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Thema: Fragen zur Geschichte

  1. #436
    Rebellenschreck Avatar von Großadmiral Thrawn
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Daran anschließend mal eine Frage an dich: Warum werden diese Persönlichkeiten eigentlich im Geschichts- oder Deutschunterricht so wenig gewürdigt bzw ernsthaft angegangen?
    Der Grund lautet schlicht und ergeifend: Zeitmangel (v.a. G8!)

    In Baden-Württemberg hat man von der 6. bis zur 10. Klasse zwei Stunden Geschichte pro Woche, bis Ende Klasse 9 ist man beim aktuellen Zeitgeschehen angekommen. Leider sind diese zwei Stunden nicht ausreichend, um abgesehen von einer GFS (ab Klasse 7 muss jeder Schüler ein Referat pro Jahr halte, das wie eine Klausur angerechnet wird), näher auf Details, exotische Themen (Rosenkrieg, Hugenotten, Aufstieg Russlands zur osteuropäischen und asiatischen Hegemonialmacht) und Einzelbiografien einzugehen.
    Da der Fokus insbesondere auf der deutschen Geschichte liegt, wird sehr stark selektiert und sehr stark fokussiert, insbesondere in Klasse 9 wird sehr vertieft der Nationalsozialismus behandelt, bei mir sogar so intensiv, dass der 2. Weltkrieg auf 20 Minuten vom Lehrer auf einen Vergleich von sechs unterschiedlichen Landarten (aus Wikipedia nebenbei bemerkt ), die jeweils einem Jahr zwischen 1939 und 1945 ensprachen, zusammengestaucht wurde. Zum Kriegsgeschehen im Pazifik nur die Erwähnung, Japan kämpfe gegen die USA, die USA warfen 1945 die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ab und dannach war der Weltkrieg vorbei.

    In Klasse 10 stand es dem Lehrer weitestgehend frei, die Vorgabe, das in den vergangegen Jahren Behandelte zu vertiefen, in die Tat umzusetzen. Die meisten haben sich an das Lehrbuch gehalten: Römisches Reich, Mittelalter, Renaissance und Reformation - in chronologischer Reihenfolge! Insbesondere die Einheit "Stadt im Mittelalter" wurde von meinem Lehrer sehr detailliert besprochen - mittels "informativer" Schülerreferate auf Grundlage einer höchst spannenden interaktiven Website zur Stadt im Mittelalter.
    Der neue Bildungsplan von 2016 setzt aber für Klasse 10 neue Akzente mit China, Russland und der osmanisch/türkischen Geschichte.

    Die Kursstufe steigt mit der Kolonialisierung Amerikas ein und endet mit der europäischen Einigung und dem globalen Kampf gegen den Terrorismus (das betreffende Lehrbuch ist vergleichsweise neu ).

    Und als geschichtsinteressierter Schüler mit detailliertem, den Bildungsplan weit überschreitenden Fachwissen, kommt man sich manchmal ein bisschen auf die Schippe und gelangweilt vor (außerhalb des Leistungskurses, wobei ... ).

    Zitat Zitat von Lao- Tse Beitrag anzeigen
    Moltke hat jetzt mit dem Deutschunterricht nicht wirklich was zu tun, oder? Da steht ja die Literaturgeschichte im Vordergrund, nicht die Militärgeschichte.
    Militärlyrik in den Abiturkanon! Emoticon: rede
    PBEM[296]Der letzte Kaiser
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  2. #437
    Sozialschmarotzer Avatar von Rince Wind
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    Zitat Zitat von Großadmiral Thrawn Beitrag anzeigen
    Der Grund lautet schlicht und ergeifend: Zeitmangel (v.a. G8!)

    In Baden-Württemberg hat man von der 6. bis zur 10. Klasse zwei Stunden Geschichte pro Woche, bis Ende Klasse 9 ist man beim aktuellen Zeitgeschehen angekommen. Leider sind diese zwei Stunden nicht ausreichend, um abgesehen von einer GFS (ab Klasse 7 muss jeder Schüler ein Referat pro Jahr halte, das wie eine Klausur angerechnet wird), näher auf Details, exotische Themen (Rosenkrieg, Hugenotten, Aufstieg Russlands zur osteuropäischen und asiatischen Hegemonialmacht) und Einzelbiografien einzugehen.
    Da der Fokus insbesondere auf der deutschen Geschichte liegt, wird sehr stark selektiert und sehr stark fokussiert, insbesondere in Klasse 9 wird sehr vertieft der Nationalsozialismus behandelt, bei mir sogar so intensiv, dass der 2. Weltkrieg auf 20 Minuten vom Lehrer auf einen Vergleich von sechs unterschiedlichen Landarten (aus Wikipedia nebenbei bemerkt ), die jeweils einem Jahr zwischen 1939 und 1945 ensprachen, zusammengestaucht wurde. Zum Kriegsgeschehen im Pazifik nur die Erwähnung, Japan kämpfe gegen die USA, die USA warfen 1945 die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ab und dannach war der Weltkrieg vorbei.

    In Klasse 10 stand es dem Lehrer weitestgehend frei, die Vorgabe, das in den vergangegen Jahren Behandelte zu vertiefen, in die Tat umzusetzen. Die meisten haben sich an das Lehrbuch gehalten: Römisches Reich, Mittelalter, Renaissance und Reformation - in chronologischer Reihenfolge! Insbesondere die Einheit "Stadt im Mittelalter" wurde von meinem Lehrer sehr detailliert besprochen - mittels "informativer" Schülerreferate auf Grundlage einer höchst spannenden interaktiven Website zur Stadt im Mittelalter.
    Der neue Bildungsplan von 2016 setzt aber für Klasse 10 neue Akzente mit China, Russland und der osmanisch/türkischen Geschichte.

    Die Kursstufe steigt mit der Kolonialisierung Amerikas ein und endet mit der europäischen Einigung und dem globalen Kampf gegen den Terrorismus (das betreffende Lehrbuch ist vergleichsweise neu ).

    Und als geschichtsinteressierter Schüler mit detailliertem, den Bildungsplan weit überschreitenden Fachwissen, kommt man sich manchmal ein bisschen auf die Schippe und gelangweilt vor (außerhalb des Leistungskurses, wobei ... ).



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    Ich habe auch im Leistungskurs damals einen guten Teil der Zeit damit verbracht, das Geschichtsbuch zu lesen. Und hatte wenn es dann drankam wieder Zeit, weil ich es ja schon gelesen hatte.

  3. #438
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Zitat Zitat von Großadmiral Thrawn Beitrag anzeigen
    Der Grund lautet schlicht und ergeifend: Zeitmangel (v.a. G8!)
    Gut, dein Post ist natürlich ein starkes Argument. Aber weswegen wird dann alles so tendenziös behandelt? Nehmen wir mal Musils "Fliegenpapier": Das hatten wa im Deutschunterricht besprochen und prompt meldeten sich diverse Mädchen, die das dann sogleich in den Kontext des 2. WK stellten. Es fehlt dem Schüler völlig der Hintergrund des Textes und des (Lotze!) österreichischen Schriftstellers. Trotzdem wirds verwendet und am besten noch gleich irgendein "aktueller Bezug" hergestellt. Gerade bei letzterem stellen sich einem die Nackenhaare auf: Jede Arbeit, jedes Referat wird am besten mit irgendeinem aktuellen Bezug beendet..., wobei der Tenor letztlich immer der Gleiche sein muss und mit Knopp'scher Raffinesse auf ein abstruses "Hitlers Helfer"-Format reduziert wird.
    Es wird derart durch den Lernstoff gerusht, dass der Gesamtkontext nicht einmal im Ansatz abgedeckt werden kann.

    Militärlyrik in den Abiturkanon! Emoticon: rede
    Das Problem ist ja, dass Moltke allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Militär bereits für jeden Deutschlehrer diskreditiert ist. Ganz gleich, wie schön oder anschaulich er geschrieben haben mag.
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  4. #439
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Einerseits galt Moltke durchaus als talentierter und stilsicherer Autor - beispielsweise verfasste er während seiner Zeit in der Kriegsakademie einige kurze Erzählungen über moralische Themen wie Freundschaft, Ehre etc., die später auch veröffentlicht wurden - und andererseits war es in seiner altadligen Familie sowohl beim dänischen wie beim mecklenburgischen Zweig üblich, dass die Kinder in klassischer Literatur unterwiesen wurden. Dazu kam wohl auch ein recht sorgfältiges Lektorat, denn wenn ich es recht weiß, wurden diese Briefe erst einige Jahre später in einem sehr angesehenen Militärverlag veröffentlicht und für diesen Zweck gewiss auch ein wenig überarbeitet (zumal er darin ja auch eine militärische Niederlage so erklären musste, dass keine Zweifel an seinen Fähigkeiten als Offizier aufkamen).
    Vielen Dank Gibt es eigentlich etwas, dass du nicht weißt?

    Zum Thema Schulunterricht (der bei mir auch noch nicht ganz so lange vorbei ist): Das was Thrawn schreibt ist absolut richtig, es fehlt schlicht die Zeit. Im Prinzip hat mir der Geschichts-LK abgesehen von der Nachkriegszeit nichts beigebracht.

    @Lao: Nicht, dass ich dieses Briefsammlung in den Deutschunterricht mit aufnehmen wollen würde, aber undenkbar ist das nicht. Die Briefe haben nur sehr wenig mit Militär zu tun und beschreiben eine Reise durch das mehr oder weniger verwestlichen Osmanischen Reich. Wär vielleicht auch nicht falsch, sich sowas mal im Unterricht statt dem tausendesten Buch über die Nazis anzusehen.

  5. #440
    Sozialschmarotzer Avatar von Rince Wind
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    Wir sind im Geschichte LK dafür nicht über die Gründung der 2 Deutschlands rausgekommen.

  6. #441
    Shiny! Avatar von Lao- Tse
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    Zitat Zitat von Menelor Beitrag anzeigen
    Vielen Dank Gibt es eigentlich etwas, dass du nicht weißt?

    Zum Thema Schulunterricht (der bei mir auch noch nicht ganz so lange vorbei ist): Das was Thrawn schreibt ist absolut richtig, es fehlt schlicht die Zeit. Im Prinzip hat mir der Geschichts-LK abgesehen von der Nachkriegszeit nichts beigebracht.

    @Lao: Nicht, dass ich dieses Briefsammlung in den Deutschunterricht mit aufnehmen wollen würde, aber undenkbar ist das nicht. Die Briefe haben nur sehr wenig mit Militär zu tun und beschreiben eine Reise durch das mehr oder weniger verwestlichen Osmanischen Reich. Wär vielleicht auch nicht falsch, sich sowas mal im Unterricht statt dem tausendesten Buch über die Nazis anzusehen.
    Ich denk mir halt dass literaturgeschichtlich bedeutsame Werke im Vordergrund stehen sollten, weiß nicht ob das auf Moltke jetzt so zutrifft.
    Zitat Zitat von Windhoek Beitrag anzeigen
    Was schreibt ihr da für Unsinn?
    Zitat Zitat von Cepheus Beitrag anzeigen
    ...
    "Womit denn?"
    "Nun, ich hätte hier einige Ausgaben der Men's Health und der Bravo. Wenn sie es damit umwickeln könnten. Ich würde anschließend gern noch eine Tube Gleitgel dazulegen und es einem Freund schenken. Xxx Yyy ist übrigens sein Name. Sie müssten ihn kennen, er hatte hier erst gestern den Dreierpack Tigertangas gekauft, der im Angebot war. Ansonsten kommt er eigentlich nur wegen der Kondome her."

  7. #442
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Womit du auch absolut recht hast Als Oberstufenliteratur ist das gänzlich ungeeignet.

  8. #443
    Registrierter Benutzer Avatar von Suite
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Daran anschließend mal eine Frage an dich: Warum werden diese Persönlichkeiten eigentlich im Geschichts- oder Deutschunterricht so wenig gewürdigt bzw ernsthaft angegangen?

    Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als ich, das war übrigens ne Strafarbeit, ein Referat in der Oberstufe ausarbeiten sollte, die dem Zwecke diente, "Im Westen nichts Neues" und "In Stahlgewittern" gewissermaßen gegeneinander zu gewichten (Anmerkung: Ich musste übrigens Jüngers Buch sehr aufwendig via Fernleihe beziehen).
    Die Intention meiner Tutorin lag auf der Hand und ärgerte mich während der gesamten Vorbereitung bzw später Vortrag so sehr, dass es mir nicht gelang, die ein oder andere Bemerkung zu unterdrücken. Insbesondere hinsichtlich der Entstehung der beiden Werke bzw der autobiographischen Details hat Jünger nach meinem Dafürhalten autenthischer - ich bin mir bewusst, dass es diesen Komparativ eigentlich nicht gibt -, aber halt nicht iS heutiger Lerninhalte aufgezeichnet. Von der Ästhetik und Wucht seines Stils mal ohnehin abgesehen. Jünger malt in seinem Buch geradezu ein Gemälde, wohingegen Remarque nüchtern und fokussiert ist. Grundsätzlich ist ein Vergleich oder gar Gewichtung solcher Werke ohnehin nicht möglich, aber für Lehrer häufig natürlich ein gefundenes Fressen, wenn es bei einem Werk um vermeintliche Glorifizierung von Sujets wie Krieg und Sterben geht.

    Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich der Aufgabe eigentlich nicht gewachsen war; also ich erfüllte sie, aber heute hätte ich noch wesentlich deutlicher meine Position kenntlich gemacht. Damals fühlte ich mich ziemlich aufs... Fliegenpapier gegangen.
    Bzgl. der Thematik: Das ist erst neulich Zentralabiturthema Deutsch gewesen (also nicht Jünger, aber der Gegenstand Kriegsliteratur). Persönlichkeiten sind schwierig, weil das heutige Postulat von Schlüsselproblemen als Kern des Geschichtsunterrichts damit nicht funktioniert. Für vielschichtige Gestalten benötigt man auch an der Uni ein ganzes Hauptseminar, wie soll das in der Schule machbar sein? Der Zeitgeist und damit auch die Bildungspläne orientieren sich eher an Prozessen als an Persönlichkeiten. Geschichts-LKs sollen darüber hinaus wissenschaftspropädeutisch angelegt sein - wenn der Kurs inkl. Lehrer schlecht ist, lernt man nichts und wenn er gut ist, merkt man evtl. erst im Geschichts-Bachelor, dass man vieles gelernt hat.

  9. #444
    Zurück im Norden
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    Es kommt wohl darauf an, ob man an einer Persönlichkeit historische Prozesse exemplarisch aufzeigen kann und ob diese in einer Klasse vielleicht sogar noch auf ein gewisses Interesse stößt. Wenn beides zutrifft, kann man einer bestimmten Person durchaus einmal breiteren Raum widmen. Natürlich ist die Persönlichkeit des Lehrers dann immer noch von Bedeutung (also beispielsweise seine Fähigkeit, Sachverhalte zu erläutern oder seine Autorität), aber das ist ja ein Kennzeichen aller Lernprozesse. Auch an einer Uni wird nicht jede Vorlesung interessant und informativ gestaltet, und sogar Hauptseminare sind in gewissen Fällen nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung von Referaten.

    Dazu kommt dann, dass es auch entscheidend auf die Person des Schülers (oder Studenten) ankommt. Man kann zwar als Lehrer fast immer dafür sorgen, dass es in einer Lerngruppe diszipliniert zugeht und man beim Thema bleibt; der eigentliche Lernerfolg ist damit aber natürlich noch nicht sichergestellt.

    Kriegsliteratur gehört übrigens durchaus zu den üblichen Themen des Deutschunterrichtes in den höheren Klassen. Ein gewisser historischer Überblick ist dabei im Vorfeld natürlich unabdingbar, weil die Schüler sonst ja nicht begreifen, was die Autoren bewegt hat. Eine Gegenüberstellung von Remarque und Jünger wird dabei eigentlich sogar recht häufig versucht, weil man selten eine so gute Möglichkeit hat, die völlig unterschiedlichen Wirkungen derselben Ereignisse auf verschiedene Autoren zu zeigen. Auch der unterschiedliche Stil, den DPK ja bereits genannt hat, ist im Grunde ein Zeichen dieser Wirkung bzw. der Rezeption der Kriegsereignisse durch die beiden Personen.

  10. #445
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Kriegsliteratur gehört übrigens durchaus zu den üblichen Themen des Deutschunterrichtes in den höheren Klassen. Ein gewisser historischer Überblick ist dabei im Vorfeld natürlich unabdingbar, weil die Schüler sonst ja nicht begreifen, was die Autoren bewegt hat. Eine Gegenüberstellung von Remarque und Jünger wird dabei eigentlich sogar recht häufig versucht, weil man selten eine so gute Möglichkeit hat, die völlig unterschiedlichen Wirkungen derselben Ereignisse auf verschiedene Autoren zu zeigen. Auch der unterschiedliche Stil, den DPK ja bereits genannt hat, ist im Grunde ein Zeichen dieser Wirkung bzw. der Rezeption der Kriegsereignisse durch die beiden Personen.
    Mir geht es in diesem Zusammenhang insbesondere um die fehlende Neutralität, die ua daraus resultiert, dass vergangene Ereignisse unter heutiger "Weltsicht" rezipiert und anschließend bewertet werden. Als Schüler bekommt man irgendwann ein Gespür, was der Lehrer hören/ lesen möchte und fährt immer sicher, wenn man sich möglichst nah an seiner Sicht der Dinge orientiert. Komplexe Sachverhalte werden gestreift - vma auch unter Zuhilfenahme des Arguments: "Wir haben doch keine Zeit" -, aber doch gleichzeitig der Eindruck erweckt, man habe sie abgeschlossen. Am besten mit der Phrase "Das* kann man ja heute wieder beobachten ..." . Der moralisierende Zeigefinger bzw die Unterteilung in Bösewichte und Opfer der Geschichte ist obligatorisch.

    Überspitzt formuliert: Der Schüler, obwohl dünn informiert, wird damit nicht zur zum Richter, sondern gleichzeitig willfährigen Vollstrecker des Lehrers und seiner Deutung - ohne es zu merken.

    *Beispielsweise wie im Zivi wieder: Vergleich Weimar und Heute mit Pegida&AfD bzw Demokratiemüdigkeit
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  11. #446
    Ignoriert Mauern Avatar von Argonir
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    Zunächst kann man in der Schule vom Geschichtsunterricht nichts erwarten. Viele, wenn nicht die Mehrheit der Geschichtslehrer haben sowieso keine Ahnung von dem Fach und die wenigen, die wirklich Ahnung haben, haben in der knapp bemessenen Zeit im Unterricht nicht die Möglichkeit ein differenziertes Bild der Geschichte zu entwerfen.

    Dazu hat die Schule neben dem Bildungsauftrag auch einen Erziehungsauftrag und Förderung eines demokratischen Bewusstseins sollte irgendwo in irgendeiner Form in den entsprechenden Vorgaben in jedem Land in Deutschland als ein Ziel vermerkt sein. Das findet natürlich seinen Ausdruck eher selten in Mathe und Physik, dafür mehr in Geschichte. Das ist auch gut so, da die Schule die Kinder in den Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften ja nicht zu angehenden Wissenschaftlern erziehen soll, sondern je nach Schulart nur eine gewisse Allgemeinbildung mitgeben und sie ansonsten als brauchbares Mitglied der Gesellschaft ausbilden soll.

    Letztendlich sind aber auch Objektivität und Neutralität nicht zu erreichende Zustände. Auch in den historischen Wissenschaften. Wer sich mit der Wissenschaftsgeschichte ein bisschen auseinandersetzt, wird schnell merken, dass zu bestimmten Zeiten bestimmte Sichten und bestimmte Fragestellungen vorherrschen, die sehr viel über die Gegenwart des Wissenschaftlers aussagen. Auch das ist gut so, denn für was machen wir den Spaß überhaupt?
    Um eine Vergangenheit zu rekonstruieren? Vergiss es! Die Vielschichtigkeit der Realität in der Vergangenheit ist in dem Moment unwiederbringlich verloren gewesen, als sie aufhörte Gegenwart zu sein. Die Frage nach der Geschichte ist vielmehr die Frage nach der eigenen Identität: Wer sind wir, was sind wir und woher kommen wir? Dabei interessiert uns an der Vergangenheit das, was uns in der Gegenwart beschäftigt. Wir suchen in der Vergangenheit Antworten für das hier und jetzt, indem wir Parallelen und Gegensätze herausarbeiten.

    Wir stellen autoritäre Tendenzen in der Gesellschaft der Gegenwart fest? Der Historiker schaut, wie sie autoritäre Tendenzen in der Vergangenheit äußerten und sich entwickelten. Der Laie, zu dem ich jetzt mal auch den Geschichtslehrer zählen würde, nimmt die Arbeit des Historikers und bemerkt die offensichtlichen Paralellen und Differenzen zur Gegenwart, die nur zum Vergleich einladen. Dabei hat der Historiker sein Werk mit der Gegenwart im Hinterkopf geschrieben und dabei zwangsweise - er kommt in diesem Punkt nicht aus - die Vergangenheit vor der Folie der Gegenwart geschildert.
    Bitte weitergehen, es gibt hier nichts mehr zu lesen!

    Immortals sterben nicht

  12. #447
    Registrierter Benutzer Avatar von Suite
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    Zu Pudel: Wie will man sich Literatur denn neutral nähern? Und eigentlich geht es ja gerade nicht um eine doktrinäre Moralisierung - was haben denn bitte Oberstufenschüler davon, wenn ein Lehrer nach jedem Werk in dieser Thematik eine Einteilung in Gut und Böse vornehmen lässt? Gerade in Kriegslyrik, aber auch den epischen Texten wird derart viel mit Stimmungen, Perspektiven etc. gemacht, dass man eigentlich auch als Schüler über dieses billige binäre Niveau längst hinweg gekommen sein sollte. Literatur soll ja gerade dazu anregen, die Welt bzw. in diesem Fall ein Werk aus einer ganz anderen Weltsicht zu erfahren (analog Geschichte: Alterität), daher kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Situation allgemein so dramatisch schlecht ist, wie du es beschreibst.

  13. #448
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Es reicht ja bereits der Literaturkanon und wenn auf Grund des Hintergrunds die Grenze zwischen Geschichts- und Deutschunterricht verschwimmt. Das versuchte ich deutlich zu machen anhand der Gegenüberstellung Jüngers und Remarques. Jünger glorifiziert den Krieg nicht direkt, jedoch reduziert er das Sterben nicht derart wie Remarque es tut - obwohl er übrigens wesentlich länger involviert war und zudem deutlich intensiver beteiligt war -> Dazu müsste man sich aber eingehender mit der Entstehungsgeschichte der Werke befassen. Remarques autobiographischer Anteil ist für sich genommen nämlich sehr gering - im Gegensatz zu Jünger. Wesentlich interessanter und dem Kern näherkommend wäre demgegenüber nicht, wie man solche Werke heute liest resp. zu lesen hat ( ), sondern wie es damals rezipiert wurde. Insbesondere auch hervorzuheben wären die tumultartigen Zustände in den Kinosälen, als die erste (amerikanische) Verfilmung im dt. Reich aufgeführt wurde. Immerhin wurde Kritik hier von Leuten geübt, die zumeist selber noch den Weltkrieg miterlebt haben.
    Unterm Strich ist "Im Westen nichts Neues" auf Grund der (eher) unserem Zeitgeist entsprechenden moralischen Haltung akzeptiert und daher kompatibel mit dem Kanon - obwohl ein Schüler den Kontext beider Werke letztlich nicht verstehen kann.

