0300AD Teil 1 von Vielen.
Irgendwo in einer billigen Absteige, die sich Herberge nannte. Dort wo sonst gealterte Huren mit ihren geilen Freiern abstiegen, dort wo finanziell klamme Händler eine Bleibe für die Nacht oder geflohene Praktikanten Schutz vor den ausbeuterischen Methoden ihrer Arbeitgeber suchten. Dort war der Treffpunkt.
Im ärmsten und vernachlässigsten Stadtteil der riesigen Metropole, standen Dutzende dieser schäbigen Häuser, die alles sein konnten, was man wollte. Versteck, Freudenhaus, Zufluchtsort oder Nachtquartier. Nur kein Zeichen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die gab es hier nicht.
Dafür war man hier zu weit unten. Doch das ist eine andere Geschichte
Der Mann aus der Nacht schritt ruhig und mit gleichmäßigen Gang den Flur entlang. Er blickte sich um, nahm jedes Detail genau auf und registrierte noch den unscheinbarsten Gegenstand. Stuhl. Wandbild. Öllampe.
Wer weiß, wozu man sie notfalls gebrauchen könnte. Er blieb vor einer schmutzigen Tür am Ende des Ganges stehen und trat nach einer kleinen Pause hinein.
Zwei Männer standen aufrecht im Raum und musterten ihn eindringlich. Sie verstanden ihr Handwerk. Leicht versetzt stehend bildeten sie eine Achse im Raum, die jeden Winkel erreichen konnte.
Der Neuling betrachtete die Szenerie. Das Interieur war spartanisch und von wenig Geschmack. Doppelbett. Vier Stühle. Runder Tisch.
An den Wänden hingen Holzrahmen mit verblassten Bildern, die Motive waren im fahlen Licht nicht genau zu deuten. Egal.
Das Fenster war geschlossen und davor hing ein schwarzer Vorhang. Regen prasselte gegen die Scheibe. Die Öllampen auf dem Tisch und an den Wänden spendeten nur wenig Licht. Es roch nach Petroleum.
Der Neuling verschloss die Tür und schob die Kapuze seines Mantels nach hinten. Die beiden Männer entspannten sich. Gewöhnliche Menschen hätten die Veränderungen in der Körperhaltung und in den Gesichtern nicht bemerkt. Doch er sah es sofort.
Auf dem Tisch standen drei Gläser und eine Flasche mit billigem Wein. Trinken werde ich auf gar keinen Fall, dachte der Neuankömmling.
Ich behalte lieber einen klaren Kopf. Die drei Männer im Raum arbeiteten für denselben Auftraggeber bzw. für dieselbe Firma, wie sie es nannten.
Aber wer weiß, vielleicht haben sich die Rahmenbedingungen seit dem letzten Treffen geändert.
So etwas wird einem immer erst erzählt, wenn man schon am Boden in seinem Blut und seiner Pisse liegt.
"Ich habe die Informationen, die wir wollten.", sagte ich schlicht.
Die beiden Männer, nennen wir sie einfach Herr Braun und Herr Grün, nickten stumm und deuteten auf den Tisch.
Ich holte mit einer langsamen Bewegung die Pergamentrollen und das Buch aus den Taschen meines Mantels und schob alles auf die Tischplatte.
Herr Grün nahm sich sofort eine Pergamentrolle und öffnete sie ohne zu zögern.
Sie zeigte eine Reihe von Stadien aus verschiedenen Perspektiven und dazu etliche Daten sowie Fakten. Daneben standen handschriftlich geschriebene Notizen.
Herr Grün überflog hastig die Bilder und Datensätze und gönnte sich ein süffisantes Lächeln.
"Darauf haben wir im Hauptquartier so lange gewartet und nun haben wir es. Nach so vielen Fehlschlägen."
Hoffentlich beginnt er nicht vor Rührung zu weinen, dachte ich.
Die wichtigsten Vereine waren zuerst abgebildet. Es war eine Wonne den Blick in das Innerste unserer Feinde zu werfen. Endlich!