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You can check out any time you like, but you can never leave
Außerdem: Gott straft nicht sofort, aber doch (hoffentlich, irgendwann, und wenn's nach dem Tode ist, ...) und manchem Gerechten geht's dennoch schlecht [v. 10-14].
Und: Wissenschaft führt im besten Falle zu Erkenntnis, doch ergründen (einen Urgrund benennen) kann man den Lauf der Dinge nicht [v. 16-17].
Also der Kohelet/Prediger ist aus verschiedenen Gründen zäh:
- Hebräisches Denken und Argumentationsweise: Die argumentieren nicht linear sondern in Kreisen. Sie kommen immer wieder zu Punkten zurück und drehen dann die nächste Schleife, häufig wird noch ein weiterer Aspekt mit reingebracht und so entwickelt sich die Argumentation weiter. Das taucht in der Bibel öfter auf, auch teilweise im NT z.B. im Johannesbrief.
- Der Prediger argumentiert häufig aus einer atheistischen Betrachtungsweise heraus, was für die Bibel ja ungewöhnlich ist. (Er wird in Kapitel 11 und 12 diese Ansicht hart durchbrechen - wobei da eine Menge Theologen auch behaupten, dass es von einem anderen Autor ist.) Es lässt aber einen gläubigen Leser erst mal verwirrt zurück. Das Buch ist vielleicht deswegen auch eher unterbelichtet, wird wenig zitiert, gepredigt. Auch im NT kommt es selten vor - wenn überhaupt. Mir ist kein NT-Zitat des Kohelet bekannt.
- Der Tun-Ergehen-Zusammenhang wird heftig in Frage gestellt. Der begegnet uns aber bisher im gesamten AT (außer bei Hiob). "Tue Gutes und Gott tut dir Gutes. Tue Böses und dir wird Böses widerfahren." Der Prediger hingegen sagt: "Es ist eh alles egal, du wirst sterben."
- Die depressive und nihilistische Grundstimmung können schwer zu ertragen sein.
Wir haben das mal im Bibelkreis gelesen und die Leute waren am Ende auch nicht so begeistert. Man hatte das Gefühl, es ist immer die selbe depressive Leier.
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Ich finde den bisher richtig gut. Es geht halt um die echte Welt und echte Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten.
Und um die großen Fragen: warum werden nicht alle Verbrecher bestraft, warum gibt es schlechte Herrscher,... aber nicht gläubig-naiv sondern gläubig-realistisch (for lack of a better word). Für den Prediger steht ja die Existenz Gottes außer Frage und auch, dass er Gericht halten und gerecht urteilen wird. Aber er sieht halt auch die echte Welt und dass der Zeitpunkt für jeden einzelnen eben nicht vorhersehbar ist.
Ich würde sogar sagen, dass hier eine Grundlage für den jüdischen Humor gelegt ist. Gerade in Hinsicht: Gutes annehmen und genießen und nicht mehr arbeiten als nötig.
Geändert von Flunky (25. April 2023 um 07:51 Uhr)
Mir gefällt der eigentlich auch ganz gut; dass ich dafür in Stimmung sein muss, spricht eher für den Text. Weil ich mir die richtige Zeit dafür nehmen will. Nehm ich mir die nicht, bleibt bei mir v.a. auch der nihilistische Eindruck, aber einige anregende Gedanken hab ich daraus schon extrahiert.
Ich bin aber nicht traurig, dass nicht die ganze Bibel so geschrieben ist![]()
Da würde ich zustimmen. Es muss in so ein dickes Buch ja auch mal ein Blickwinkel von der anderen Seite passieren. Prediger und Hiob sorgen bei der hebräischen Weisheitsliteratur für die dringend notwendige Differenzierung zum Buch der Sprüche und Psalmen. Dieser einfache Tun-Ergehens-Zusammenhang hält einer Überprüfung an der Realität eben häufig nicht stand und der Prediger bedient genau die Gegenseite. Auch wenn das Buch dadurch manchmal holperig oder schwer zu verstehen ist, bin ich froh, dass die Bibel nicht so eindimensional ist, wie manche meiner Evangelikalen Glaubensgeschwister es gerne hätten.
