Prolog
02. Februar 868
Der kalte Wind ließ ihn erschaudern. Nicht weil er die Kälte nicht gewohnt war. Sein ganzes Leben hatte er auf dieser einsamen Farm knapp außerhalb des schwedischen Ortes Rogaland verbracht, die Hälfte davon auf den Feldern. Ihm konnte Kälte eigentlich nichts anhaben und an einem normalen Wintertag hatte er keine Angst vor die Tür zu gehen. Doch dieser Tag ist anders. Es ist nicht nur die Kälte die ihn erschauern lässt, sondern die Verbindung von Kälte mit etwas noch eisigerem. Aus der schlichten Holzhütte hinter sich konnte er noch immer das Schluchtzen seiner Mutter hören. Vor nur wenigen Minuten war sein Vater nach einer langen Krankheit gestorben. Er hat lange wacker an seinem Leben fest gehalten, doch der kalte Winter hat seinen Willen letztlich gebrochen und sein Opfer an diesem kalten Februartag gefordert. Doch was den jungen Skandinavier nun beschäftigte war nicht der Tod seines Vater, denn der war schon lange abzusehen gewesen, sondern eher die letzten Stunden vor dem Tod. Sein Vater hatte tatsächlich gewagt auf eine Aufnahme in Valhalle zu hoffen! Verärgert spuckt der junge Mann aus. In seinen jungen Jahren ist sein Vater oftmals auf Raubzüge gegangen, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Er konzentrierte sich auf die Erziehung seiner zwei Söhne und auf seine kleine Farm. Jahr für Jahr drängte er seinen Vater dazu zu handeln, er drängt ihn dazu nach England zu fahren und Gold und Silber zu erbeuten, doch Jahr für Jahr ignorierte sein Vater seine Bitte und Jahr für Jahr musste der junge Mann mit ansehen, wie die zurückkehrenden Wikinger ihre Schätze durch Rogaland trugen. Selbst als er alt genug war um selber auf die Reise zu gehen verweigerte ihm sein Vater diese Ehre und auch die Krieger der Umgebung lehnten ihn ab, denn sie respektierten die Entscheidung seines Vaters. Sein Bruder war seinem Vater ähnlich. Er war zufrieden mit dem Leben auf dem Feld und er war zufrieden mit dem Leben ohne Blut und Ehre. Schwächlinge, alle beide. Der junge Mann wusste immer, dass er zu größerem bestimmt war. Ihn zog es nun schon seit Jahren nach England und nachdem sein Vater nun gestorben ist sah er seine Zeit gekommen. In seiner Hand hält er einen kleinen Sack mit Gold, sein Anteil am Erbe seines Vaters. An seinem Gürtel hängt eine rostige Axt, die er zu seinem Verdruss nicht an Menschen sondern an Bäumen einsetzen musste. Doch nun sollte das alles vorbei sein. Die Fesseln, die sein Vater ihm angelegt hatte, sind gebrochen und er ist nun frei zu tun was ihm in den Sinn kam. Er wirft einen letzten verächtlichen Blick auf das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Zorn kocht in ihm auf. Zorn auf seinen Vater, der ihm Ehre und Reichtum verwehrt hat, Zorn auf seinen Bruder, der ihn immer wieder von dem Leben als Bauer überzeugen wollte und Zorn auf seine Mutter, die sich nie für ihn eingesetzt hatte. In dieser Sekunde entschloss er sich, nie wieder zu diesem Haus zurück zu kehren. "Wenn das Schicksal mir hold ist wird mir dieses Haus nie wieder unter die Augen kommen", sagt er in sich herein.
"Die Welt soll Knut Ragnarssons Zorn kennen lernen".
Achtung Spoiler: