scheitert, denn, so leid es mir tut, wir können die angebotene Hand der Floreser nicht leichtfertig zurückweisen, Eure Majestät."
"Unsere ebenso wenig!", reagierte Konsul Antonius brüsk.
"Ich bitte Euch Konsul benehmt Euch, wir sind hier zu Gast." Er wollte noch etwas nachlegen, aber auf Geheiß seiner Kaiserin hielt er sich zurück. Nicht ohne etwas belämmert dreinzuschauen.
"Verzeiht meinem Begleiter. Er war schon immer eher Soldat als Politiker, aber er hat den Senat von Rom für mich unter Kontrolle.
Ihr könnt es versuchen. Diese Streitigkeiten wurden nicht von Troja begonnen und von unserer Seite besteht kein Interesse daran, sie aufrechtzuerhalten. Wenn der Ältestenrat wieder etwas Vernunft zeigt, so wäre mir das willkommen. Jedoch hege ich ernsthafte Zweifel, dass er dazu noch fähig ist."
"Ich denke, wir sollten die Hoffnung darauf nicht aufgeben", meinte Juliett und wurde dann von ihrem Onkel unterbrochen. "Entschuldigt, Eure Majestät, wenn ich dürfte?" Juliett schaute kurz irritiert, nickte dann aber.
"Eure Majestät", sprach Milton nun zu Daenerys: "Ich denke, ich gehe recht in der Annahme, dass Euch durchaus daran gelegen wäre, wenn Phönizien die floresische Hilfe komplett ausschlüge und bis auf weiteres keine tieferen Bindungen mit diesem Land einginge?"
Daenerys zögerte kurz, nickte dann aber, während Juliett und Raleigh ihren Außenminister fragend ansahen. Was in Gottes Namen hat er vor?
"Ihr versteht sicher, dass dies für Phönizien hieße, auf eine potentiell sehr gewinnbringende freundschaftliche Beziehung zu unserem Nachbarstaat zu verzichten. Dieses könnte Eure Aufbauhilfe für uns leider kaum kompensieren.
Wenn Ihr uns aber in der zuvor schon angesprochenen Angelegenheit der Lupine Isles behilflich sein könntet..."
Julietts Miene wirkte wie versteinert. Anscheinend wollte sie ihrem Onkel widersprechen, wagte es jedoch nicht. Raleigh dagegen schaute nachdenklich, während South Ridge immer aufmerksamer wurde.
"Was mir vorschwebt wäre folgendes:", fuhr Milton fort. "Phönizien weist floresische Hilfen zurück und geht bis auf weiteres keine weitergehenden Beziehungen mit dem Land ein. Im Gegenzug hilft Troja Phönizien an Flores statt mit dem Aufbau einer fortgeschrittenen verkehrstechnischen Infrastruktur und unterstützt weiterhin eine phönizische Militäroperation gegen die Lupine Isles mit seiner Flotte sowie anschließend diplomatisch eine Annektion der Inseln durch Phönizien bei einem Friedensschluss mit Gorblinsch."
Auf die fragenden Blicke sowohl der Phönizier als auch der Trojaner hängte er an: "Ich weiß, das klingt nach viel, aber im Wesentlichen geht es nur um Feuerunterstützung durch die trojanische Flotte, während unsere Streitkräfte den eigentlichen Angriff durchführen. Und die anschließende Unterstützung auf diplomatischer Ebene mag im günstigen Falle gar nicht notwendig sein."
Was hat er gerade vorgeschlagen? Auf Danys Miene spiegelte sich etwas wie Fassungslosigkeit wieder und selbst ihr Ratsherr Baelisch schien (angenehm) überrascht zu sein. Wir sollen ihnen helfen, Land zu erobern? Es war eine Sache, sie gegen die Goloren zu verteidigen, aber Landraub...
Zum Glück für den weiteren Verlauf der Gespräche hatte Baelisch vor seiner Kaiserin eine Antwort parat. "Nun Euer Vorschlag ist recht gewagt, ich würde sogar sagen ziemlich dreist. Wir sollen Euch den Rücken freihalten, damit Ihr Glorimantis diese überaus wertvollen Inseln wegnehmen könnt?"
"Genau, wir dürften einen angemessenen Teil der Beute erwarten! Ohne uns klappt es nämlich nicht."
Antonius war deutlich direkter als Baelisch und spielte somit jenem weiter in die Hände. "Nun mein römischer Freund sprach ungeniert das aus, was ich auch denke..."
"Ratsherr, seid Euch bewusst, dass Ihr hier nicht in meinem Namen etwas aushandeln könnt, wovon ich nichts weiß! Ich kann Euch leider nicht in den Kopf reinschauen."
"Keine Sorge, meine teuerste Kaiserin. Nie würde ich mir dergleichen anmaßen. Es ist nur ein ergänzender Vorschlag zu dem, was uns Minister Milton gerade vorgetragen hat."
