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Thema: Die letzte Schlacht des Keltenreiches

  1. #91
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    Vielen Dank

    für die Updates, und ich freue mich schon auf die Nächsten.

  2. #92
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Zitat Zitat von WoistBehle Beitrag anzeigen
    für die Updates, und ich freue mich schon auf die Nächsten.
    Ich danke auch
    Das nächste Update kommt...

  3. #93
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 54 - Zurück ans Land

    Wieder liefen die Beiboote auf den Strand auf, drückten den weißen Sand zusammen, der die Landzunge säumte und schoben sich zu einem Drittel aufs Trockene. Eifrig sprangen die ersten Männer von Bord, griffen nach Tauen, die im Inneren der Beiboote an stabilen Planken befestigt waren und zogen diese noch weiter auf den Strand hinauf. Beinahe die gesamte Gruppe der Kelten war übergesetzt, nur vier Mann waren an Bord des großen Segelschiffes geblieben, Denbar und Ortang führten dort das Kommando.
    Sofort schwärmten Llionel, Thorval, Collin und zwei der Seeleute aus, begannen die Umgebung abzusuchen und sahen hinter Felsen und Sträuchern nach, ob sich dort Angreifer versteckten. Der so überprüfte Halbkreis wurde immer größer und nach etwa zwanzig Metern blieben die fünf Kelten stehen und hoben einen Arm in die Höhe. Erst jetzt durften die Frauen und Kinder die Boote verlassen und den Strand betreten, der die nächste Zeit ein Teil ihrers neuen zu Hause seien würde. Gruppen bildeten sich, Frauen und Mädchen tuschelten, die Kinder begann im Sand zu spielen, die Männer sahen sich aufmerksam um. Einige beratschlagten schon, wo sie sicheren Unterschlupf vor Regen und Winden finden konnten.
    Als letzter Kelte betrat nun Frederick den Strand. Er sprang aus dem Boot und seine Stiefel gruben sich mehrere Zentimeter tief in den Sand. Er zog einen Speer aus dem Beiboot, den er extra für diesen Moment vom Schiff mitgebracht hatte, streifte sich die Flagge des Königs von den Schultern und befestigte diese am Schaft des Speeres. Als er fertig war, stapfte er in die Mitte der Gruppe und rammte die Speerspitze in den Boden. Stille folgte, nur unterbrochen vom Flattern des langsam ausbleichenden Banners des Keltenkönigs Brennus, das über dem sandigen Boden dem Wind gehorchte.
    Mit einem ruhigen Blick betrachtete Frederick den Strand und den dicht angrenzenden Wald. Er hatte sich bei seinem ersten Besuch kaum Zeit nehmen können, die Halbinsel selbst zu betrachten. Zu sehr war er damit beschäftigt gewesen, Denbar und seine Seeleute zu bearbeiten.
    Der Strand war die ersten Meter von feinem weißen Sand bedeckt, dann ragten immer häfiger schwarze und vom Wind erodierte Steine und Felsen aus dem Boden, die mit zunehmender Nähe zum Wald immer größer wurden. Vor dem Wald waren die letzten Steine fast mannshoch, an der Baumgrenze überragten sie selbst Llionel und Collin und in der Ferne ragten einige der massiven Brocken sogar über die Baumwipfel hinaus. Eine beeindruckende Ansicht. Sie musste nur noch herausfinden, welche Seite der Windschatten war, und sich dort einige Hütten errichten.
    Der Wald wurde undurchsichtig und ging in einem Grün in Grün unter, das so intensiv war, dass es bei zu langem Hinsehen in den Augen schmerzte. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, doch Mittag war schon lange vorbei. Frederick schätzte noch drei bis vier Stunden, bis die Sonne untergehen würde. Bis dahin mussten wenigstens die ersten Unterstände bereit sein und Feuer brennen.
    "Hört her! Alle, wie Ihr hier seid! Wir sind die Kinder des Keltenreiches! Freie Menschen, die den größten Feinden unseres Volkes, Verrat und dem unendlichen Meer getrotzt haben! Wir sind hier, wir werden einen Ort schaffen, der lebenswert ist und von dem aus wir dereinst in unsere Heimat zurückkehren werden! Bis es so weit ist, beanspruche ich, Frederick vom Clan Steiner, dieses Land im Namen des Keltenreiches!" Er stieß ein lautes Heulen aus und die Kelten um ihn herum stimmten ein.
    Lächelnd sahen sich die Männer und Frauen an, die Kinder hatten in den Ruf der Erwachsenen eingestimmt und liefen immer noch kreischend um die Beine ihrer Eltern herum.
    "Lasst uns anfangen", schlug Ronkell von den Eisbrecher vor und erntete Zustimmung.
    Gemischte Gruppen aus Männern und Frauen begannen sich zu bilden. Einige sammelten Holz und entzündeten ein erstes Feuer an den fremden Gestaden. Andere luden kleine Kisten mit Vorräten aus den Beibooten. Denbar, Llionel und Collin begannen damit einen Baum zum fällen, der sehr dicht an der Schneise aus Steinbrocken stand. Sobald dieser entfenrt war, würden vier bis fünf Schritten Platz dort entstehen, die man für einen ersten Unterstand nutzen konnten. Schon bald erklang das Geräusch einer Axt, die tief in den Stamm des Baumes eindrang. Um nicht zu schnell zu ermüden, wechselten die drei Männer sich ab, wobei sich immer einer wachsam umsah, ob nicht von irgendwo her Gefahr drohte.
    Noch bevor der Abend anbrach war der Baum gefällt, Äste und Zweige wurden zu Feuerholz verarbeitet, der Stamm in drei etwa gleich große Teile zersägt. Ein Drittel wurde zum Feuer geschleppt, um als Bank genutzt zu werden, die anderen beiden Teile wurden zum Waldrand hin postiert und abgedeckt. Sollte sich jemand aus dieser Richtung anschleichen, würde er auf die Baumstämme stoßen und möglicherweise darüber stolpern.
    Da es noch keine festen Hütten gab - die brauchte nach Schätzung von Denbar und zwei seiner Seeleute mindestens eine Woche Vorbereitungszeit - wurde aus den langen Ersatzrudern der Beiboote und Takelage vom Schiff Unterstände gebaut, die nächtliche Kälte und Wind weitgehend abhalten sollten. Zum Feuer hin waren sie alle geöffnet, um die Wärme der Glut nutzen zu können.
    "Wachmannschaften aufstellen", brummte Llionel müde und erntete ein Nicken von Frederick und Denbar, mit denen er zusammen ein Horn Bier aus den Lagern des Kapitän Ahab leerte. Frederick gähnte herzhaft und sah sich um.
    Der erste Mann, auf den sei Auge fiel war Ortang, aber der Frostfuchs hatte immer noch nicht aufgehört zu hinken, obwohl er den Tag über nur leichte Aufgaben zugeteilt bekommen hatte. "Denbar, Erste Wache. Drei Mann sollten reichen. Ich mache die Zweite, Llionel die Dritte. Ortang wird nicht genommen, er braucht Ruhe."
    "Dann nehme ich Madragor und Ronkell", bestimmte Denbar, dem seine Verantwortung und auch die erste Wachschicht offensichtlich gefielen. Frederick hatte ihm den Aufbau des Lagers übertragen, da er die Talente seiner Seeleute als Schreiner besser beurteilen konnte, als jeder Andere. Außerdem wusste der erfahrene Matrose aus unzähligen Reparaturarbeiten an Schiffen aller Art mehr über die Beschaffenheit von Holz, als die meisten Kelten.
    "Ich nehme Beras", meinte Llionel. "Und Collin." Er nahm einen Schluck aus dem Horn und reichte es zu Denbar hinüber. Mit einem eiligen Schluck trank der Seemann und übergab das Gefäß an Frederick, der in die Flammen starrte.
    "Opem und Seamus", meinte er nach einer Weile und erntete Erstaunen von seinen beiden Kameraden.
    "Ist das nicht dieser Tunichtgut, der von Eurem jungen Freund verprügelt worden ist?"
    Llionel spieh in die Flammen und antwortete, bevor Frederick es konnte.
    "Tunichtgut ist kein Ausdruck! Er hat Beras grün und blau geschlagen und hätte so lange weitergemacht, bis der Junge Blut gekotzt hätte!" Zorn stand in den Zügen des Waldwolfes geschrieben und eine hemmungslose Verachtung. "Aber Beras ist clever und schnell! Ich würde es mir überlegen, Seamus als Wache einzuteilen, Frederick. Dem würde ich nicht mal die Wache an den Latrinen überlassen!"
    Flammen spiegelten sich in den Augen des Steiner. Er sah nicht zu Llionel hinüber, als er antwortete, sondern konzentrierte sich auf den Tanz der Flammen.
    "Ich habe ihn kämpfen gesehen und den Bericht von Ortang gehört. Seamus ist ein Tunichtgut, das ist richtig, ein Störenfried und ein Sadist. Aber, wenn er sich auf einen Kampf konzentriert, in dem es um Leben und Tod geht, ist er ein herausragender Krieger. Ich werden schon mit ihm klar kommen. Wenn nicht, ist immer noch Opem da, der Seamus vor mir schützen kann."
    Markerschütterndes Lachen erklang von Llionel und Denbar, dann trank Frederick einen knappen Schluck und gab das Horn weiter.
    Die Nacht würde noch lang werden, Alkohol war da nicht von Nutzen. Er musste noch Opem und Seamus suchen und diesen ihre nächtliche Aufgabe mitteilen. Sicher waren beide nicht begeistert davon, gerade die unbeliebte mittlere Wache zu nehmen. Hoffentlich hatten sie noch nicht daran gedacht die Alkoholvorräte zu begutachten, die mit an Land gekommen waren.
    Im Rumpf des Schiffes hatte ein unglaublicher Vorrat gelagert. Fässer mit feinstem Whiskey, mehr Bier als Frederick in seinem Leben gesehen hatte - abgesehen von den Mengen in den Kellern von Entremont. Um eine Brennerei mussten sie sich jedenfalls nicht so schnell künmmern. Dennoch war die Reihenfolge der Gebäude, die die Kelten errichten wollten eindeutig. Erst Unterkünfte, dann eine Schmiede. Gleichzeitig wollten sie nach Frischwasser und Nahrungsmitteln suchen und gegebenenfalls ihren Standort wechseln. Doch das war nicht heute Nacht zu erledigen. Entremont war schließlich auch nicht an einem Tag erbaut worden.
    Nicht an einem Tag. Es hatte viele gedauert. Generationen sogar.
    Aber Entremont war an einem Tag zerstört worden.
    Und plötzlich verflog die Freude über das neue Land und eine Zukunft wieder aus Fredericks Gedanken. Überleben. Wachsen. Und zurückschlagen.
    So schnell wie möglich!
    Er beschleunigte seine Schritte und scheuchte Seamus und Opem vom Feuer auf, um ihnen von ihrer Wache zu berichten.

  4. #94
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 55 - Nachtwache

    Ein Geräusch ertönte, dann berührte ein Fuß Llionel sanft an der Schulter. Der Banditenkönig war innerhalb von Sekundenbruchteilen hellwach, hatte beide Hände an seine Dolche gelegt und wäre bereit gewesen jeden Eindringling sofort zu stellen. Er bewegte sich schon, bevor er die Augen öffnete. Erst dann erkannte er die Gestalt von Frederick, der neben ihm in die Hocke gegangen war und brach seine Bewegung, die in einem direkten Angriff geändet hätte, ab.
    "Ruhig, Mann. Ich bin's", flüsterte Frederick und lächelte Llionel beruhigend zu. Der Steiner wirkte müde, er sehnte sich nach dem Schlaf, nachdem er die unbeliebteste Wache übernommen hatte. Eine ereignislose Wache. Nun - fast.
    "Vorfälle", fragte Llionel nuschelnd und unverständlich. Auch wenn sein Körper schon in Kampfbereitschaft war, einige Körperteile befanden sich noch immer im Schlaf. Mit einem Kopfschütteln scheuchte er die Müdigkeit hinfort und wiederholte seine Frage. Diesmal deutlicher.
    "Ist was passiert?"
    "Ich hatte eine kleine Diskussion mit Seamus, das war alles", antwortete Frederick und gähnte. Mit kurzen Worten berichtete er über die Geschehnisse der Nacht. Seamus vom Clan Frostfuchs hatte sich nicht wie abgesprochen an seine Patroullienroute gehalten, sondern war davon abgewichen. Er hatte dabei einige tote Winkel erkundet, die sonst von den drei Kelten nicht eingesehen worden waren, dabei aber seine eigentliche Aufgabe vergessen.
    "Und wie ist es ausgegangen?"
    Frederick lächelte müde und nicht ohne Gehässigkeit. "Unentschieden", sagte er. "Mit tut die Hand weh und Seamus die Nase." Llionel konnte sich ein schnaubendes Lachen nicht verkneifen. Er wäre mit einer Wache, die ihren Posten verlies sicher schlimmere Dinge angestellt, als nur etwas handgreiflich zu werden. Und vor allem bei Seamus hätte er sich nicht zurückgehalten.
    "Er hat das ganze Lager gefährdet", zischte Llionel stocksauer, doch Frederick winkte ab.
    "Es ist geklärt. Jetzt sieh zu, dass du nicht auch die Sicherheit gefährdest und raus mit dir in den Wald", befahl Frederick nicht ganz ernst. Aber Llionel verstand die Botschaft und nickte stumm. Dann ließ er Frederick allein.
    Beras und Collin warteten bereits abseits des Lagers auf ihn und starrten der schwer sichtbaren Gestalt entgegen, die vom nur noch schwach glimmenden Lagerfeuer auf sie zukam. In sein langes graues Gewand gehüllt, verschmolz der Waldwolf mit den Schatten, die um das Lager tanzten. Noch war das Feuer nicht ganz erloschen und mit etwas Glück würde es auch noch bis zum Morgen durchhalten.
    "Beras, geh und leg noch etwas Holz auf die Glut, nur kleine Zweige. Dann komm wieder zu mir. Collin", er sah in das noch immer sehr jungenhafte Gesicht des Kriegers und lächelte zufrieden als er nicht die volle Aufmerksamkeit erhielt. Collin sah sich in der Gegend um, versuchte seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. "Du wirst dicht am Lager bleiben, halte dein Schwert immer bereit. Beras und ich gehen den Waldrand ab und überprüfen auch die Küste. Du bist die letzte Verteidigungslinie, falls uns etwas entgeht. Ich habe dich kämpfen sehen, wenn jemand diesen Posten halten kann, dann du."
    Collin nickte dankbar und wandte sich dem Lager zu. Dabei ging er zuerst auf die Seite, die Llionel nicht überblicken konnte. Zuverlässig, treu und standhaft. Ganz anders als dieser vermalledeite Seamus...
    Llionel zwang sich zur Beherrschung. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen und durfte sich nicht von persönlichen Emotionen ablenken lassen. Seamus konnte er am Tage immer noch davon überzeugen, dass er sich grundlegend zu ändern hatte. Obwohl, während dieser Nacht konnte viel geschehen...
    Beras näherte sich aus dem Schatten. Er hatte seinen Weg so gewählt, dass er eines der Zelte im Rücken hatte, der helle Kranz des Feuers erschwerte das Erkennen des Jungen, der ebenfalls graue und dunkle Kleidung trug.
    Nur kein Schwarz.
    Schwarz kam in der Fauna nicht vor, jedenfalls nicht in dem Übermaß, den ein schwarzes Wams darstellte. Ein gelehriger Schüler, fand der Waldwolf und präsentierte ein Lächeln, das seine Zähne entblößte. Offen und warmherzig.
    "Hör zu, du gehst direkt an den Waldrand. Halte dich immer direkt in den Büschen, hinter den Bäumen und Steinen. Achte darauf, dass du mit Collin immer auf einer Höhe bleibst, wenn du kannst. Ich werde dann auf der anderen Seite sein. Sollte etwas sein, alarmiere uns sofort. Hast du dein Horn?"
    Der Junge griff ohne zu zögern an seinen Gürtel und zog ein kurzes Horn hervor, das er am vergangen Tag einem der Seeleute abgenommen hatte.
    "Ich bin bereit", flüsterte Beras und zückte den Dolch, den er in Lugdunum gekauft hatte. Inzwischen hatte dieser bereits im Blut seiner Feind gebadet und war damit eine echte Waffe geworden. Llionel hatte beobachtet, was der Junge an Bord des Schiffes mit seinen beiden Opfern gemacht hatte. Er selbst hätte nicht es nicht besser machen können. Eleganter vielleicht.
    Mit wenigen Geräuschen entfernte sich Beras in die Richtung des Waldrandes, schlüpfte hinter den ersten Baumstamm und schlug sich nach kurzer Orientierung zu einer Position durch, die mit Collin tatsächlich auf einer Linie lag. Llionel kontrollierte noch, ob die beiden Krieger sich auch sahen - zwei kurze Gesten, dann hatten sie sich einander mitgeteilt. Erst dann schritt der Waldwolf über den Sand, der ihm so fremd vorkam und machte sich auf den Weg zu einer Ansammlung von Steinen, die den Strand säumten und Deckung vor neugierigen Blicken boten.

    Feucht klatschte ein Blatt in Beras Nacken, als er sich durch das Unterholz schlich. Er versuchte so leise zu sein, wie er konnte und war tatsächlich überrascht, wie gut das Training mit Llionel sich ausgezahlt hatte. Zwar war Beras immer noch kein Krieger, der in der ersten Schlachtreihe stehen konnte und ganze Heere aufhielt, doch die Lehren des Waldwolfes waren genau auf ihn angepasst. Er war klein, unauffällig, schnell und geschickt. So konnte er sich im Wald bewegen, ohne die Probleme, die großen Kriegern so eigen waren. Diese blieben mit ihren Rüstungen, Armen und Beinen oftmals im Gestrüpp hängen und rissen ganze Schneisen in das Unterholz. So waren sie enorm auffällig. Beras ertrug das Gefühl der kalten Feuchtigkeit einen Augenblick lang, dann griff er vorsichtig an seinen Nacken und zog das Blatt vorsichtig hinfort und lies es auf den Waldboden fallen.
    Links von ihm knackte etwas und Beras verharrte auf der Stelle. Dann, langsam, sank er in die Hocke un bewegte sich unterhalb der niedrig hängenden Äste. Zwar war dies anstrengend, doch er kam voran ohne weitere feuchte Begegnungen mit dem hiesigen Buschwerk zu ertragen. Er erkannte die Stelle, an der er sich befand. Hier hatten Llionel und Denbar den großen Baum gefällt und seinen Stamm hinter einigen dichten Büschen verborgen, um einen natürlichen Pfad im Jungel zu blockieren.
    Und wieder erklang das Geräusch. Dieses mal glaubte Beras auch einen leisen Fluch zu hören. Er legte seine Stirn in Falten, spitzte die Ohren und zückte seinen Dolch.
    Bildete er sich die Geräusche nur ein?
    Waren es Tiere, die durch den Jungel schlichen?
    Oder lauerte hinter den dunklen Umrissen des Dickichts Gefahr?
    Die Schwärze der Schatten wurde kaum von Licht durchbrochen. Der Mond war nur eine schmale Sichel am hohen Himmel und die Sterne spendeten nicht genug Helligkeit, um eine Hilfe zu sein. Plötzlich war das Geräusch direkt neben Beras, nur einen Meter entfernt traf ein Stiefel den Waldboden und zerbrach einen dünnen Zweig!
    Dem Jungen stockte der Atem und Nervosität kroch in seinem Nacken hinauf. Was nutzte alle die Ausbildung, die Llionel ihm hatte zukommen lassen, wenn ihm doch die Routine eines Kampfes fehlte? Wenn er nun in die Fänge zweier oder mehr Erwachsener geriet, die ihn alleine durch ihre überlegene Körperkraft davon abhalten konnte, Llionel oder Collin ein Signal zukommen zu lassen. Mit zwei vorsichtigen Schritten bewegte er sich näher an den dünnen Stamm eines nahen Baumes heran, um so die Chance eines Zusammenstoß zu verhindern.
    Es waren Männer im Wald unterwegs! Dort war ein Zweiter! Und nach den leisen Stimmen zu urteilen, waren es sogar noch mehr! Beras begann zu zittern, er konnte sich kaum noch konzentrieren und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut mit den Zähnen zu klappern. Hier stand er nun zwischen seinen Freunden und der Gefahr! Er konnte nicht die Muskeln spielen lassen und sich die Angreifer stürzen. Er musste sich schon dazu zwingen nicht laut zu schreien. Und der einzige verdammt Muskel, den er unter Kontrolle hatte war der, der verhinderte, dass er sich in die Hosen machte!
    Manchmal musste man auch mit Kleinigkeiten zufrieden sein, ging es Beras durch den Kopf und er verdammte die bittere Ironie, die dabei mitklang.
    Die Geräusche wurden leiser und allmählich konnte sich der Junge wieder bewegen. Er starrte in die Dunkelheit und verdammte sein Zögern. Was war sein Leben wert, wenn diese Männer sich dem Lager nähern konnten? Wer auch immer sie waren!
    Vielleicht Seeleute, die ihrem Massacker entgangen waren und nun Rache für ihren toten Kapitän nehmen wollten? Oder Eingeborene? Oder sogar die Rosanen! Waren sie vielleicht von hier gekommen? Stammten sie nicht aus dem Süden, so wie alle sagten, sondern vielleicht von dieser Halbinsel?
    Verwirrt und verängstigt machte Beras einen Schritt nach vorne. Bei den Göttern, Ginny schlief nahe dem Feuer! Und Frederick und ja - sogar der verdammte Seamus war dort! Und sie waren alle in Gefahr!
    Ein weiterer Schritt folgte, dann noch einer.
    Seamus! Er hatte diesen Mistkerln erledigt, obwohl dieser fast doppelt so groß war, wie Beras selber! Sollte sich auch nur einer von diesen Kerlen wagen, seiner Ginny etwas antun zu wollen! Ohne auf den Krach zu hören, den er verursachte, preschte Beras vorwärts, drang an den Waldrand vor, schlug Blätter und Zweige bei Seite und konnte auf den Strand sehen. Sechs oder sieben Gestalten drangen langsam zum Lager vor! Zu Ginny!
    Beras griff zu seinem Horn, setzte es an die zitternden Lippen und holte tief Luft.
    Ein markerschütternder Klang zerfetzte die Nacht, Vögel stoben aus den Baumwipfeln und plötzlich war das Lager wach. Die Männer auf dem Strand verharrten erschrocken, als sie versuchten dem Laut des Horns eine Richtung zuzuordnen.
    Dann war Collin vor Ort. Mit einem lauten Schrei stürzte er sich auf die vordersten Männer, Stahl kratzte auf Stahl, als das Schwert des Eisbrechers die Klingen der Fremden traf. Schon glaubten sie sich sicher, da nur ein Mann vor ihnen stand, doch urplötzlich tauchte Llionel aus den Schatten auf und einer der Fremden sank mit einem lauten Schrei zu Boden. Schreie wurden lauter und die Krieger stürmten aus dem Lager hinaus.
    Frederick, Thorval, Seamus - sogar Ortang stürmte hinkend vorwärts, die gewaltige Breitaxt über den Kopf erhoben. Opem und Ronkell folgten, sie brachten Fackeln mit und erhellten die Szenerie, die sich abspielte. Nun setzte sich auch Beras in Bewegung. Er konnte erkennen, dass Seamus begonnen hatte mit den blanken Fäusten auf seinen Gegner einzuprügeln. Frederick hatte einen zweiten im Würgegriff, während Thorval und Collin immer noch ihre Waffen mit den Fremden kreuzten.
    Llionel war es, der das Durcheinander beendete.
    "Schluss! Alle die Waffen weg!"
    Ohne Grund würde keiner der Kelten diesen Befehl ausgeben, so stießen die Krieger ihrer Gegner weit von sich und starrten in die Gesichter, die im Fackelschein endlich zu erkennen waren. Bärtige Gesichter. Blonde und braune Bärte, blaue Augen, Männer gehüllt in Leder und Felle.
    "Ihr seid Kelten", donnerte Frederick und drohte mit seiner erhobenen Axt. "Was treibt ihr in diesen Wäldern?"
    "Warum schleicht ihr um unser Lager herum", knurrte Llionel drohend. Die übrigen Kelten stimmten grimmig ein.
    Beras schluckte schwer und betrachtete die Fremden. Sie waren eindeutig Kelten. Ihre Kleidung, ihre Waffen, die Kriegerfrisuren. Warum stellten sie ihren eigenen Brüdern in der Nacht nach? Sie mussten auch Flüchtlinge sein, wenn sie auf diesem Eiland angekommen waren. Wie konnten sie es nur wagen, ihren Brüdern Leid antun zu wollen? Grimmig richtete Beras seinen Dolch auf den Mann, der auf dem Boden lag und eine Wunde in seiner Seite umklammerte.
    Er wollte die Wahrheit hören.

