Dungeon Crawl Stone Soup (DC:SS) ist im Kern ein klassischer Roguelike Dungeon Crawler. Die Spielerin durchquert Ebene für Ebene eines Dungeons, kämpft gegen Monster und findet auf dem untersten Level den „Orb of Zot“, mit dem sie das Verlies wieder verlassen muss. Über die grundsätzlichen Eigenschaften von Roguelikes habe ich bereits einen Artikel verfasst.
Historische Entwicklung
1997 wurde Linley’s Dungeon Crawl veröffentlicht, das sich wiederum an Rogue orientierte. Die Entwicklung von Dungeon Crawl stagnierte nach der letzten stabilen Version von 2003, da der ursprüngliche Entwickler Linley Henzell die Weiterentwicklung aufgab und sich nach ein paar Jahren keine Nachfolgerinnen mehr fanden. Nachdem 2005 die letzte Alphaversion veröffentlicht wurde, startete 2006 das Projekt Dungeon Crawl Stone Soup, welches das unter der GPL stehende Ursprungsspiel als Fork kontinuierlich weiterentwickelte. DC:SS steht bei der Veröffentlichung dieses Beitrags in der Version 0.14.1 zur Verfügung.
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Alles dreht sich um die Spielfigur
CD:SS besticht durch seine vielfältigen Möglichkeiten des Charakterausbaus. Zu Spielbeginn kann die Spielerin aus erstaunlichen 34 Völkern und 26 Berufen wählen. Nur wenige Spiele bieten eine solche Vielfalt. Die Unterschiede der Völker beschränken sich hierbei nicht auf Alibimodifikationen wie +1 Stärke, sondern haben teilweise gravierende Einschnitte in das Gameplay. So erhält eine Minotaurin durch ihre Hörner einen automatischen Zusatzangriff, kann aber im Gegenzug keine Helme tragen. Gargoyles hingegen haben wortwörtlich eine Haut aus Stein und können fliegen, während Mumien keine Nahrung zum Überleben benötigen.
Die Wahl des Berufs bestimmt die Anfangsfähigkeiten und die Anfangsausrüstung, mit der die Spielerin die Reise beginnt. Langfristig setzen sich aber die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten für Fähigkeiten durch, die von der Volksauswahl bestimmt werden. Die Berufe bieten eine ausschweifende Auswahl aus den Archetypen Kriegerin, Diebin und Magierin.
Die Fähigkeiten in Stone Soup im Überblick.
Wenn das Abenteuer gestartet ist, konzentriert sich die Charakterausbildung auf das Erlernen und Weiterbilden einer Auswahl von zirka zwei Dutzend Fähigkeiten, die sich zwischen Nahkampfwaffen, Fernwaffen, Magie und Sonderfertigkeiten wie Schleichen unterscheiden. Erfahrungspunkte werden hierbei entweder manuell von der Spielerin auf die Skills durch prozentuale Angaben verteilt, oder automatisch vom Spiel anhand der genutzten Waffen und Zauber bestimmt. Zusätzlich zu den Skillleveln gibt es noch einen globalen Charakterlevel zwischen 1 und 27, der die Anzahl der Trefferpunkte und den Manahaushalt bestimmt.
Im Falle der Wahl einer magiebegabten Figur müssen noch Zauber einstudiert werden. Diese werden nicht automatisch per Stufenaufstieg vergeben, sondern müssen durch Bücher erlernt werden, die die Spielerin entweder im Dungeon findet oder in Geschäften einkaufen kann. Magische Berufe starten zusätzlich mit einem Zauberbuch der jeweiligen Schule. Zaubersprüche kosten nicht nur Mana, sondern erfordern zum Einstudieren eine Anzahl von Lernpunkten. So ist es Teil der Strategieherausforderung des Spiels, sich genau zu überlegen, welche Kombinationen von Zaubersprüchen die Spielfigur erlernen soll.
Das Modifikationspotential hört an dieser Stelle nicht auf, denn es gibt in DC:SS noch den Aspekt der Religionen. Sobald man im Dungeon einem Altar einer Gottheit begegnet, kann man sich der jeweiligen Religion anschließen. Religionen funktionieren abstrakt wie Punktesammlungen (Gläubigkeit), mit der zusätzliche Eigenschaften oder Zaubersprüche freigeschaltet werden. Die Auswirkungen hängen von der jeweiligen Religion ab. Dies gilt auch für die Anforderungen, um Glaubenspunkte zu sammeln. Hier zeigt DC:SS sehr große Kreativität. Vom klassischen Sonnengott, der die Vernichtung von Untoten fordert, über Pazifistengottheiten, die durch die Zerstörung von Waffen zufriedengestellt werden, bis hin zu einem Trollgott, der über Kartenspiele zufällige Ereignisse heraufbeschwört, ist alles dabei.
Während des Spiels wächst der Rucksack erstaunlich an.
Sollte es eine Spielerin geben, die durch die Auswahl an Charakteroptionen immer noch nicht zufriedengestellt wird, dann kann sie ihrer Spielfigur durch Strahlung oder gescheiterte Zauber einige Mutationen zuziehen. Diese Veränderungen können weitere Gliedmaßen wachsen lassen oder sonstige Nebeneffekte verursachen, deren Auswirkungen für den weiteren Spielverlauf entscheidend sein können – im Guten wie im Schlechten. Da Mutationen nur bedingt gesteuert werden können, gibt es die Möglichkeit, sie durch Tränke wieder loszuwerden.
