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Thema: Louis' Leseecke

  1. #76
    Kaktuskiller Avatar von Xenoom
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    Zitat Zitat von Papa Bear Beitrag anzeigen
    Schade, dass Sci-Fi eher nicht vorkommen wird hier. Mich hätte mal interessiert, was Du so von Peter F. Hamiltons Büchern hältst oder von Dan Simmons oder auch David Webers Honor Harrington Reihe. Neben den ganzen Romanen aus dem Star Wars "Expanded Universe" (vor der Disney-Übernahme, mit der leider einher ging, dass man das EU beinahe komplett aus dem Kanon strich und auch dessen teils richtig gute Autoren entließ) sind dies die Autoren, deren Werke ich richtiggehend "verschlungen" habe...
    Also ich finde Peter F. Hamiltons Commonwealth Universum richtig genial.
    Vom der Commonwealth Saga hab ich nur das letzte Buch gelesen, aber fand es schon sehr gut.
    Der Leere Zyklus ist richtig genial, und die Fantasy Parts darin sind anfangs unerwartet, ich fand sie teils sogar leicht Störend am Anfang, weil erst einmal total out of the Box)
    Der Nachfolge Zyklus "die Faller Saga" hat mich nicht überzeugt, ( wurde ja auch von anfangs angedachten 3 Romanen auf 2 gekürzt
    Weiterhin zählt zum Commonwealth Universum noch "Der Dieb der Zeit", den fand ich eher sehr Fad.

    Vom Armageddon Zyklus hab ich nur das erste Buch gelesen und es wird am ende echt abgefahren

    Als Einzelroman hab ich noch "Dämonenfalle" gelesen, der beginnt als Cyberpunk Thriller, anfangs etwas Langatmig aber im großen und ganzen sehr cool. wobei man parallelen zum Commonwealth Universum sehen kann

  2. #77
    Singen Saufen Siegen Avatar von Admiral G
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    Zitat Zitat von Xenoom Beitrag anzeigen
    Also ich finde Peter F. Hamiltons Commonwealth Universum richtig genial.
    +1

  3. #78
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Nachdem ihr euch hier fünf Seiten über Bücher unterhalten habt, nehme ich den Faden mal wieder auf. Ich habe noch meine Bücher aus Januar nachzutragen, und habe mich jetzt entschieden, dass ich hier auch die wissenschaftlichen Bücher mit reinnehme, die ich in meiner Freizeit lese. Mein Faden, meine Regeln.

    Ich gehe etwas ausführlicher auf das Buch ein, und zwar auch aus der Idee heraus, dass der Text mir selbst helfen soll, mich später einmal daran zu erinnern, worum es ging. Ich habe festgestellt, dass ich häufiger mal Teile von Büchern vergesse, und irgendwie ist das auch schade, wozu liest man es denn sonst?


    Januar 2024

    Francis Young: Twilight of the Godlings
    erschienen: 2023 (non-fiction)

    Wir wechseln von der Fantasy zur wissenschaftlichen Folklore-Forschung. "Twilight of the Godlings" wurde mir in einer Liste mit den besten historischen Wissenschaftsbüchern des Jahres reingespült, und das Thema klang spannend: Wie hat sich der Glaube an Feen und mythische Wesen eigentlich entwickelt und verändert, insbesondere in diesem Fall in Großbritannien von der keltisch-römischen Zeit bis ins spätere Mittelalter.

