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Thema: Fragen zur Geschichte

  1. #1936
    Zurück im Norden
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    Die drei großen Ritterorden hatten mit Sicherheit einen wichtigen Anteil daran, dass Teile des Heiligen Landes fast über 200 Jahre hinweg gehalten werden konnten. Natürlich spielten auch hier materielle und ideelle Motive eine Rolle, soweit sich das über einen solchen zeitlichen Abstand hinweg überhaupt sagen lässt. Wenn du die (später beträchtlich erweiterte) Regel des Templerordens von 1129 einmal ansiehst, merkst du jedenfalls, dass es aus heutiger Sicht ein äußerst anspruchsloses, von geistlicher Strenge geprägtes Leben war. Die Ritter mussten beispielsweise - wenn sie nicht in eine Schlacht verwickelt waren - täglich fünf Horen des Stundengebetes und die Heilige Messe mitfeiern. Es ist kaum plausibel, dass alle Ritterbrüder dabei nur schliefen und sich langweilten, viele werden das also schon sehr ernst genommen haben. Dazu kamen bei den anderen beiden Orden noch die Verpflichtungen der Krankenpflege, der sich bei den Johannitern sogar der Großmeister und die Priore zu widmen hatten.

    Andererseits war die "Berufswahl" eines mittelalterlichen Adligen natürlich nicht frei. So, wie viele nachgeborene Söhne vom Vater für eine geistliche Laufbahn vorgesehen wurden, wurden sie manchmal auch schon früh einem Ritterorden übergeben. Es wird also gewiss auch Templer gegeben haben, die eher widerwillig ihre Pflichten erfüllten. Außerdem konnte man als nachgeborener Sohn im Orden ein "ritterliches" Leben führen und Karriere machen. Viele Großmeister des Templerordens waren dritte, vierte oder fünfte Söhne und hätten als Weltritter sicher nicht dieselbe Macht und dasselbe Ansehen gewonnen.

    Es ist allerdings gut bezeugt, dass immer wieder weltliche Ritter (darunter viele hochrangige Adlige) sich einem der Ritterorden anschlossen, zum Teil sogar als Witwer. Ein Beispiel wäre der siebte oder achte Templergroßmeister Philipp von Nablus, der als einer der mächtigsten Barone im Königreich Jerusalem kaum einen Grund hatte, aus materiellen Gründen einem Ritterorden beizutreten und von dem vor seinem Ordenseintritt auch eine Wallfahrt zum Katharinenkloster bezeugt ist. Es gab also auf jeden Fall Kreuzfahrer oder im Lande heimisch gewordene oder geborene Adlige, die Templer oder Johanniter als "Vorbilder" ansahen.

    Man könnte vielleicht noch anmerken, dass es weder bei den Kreuzzugsablässen noch bei den Predigten Bernhards von Clairvaux oder den Briefen Katharinas von Siena darum ging, Ritter ganz allgemein zum Kämpfen zu motivieren. Das war für diese Adelsschicht einfach ein Teil des Selbstbildes. Man versuchte vielmehr, ihrem Kampfeswillen eine Richtung zu geben, also eine "geistliche" Mission.

  2. #1937
    The Man behind the Screen Avatar von Empirate
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    Die geistlichen Ritterorden waren in mancher Hinsicht eine typische Erscheinung ihrer Zeit, und es gab eine nichtmilitärische Entsprechung: Auch viele reformierte Klostergemeinschaften, etwa die Zisterzienser (deren heute noch bekanntestes Mitglied o.g. Bernhard v. Clairvaux war) haben ja sogenannte Laienbrüder zugelassen.

    Das waren keine geistlichen und keine Mönche, aber sie legten Gelübde ab, nach den Klosterregeln zu leben. Im Gegensatz zu den Mönchen mussten sie "draußen bleiben" (sie durften die heiligen Bereiche im Kloster nicht betreten und sangen etwa im Gottesdienst nicht im Chor mit) und haben einen großen Teil der Arbeiten auf den Ländereien des Klosters übernommen und den Reichtum des Klosters gemehrt. Häufig handelte es sich um Handwerker, auch Kaufleute und Bauern waren darunter. Auf eigenen Besitz verzichteten sie ebenso wie die Mönche, hatten aber eindeutig minderen Status und waren auch nicht in der Kapitelversammlung zugelassen. Die Entscheidung, Laienbruder zu werden, war häufig eine freiwillige, die von Laien getroffen wurde, um ihr Seelenheil zu fördern.

    In mancher Hinsicht funktionierten die Templer ähnlich (Laien, die ein Gelübde ablegen, nach kanonischen Regeln leben und kein Eigentum haben), nur waren sie selbstverwaltet und nicht einem Mönchsorden beigeordnet.


    Geistliche Ritterorden gab es auch anderswo, teils in etwas kleiner (z.B. der Schwertbrüderorden in Livland). Eine ziemlich spannende Entwicklung setzte dann im 14. Jh. ein, als die geistlichen Ritterorden teils schon "abgewickelt" waren (die Templer), teils andere Betätigungsfelder als die Levante gefunden hatten (Deutscher Orden, Johanniter): In vielen verschiedenen Ländern sprossen vom Herrscher begründete und/oder geförderte Ritterorden aus dem Boden, die nicht einer mönchsähnlichen Regel und Lebensweise und dem Kampf für Gott verpflichtet waren, sondern direkt dem König und, wenn man so will, dem Staat. Die gaben sich auch eine Regel, hatten auch Rituale und Gelübde, waren aber meist eher ein königliches Herrschaftsinstrument. Der bekannteste besteht (nicht als einziger) bis heute: der Orden des Hlg. Georg/Order of the Garter. Auch in Spanien, Italien, Ungarn, Frankreich gab es viele mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, solche königlichen Ritterorden einzurichten.

