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Thema: Hast du die Bibel je selbst gelesen?

  1. #4366
    Altes Mann Avatar von goethe
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  2. #4367
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    Außerdem: Gott straft nicht sofort, aber doch (hoffentlich, irgendwann, und wenn's nach dem Tode ist, ...) und manchem Gerechten geht's dennoch schlecht [v. 10-14].
    Und: Wissenschaft führt im besten Falle zu Erkenntnis, doch ergründen (einen Urgrund benennen) kann man den Lauf der Dinge nicht [v. 16-17].

  3. #4368
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Also der Kohelet/Prediger ist aus verschiedenen Gründen zäh:

    - Hebräisches Denken und Argumentationsweise: Die argumentieren nicht linear sondern in Kreisen. Sie kommen immer wieder zu Punkten zurück und drehen dann die nächste Schleife, häufig wird noch ein weiterer Aspekt mit reingebracht und so entwickelt sich die Argumentation weiter. Das taucht in der Bibel öfter auf, auch teilweise im NT z.B. im Johannesbrief.
    - Der Prediger argumentiert häufig aus einer atheistischen Betrachtungsweise heraus, was für die Bibel ja ungewöhnlich ist. (Er wird in Kapitel 11 und 12 diese Ansicht hart durchbrechen - wobei da eine Menge Theologen auch behaupten, dass es von einem anderen Autor ist.) Es lässt aber einen gläubigen Leser erst mal verwirrt zurück. Das Buch ist vielleicht deswegen auch eher unterbelichtet, wird wenig zitiert, gepredigt. Auch im NT kommt es selten vor - wenn überhaupt. Mir ist kein NT-Zitat des Kohelet bekannt.
    - Der Tun-Ergehen-Zusammenhang wird heftig in Frage gestellt. Der begegnet uns aber bisher im gesamten AT (außer bei Hiob). "Tue Gutes und Gott tut dir Gutes. Tue Böses und dir wird Böses widerfahren." Der Prediger hingegen sagt: "Es ist eh alles egal, du wirst sterben."
    - Die depressive und nihilistische Grundstimmung können schwer zu ertragen sein.

    Wir haben das mal im Bibelkreis gelesen und die Leute waren am Ende auch nicht so begeistert. Man hatte das Gefühl, es ist immer die selbe depressive Leier.
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

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  4. #4369
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    Ich finde den bisher richtig gut. Es geht halt um die echte Welt und echte Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten.
    Und um die großen Fragen: warum werden nicht alle Verbrecher bestraft, warum gibt es schlechte Herrscher,... aber nicht gläubig-naiv sondern gläubig-realistisch (for lack of a better word). Für den Prediger steht ja die Existenz Gottes außer Frage und auch, dass er Gericht halten und gerecht urteilen wird. Aber er sieht halt auch die echte Welt und dass der Zeitpunkt für jeden einzelnen eben nicht vorhersehbar ist.
    Ich würde sogar sagen, dass hier eine Grundlage für den jüdischen Humor gelegt ist. Gerade in Hinsicht: Gutes annehmen und genießen und nicht mehr arbeiten als nötig.
    Geändert von Flunky (25. April 2023 um 07:51 Uhr)

  5. #4370
    Hat einen Plan Avatar von Mongke Khan
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    Mir gefällt der eigentlich auch ganz gut; dass ich dafür in Stimmung sein muss, spricht eher für den Text. Weil ich mir die richtige Zeit dafür nehmen will. Nehm ich mir die nicht, bleibt bei mir v.a. auch der nihilistische Eindruck, aber einige anregende Gedanken hab ich daraus schon extrahiert.