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Prediger 9
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Vers 1ff klingt so nach "Vor Gott sind alle gleich" - nur, dass das auch was Ungerechtes in sich trägt, wenn "dem Gerechten wie dem Gottlosen" das Gleiche widerfährt. Mit Blick auf Vers 3ff könnte man es auch mit "Vor dem Tod sind alle gleich" überschreiben
- "danach aber geht’s zu den Toten" in Vers 3 klingt herrlich flapsig
- Laut meiner schlauen Schwabenbibel wird der Hund in der Bibel als schwaches/ räudiges Tier benutzt, der "lebende Hund" steht also in zweifacher Hinsicht antithetisch zum "toten Löwen" (der Löwe ist ein herrschaftliches Tier), wodurch sehr deutlich gemacht wird, dass es etwas Gutes ist, wenn man noch lebt
- Die Begründung kommt dann in Vers 5: Als Lebender weiß man, dass man noch sterben wird. Deshalb soll man seine Lebenszeit nutzen (v. 7). Das sind einige Motive, die ich mit dem Barock verbinde:
- Vanitas, die Vergänglichkeit (alles ist nur ein Haschen nach Wind etc.)
- Memento Mori (Gedenke des Todes) steht quasi genau so in Vers 5
- Carpe Diem (Nutze den Tag) wird in Vers 7ff ausgestaltet und in Vers 9 sehr explizit: "Genieße das Leben"
- Ich wüsste gerne, welche Stadt das in Vers 14 war
Interessant ist die Übersetzung von 15: in der EU und bei Elberfelder steht dort "hätte retten können". Das gibt diesem "Anti-Bildnis" einen ganz anderen Twist - im hier übersetzten Fall sind es die Überlebenden und die Nachkommen, die 'nur' ihren Retter nicht in Erinnerung behalten, im anderen Fall sind es seine Zeitgenossen, die ihn vergessen und weswegen sie starben. In der Vulgata steht an dieser Stelle: "vir pauper et sapiens liberavit urbem per sapientiam suam", also "der/ ein armer und weiser Mann hat die Stadt durch seine Weisheit befreit"
- Vers 18 bewahrheitet sich bspw. durch Putin
Prediger 10
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Vers 1-3 klingt für mich na: man kann noch so weise sein, wenn man eine Dummheit begeht, ist man ein Tor. Dieser Anspruch an Perfektion begegnete mir schon öfter (z.B. wenn Klimaschützer dafür angegriffen werden, Auto zu fahren) und ich kann dem nicht viel abgewinnen. Wichtiger (= weiser) sollte meiner Meinung nach sein, sich um mehr Weisheit zu bemühen
- Durch die chiastische Wortstellung in Vers 7 (Sklaven - Ross X Fürsten - zu Fuß) wird der Widerspruch noch deutlicher
- Vers 8 versteh ich nicht so ganz. Mit dem Hineinfallen in eine Grube knüpft der Prediger hier an einen Spruch an, das erkenne ich. Aber was das mit dem Einreißen von Gemäuern und Schlangenbissen zu tun hat...? Und dann analog das mit dem Steinebrechen und Holzspalten: alles klingt Tätigkeiten, bei denen man sich nun einmal verletzen kann. Sie sind aber notwendig. Durch die Aufzählung stellt der Prediger das Gruben graben (Gräber schaufeln?) auf ein Level mit solchen Handlungen und verkehrt die Bedeutung des Spruches. Passt natürlich zu seiner "Jo, manchen Guten geht es scheiße, manchen Schlechten gut - machste nix" Haltung.
- Vers 10 wiederum klingt nach einem Spruch, den er sich ausgedacht haben könnte. Und Weisheit entspricht hier einem pefefferten "rtfm" (read the fucking manual)
- Waren Schlangenbeschwörer im AT sowas wie diese indischen Schlangentypen?
- Am Ende wird noch Faulheit und Müßiggang verurteilt. Komisch, im vorherigen Kapitel hat der Prediger noch davon gepredigt, genau das zu tun: das Leben zu genießen. Die (mögliche) Kehrseite (Faulheit im Gebälk, Zecherei, von Lässigkeit tropfendes Haus) wird hier gezeigt. Es sei denn, das hier bezieht sich eher auf die politische Dimension (es wird ja von Land, König und Fürsten gesprochen) und nicht auf die private.
Prediger 11
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Bei den anderen Übersetzungen (außer Luther) wird das Brot nur auf die Wasserfläche gelegt und wiedergefunden. Aber das wird ja dann ganz nass
- Die EU lässt Vers 2 wie einen Anlagetipp (Diversifikation) klingen: "verteil dein Kapital auf sieben oder gar auf acht; / denn du weißt nicht, welches Unglück über das Land kommt." Das taucht in Vers 6 so ähnlich nochmal auf: wenn man nicht weiß, was gelingen wird, sollte man mehreres versuchen.
- An Vers 3-5 mag ich die beschworenen Bilder
Wie "die Gebeine im Schoße der Schwangeren sich bilden" weiß die Menschheit allerdings heutzutage schon besser als damals
- Reiner Nihilismus in Vers 8
- Vers 9f klingt dann wie ein direkter Ratschlag, der im Gegensatz zu den Sprüchen (die sich ja auch an jugendliche Männer richteten) steht: YOLO statt schaffe, schaffe, Häusle baue.