Er richtete sich wieder an jenen. "Nun, wenn meine Kaiserin darin einwilligt, profitiert vor allem Phönizien. Ihr erhaltet von uns Wirtschaftshilfe und noch dazu das Schmuckstück von Tarjaks Reich. Troja erhält dafür die Zusage, dass ihr fortan auf seiner Seite steht. Ich zweifle nicht an Euren ehrenwerten Absichten, aber ich kenne Euch kaum und von daher ist meine Meinung in dieser Frage nur von geringen Wert.
Ich sehe folgende Alternativen als akzeptabel an. Troja willigt ein und wir teilen die Inseln halbe/halbe oder wir überlassen euch tatsächlich die kostbare Frucht ganz für euch alleine und ihr tretet dem römischen Wirtschaftsbund bei. Dadurch würden wir indirekt auch etwas von eurem Gewinn haben und beide Wirtschaften würden voneinander profitieren. Was sagt ihr?"
Es hörte sich wirklich lohnenswert an, was er gerade vorschlug, aber dennoch sträubte sich etwas in Danys Innerem dagegen. Kann ich so einfach Verbündete kaufen?...
Juliett war reichlich entgeistert über den Vorstoß ihres Onkels, sowohl über die Dreistigkeit selbst als auch über die Skrupellosigkeit des vorgeschlagenen Geschäfts. Sie wollte gerade den Mund aufmachen und dem ganzen einen Riegel vorschieben als sie von Raleigh einen leichten Tritt gegen das Schienbein bekam. Das und sein kaum merkliches Kopfschütteln hielten sie davon ab, sodass sie sich stattdessen Mühe gab, eher aufmerksam als entgeistert dreinzuschauen und diesen Teil ihrem Premierminister und ihrem Onkel zu überlassen. Im Gegensatz zu Daenerys, war Juliett nur das Staatsoberhaupt ihres Landes, aber nicht das Regierungsoberhaupt, was sie im Augenblick zum ersten Mal wirklich bedauerte. Aber es wäre fatal, offen vor den Gästen eine größere Diskussion über den politischen Kurs des Landes zu beginnen.
Stattdessen nahm Raleigh nun das Wort an sich: "Vielleicht wäre auch ein Mittelweg zwischen beiden Alternativen möglich. Phönizien ist derzeit nicht daran gelegen, einem der entstehenden Wirtschaftsbündnisse beizutreten." Juliett konnte kaum glauben, dass ihr Premierminister einfach so auf Miltons Kurs einschwenkte, ließ sich aber möglichst nichts anmerken. "Gleichzeitig halte ich aber auch eine Teilung der Inseln für ungünstig, vor allem weil die dort lebende Bevölkerung eine kulturelle Einheit bildet. Was ich jedoch für denkbar halte, ist die Einnahmen der Insel für eine Dauer von fünf Jahren, standard nicht valyrisch, zu teilen. Das sollte Troja für die Aufbauhilfen an Phönizien, sowie den Einsatz seiner Flotte mehr als kompensieren, während der Besitz der Inseln Phönizien für die Stagnation der Beziehungen mit Flores entschädigt. Wäre das annehmbar?"
Dany blickte Juliett an und glaubte, eine gewisse Abneigung gegen das gerade Gesprochene zu entdecken. Ein Gefühl, welches sie durchaus teilte. Nun lag es wohl an ihr, zu bestimmen, ob es geschehen soll oder nicht. "Es hört sich wirklich alles überaus vorteilhaft an. Auch glaube ich, dass wir uns zwangsläufig mit Tarjak so oder so beschäftigen wollen, aber dabei dachte ich weniger an einen eigenen Angriff, um Land zu gewinnen..."
"Verzeiht mir, Euer Gnaden, aber Ihr habt selber Kriegszüge angeführt und dabei zahlreiche Länder und Städte erobert."
"Befreit, nicht erobert", warf Botschafter Priscus ein, der bisher kaum hörbar war. "Ihre Gnaden hat sie befreit. Zuvor galt vielerorts die Sklaverei."
Ja aber nicht auf diesen Inseln. Innerlich schüttelte Dany den Kopf.
"Wenn wir sowieso gegen sie kämpfen müssen, dann sollten wir auch den Zeitpunkt der Schlacht bestimmen." Antonius versuchte, dies von der pragmatischen Seite zu sehen, und irgendwie hatte er recht. Dany versank in ihrem Sessel und atmete schwer durch. "Für Troja liegt die Entscheidung bei mir und es gefällt mir nicht, aber wir müssen gegen Tarjak kämpfen. So oder so."
Hat sie damit gerade ihr okay gegeben oder war sie noch am Grübeln? Dies fragten sich wohl alle im Raum anwesenden.