    Ich bin aber nicht traurig, dass nicht die ganze Bibel so geschrieben ist

  6. #4371
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Zitat Zitat von Flunky Beitrag anzeigen
    Es geht halt um die echte Welt und echte Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten.
    Und um die großen Fragen: warum werden nicht alle Verbrecher bestraft, warum gibt es schlechte Herrscher,... aber nicht gläubig-naiv sondern gläubig-realistisch (for lack of a better word).
    Da würde ich zustimmen. Es muss in so ein dickes Buch ja auch mal ein Blickwinkel von der anderen Seite passieren. Prediger und Hiob sorgen bei der hebräischen Weisheitsliteratur für die dringend notwendige Differenzierung zum Buch der Sprüche und Psalmen. Dieser einfache Tun-Ergehens-Zusammenhang hält einer Überprüfung an der Realität eben häufig nicht stand und der Prediger bedient genau die Gegenseite. Auch wenn das Buch dadurch manchmal holperig oder schwer zu verstehen ist, bin ich froh, dass die Bibel nicht so eindimensional ist, wie manche meiner Evangelikalen Glaubensgeschwister es gerne hätten.
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  7. #4372
    Hat einen Plan Avatar von Mongke Khan
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    Prediger 9
    Achtung Spoiler:
    1 Ja, auf dies alles habe ich mein Augenmerk gerichtet und dies alles mir klar zu machen gesucht, daß nämlich die Gerechten und die Weisen mit ihrem ganzen Tun in der Hand Gottes sind. Der Mensch weiß weder, ob ihm Liebe oder Haß begegnen wird: alles ist vor ihm (in der Zukunft) verhüllt.
    2 Dasselbe Geschick trifft alle ohne Unterschied: das gleiche Los wird allen zuteil, dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Reinen wie dem Unreinen, dem, der opfert, wie dem, der nicht opfert; dem Guten geht es wie dem Sünder und dem, der schwört, wie dem, der sich vor dem Schwören scheut.
    3 Das ist ein Übelstand bei allem, was unter der Sonne geschieht, daß allen das gleiche Geschick beschieden ist und auch daß das Herz der Menschenkinder voll Bosheit ist und Unverstand in ihrem Herzen wohnt, solange sie leben; danach aber geht’s zu den Toten.
    4 Denn solange einer überhaupt noch zu den Lebenden gehört, so lange hat er noch etwas zu hoffen; denn ein lebender Hund ist mehr wert als ein toter Löwe.
    5 Die Lebenden wissen doch noch, daß sie sterben werden, die Toten aber wissen überhaupt nichts und haben auch keinen Lohn mehr zu erwarten; sogar ihr Andenken wird ja vergessen.
    6 Sowohl Lieben als Hassen und Eifern ist für sie längst vorbei, und sie nehmen in Ewigkeit keinen Anteil mehr an irgend etwas, das unter der Sonne vor sich geht.
    7 Wohlan denn, iß dein Brot mit Freuden und trinke deinen Wein mit wohlgemutem Herzen! Denn Gott hat solches Tun bei dir von vornherein gutgeheißen.
    8 Trage allezeit weiße Kleider und laß das Salböl deinem Haupte nicht mangeln.
    9 Genieße das Leben mit dem Weibe, das du liebgewonnen hast, an all deinen eitlen Lebenstagen, die Gott dir unter der Sonne vergönnt, alle deine eitlen Tage hindurch; denn das ist dein Anteil am Leben und (der Lohn) für die Mühe, mit der du dich unter der Sonne abmühst.
    10 Alles, was deine Hand mit deiner Kraft zu leisten vermag, das tu; denn in der Unterwelt, wohin dein Weg geht, gibt es kein Schaffen und keine Überlegung mehr, weder Erkenntnis noch Weisheit.
    11 Wiederum habe ich unter der Sonne gesehen, daß nicht dem Schnellsten der Sieg im Wettlauf und nicht dem Tapfersten der Sieg im Kriege zuteil wird, auch nicht den Weisen das Brot und nicht den Verständigen der Reichtum, auch nicht den Einsichtsvollen die Gunst, sondern sie sind alle von Zeit und Umständen abhängig.
    12 Der Mensch kennt ja nicht einmal die ihm bestimmte Zeit; nein, wie die Fische, die im Unglücksnetz sich fangen, und wie die Vögel, die von der Schlinge erfaßt werden, ebenso werden auch die Menschenkinder zur Zeit des Unglücks umstrickt, wenn es plötzlich über sie hereinbricht.
    13 Und doch habe ich folgenden Fall von Weisheit unter der Sonne erlebt, und er hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht:
    14 Es war eine kleine Stadt, in der sich nur wenige Leute befanden; da zog ein mächtiger König gegen sie heran, schloß sie rings ein und ließ gewaltige Belagerungswerke gegen sie aufführen.
    15 Nun fand sich in ihr ein armer, aber weiser Mann, der die Stadt durch seine Weisheit rettete; aber kein Mensch denkt mehr an diesen armen Mann.
    16 Da sagte ich mir: »Weisheit ist (zwar) besser als Stärke, aber die Weisheit des Armen wird verachtet, und seine Worte bleiben ungehört.«
    17 Worte der Weisen, die man in Ruhe anhört, sind mehr wert als das Brüllen eines Herrschers unter Toren.
    18 Weisheit ist besser als Kriegsgerät; aber ein einziger Bösewicht kann viel Gutes verderben.