    Vorweg: Ich bin im Nachhinein etwas überrascht, das Buch in einer "Bestenliste" zu sehen. Ich habe es genossen, es waren auch eine Menge spannender Details drin, aber es war phasenweise auch sperrig und vor allem, es war tatsächlich sehr wissenschaftlich. Will heißen: Der Autor scheut sich nicht an mehreren Stellen darauf hinzuweisen, dass zu diesem oder jenem Punkt zu wenig Quellen vorliegen, dass man hier nur spekulieren kann und vor allem auch deutlich zu machen, dass bisherige Annahmen eigentlich auch ganz anders sein könnten. Man weiß es nicht. Das ist einerseits sehr erfrischend und angenehm, andererseits natürlich auch frustrierend. Es wirft aber auch ein Schlaglicht auf viele Bücher, die einem großspurig erklären wollen, wie zum Beispiel bestimmte paganistische Riten sich von der Frühzeit bis in spätere Jahrhunderte gehalten haben. Young wirft hier ein klares Veto ein: Weiß man nicht. Könnte auch sein, dass sie vergessen wurden und später in ganz anderem Zusammenhang in einer Art Retro-Form völlig verändert wieder aufgenommen wurden. Wer im 6. Jahrhundert etwas aus dem 2. Jahrhundert aufgreift, hat manchmal schon längst vergessen, worum es ursprünglich ging. Anders gesagt: Volksglauben ist manchmal eben auch einfach schon damals konstruiert worden und man nahm sich die Versatzstücke, die man gerade brauchte. Young nennt in dem Zusammenhang sogar eine Neukonstruktion des 21. Jahrhunderts: "Saint Javelin", eine heilige Figur der Ukraine mit Panzerabwehrgeschütz. Ein weiteres Beispiel, das der Autor benutzt: Wenn ein Flugzeug im Dschungel abstürzt und jemand findet die Mütze des Piloten und setzt sie auf, dann ist er kein Pilot. Ähnlich können also Motive, Figuren aus früheren Zeiten später auftauchen, ohne dasselbe zu bedeuten. Das erschwert natürlich Forschung und Interpretation.

    Götter oder nicht?

    Das Buch überspannt Antike bis ins Mittelalter, was schon deswegen herausfordernd ist, weil es in der Geschichtswissenschaft normalerweise zwei verschiedene Teilbereiche sind. Es will auch bewusst sowohl Geschichtswissenschaft als auch Folklore-Wissenschaft sein. Die grundsätzliche Idee und Feststellung: Der Glaube an übernatürliche Wesen ist schon sehr lange vorhanden und wurde von den Kirchen, sowohl dem römischen Pantheon als auch dem frühen und späteren Christentum lange Zeit ignoriert, weil Feen und andere Wesen keine Konkurrenz zu den Religionen darstellte. Niemand "verehrte" sie. Für die Römer waren die Unterschiede zwischen verschiedenen übernatürlichen Wesen ohnehin weniger wichtig, also ob etwas Gott, Halbgott oder sonstiges Wesen war, für die Christen (und auch die Muslime) wurden sie relevant (weil "Gott" einen deutlicheren Exklusivanspruch hatte). Der muslimische Glaube ging da interessanterweise flexibler mit um, weil einige dieser Wesen als Dschinne eingemeindet wurden. Für die Christen gab es eigentlich nur Engel. Und Teufel.

    Interessanter Nebenaspekt: "Aberglaube" ist, so argumentiert Young, gar nicht unbedingt ein Zeichen von Rückständigkeit, sondern vor allem der Versuch, die Umwelt und unerklärliche Vorkommnisse beherrschbar zu machen, also eher Fortschrittsdenken. Das Christentum konnte sich sogar erst flächendeckend im ländlichen Raum durchsetzen, als es ähnliche Erklärungsweisen anbot.