Dungeon Design
Das Dungeondesign ist recht abwechslungsreich. Zwar verbringt die Spielerin die komplette Spielzeit im gleichen Verlies und kann nicht etwa über eine Weltkarte verschiedene Städte und Gebiete besuchen, aber als Ausgleich sind die einzelnen Ebenen des Dungeons in Themengebiete wie Kerker, Höhlen oder Tempel unterteilt. Die Tiefenstruktur des Dungeons ist zusätzlich nicht linear, sondern verzweigt sich weitläufig, so dass der Spielerin Freiheiten in der Erkundung der Ebenen gelassen wird. Quests, Rätsel und NPC Dialoge sucht die anspruchsvolle Spielerin allerdings vergeblich.
Die Ebenen werden genretypisch zum größten Teil prozedural generiert, jedoch gibt es in speziellen Untergebieten einen Pool aus festen Levelstrukturen, aus denen zufällig mehrere ausgewählt werden. Anders als in Spielen wie Angband sind die Level nach Generierung fixiert und können nicht mehr neu erzeugt werden. Somit wird verhindert, dass Spielerinnen immer wieder neue Ebenen erschaffen, um Erfahrungspunkte durch das Töten immer neuer Monster zu sammeln (sogenanntes Grinding). Zwar werden in regelmäßigen Abständen einzelne, neue Monster in bereits bekannten Gebieten erzeugt, allerdings reicht die Menge an Gegnerinnen bei weitem nicht, um die negativen Effekte des Hungeraufbaus auszugleichen.
Eine Sackgasse und keine Lebensenergie mehr! Hier hilft nur noch eine Transportationsschriftrolle.
Die Wahl der Gegnerinnen ist typisch für Spiele dieser Art und bedient sich großflächig aus dem Fantasystandard und der Videospielkultur. Einige humanoide Feinde können wie die Spielfigur unterschiedliche Waffen und Rüstungen tragen. Der Großteil der Monster ist jedoch in allen Attributen fix. Abwechslung im Hack'n'Slash Alltag bringen einzigartige, benannte Gegnerinnen, die besonders zäh oder individuell sind und ihre Geschichte in einem Beschreibungstext mitbringen. Wenn in einer installierten Version bereits eine eigene Spielfigur verstorben ist, kann es passieren, dass diese Figur als verfluchter Geist den Dungeon unsicher macht, sodass die Spielerin gegen ihre eigene, frühere Figur kämpfen muss.
In Shops können dringend nötige Gegenstände eingekauft werden.
Gegenstände spielen in DC:SS wie in fast allen Roguelikes eine wichtige Rolle. Waffen, Rüstungen, Schmuck, Tränke und Schriftrollen sind sehr genretypisch aufgebaut. Gegenstände sollten vor der Benutzung identifiziert werden, da verfluchte Gegenstände ohne Entfluchung nicht mehr abzulegen sind. Das Trinken von unbekannten Tränken oder das Lesen willkürlicher Schriftrollen kann gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der regelmäßigen Roguelike Spielerin wird dies alles sehr bekannt vorkommen. In der Kategorie Items kann DC:SS nicht durch Innovationen oder besonders große Abwechslung glänzen.
Präsentation und Steuerung
DC:SS kann im klassischen ASCII-Modus gespielt werden. Alternativ wird eine modernere Version mit gezeichneten Bildern, einem grafischen User Interface, Mausunterstützung und Tooltips angeboten. Letztere Version ist durch die zusätzlichen Nebeninformationen nicht nur übersichtlicher, sie bietet auch eine höhere passive Sichtweite und eine Minimap des Dungeons. Insbesondere für Einsteigerinnen im Genre dürfte die grafische Version die Alternative der Wahl sein. Puristinnen greifen zur Konsolenversion und nutzen die klassischen, kryptischen Tastaturkürzel zur Steuerung. DC:SS bietet eine große Spannbreite an Steuerungsmöglichkeiten mit einer automatischen Katalogisierung des Dungeons und umfangreiche Suchfunktionen. Selbst die Erstellung eigener Makros ist möglich. Audiophile Spielerinnen werden enttäuscht sein, dass das Spiel weder Soundeffekte noch Musikstücke bietet. Die grafische Version bleibt wie die Konsolenversion stumm.
Bewertung
DC:SS ist ein solides Roguelike, das alle Grundvoraussetzungen mitbringt, die sich eine Spielerin von dem Genre wünscht. Die Möglichkeiten des Charakteraufbaus sind enorm und vielschichtig. Die Vielfalt der Völker und Berufe lädt zum experimentieren ein. Leider bietet das Spiel in Sachen Handlung, Monsterdesign und Gegenstandsvielfalt keine Überraschungen. Hier haben andere Spiele weit mehr zu bieten.
Nichtsdestotrotz gehört DC:SS zu meinen liebsten Roguelikes. Der Einstieg ist durch das klassische Spieldesign sehr einfach, die grafische Präsentation hilft ebenso bei der Einarbeitung und die zahlreichen Autofunktionen helfen dem Spielfluss, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Verzicht auf Grinding und die Unmöglichkeit Gegenstände zu verkaufen, ziehen das Spiel nicht unnötig durch Fleißarbeiten in die Länge. Trotzdem kann ein einzelner Durchlauf schnell mehrere Stunden in Anspruch nehmen und ist immer fordernd.
Übrigens wird DC:SS auch in Versionen für Tablets angeboten. Hier empfiehlt sich allerdings ein Tablet mit Stift, da die vielen Menüpunkte schnell sehr klein werden. Wie alle klassischen Roguelikes krankt es auf mobilen Geräten allerdings an dem Problem, dass die meisten Funktionen über Tastaturkommandos aufgerufen werden, die mit einer Softwaretastatur nur umständlich zu bedienen sind.
Kurzum: DC:SS ist immer eine Runde wert und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Eine klare Spielempfehlung meinerseits!