    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Vers 1ff klingt so nach "Vor Gott sind alle gleich" - nur, dass das auch was Ungerechtes in sich trägt, wenn "dem Gerechten wie dem Gottlosen" das Gleiche widerfährt. Mit Blick auf Vers 3ff könnte man es auch mit "Vor dem Tod sind alle gleich" überschreiben
    • "danach aber geht’s zu den Toten" in Vers 3 klingt herrlich flapsig
    • Laut meiner schlauen Schwabenbibel wird der Hund in der Bibel als schwaches/ räudiges Tier benutzt, der "lebende Hund" steht also in zweifacher Hinsicht antithetisch zum "toten Löwen" (der Löwe ist ein herrschaftliches Tier), wodurch sehr deutlich gemacht wird, dass es etwas Gutes ist, wenn man noch lebt
    • Die Begründung kommt dann in Vers 5: Als Lebender weiß man, dass man noch sterben wird. Deshalb soll man seine Lebenszeit nutzen (v. 7). Das sind einige Motive, die ich mit dem Barock verbinde:
      • Vanitas, die Vergänglichkeit (alles ist nur ein Haschen nach Wind etc.)
      • Memento Mori (Gedenke des Todes) steht quasi genau so in Vers 5
      • Carpe Diem (Nutze den Tag) wird in Vers 7ff ausgestaltet und in Vers 9 sehr explizit: "Genieße das Leben"

    • Ich wüsste gerne, welche Stadt das in Vers 14 war Interessant ist die Übersetzung von 15: in der EU und bei Elberfelder steht dort "hätte retten können". Das gibt diesem "Anti-Bildnis" einen ganz anderen Twist - im hier übersetzten Fall sind es die Überlebenden und die Nachkommen, die 'nur' ihren Retter nicht in Erinnerung behalten, im anderen Fall sind es seine Zeitgenossen, die ihn vergessen und weswegen sie starben. In der Vulgata steht an dieser Stelle: "vir pauper et sapiens liberavit urbem per sapientiam suam", also "der/ ein armer und weiser Mann hat die Stadt durch seine Weisheit befreit"
    • Vers 18 bewahrheitet sich bspw. durch Putin
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
    Würfel doch mal für nen Job bevor du hier finanzielle Aussagen triffst die ernstgenommen werden sollen.

  8. #4373
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    Prediger 10
    Achtung Spoiler:
    1 Tote Fliegen machen ranzig und trübe das Öl des Salbenmischers; so verderbt ein wenig Torheit den Wert der Weisheit. –
    2 Der Sinn des Weisen ist auf das Rechte gerichtet und der Sinn des Toren auf das Verkehrte;
    3 und wo der Tor auch gehen mag, auf Schritt und Tritt, versagt sein Verstand, so daß er sich allen Leuten als Toren zu erkennen gibt. –
    4 Wenn der Unmut des Herrschers gegen dich aufsteigt, so verlaß darum deinen Platz nicht; denn Gelassenheit verhütet schwere Verfehlungen. –
    5 Es gibt einen Übelstand, den ich unter der Sonne wahrgenommen habe, nämlich ein verfehltes Verfahren, das von einem Machthaber ausgeht:
    6 Toren werden auf große Höhe gestellt, und Reiche müssen unten sitzen.
    7 Ich habe Sklaven hoch zu Roß gesehen und Fürsten wie Sklaven zu Fuß einhergehen.
    8 Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, und wer Gemäuer einreißt, den kann eine Schlange beißen;
    9 wer Steine bricht, kann sich an ihnen verletzen, wer Holz spaltet, kann sich dabei wehetun. –
    10 Wenn eine Axt stumpf geworden ist und man die Schneide nicht schärft, dann muß man seine Kräfte um so mehr anstrengen; aber der Vorteil des Instandsetzens ist Weisheit. –
    11 Wenn die Schlange beißt, ehe die Beschwörung stattgefunden hat, so hat der Beschwörer keinen Nutzen (von seiner Kunst).
    12 Worte aus dem Munde eines Weisen sind herzgewinnend, aber den Toren richten die eigenen Lippen zugrunde.
    13 Der Anfang der Worte seines Mundes ist Torheit und das Ende seines Redens schlimmer Unsinn.
    14 Auch macht der Tor viele Worte, obgleich kein Mensch weiß, was geschehen wird, und niemand ihm ansagen kann, was die Zukunft bringt.
    15 Die Mühe, die der Tor aufwendet, macht ihn müde, so daß er den Weg nach der Stadt nicht mehr kennt.
    16 Wehe dir, Land, dessen König ein Knabe ist und dessen Fürsten schon am Morgen schmausen!
    17 Heil dir, du Land, dessen König ein Sproß von edler Herkunft ist und dessen Fürsten zu rechter Zeit tafeln, und zwar als Männer und nicht als Zecher! –
    18 Infolge von Faulheit senkt sich das Gebälk (eines Hauses), und infolge von Lässigkeit der Hände tropft das Haus. –
    19 Zur Belustigung veranstaltet man Mahlzeiten, und der Wein erheitert das Leben, und für Geld kann man alles haben. –
    20 Selbst auf deinem Lager fluche dem Könige nicht, und einen Hochgestellten schmähe auch in deinem Schlafgemach nicht; denn die Vögel des Himmels könnten den Laut weitertragen und ein geflügelter Bote das Wort verraten.