    Christentum und Paganismus

    Die frühesten mythischen Feenwesen in britisch-römischer Antike waren Faune, Nymphen und Schicksalswesen, meist fließend sowohl was das Geschlecht anging, als auch die Frage, ob es sich um singuläre Gestalten oder Gruppen von Wesen handelte. Klar ist, sie waren nichtmenschlich, gehörten eher Erde und Unterwelt an ("chtonisch") und bestimmten oft über das Schicksal der Menschen. (Die bis heute in neo-paganistischen Kulten vorherrschende Meinung, dass eine "Erdmutter" oder ein "gehörnter Gott" die ersten göttlichen Erscheinungen gewesen seien, lässt sich laut Young nicht belegen, es gäbe da keinerlei Anzeichen für). Ebenfalls sehr früh sind alle Arten von Wassergeistern und Wasserwesen. Problem bei all dem übrigens: Vieles, was wir wissen, ist durch römische Quellen belegt, die durch ihre Linse Dinge interpretierten. Da sind wir wieder beim Nichtwissen. Anders als das Bild, das wir heute vom Christentum habe, waren die frühen christlichen Priester mit vielem davon sehr entspannt. Bestimmte Praktiken wie die Verehrung von Brunnen wurden verboten, andere wurden ignoriert. Allerdings: Die bis heute weit verbreitete Ansicht, dass das Christentum paganistische Symbole und Feste übernommen habe, ist wiederum überwiegend protestantische Reformations-Propaganda gegen die Katholiken. In Wirklichkeit sei das überhaupt nicht so gewesen, betont Young. Das Problem sei unter anderem auch: "Kirche" könne gar nicht immer steuern, was die Menschen dort draußen so alles glauben (wollen). Oft laufe sie da auch hinterher. Ebenso oft wurden Entwicklungen auch ignoriert, weil sie nicht als Konkurrenz gesehen wurden. Das änderte sich erst gegen Ende des Mittelalters, als eine gefestigte Kirche strenger gegen bestimmte Riten und Praktiken vorging.

    Ohnehin war die Verehrung mythischer Wesen extrem lokal und sehr divers. Im 4. Jahrhundert kam es dann zu einem ersten "Revival" mythischer Feenwesen, die aber, siehe oben, teilweise nur Bruchstücke früherer Erinnerungen waren und neu zusammengesetzt wurden. Was sehr wohl passierte war der Versuch, unliebsame Mythen irgendwie negativ umzudichten. So wurden aus den "schönen, verführerischen Nymphen" der Griechen zum Beispiel Lamia-Figuren, die Kinder stehlen und Krankheiten verbreiten. Umgekehrt werden manche Sagen auch re-christianisiert. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Kain der Urvater der irischen Leprechauns ist, weil er der Vater einer Sirene ist, die diese zusammen mit einer Forelle (!) gezeugt hat? Ich auch nicht.

    Was sagen uns die Quellen?

    Immer wieder bespricht Young, ich erwähnte es eingangs bereits, auch die Probleme der Quellenlage: Wenn wir zum Beispiel aus dem 7. Jahrhundert Schriftstücke haben, in denen christliche Priester bestimmten Aberglauben verbieten - ist das dann ein Beweis dafür, dass es diesen tatsächlich gab? Eben leider nicht, argumentiert Young, es kam nämlich oft vor, dass auch solche Priester selbst nur Praktiken vom Hörensagen kannten, oder wiederum auf Literatur und Geschichten jener Zeit reagierten. Das wäre dann also so, als würden Forscher in tausend Jahren glauben, unsere Generation hätte tatsächlich an Harry-Potter-Magie geglaubt. Das ist ohnehin ein generelles Problem: Literatur und Sagenwelt beeinflussen sich gegenseitig, und manchmal entstehen mythische Wesen auch, weil ein Autor sie erdacht hat, und sie sich dann verbreiten. Nicht immer also ist es umgekehrt (man denke hier auch an die Sache mit den Brüdern Grimm).

