In dem Kapitel steckt sehr viel drin.
Wer ist der Größte: Jesus stelt hier in Kind in die Mitte, an dem soll beispielhaft der Glaube erläutert werden. Er spricht damit das große Vertrauen an, das Kinder zu ihren Eltern haben - so sollen Menschen Glauben und Vertrauen haben in Bezug auf Gott.
Wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, ärgert: Das "σκανδαλίσῃ" = "ärgern" ist wieder blöd übersetzt von Menge. Je öfter ich sowas lese, desto weniger gefällt mir seine Übersetzung. Mein Wörterbuch gibt für "skandalizo" (Daher kommt unser "Skandal") folgende Übersetzungen an: "Verführen (Zur Sünde, zum Abfall vom Glauben, zu Fall bringen, Anstoß erregen, ärgern" - Es geht im Kontext aber nicht darum, dass mal ein Kind geärgert wird. Sondern, dass ihm so zugesetzt wird, dass es vom Glauben abfällt. Jesus droht ja ne Strafe an: Es wäre für den Verursacher besser, er würde mit einem Mühlstein um den Halin Meer geworfen werden. - Implizit steht die Alternative im Raum, dass dieser Mensch vor Gottes Gericht treten muss - und da ist Meer halt besser. Es kann also nicht um irgendwelche Lappalien gehen. Früher erschien mir der Vers zu krass. Seitdem die Missbrauchsskandale in Kirchen und Gemeinden nach und nach aufgedeckt werden, kriege ich langsam ne Idee davon, was Jesus damit ansprechen wollte. Jedenfalls wird in unserem Gemeindeverband bei Präventionsschulung zur Verhinderung von sexuellem Missbrauch, dieser Vers in diesem Sinne zitiert.
Gemeinde: Jesus verwendet das Wort in Vers 17. Der Abschnitt ist bei liberalen Theologen umstritten, weil sie nicht davon ausgehen, dass Jesus die Kirche/Gemeinde = "ekklesia" gründen wollte, sondern dass er das Judentum reformieren wollte. Also sie denken, dass Jesus selbst diese Sätze deswegen nicht gesagt haben könne und dass sie ihm später in den Mund gelegt worden seien. Ich seh das anders, aber gut. Man nennt daher diese vierte der fünf Reden von Jesus im Matthäus-Evangelium auch Gemeinderede.
Hier ist ein Vorgang angesprochen, den man Gemeinde- oder Kirchenzucht nennt. https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenzucht Der Wikiartikel stellt eher die negativen Auswirkungen davon hervor. Letztlich muss eine Glaubensgemeinschaft ja irgendwann sagen: Wenn du sowas tust, fliegst du bei uns raus. Dies spricht Jesus dadurch an, dass der Übeltäter dreimal mit wachsenden Zeugenkreis zur Umkehr aufgefordert wird, danach soll er sein, wie ein Heide und Zöllner. Die lebten zwar in der israelitischen Gemeinschaft, wurden aber von allen gemieden. Man aß nicht mit ihnen zusammen und sie durften auch nicht in die Synagoge.
Dann das Gleichnis mit dem Schuldner. Der wird auf Lutherdeutsch Schalksknecht genannt. https://de.wikipedia.org/wiki/Schalksknecht
Jon hat ja schon gesagt, wie viel ungefähr die Summen einzuordnen sind. Gängig ist, dass ein Denar ein Tageslohn für einen ungelernten Arbeiter oder Tagelöhner war zu der Zeit. Mit Mindeslohn und 1 Denar pro Arbeitstag umgerechnet, entsprächen die 100 Denare heute grob 8.000€ - 10.000€. Das ist kein Pappenstiel, aber mit Stundung und Sparsamkeit hinzubekommen.
Jesus spricht hier an, wie wichtig es Gott ist, dass wir uns einander vergeben. Der Satz: "Dann wird euch euer Vater im Himmel nicht vergeben." ist wieder extrem radikal. Jesus lässt hier Menschen, die ihm nachfolgen wollen keinen Spielraum. In der Praxis ist es hier wichtig, zwischen Vergebung, Versöhnung und Vergessen zu differenzieren. Vergessen geht bei tiefen Verletzungen nicht und eine Versöhnung ist nur möglich, wenn der Übeltäter tätige Reue und Umkehr zeigt. Außerdem muss man beachten, dass Vergebung ein Prozess ist, der je länger dauert, desto größer die aufgeladene Schuld war und desto länger der Zeitraum war, in dem sie ausgeübt wurde. Manche Menschen wollen vergeben, können aber erst nach Jahren dazu durchdringen. Diese geforderte Vergebung kann für manche eines der schwersten Dinge am christlichen Glauben sein.