    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Vers 1-3 klingt für mich na: man kann noch so weise sein, wenn man eine Dummheit begeht, ist man ein Tor. Dieser Anspruch an Perfektion begegnete mir schon öfter (z.B. wenn Klimaschützer dafür angegriffen werden, Auto zu fahren) und ich kann dem nicht viel abgewinnen. Wichtiger (= weiser) sollte meiner Meinung nach sein, sich um mehr Weisheit zu bemühen
    • Durch die chiastische Wortstellung in Vers 7 (Sklaven - Ross X Fürsten - zu Fuß) wird der Widerspruch noch deutlicher
    • Vers 8 versteh ich nicht so ganz. Mit dem Hineinfallen in eine Grube knüpft der Prediger hier an einen Spruch an, das erkenne ich. Aber was das mit dem Einreißen von Gemäuern und Schlangenbissen zu tun hat...? Und dann analog das mit dem Steinebrechen und Holzspalten: alles klingt Tätigkeiten, bei denen man sich nun einmal verletzen kann. Sie sind aber notwendig. Durch die Aufzählung stellt der Prediger das Gruben graben (Gräber schaufeln?) auf ein Level mit solchen Handlungen und verkehrt die Bedeutung des Spruches. Passt natürlich zu seiner "Jo, manchen Guten geht es scheiße, manchen Schlechten gut - machste nix" Haltung.
    • Vers 10 wiederum klingt nach einem Spruch, den er sich ausgedacht haben könnte. Und Weisheit entspricht hier einem pefefferten "rtfm" (read the fucking manual)
    • Waren Schlangenbeschwörer im AT sowas wie diese indischen Schlangentypen?
    • Am Ende wird noch Faulheit und Müßiggang verurteilt. Komisch, im vorherigen Kapitel hat der Prediger noch davon gepredigt, genau das zu tun: das Leben zu genießen. Die (mögliche) Kehrseite (Faulheit im Gebälk, Zecherei, von Lässigkeit tropfendes Haus) wird hier gezeigt. Es sei denn, das hier bezieht sich eher auf die politische Dimension (es wird ja von Land, König und Fürsten gesprochen) und nicht auf die private.
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
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  9. #4374
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    Prediger 11
    Achtung Spoiler:
    1 Laß dein Brot über das weite Meer fahren; denn nach Verlauf vieler Tage wirst du es wieder heimkommen sehen;
    2 doch verteile es auf sieben, ja auf acht Fahrten; denn du weißt nicht, was für Unglück sich auf der Erde ereignen mag. –
    3 Wenn die Wolken mit Regen gefüllt sind, lassen sie ihn auf die Erde strömen; und wenn ein Baum nach Süden oder nach Norden fällt, so bleibt er an der Stelle liegen, wohin er gefallen ist. –
    4 Wer (immerfort) auf den Wind achtet, kommt nicht zum Säen, und wer (immerfort) nach den Wolken sieht, kommt nicht zum Ernten. –
    5 Gleichwie du nicht weißt, welches der Weg des Windes ist oder wie die Gebeine im Schoße der Schwangeren sich bilden, ebensowenig kennst du das Walten Gottes, der alles wirkt. –
    6 Am Morgen säe deinen Samen, und bis zum Abend laß deine Hände nicht ruhen; denn du weißt nicht, was gelingen wird, ob dieses oder jenes, oder ob gar beides zugleich gut geraten wird. –
    7 Und köstlich ist das Licht, und wohltuend ist’s für die Augen, die Sonne zu sehen;
    8 denn wenn jemand auch viele Jahre lebt, möge er sich doch in ihnen allen der Freude hingeben und an die Tage der Finsternis denken, daß ihrer viele sein werden: alles, was kommt, ist nichtig.
    9 Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend und laß dein Herz guter Dinge sein in den Tagen deiner Jugendzeit; wandle die Wege, zu denen dein Herz sich hingezogen fühlt, und gehe dem nach, was deine Augen erschaun; doch wisse wohl, daß Gott um dies alles Rechenschaft von dir fordern wird!
    10 Schlage dir den Unmut aus dem Sinn und halte dir das Leid vom Leibe fern, denn Jugend und dunkles Haar sind schnell entschwunden.