    Synthese der Feen

    Etwa ums 11. Jahrhundert herum lassen sich dann bestimmte "Klassen" von mythischen Wesen in Großbritannien definieren: Waldwesen oder Faune, Elfen (bis dato noch recht undefinierte Feenwesen), übernatürliche Frauen sowie kleinwüchsige Wesen aus der Unterwelt. Damit hat Young dann den Grundstein gelegt, um in seinem finalen Kapitel darzulegen, wie die mythischen Feenwesen des Spätmittelalters allesamt Details und Erinnerungsmerkmale der Vorgänger anderer Jahrhunderte haben. "Elfen" und "Feen" zum Beispiel waren lange Zeit Synonyme. Aus den Parcae, den übernatürlichen Schicksalsfrauen der Antike, entwickeln sich allerlei Hexenfiguren. Tatsächlich wird "Hexerei" spätestens im 17. Jahrhundert ein Sammelbegriff für alle Arten von Magie, die vorher noch einzeln definiert war. Hat wohl auch damit was zu tun, dass Magie ihre Relevanz zur Erklärung für Dinge verlor - also braucht man nicht mehr so viele Begriffe. Aus Faunen und Waldwesen werden domestizierte Hausgeister. Aus den kleinwüchsigen Unterweltwesen entwickelt sich der "Feenhof" mit Feenkönig in der Unterwelt. Entscheidend für Youngs Argumentation aber ist: Diese mythischen Wesen haben nicht etwa aus der Frühzeit "überlebt", sondern wurden immer wieder verändert und angepasst und einzelne Merkmale und Versatzstücke verwendet.

    Das war, wie gesagt, teilweise spannend, immer wieder auch mit überraschenden Details, die man so als Fantasy-Begeisterter und Pen-and-Paper-Rollenspieler durchaus nutzen kann, teilweise aber auch trocken und gefühlt etwas ziellos. Ich kann das Buch nur so bedingt empfehlen: Man muss sich auf jeden Fall darauf einlassen, hier keine komplettfertigen Weisheiten und Wahrheiten präsentiert zu bekommen.

  4. #79
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Okay ich sehe, zu Fantasy Belletristik habt ihr mehr beizutragen.

  5. #80
    Altes Mann Avatar von goethe
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    bei amazon scheint es keine deutsche Fassung zu geben, damit fällt das Buch bei mir leider raus. Obwohl das Thema sehr interessant zu sein scheint.

    Wurde auch der Aspekt beleuchtet, dass angelsächsische und "keltische" Missionare im beginnenden Mittelalter das Christentum in Kontinentaleuropa wieder verstärkt unter die Leute brachte?


    You can check out any time you like, but you can never leave


  6. #81
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Zitat Zitat von goethe Beitrag anzeigen
    Wurde auch der Aspekt beleuchtet, dass angelsächsische und "keltische" Missionare im beginnenden Mittelalter das Christentum in Kontinentaleuropa wieder verstärkt unter die Leute brachte?
    Eher nicht, weil der Fokus klar auf Britannien liegt, auch wenn er gelegentlich Exkurse nach Spanien oder Osteuropa, etc., macht. Das ist auch der Punkt, der es natürlich etwas schwieriger macht für uns nützlich zu sein: Man lernt sehr viel darüber, wie bestimmte Vorstellungen und Mythen in Großbritannien entstanden sind - aber das ist natürlich nicht deckungsgleich mit Deutschland. Andererseits ist ja sehr viel von moderner Fantasy wiederum von England beeinflusst. Man sieht schon auch, wie da auch Tolkien bestimmte Themen aufgegriffen hat.

  7. #82
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Zitat Zitat von goethe Beitrag anzeigen
    bei amazon scheint es keine deutsche Fassung zu geben, damit fällt das Buch bei mir leider raus. Obwohl das Thema sehr interessant zu sein scheint.

    Wurde auch der Aspekt beleuchtet, dass angelsächsische und "keltische" Missionare im beginnenden Mittelalter das Christentum in Kontinentaleuropa wieder verstärkt unter die Leute brachte?
    Sehe ich auch so - total interessant. Die wissentschaftliche Herangehensweise kenne ich aus einigen anderen Büchern auch. z.B. "Das Goldene Rhinozeros - Afrika im Mittelalter". Da werden Schlaglichter auf Entdeckungen geworfen und viel zu oft kommt ein "könnte sein". Das ist gewöhnungsbedürftig.

    Falls es da eine deutsche Version gibt, könnte ich mir gut vorstellen, die auf die Wunschliste zu setzen.

  8. #83
    Ewig unbezähmbar! Avatar von LegatBashir
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    Zum Thema Kelten habe ich mir auch mal ein Sachbuch zu Gemüte geführt. Es war aber eher versehentlich Titel: Die Druiden. Das ist aber schon so lange her und das Buch wohl einem Wasserschaden zum Opfer gefallen, dass ich nicht mehr weiß welches das war. Es gibt ja mehrere mit diesem Titel.
    ex flammis orior

  9. #84
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Es ist März, und ich habe Dinge nachzutragen. Ich habe nämlich tatsächlich gelesen, allerdings nicht pflichtschuldig hier geschrieben. Schnallt euch an, das ändern wir jetzt.

  10. #85

  11. #86
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Januar 2024

    Ronald Shafer:
    The Carnival Campaign

    erschienen: 2016

    Auf dieses Buch, beziehungsweise das Thema bin ich durch einen Podcast gekommen, bei dem in jeder Folge ein einzelner US-Präsident vorgestellt wurde. Mir ist dabei bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich wirklich über die Geschichte der USA weiß, abseits von den großen Schlagworten Kennedy, Bürgerkrieg, etc. und was man halt so auf Filmen aufschnappt.

    Der seeeehr lange Untertitel lautet "How the Rollicking 1840 Campaign of 'Tippecanoe and Tyler Too' changed Presidential Elections forever". Sprich: Es geht um einen Präsidentschaftswahlkampf. Nämlich den von 1840. Und der wurde komplett anders als all diejenigen davor.

    Es trat nämlich William Henry Harrison (Whigs) gegen den amtierenden Präsidenten Martin Van Buren (Demokraten) an. Harrison war ein Kompromiss-Kandidat, auf den sich die Partei geeinigt hatte, eigentlich gar nicht sonderlich spektakulär, er lebte ein wenig von seinem Image, in seiner Jugend ein erfolgreicher Offizier im Kampf gegen die amerikanischen Ureinwohner gewesen zu sein, davon hatte er auch seinen Spitznamen "Tippecanoe", nach dem Ort einer Schlacht, die er gewonnen hatte. Dann aber geschah etwas Unerwartetes: Harrison wird einer Zeitung spöttisch verunglimpft, er sei ja ein wenig aus der Zeit geraten, und solle lieber in seiner Holzhütte sitzen und Cider trinken. Das Bild, was damit skizziert wurde, war, dass er ein konservativer, alter Mann sei. Er war nämlich, Trommelwirbel, 67 Jahre, und das war nach einhelliger Meinung damals viel zu alt, um US-Präsident zu werden. Anstatt jetzt aber sich gegen diese Verunglimpfung zur Wehr zu setzen, greifen Harrison und die Partei das Bild aus und entwickeln dadurch ein Markenzeichen, eine Wahlkampagne.

    Plötzlich werden auf Wahlkampfveranstaltungen Holzhütten durch die Gegend getragen und Cider ausgeschenkt, und die Whigs präsentieren sich als "Partei des einfachen Mannes", im Gegensatz zu den regierenden Demokraten, die ja alle zu weit weg von der Bevölkerung seien. Alles daran ist neu. Der Wahlkampf, das Spiel mit dem Image. Und alles daran ist auch falsch, denn in Wirklichkeit besitzt Harrison ein prächtiges Landhaus, während Präsident Van Buren eigentlich aus vergleichsweise einfachen Verhältnissen stammt.

    Aber das ist egal. Der Wahlkampf rollt. Zum ersten Mal entdeckt eine Partei das Thema "Wahlkampf". Es werden Frauen rekrutiert, ihre Männer zu überzeugen (weil sie selbst noch nicht wählen dürfen). Es werden Lieder getextet, unter anderem ein krachender Ohrwurm mit dem Titel "Tippecanoe and Tyler Too", bezugnehmend auf Harrison und seinen Vize John Tyler. Alles mögliche, was uns heute vertraut ist, wird damals teilweise zum ersten Mal ausprobiert. Sogar Wahlkampfreden. Bis dahin war es üblich, dass Kandidaten nicht über sich selbst reden, das galt als unfein. Man schickte andere Leute ins Feld, die für einen Werbung machten. Harrison aber hält seine Reden selbst, erst ein wenig durch Zufall, dann geplant.

    Am Ende gewinnt er die Wahl... und stirbt einen Monat später. Lange Zeit hielt ich der Mythos, er habe sich bei seiner Inaugurationsrede, die mehrere Stunden dauerte und sehr langweilig gewesen sein muss, erkältet. Heute weiß man, dass vermutlich das Trinkwasser im Weißen Haus kontaminiert war durch einen Abwasserzufluss, der flussaufwärts Fäkalien hereinspülte. Möglicherweise der Grund für noch weitere Todesfälle unter amerikanischen Präsidenten in den nächsten Jahren. Am Ende kommt also John Tyler, der eigentlich nur "and Tyler Too" war, ins Amt und verändert obendrein noch die Art und Weise, wie Vizepräsidenten ihr Amt sehen und interpretieren - bis dahin hatten sie nämlich eigentlich fast keine Funktion.

    Der Zeitsprung ist hoch faszinierend, die Epoche ebenfalls. Insbesondere, wenn man sich die Parallelen und Unterschiede zu heute bewusst macht.

    Zum Abschluss: Die Band "They Might Be Giants" (bekannt durch "Birdhouse in your Soul" oder "Istanbul") hat sich mal den Scherz erlaubt, den damaligen Wahlkampfsong neu zu vertonen. Ich liebe die Version.



    Der "Ball" im Text bezieht sich auf ein Wahlkampf-Gimmick, einen echten Ball aus Papier, der bei den Wahlkämpfen durch die Städte gerollt wurde. "Little Van" ist der Schmähname für Martin Van Buren, der eher kleingewachsen war.

    Oh who has heard the great commotion, motion motion
    all the country through?
    It is the ball a-rolling on
    for Tippecanoe and Tyler too
    and with him we'll beat Little Van, Van
    Van is a used up man
    and with him we'll beat Little Van

    Sure, let 'em talk about hard cider (cider cider)
    and log cabins too
    't'will only help to speed the ball
    for Tippecanoe and Tyler too
    and with him we'll beat Little Van, Van
    Van is a used up man
    and with him we'll beat Little Van

    Like the rush of mighty waters (waters waters)
    onward it will go
    And of course we'll bring you through
    for Tippecanoe and Tyler too
    and with him we'll beat Little Van, Van
    Van is a used up man
    and with him we'll beat Little Van

  12. #87
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Februar 2024

    Margaret Weis/Tracy Hickman:
    Dragons of Fate (Dragonlance Destinies, II)

    erschienen: 2023

    Wie unschwer zu erkennen ist das Band 2 der Serie, deren ersten Teil ich im Januar gelesen habe. Ich muss dazu sagen, dass ich in der Vergangenheit eigentlich häufig bewusst Serien nicht am Stück lese, weil es gefühlt so viele spannende Bücher gibt, dass ich mich nicht über mehrere Monate mit nur einer Serie und demselben Schreibstil beschäftigen will. Ich hatte aber an "Dragons of Deceit" so viel Spaß, dass ich in diesem Fall doch noch direkt Band 2 geholt habe. Der dritte und letzte Teil ist noch nicht erschienen.

    Ich werde leider nicht umhin kommen, diese Besprechung in Spoiler zu packen. Ich kann nicht sinnvoll über Teil 2 reden, ohne die maßgeblichen Ereignisse aus Teil 1 zu spoilern. Kurzes Fazit aber: Ich fand ihn besser als Teil 1. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass Hauptcharakter Destina ein wenig in den Hintergrund tritt, deren Motivation und Charakter ja so ein wenig seltsam wirkten. Dafür treten zwei legendäre Figuren aus der Original-Serie in den Vordergrund, plus zwei legendäre Charaktere aus legendärer Zeit. Ach ja, plus Zeitreise. Das konnten Weis/Hickman ja damals schon gut. Das Rezept funktioniert noch immer.

    Achtung Spoiler:

    Der Höhepunkt, mit dem "Deceit" geendet hatte, war die unfreiwillige Zeitreise von Destina, Tasslehoff, Raistlin und Sturm in die Zeit des legendären Ritters Huma, auf den in den vorigen Serien immer wieder auch referenziert wurde. Ebenfalls etabliert in der "Chronicles"-Serie war die Tatsache, dass Zeitreisen eigentlich harmlos sind und den Strom der Zeit nicht verändern können - solange kein Kender mitreist. In der Gegenwart haben jetzt ein Haufen Leute panische Angst, dass eines der wichtigsten Ereignisse der Vergangenheit anders verlaufen könnte, nämlich dass Huma unter heroischem Einsatz seines Lebens die Dunkle Göttin Thakisis besiegt.

    In der Vergangenheit wiederum... haben wir ein wirklich großartiges Ensemble. Vor allem mit Raistlin und Sturm, zwei Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und bei denen wir insbesondere von Sturm in der Originalserie eigentlich recht wenig mitbekommen haben, der stirbt ja den Heldentod. Weis und Hickman spielen sehr bewusst und ehrlich gesagt ziemlich gekonnt mit den sich daraus ergebenden Parallelen: Humas bester Freund war nämlich ein Magier, "Magius". Wir haben also zwei legendäre Charaktere (Huma/Magius) und zwei Charaktere, die sich eigentlich nicht sonderlich leiden könen (Raistlin/Sturm) in perfekter Synchronisation ihrer Figuren. Natürlich ist der mythenhaft verklärte Huma nicht ganz das, wozu ihn die Mythen später machten. Umgekehrt bekommen wir eine Version von Raistlin präsentiert, bevor er seinen Weg zum Gottstatus antritt, er ist also ungewohnt schwach. Aus dieser Vierer-Konstellation wird ein wunderbares Figurenspiel, natürlich überschattet von der Frage, wie man jetzt Huma und Magius dazu bringt, sich zu opfern, damit die Geschichte ihren Lauf nehmen kann.

    Das ist wirklich unterhaltsam. So unterhaltsam, dass Destina immer noch wie ein Fremdkörper wirkt. Aber vielleicht schafft ja Band 3 dann eine Synthese.

  13. #88
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Februar 2024

    Margaret Weis/Tracy Hickman:
    Time of the Twins (Dragonlance Legends I)

    erschienen: 1986

    Ja, und dann... fiel mir just in der Zeit bei einem Bekannten im Bücherschrank ein sehr altes, abgegrabbeltes und leicht vergilbtes Buch in die Hände: Der erste Teil der "Legends"-Reihe, der 1986 rauskam, und die ich gelesen haben muss, als ich 12 oder 14 war. Also sehr lange her.

    Und was soll ich sagen, ich war neugierig. Ich konnte mich nämlich an nichts mehr erinnern. Ich wusste noch, dass es auch damals um eine Zeitreise ging, nämlich in die Zeit des "Kataklysmus". Ich wusste noch, dass Raistlin seinen Weg zum Gottstatus einschlagen wollte, und er dazu seinen Bruder irgendwie benutzt hat, der aber in der Gegenwart ein Trunkenbold geworden war, weil er den Abschied von seinem Zwilling nicht verkraftet hat - und dass er dann in der Vergangenheit als Gladiator erstmal wieder fit gemacht werden musste.

    Das war alles. An mehr konnte ich mich nicht erinnern. Ach ja, und natürlich, dass ich die Reihe gut fand. Also dass sie mir wirklich in guter Erinnerung geblieben ist, im Gegensatz zur ersten, bei der man schon leichte Rollenspiel-als-Roman-Vibes empfunden hatte.

    Also habe ich es nochmal gelesen. Das war dann auch für mich ein echter Sprung in die Vergangenheit, weil an manchen Stellen sind mir Dinge wieder eingefallen, an andere konnte ich mich gar nicht erinnern und gelegentlich hatte ich sogar Flashbacks, wie ich als Teenager gewisse Szenen gelesen habe.

    Die Geschichte ist gut. Sie ist auch heute noch gut. Tasslehoff empfinde ich als überraschend tiefgründig und angenehm, deutlich stärker als in den späteren und aktuellen Büchern, wo er oft allzu arg auf seinen Slapstick reduziert wird. Wen ich hingegen als extrem nervig wahrnehme, ist die "gute" Klerikerin Chrysania, die auf extrem plakative Weise als naiv gut gezeichnet wird, obwohl sehr schnell offenbar wird, dass die damalige Kleriker-Gesellschaft eben nicht die reinen, weisen Menschen sind, wie sie später gezeichnet werden. Was mir natürlich sofort bewusst wird, sind dabei die Parallelen zur aktuellen Destinies-Reihe: Zeitreise, teilweise Entzauberung einer mythisch verklärten Vergangenheit, Konfrontation mit den Idolen, etc. Aber gut, ich beschwere mich nicht. Wer 40 Jahre nach einer erfolgreichen Serie nochmal versucht, die Nostalgie zu befriedigen, der darf das.

    Das war es dann aber wirklich mit der Drachenlanze. Der zweite Teil der alten Serie liegt zwar auch schon auf dem Nachttisch, aber wir widmen uns jetzt erst einmal anderen Büchern.

  14. #89
    Pfeffersack Avatar von slowcar
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    Ich hab hier nur noch Bund der Drachenlanze 1-6, Heldenlied der Drachenlanze 1-6, Erben der Drachenlanze 1-2 und ein paar Einzelbücher stehen. Die Haupt-Serie habe ich schon vor der Oberstufe "verloren", hatte sie einem Mitschüler ausgeliehen und der ist plötzlich weggezogen - im Zeitalter der Postadressen und Festnetztelefone auf nimmerwiedersehen

  15. #90
    starc und vil küene Avatar von Louis XV.
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    Zitat Zitat von slowcar Beitrag anzeigen
    Ich hab hier nur noch Bund der Drachenlanze 1-6, Heldenlied der Drachenlanze 1-6, Erben der Drachenlanze 1-2 und ein paar Einzelbücher stehen. Die Haupt-Serie habe ich schon vor der Oberstufe "verloren", hatte sie einem Mitschüler ausgeliehen und der ist plötzlich weggezogen - im Zeitalter der Postadressen und Festnetztelefone auf nimmerwiedersehen
    Ja, geht mir ähnlich. Ich hatte definitiv auch einige von den Büchern früher zu Hause und heute nichts mehr da.

    Viel mehr aber ärgert mich, dass ich mich noch vage erinnere, meine gesamten Fighting Fantasy Spielbücher und die Einsamer Wolf Reihe einem Freund zur Leihe gegeben zu haben, der schon damals notorisch darin war, Dinge zu "vergessen". Ich war aber damals von den Spielbüchern übersättigt und empfand mich als herausgewachsen. Deswegen habe ich ihn lange Zeit nicht mehr gefragt, wann ich sie zurück haben kann.

    Wir haben uns aus den Augen verloren und heute ärgert es mich SEHR.

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