    Dieses, wie Suite es beschreibt, "binäre Niveau", also Unterteilung und Gewichtung, kommt automatisch, wenn zB so historische Ereignisse wie die Oktoberrevolution, 9/11 zum Quadrat für die damals Lebenden, in ihrer Tragweite kaum erschlossen werden. "Gegenbewegungen" wie der Faschismus wird ohne diesen Kontext schnell unbegreiflich und singulär betrachtet. Oder als der 1. WK thematisiert und analysiert wurde lediglich anhand der bekanntesten Dokumente und Depeschenwechsel und man sich unweigerlich fragte, warum die Schuldfrage überhaupt zur Debatte stand bzw die Deutschen überhaupt eine Behörde zu dessen Klärung einrichteten. Der ganze Rattenschwanz, in Form von Kontext, wird außen vor gelassen und sich auf Protagonisten fokussiert, als ob die in einem Vakuum handelten.
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  14. #449
    Zurück im Norden
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    Zitat Zitat von Argonir Beitrag anzeigen
    Zunächst kann man in der Schule vom Geschichtsunterricht nichts erwarten. Viele, wenn nicht die Mehrheit der Geschichtslehrer haben sowieso keine Ahnung von dem Fach und die wenigen, die wirklich Ahnung haben, haben in der knapp bemessenen Zeit im Unterricht nicht die Möglichkeit ein differenziertes Bild der Geschichte zu entwerfen.
    [...]
    Der Laie, zu dem ich jetzt mal auch den Geschichtslehrer zählen würde, nimmt die Arbeit des Historikers und bemerkt die offensichtlichen Paralellen und Differenzen zur Gegenwart, die nur zum Vergleich einladen.
    Danke für diese differenzierte, kenntnisreiche Beurteilung des schulischen Geschichtsunterrichts.

  15. #450
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Ich habe es während meiner Schulzeit nie erlebt, dass zB Soldaten als Zeitzeugen eingeladen wurden. Mein Opa war ein klassischer "Average Joe". Jedoch war ich immer erstaunt, dass er jene Zeit als durchaus glückliche Zeit betrachtete, obwohl in der Schule der NS als für jeden unglückliche Zeit kommuniziert wurde, die über jedem Zeitgenossen wie ein bleierner Schleier (bestenfalls unbewusst) liegen musste. Freilich wurde diese Vorstellung durch mannigfaltende Andachten für Widerstandskämpfer verstärkt, für die das Leben ohne jeden Zweifel die Hölle gewesen sein musste.
    Trotzdem wird dabei außer Acht gelassen, dass ein heutiger Rechtsstaat auch in damaligen Demokratien so nicht gegeben war. Der Faschismus war damals durchaus als mögliche Gesellschaftsform - neben Kommunismus und Demokratie - im Diskurs vertreten. Mich stören seit eh und je Kommentare wie "Wie kann man nur" oder "Waren die wirklich so blöde".

    Ich will es noch einmal verdeutlichen, wobei ein wenig abgeschweift wird: Es gibt ein sehr bekanntes und populäres Buch namens "Starship Trooper" von Robert Henlein. Paul Verhoeven (bekannt für seine Actionsatire "Robocop") verfilmte den Stoff und machte daraus eine ziemlich offensichtliche Faschismusparabel. Der Film ist diesbezüglich absolut gelungen. Verhoeven zieht dem Zuschauer quasi den Boden unter den Füßen weg, wenn am Ende der Feind der Menschen Angst empfindet, diese aber, statt nun Wege der Kommunikation oder friedlichen Koexistenz zu suchen, jubeln und die Vernichtung in Aussicht steht. Man drückte offenbar doch den Falschen die Daumen; exakt so wie man möglicherweise dem Faschismus, oder besser: der Darstellung in dem Film, auf dem Leim geht.
    Das Buch hingegen steht dem ganzen sehr neutral gegenüber und die sehr ausführlich beschriebene, und reflektiert dargestellte Gesellschaftsform - eine Art Militärdiktatur, in der Mündigkeit und Bürgerrechte mit absolviertem Militärdienst konvergieren - erscheint dadurch bis einschließlich Ende nachvollziehbar. Dem Buch gelingt ein derart ausdifferenziertes "World Building", dass der (westliche) Leser automatisch eine neutrale Haltung gegenüber dem ihm präsentierten, völlig fremdem System einnimmt.
    Der Filmadaption gelingt es sicherlich, ihre Botschaft zu vermitteln, aber bleibt letztlich ohne Kontext; wie eine Art Versatzstück und für sich genommen leicht verständlich. Es bleibt der Beigeschmack, dass die ganze "Wahrheit" fehlt; das "Warum" kann nicht abschließend geklärt werden.
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