    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Bei den anderen Übersetzungen (außer Luther) wird das Brot nur auf die Wasserfläche gelegt und wiedergefunden. Aber das wird ja dann ganz nass
    • Die EU lässt Vers 2 wie einen Anlagetipp (Diversifikation) klingen: "verteil dein Kapital auf sieben oder gar auf acht; / denn du weißt nicht, welches Unglück über das Land kommt." Das taucht in Vers 6 so ähnlich nochmal auf: wenn man nicht weiß, was gelingen wird, sollte man mehreres versuchen.
    • An Vers 3-5 mag ich die beschworenen Bilder Wie "die Gebeine im Schoße der Schwangeren sich bilden" weiß die Menschheit allerdings heutzutage schon besser als damals
    • Reiner Nihilismus in Vers 8
    • Vers 9f klingt dann wie ein direkter Ratschlag, der im Gegensatz zu den Sprüchen (die sich ja auch an jugendliche Männer richteten) steht: YOLO statt schaffe, schaffe, Häusle baue.
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
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  10. #4375
    Hat einen Plan Avatar von Mongke Khan
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    Prediger 12
    Achtung Spoiler:
    1 Und bleibe deines Schöpfers eingedenk in den Tagen deiner Jugendzeit, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich einstellen, von denen du sagen wirst: »Sie gefallen mir nicht«;
    2 ehe noch die Sonne und das Tageslicht, der Mond und die Sterne sich verfinstern und die Wolken wiederkehren nach dem Regen,
    3 in der Zeit, wo die Hüter des Hauses zittern und die starken Männer sich krümmen; wo die Müllerinnen die Arbeit einstellen, weil ihrer wenige geworden sind, und die Fensterguckerinnen trübe werden;
    4 wo die beiden Pforten nach der Straße hin geschlossen stehen, weil die Mühle mit weniger Geräusch geht, und man beim Hahnenschrei aufsteht und aller Liederklang verstummt;
    5 auch vor jeder Steigung fürchtet man sich und sieht Schrecknisse auf jedem Wege; der Mandelbaum steht in Blüte, und die Heuschrecke schleppt sich träge dahin, und die Kaperwürze versagt ihre Wirkung – denn der Mensch geht hin zu seiner ewigen Behausung, und die Klageleute ziehen auf der Straße umher –;
    6 ehe noch der silberne Faden zerreißt und die goldene Schale zerbricht und der Krug an der Quelle in Scherben geht und das Schöpfrad zertrümmert in den Brunnen fällt
    7 und der Staub zur Erde zurückkehrt als das, was er vorher gewesen ist, und der Odem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat.
    8 »O Nichtigkeit der Nichtigkeiten!« ruft der Prediger aus, »alles ist nichtig!«
    9 Abgesehen davon, daß der Prediger ein Weiser war, hat er das Volk auch Erkenntnis gelehrt und war ein Denker und Forscher, der zahlreiche Sprüche verfaßt hat.
    10 Der Prediger war bemüht, ansprechende Worte zu finden und zutreffende Weisungen niederzuschreiben, Aussprüche der Wahrheit.
    11 Die Aussprüche der Weisen sind wie Treibstachel, und wie eingeschlagene Pflöcke stehen die einzelnen Sprüche beisammen, die von einem einzigen Hirten herrühren.
    12 Und ferner noch: laß dich warnen, mein Sohn; des vielen Bücherschreibens ist kein Ende, und das viele Studieren verursacht dem Leibe Ermüdung. –
    13 Laßt uns das Endergebnis des Ganzen hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote! Denn das kommt jedem Menschen zu.
    14 Denn Gott wird in dem Gericht, das über alles Verborgene ergeht, das Urteil über alles Tun sprechen, es sei gut oder böse (gewesen).


