Es war ein regnerischer, später Abend in El-Taebir. Die Bänke des Reichtags hatten sich bereits weitgehend gelehrt, aber immerhin ein Vertreter jedes Landes, war noch da, aber kaum ein Fürst. Wen wunderte es? Es stand nur noch ein Redebeitrag eines unbedeutenden Insellandes aus und es ging nicht einmal um Krieg, Hunger oder Piraten. Die endlosen, festgefahrenen Debatten über Stimmverteilung lähmten ohnehin, der Kaiser hatte an Führung vermissen lassen. Wer allerdings noch im prunkvollen Saal weilte wurde nun Zeuge wie ein alter Mann gestützt auf Männer, die wohl seine Enkel sein mussten sich ans Rednerpult schleppte. Er griff einen etwas zu langen Moment das Rednerpult mit beiden Händen, ganz so als wäre es das Steuerrad des Großkampfschiffes, dass länger sein Zuhause gewesen war als so manchem das feste Land. Seine wachen Augen taxierten jeden der noch etwa 40 Anwesenden einen Moment, bevor er sich einen Stock reichen ließ und die Enkel wieder hinunterschickte. Manch einer der Jüngeren hätte wohl erwartet, ein Manuskript verlesen zu bekommen und nicht wenige kannten den alten Mann nicht. Auch seine Heraldik, das Goldene Schiff auf stilisierten Wellen sagte nicht jedem etwas. Nicht zuletzt verwunderte die kleine, aber grüne „Krone“, die wenig mit der üblichen eines Fürsten gemein hatte. Mindestens eine Minute stand er ruhig da, darauf wartend, dass das Tuscheln abebbte und sein Name bei jedem angekommen war. Erst dann räusperte er sich und begann mit eindrucksvoller, fester Stimme zu sprechen:
„Meine Verehrten Abgesandten, Mitfürsten und Könige, obgleich kaum einer anwesend ist möchte ich die sich dank Ekot-Emer bietende Gelegenheit nutzen endlich zu Ihnen zu sprechen. Ich danke dem Königreich nicht für die Erfüllung des Lebenstraumes eines alten Mannes, sondern im Namen der Einwohner Ordom-Kedals und aller, die sich ein gerechtes Reich wünschen. Kaum einer wird mich kennen, doch dem Tuscheln entnehme ich, dass zumindest einigen mein Ruf geläufig ist. Ich bin Dschafar_as-Sādiq, mehr Seemann - Admiral als Fürst und doch derer Ordom-Kedals. Was die Geschichten über mich angeht: Wäre nur die Hälfte wahr hätte ich selbst Angst vor mir, obwohl in allem ja ein Körnchen steckt.“
Er lächelt ein verschmitztes aber doch zahnarmes Lächeln und atmete tief durch bevor er mit schärferer Stimme fortfuhr:
„Ich bin alt und war vor 51 Jahren dabei, als so sagt es der ordomische Fürst darauf ankam auf der „richtigen Seite“ zu stehen, nicht der Geschichte, sondern einer Halle. Das sagte man aber auch schon Jahre zuvor, damals war ich Schildjunge und der Kontinent brannte. Erst einmal, dann zweimal, dann brach er. Er rauchte und glühte lange und kam in den letzten 50 Jahren nie ganz zu Ruhe. Banditen und Piraten plagen uns alle. Doch einige schüren Feuer, Häfen brennen, Festungen werden belagert, Hunger herrscht, der Handel liegt darnieder. Ich frage euch wieso? Ich werde gewiss nicht länger als einen 7-Jahreszyklus leben, doch ich haben Angst, dass sich die vielen kleinen Feuer vereinigen und der, nur noch halbe, Kontinent erneut brennt, oder das gar der FEIND“ (Voller Hass spie er das Wort aus und stampfte 18 Mal mit dem Stock auf) „- der FEIND unsere Schwäche wittert und sein Werk fortsetzt. Wie konnte es soweit kommen? Wir sind es unseren Ahnen und Enkeln schuldig zu bestehen. Wir haben nur noch einen halben Kontinent.
War es die Magie? Das Schicksal? Verräter im Norden und Süden? Die Wächter? All dies mag eine gewichtige Rolle spielen, aber ein jeder Mensch trägt ebenso Verantwortung. Fürs Haus, Hof, Fürstentum, Königreich, Republik, das Kaiserreich selbst und für seine Untertanen, für alle Menschen Thereshs. Manch einer kämpft um Gebirge, der andere um Inseln und auch ich erkenne deren Bedeutung an. Doch all dies darf das Reich und die Verständigung mit den Republiken nicht gefährden. Es lauert ein Feind der mehr will als Dörfer und Gulden. Der uns als Menschen unterjochen will, alles zerstören was uns ausmacht. Er steht vor den Brücken. Er hat uns einst zur Einigkeit gezwungen und diese sollten wir wiederherstellen. Er kennt keine Staaten, er kennt keine Wahlen zu Dogen, er kennt keine Zweifel. Ihn interessiert nicht welche Ameise wo herrscht, solange es eine ist. Wir müssen zusammenstehen.