Prediger 12
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Vers 1-8 sind einfach schön zu lesen, finde ich. Ich kann jedem nur empfehlen, das mal in der EU oder der Lutherbibel nachzulesen (bei Menge klingt das doch arg stelzig manchmal):
- Wenn finster werden, die durch die Fenster sehen (V. 3, LU)
- Die Stimme der Mühle (V. 4, LU), die Töchter des Liedes (V. 4, EU)
- Den "silberne Faden" (Strick, LU; Schnur, EU), die "goldene Schale" und den "Krug an der Quelle" finde ich besonders schön und mystisch. Faden klingt so nach Lebensfaden...?
- Im Kern würde ich diese Verse aber als "Erfreue dich deiner Jugend" lesen; die ganzen Beschreibungen von Altern und Leid stehen ja Vers 1 gegenüber. Durch die schiere Menge (ein Vers vs. sieben) wird allein schon stilistisch deutlich, wir kurz der Zeitraum ist, den man genießen kann/ soll.
- Vers 8 sticht nochmal bei den verschiedenen Übersetzungen heraus:
- Bei Luther ist "alles ganz eitel, ganz eitel!"
- Bei der EU steht "Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch"
- Das Aufgreifen des Windhauches gefällt mir hierbei am Besten.
- Vers 9ff wirken dann wie ein Nachwort (und sind so auch in der Lutherbibel, bei Menge und der EU betitelt). Nur das Fazit, "Fürchte Gott und halte seine Gebote" hätte ich so nicht aus Kohelets Worten herausgehört. Eher die Memento-Mori-Schiene etc., erfreue dich deiner Jugend, sowas.
- Vers 12, zumindest "das viele Studieren verursacht dem Leibe Ermüdung", müsste ich mir noch ins Büro hängen
11,9-12,7 ist ein Textzusammenhang. Da fängt das an, dass der Inhalt des Buches sich auf einmal wandelt.
Als nächstes kommt dann das Hohelied der Liebe. Da wirst du noch mal ordentlich mit Poesie versorgt werden.
Ich würde die Chronik am Ende des AT "zur Auffrischung nachholen." Am Ende des AT steht sie auch im jüdischen Kanon. Und vor Jesaja würde ich Amos vorziehen, weil Jesaja mit einer der am schwierigsten zu verstehenden und komplexesten Propheten ist (Neben Hesekiel, Daniel und Sacharja). Amos hingegen ist gut zum reinkommen in das neue Genre.
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Super Buch, die Thematisierung des Nihilismus hat mir wirklich gefallen.
10,20 klingt allerdings nach Stasi.![]()
Also dann, Hohelied! Strophe Kapitel 1: https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.MENG.EU/Hoheslied1
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- "Das Lied der Lieder" lässt mich an "das Märchen der Märchen" denken. Kein Film, den ich empfehlen würde, der aber bei uns im Freundeskreis zu einigen Memes geführt hat
- Hui, da geht es ja ab Vers 2 direkt zur Sache! Auch damit hätte ich in der Bibel nicht wirklich gerechnet
- Meint der König in Vers 4 Salomo (wenn es schon von ihm ist) oder eher allgemein die Adelung des Geliebten zum König, der hier die Liebende als Landei (Weinberge, Hirtentum) gegenübersteht?
- "Zieh mich dir nach [...] in deine Gemächer [...] und deiner uns freuen [...] meinen eignen Weinberg hab' ich nicht gehütet" - da geht es schon auch um
, oder? Oder geht meine Fantasie mit mir durch, wenn ich beim "Weinberg" in dem Kontext an was anderes denke?
- "Gebräunt" in Vers 5 übersetzen übrigens die anderen Übersetzungen alle mit "schwarz". Außer bei Luther klingt das abwertend, weil es als Antithese zu "schön" benutzt wird.
- Zu Vers 9 hat meine Schwabenbibel eine interessante Anmerkung: da die Wagen der Pharaonen von Hengsten gezogen wurden, ist eher von einer Stute (nur Menge schreibt vom Prachtross) beiden Zugtieren auszugehen, die den Hengsten den Kopf verdreht. Und bei "Frauen" als "Stuten" muss ich an noch ein Schwabenerzeugnis der frühen 2000er denken: https://www.youtube.com/watch?v=y8pcVDN8vWQ
- Hehe, Busen
- "Deine Augen sind Taubenaugen" ist auch ein interessanter Anmachspruch
Als Vögel der Liebe passt das aber auch ganz gut.
Ist die weibliche Stimme aus der Perspektive der Königin von Shewa(?) geschrieben?