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Vers 1-8 sind einfach schön zu lesen, finde ich. Ich kann jedem nur empfehlen, das mal in der EU oder der Lutherbibel nachzulesen (bei Menge klingt das doch arg stelzig manchmal):
      • Wenn finster werden, die durch die Fenster sehen (V. 3, LU)
      • Die Stimme der Mühle (V. 4, LU), die Töchter des Liedes (V. 4, EU)
      • Den "silberne Faden" (Strick, LU; Schnur, EU), die "goldene Schale" und den "Krug an der Quelle" finde ich besonders schön und mystisch. Faden klingt so nach Lebensfaden...?

    • Im Kern würde ich diese Verse aber als "Erfreue dich deiner Jugend" lesen; die ganzen Beschreibungen von Altern und Leid stehen ja Vers 1 gegenüber. Durch die schiere Menge (ein Vers vs. sieben) wird allein schon stilistisch deutlich, wir kurz der Zeitraum ist, den man genießen kann/ soll.
    • Vers 8 sticht nochmal bei den verschiedenen Übersetzungen heraus:
      • Bei Luther ist "alles ganz eitel, ganz eitel!"
      • Bei der EU steht "Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch"

    • Das Aufgreifen des Windhauches gefällt mir hierbei am Besten.
    • Vers 9ff wirken dann wie ein Nachwort (und sind so auch in der Lutherbibel, bei Menge und der EU betitelt). Nur das Fazit, "Fürchte Gott und halte seine Gebote" hätte ich so nicht aus Kohelets Worten herausgehört. Eher die Memento-Mori-Schiene etc., erfreue dich deiner Jugend, sowas.
    • Vers 12, zumindest "das viele Studieren verursacht dem Leibe Ermüdung", müsste ich mir noch ins Büro hängen
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
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  11. #4376
    Hat einen Plan Avatar von Mongke Khan
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    So, das war Kohelet. Nicht ganz einfach zu lesen, gefiel mir darum aber umso besser. Deutlich besser als Psalme und Sprüche. Als nächstes käme das Hohelied und dann Jesaja, aber ich überlege, ob ich jetzt mal die Chronik nachhole. Macht das Sinn? So zur Auffrischung?
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
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  12. #4377
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    11,9-12,7 ist ein Textzusammenhang. Da fängt das an, dass der Inhalt des Buches sich auf einmal wandelt.



    Als nächstes kommt dann das Hohelied der Liebe. Da wirst du noch mal ordentlich mit Poesie versorgt werden.

    Ich würde die Chronik am Ende des AT "zur Auffrischung nachholen." Am Ende des AT steht sie auch im jüdischen Kanon. Und vor Jesaja würde ich Amos vorziehen, weil Jesaja mit einer der am schwierigsten zu verstehenden und komplexesten Propheten ist (Neben Hesekiel, Daniel und Sacharja). Amos hingegen ist gut zum reinkommen in das neue Genre.
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

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  13. #4378
    Reht bitharf Andlūkan. Avatar von Mendelejev
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    Super Buch, die Thematisierung des Nihilismus hat mir wirklich gefallen.
    10,20 klingt allerdings nach Stasi. Emoticon: spy

  14. #4379
    Hat einen Plan Avatar von Mongke Khan
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    Also dann, Hohelied! Strophe Kapitel 1: https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.MENG.EU/Hoheslied1
    Achtung Spoiler:

    1 Das Lied der Lieder, von Salomo.
    2 O möcht’ er mich küssen mit seines Mundes Küssen! Denn deine Liebe ist wonniger als Wein!
    3 Köstlich ist der Duft deiner Salben; wie ausgegossenes Salböl ist dein Name: drum haben die Mädchen dich lieb.
    4 Zieh mich dir nach, komm, laß uns eilen! Führe mich, König, in deine Gemächer! »Wir wollen jubeln und deiner uns freuen, wollen preisen deine Liebe mehr als Wein!« Ach, inniglich lieben sie dich.
    5 Gebräunt bin ich, aber doch schön, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie Salomos Teppiche.
    6 Seht mich nicht an, daß so gebräunt ich bin, daß die Sonne mich so verbrannt hat! Meiner Mutter Söhne waren böse auf mich, bestellten mich zur Hüterin der Weinberge; meinen eignen Weinberg hab’ ich nicht gehütet.
    7 Tu mir kund, du, den meine Seele liebt: wo weidest du, wo lagerst du zur Mittagszeit? Denn warum soll als Verirrte ich erscheinen bei den Herden deiner Genossen? –
    8 »Wenn du das nicht weißt, du schönste unter den Weibern, so geh nur hinaus, den Spuren der Herde nach, und weide deine Zicklein bei den Zelten der Hirten!«
    9 »Einem Prachtroß an Pharaos Prunkwagen vergleiche ich dich, meine Freundin:
    10 reizend sind deine Wangen im Schmuck der Kettchen, dein Hals in den Perlenschnüren!
    11 Goldene Kettchen lassen wir dir machen mit Kügelchen von Silber.« –
    12 Solange der König noch in seinem Kreise weilte, gab meine Narde ihren Duft.
    13 Mein Geliebter ist mir wie ein Myrrhenbündlein, das am Busen mir ruht;
    14 ein Cyprusgebinde ist mir mein Geliebter in den Weinbergen von Engedi. –
    15 »O schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön! Deine Augen sind Taubenaugen.« –
    16 »O schön bist du, mein Geliebter, ja holdselig! Sieh, unser Lager ist frisches Grün;
    17 unsres Hauses Gebälk sind Zedern, unser Getäfel Zypressen.«


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • "Das Lied der Lieder" lässt mich an "das Märchen der Märchen" denken. Kein Film, den ich empfehlen würde, der aber bei uns im Freundeskreis zu einigen Memes geführt hat
    • Hui, da geht es ja ab Vers 2 direkt zur Sache! Auch damit hätte ich in der Bibel nicht wirklich gerechnet
    • Meint der König in Vers 4 Salomo (wenn es schon von ihm ist) oder eher allgemein die Adelung des Geliebten zum König, der hier die Liebende als Landei (Weinberge, Hirtentum) gegenübersteht?
    • "Zieh mich dir nach [...] in deine Gemächer [...] und deiner uns freuen [...] meinen eignen Weinberg hab' ich nicht gehütet" - da geht es schon auch um Emoticon: hibbeln, oder? Oder geht meine Fantasie mit mir durch, wenn ich beim "Weinberg" in dem Kontext an was anderes denke?
    • "Gebräunt" in Vers 5 übersetzen übrigens die anderen Übersetzungen alle mit "schwarz". Außer bei Luther klingt das abwertend, weil es als Antithese zu "schön" benutzt wird.
    • Zu Vers 9 hat meine Schwabenbibel eine interessante Anmerkung: da die Wagen der Pharaonen von Hengsten gezogen wurden, ist eher von einer Stute (nur Menge schreibt vom Prachtross) beiden Zugtieren auszugehen, die den Hengsten den Kopf verdreht. Und bei "Frauen" als "Stuten" muss ich an noch ein Schwabenerzeugnis der frühen 2000er denken: https://www.youtube.com/watch?v=y8pcVDN8vWQ
    • Hehe, Busen Emoticon: snicker
    • "Deine Augen sind Taubenaugen" ist auch ein interessanter Anmachspruch Als Vögel der Liebe passt das aber auch ganz gut.
    Geändert von Mongke Khan (13. Mai 2023 um 09:46 Uhr)
    Zitat Zitat von Baldri Beitrag anzeigen
    Würfel doch mal für nen Job bevor du hier finanzielle Aussagen triffst die ernstgenommen werden sollen.

  15. #4380
    Reht bitharf Andlūkan. Avatar von Mendelejev
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    Ist die weibliche Stimme aus der Perspektive der Königin von Shewa(?) geschrieben?

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