Auf diesem Reichstag müssen wir beweisen, dass wir zumindest nach außen zusammenarbeiten. Wir müssen beweisen das die Prinzipalitäten und Republiken sich verständigen können, dass ein jeder seine Rechte und Pflichten und seinen Platz hat, Nur so löschen wir die Feuer. Nur ein prosperierender Kontinent wird wehrhaft sein und eine Chance haben, wenn der FEIND kommt. Er wird kommen. Ich stand ihm gegenüber. Ich habe die tausenden Geschöpfe gesehen, die alles bedeckten und viele niedermachten. Mann, Frau, Kind, im Kriege war es ihm gleich.
Nur ein prosperierender Kontinent kann eines Tages zurückschlagen und die Brückenköpfe nutzen, um die Reconquista zu starten. Dann werden auch die Menschen des Südens zurückkehren. Wer sagt sie gehören nicht in den Norden hat Recht, aber er muss auch sagen, wie er ihnen ihr altes Land und altes Leben zurückbringen will.
Ich bin ein alter Mann, der viele Träume träumte, von denen sich einige erfüllten. Ich stehe hier. Doch ich stehe hier vor euch, denn einen Traum habe ich noch mitzuteilen: Das mein Urenkel wie ich einst vor über fünf Jahrzehnten am Kap von Lepptrah vorbeisegeln kann, um die Wasserfälle von An-Garbit selbst zu sehen; einst das Ende der Welt. Helft einen alten Mann die Hoffnung zu erhalten, dass dieser Traum Realität wird. Nicht nur für meine Kindeskinder oder mich. Sondern für einen jeden Thereshi-Es ist unser Kontinent nicht der von Krabbelviechern. Es ist der Kontinent der Nordländer und Südländer. Es ist der Kontinent...“ [Es folgt eine Aufzählung abwechselnd eines Nord- und eines Südlandes, jeweils mit dem obigen Anfang. Anstatt Ordom und OKL folgt aber „der ordomischen Staaten“ und das numerisch fehlendende Südland wird am Ende ersetzt]: „Es ist der Kontinent Ethos, der Kontinent der Wächter. Bereiten wir und darauf vor ihn uns zurück zu holen. Lasst uns uns einigen, auf Kaiserrechte, Gebirge und Frieden auf das wir eines Tages marschieren und uns ein Kaiser und ein Doge uns mit folgenden Worten führen können: „Ich kenne keine Bar-Talifer, Caurer oder Adacer mehr, ich kenne nur noch Thereshi.“
Es folgt eine lange Kunstpause.
„Aber bisher habe ich wenig Hoffnung, so wie der Reichstag bisher lief. Gezeichnet von Krieg, Kriese und Konfrontation; wenig Hoffnung, dass die Enkel meiner Enkel ein langes, freies Leben haben. Hier sind heute nur wenige die mir zuhören, doch wir alle wissen, dass ein Einziger Mann Geschichte schreiben kann. Trag ihr, Könige, Fürsten und Abgesandte den Gedanken der Verständigung in die Köpfe und Debatten, auf dass wir bald wieder prosperieren.
Nur ein prosperierender Kontinent kann die Probleme lösen, die noch kommen werden und den Kampf zu Ihnen tragen. Dies wird von Etho und den Wächtern, von Etho und ihren Kindern gesegnet sein. Auch wenn ich als von der Zukunft geängstigter, kriegsvernarbter Provinzfürst vor euch stehe, der nur Träume, keine Verheißung hat, so bin ich mir doch was unsere historische Mission der Befreiung des Südens angelangt in einem sicher: Der Unterstützung des Glaubens. Im Süden sind Gläubige unter der größten Drangsal der Geschichte, durch Ungläubige, die nicht einmal menschlich sind. Daher schließe ich meinen Appel an unser aller Solidarität mit dem alten Schlachtruf, der einst Angs in den Herzen der Ungläubigen säte. Lehren wir den Ameisen diese Angst, auch wenn es 10 oder 20 Jahre dauern mag. Denn eins ist sicher:“
„ETHO IO VULT“
„ETHO IO VULT“
„ETHO IO VULT“
Nicht wenige Anwesende stimmen in den sich entwickelnden Chor ein. Dschafar wirkte erfreut, aber auch sichtlich geschwächt als er schließlich von der Bühne ging. Kaum jemand bekam seinen Hustenanfall hinter der Bühne mit „Eine gute Rede Großvater, doch ob sich die Stimmung niederschlagen wird?“ „Wer weiß das schon Musa, wer weiß es?“, wurde später am Abend gesprochen.