  3. #1938
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Bernard von Clairvaux war ein Kreuzzugsprediger?

    Ich les da grade ein bisschen, das wusste ich ja gar nicht, dass der für den Wendenkreuzzug aussschlaggebend war.
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

    Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.


  4. #1939
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Ersteres war mir bekannt, zweiteres wusste ich auch nicht. Ebenso war mir nicht bewusst, dass das "kirchliche Lehramt" just zu Zeiten von Bernard von Clairvaux zu der Erkenntnus gelangt war, dass "Krieg nicht einfach wegen der Nichtchristlichkeit eröffnet werden durfte". (Quelle Wikipedia)

    Demnach ist Bernard mit seinen flammenden Reden also einem Trend der Kirche hin zum Pazifismus entgegengetreten? Oder hat er durch geschickte Redekunst lediglich die - ohnehin kaum zu bremsende - Neigung zu Gewalt und den - ohnehin kaum aufzuhaltenden - Drang nach Eroberung und Beutelust aufgegriffen und sie dahingehend kanalisiert, dass sie in eine geistliche, sozusagen moralisch-redliche Form passte?
    Denn (Zitat wiki):

    in seiner "Lodrede an die Tempelritter" prangerte er das weltliche Rittertum als "verderbt" an und plädierte für ein geistliches Rittertum, das er bei den Templern verwirklich sah
    Kommt das nicht sogar einer Forderung nach einem kirchlichen Gewaltmonopol ziemlich nahe?
    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  5. #1940
    Zurück im Norden
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    Das ist ja eher eine moralische Sache, keine juristische. Bernhard wird kaum davon ausgegangen sein, dass alle Ritter sich dem anschließen würden. Du hast aber damit recht, dass viele Geistliche und Prediger (auch er) offen dazu aufriefen, statt den Waisen und Witwen zu Hause die wahren Feinde zu bekämpfen, nämlich die gegen die orientalischen Christen vordringenden "Heiden". In der Theorie war das ja ein Verteidigungskrieg, in der Praxis natürlich nicht.

  6. #1941
    The Man behind the Screen Avatar von Empirate
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    Die Kreuzzugsbewegung - und die Gottesfriedensbewegung, mit der sie ironischerweise eng einherging - war immer auch dem Bestreben geschuldet, einem Haufen Typen mit Nahkampfausbildung und zu viel Zeit nicht zu viel freie Hand zu lassen, und ihnen notfalls etwas "Sinnvolles" zu tun zu geben.

  7. #1942
    Zurück im Norden
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    Feudaladel hatte in der Geschichte eben sehr häufig ein kriegerisches Selbstbild, und damit musste man umgehen. Die entstehenden monarchischen Staaten der FNZ versuchten ja auch, diese Schicht für die eigene Militärmacht nutzbar zu machen, Kämpfe im Inneren aber möglichst zu unterbinden.

  8. #1943
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Als wie fähig wird Wilhelm I eigentlich im Allgemeinen eingeschätzt? Ich lese häufig, dass die Regierung irgendwas durchsetzen wollte (bspw die Heeresreform), Wilhelm I dann eingeknickt ist und Bismarck die Situation retten musste. Ist dieser Eindruck von einem eher durchsetzungsschwachen König und übermäßig starken Kanzler richtig? Oder habe ich da einen falschen Eindruck gewonnen?

  9. #1944
    Zurück im Norden
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    Die meisten Neuzeithistoriker würden das wohl so sehen, ja. Andererseits hat er seine Wünsche letztlich durchgesetzt, gerade in Bezug auf die dreijährige Dienstzeit. Man hat bei seinem Enkel ja auch gesehen, dass ein "Persönliches Regiment" des Königs und Kaisers eigene Probleme mit sich brachte.

  10. #1945
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    Zu den bisherigen 210 Thesen zum Untergang Roms gesellt sich eine Weitere.

    Warum ist das Römische Reich untergegangen? Innere Schwäche, moralische Zersetzung, unfähige Cäsaren? Kyle Harper hat eine neue Theorie: an einer Klimakatastrophe – und einer Pandemie.
    https://www.nzz.ch/feuilleton/pandem...b-global-de-DE
    Zitat Zitat von d73070d0 Beitrag anzeigen
    Ach, das darfst Du nicht so eng sehen. Aus justanick kriegt man nur eine konkrete Antwort raus, wenn man Müll erzählt und dann zurechtgewiesen wird. Wenn Du also was von ihm willst, frag' nich, sondern stell' falsche Behauptungen in den Raum - die werden dann umgehend korrigiert. ;)

  11. #1946
    Danke für den Kommentar.
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    Eine interessante These. So fanatsievoll.
    Ich bin keine Signatur, ich fälsche nur die Geldscheine.

  12. #1947
    Zurück im Norden
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    Sowohl die Antoninische Pest als auch die "Klimaverschlechterung" der Spätantike wurden aber schon vorher immer wieder als mögliche Ursachen angeführt. Der Artikel bleibt leider ein wenig wolkig darin, worin Harpers Ansatz wirklich neu sein soll.

  13. #1948
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
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    Ok, an all die Geschichtslehrer hier (also Jon ): Warum hab ich in der Schule nie was vom Erfurter Latrinensturz gehört?
    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  14. #1949
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    Wo warst du denn auf der Schule?

  15. #1950
    Kampfhamster Avatar von BruderJakob
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    Ach du Scheiße
    Zitat Zitat von Brabrax Beitrag anzeigen
    In Forenspielen ist "Systeme nicht verstehen" Volkssport.

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