"Ich verstehe Eure Bedenken, Eure Hoheit. Gewiss wäre dies ein unverzeihlicher Akt, wenn Tarjak nicht ein Tyrann wäre, der systematisch alle Nichtgoloren benachteiligen und verfolgen lässt. Diese Inseln ihm zu entreißen, mag es nach dem Internationalen Recht ein kleines Übel darstellen, so wäre es langfristig für alle am besten. Nicht nur für Troja und Phönizien, auch für die Völker von Glorimantis. Wenn Ihr Euer Okay gebt, dann müssen wir uns nur noch über die Konzessionen einig werden."
Es fiel ihr schwer, aber sie musste zugeben, dass was dran war. Ich habe keine Argumente mehr dagegen, außer mein Bauchgefühl. "Troja gibt grundsätzlich sein Einverständnis. Die genauen Details auszuhandeln überlasse ich Euch, Baelisch." Man hörte heraus, wie wenig glücklich sie mit dieser Entscheidung war.
"Ich bin froh, dass wir uns einig sind, Eure Majestät", meinte Milton. "Ich bin sicher, dass diese Vereinbarung unseren beiden Völkern nutzen wird.
Natürlich muss unser Abkommen geheim bleiben. Daher sollten außer den Anwesenden nur die davon erfahren, die es unbedingt wissen müssen. Der Weltöffentlichkeit müssen beide Schwerpunkte, Flores und Glorimantis, unabhängig voneinander verkauft werden. Aber ich denke, darum werden sich Lord Baelisch und ich kümmern."
Milton lächelte und nickte seinem Amtskollegen kollegial zu.
"Ich denke, damit wäre alles wichtige besprochen", beendete Juliett etwas tonlos das Gespräch. "Ich bin mir sicher, unsere Berater und Miniser haben noch allerlei zu besprechen. Wenn Ihr wünscht, Euer Majestät, habe ich für den Nachmittag eine Besichtigung von Gold Peak organisiert. Angesichts der tragischen Neuigkeiten, habe ich aber durchaus Verständnis, wenn Ihr stattdessen lieber Zeit für Euch haben wolltet."
"Das ist wirklich rücksichtsvoll von Euch, aber nein, ich habe später wohl genug Zeit für mich alleine. Jetzt wäre mir eine Besichtigung Eurer Hauptstadt ganz willkommen." Ich brauche eine Ablenkung von Sarapion und von dem heute Vereinbarten.
Für die Besichtigung der phönizischen Hauptstadt war das Wetter glücklicherweise schon besser als noch am Vortag und auch wenn die Temperaturen aufgrund des vorhergehenden Regens noch etwas frisch waren, so blieb dieser dieses Mal jedoch aus und es brach sogar hier und da die Sonne durch die Wolken. Wo sie auf die Gold Cliffs, das Gebirge, an dessem Rand Gold Peak lag, traf, schienen die Berge rötlich-golden zu glänzen, was der Metropole einen geradezu zauberhaften Hintergrund bescherte.
Juliett und Daenerys besuchten zusammen mit Königinmutter Emma, einigen Zofen der Kaiserin sowie den üblichen Leibwächtern die verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Stadt, angefangen mit dem King Robert Square, dem langgezogenen rechteckigen Platz direkt vor dem Palast, der von Straßen umringt in der Mitte aus einer schmuckvoll gepflasterten Fläche bestand, die von Bäumen und Statuen historischer Persönlichkeiten Phöniziens gesäumt wurde und in dessen Zentrum ein prunkvoller Springbrunnen stand, auf dem seit dem 24. Dezember 20 Kepler ein Bildnis von King Robert I. the Uncrowned thronte. Wie Juliett und Emma der Kaiserin erzählten, waren sie zuerst wenig begeistert, ihren verstorbenen Vater und Ehemann als Statue direkt vor der Haustür stehen zu haben, doch hatten sie sich letztlich dem Wunsch des Parlaments und der Stadtbevölkerung gefügt und sich mittlerweile daran gewöhnt. Das Schlimmste daran sei aber, so Juliett, dass ihr Vater immer weniger als der Mensch, der er war, in Erinnerung blieb, sondern als die Legende, zu der er nach seinem Tod wurde.
Weiterhin besuchten die Frauen die St.-Cuthberts-Cathedral, das größte Gotteshaus der Stadt, sowie das Nationaltheater, welches noch immer als Parlament diente. Zum Ende schritten sie die Uferpromenade am River Phoenix ab, die mit ihren Restaurants, Boutiquen und zahlreichen anderen Läden vor allem im Sommer stets gut besucht war. Hier am Ufer des Phönix befand sich auch das neue Parlamentsgebäude im Bau.
Während des Stadtrundgangs kamen die beiden Monarchinnen auch überein, dass die Kaiserin wegen des Todes ihres Schwiegervaters den Staatsbesuch vorzeitig abbrechen und nach Byzanz zur Beerdigung des verstorbenen Königs reisen würde. So kam es, dass Daenerys ihren ersten Staatsbesuch im Königreich am Phönix schon nach einem Tag beendete und noch am Abend wieder an Bord der Balerion ging.