  5. #95
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    halli hallo
    nach "von der Maas bis an die Memel" eindeutig meine Liebingsstory...sehr spannend und sehr gut geschrieben!
    Freu mich jedesmal, wenns ein Update gibt....bitte mehr!! :-)
    Gruss

  6. #96
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Zitat Zitat von Mirko Beitrag anzeigen
    halli hallo
    nach "von der Maas bis an die Memel" eindeutig meine Liebingsstory...sehr spannend und sehr gut geschrieben!
    Freu mich jedesmal, wenns ein Update gibt....bitte mehr!! :-)
    Gruss
    Vielen Dank

    Willkommen dabei.

    Update folgt...

  7. #97
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 56 - Nicht alleine

    Feuer warf gefährliche Schatten auf die Gesichter der Kelten, die einander mit gezückten Waffen gegenüber standen. Auf der einen Seite Llionel, Ortang, Frederick und ihre Gefährten, auf der anderen Seite die sieben Fremden, die dennoch eindeutig auch keltischen Ursprungs waren. Trotz der Dunkelheit der Nacht und dem plötzlichen Eindringen der Fremden in den Lagerplatz der Gruppe aus Lugdunum, hatten diese es nicht geschafft auch nur annähernd auf den rasenden Ansturm ihrer potenziellen Opfer zu reagieren.
    Dies war sicher auf die aufmerksamen Wachen zurückzuführen, die ihre Kameraden schnell alarmiert hatten, doch ebenso auf die wachsende Eingespieltheit der Krieger. Hatten die Fremden jeder einzeln versucht sich zu verteidigen, so hatte auf der anderen Seite eine Einheit gekämpft. Drang Einer der ihren tief in die Reihen der Gegner vor, so waren stets zwei Mann an seinen Flanken. Geriet ein Anderer unter Druck, so war stets ein Schwert oder eine Axt zur Stelle, um einen gefährlichen Hieb abzufangen.
    Gemeinsam waren sie in der Lage gewesen die sieben Kämpfer zu schlagen - in einer Geschwindigkeit die unnatürlich war. Jetzt stand eine Frage im Raum zwischen den arg geschundenen Fremden und den grimmigen Gesichtern, die Frederick, Beras und die anderen Kelten zogen.
    Warum schlichen Kelten sich in der Nacht an das Lager anderer Kelten heran?
    Waren sie nicht alle im Exil?
    Sollten sie sich nicht freudig in die Arme fallen udn froh sein, dem Morden in ihrer Heimat entgangen zu sein?
    "Ich sags nicht noch mal", donnerte Llionel und trat einen Schritt vor, wobei die beiden Fackeln hinter ihm sich auf den Klingen seiner Dolche reflektierten. Die Messer schienen in Flammen zu stehen und mindestens einer der Fremden hatte sie an seinem eigenen Leib gespürt.
    "Welcher Clan seid ihr", erklang eine feste Stimme, in der deutlich das Entsetzen geschrieben stand, so schnell besiegt worden zu sein.
    Obwohl sie selber die Bedrohung darstellten, meldeten sich mehrere der Kelten zu Wort.
    "Frostfuch."
    "Waldwolf."
    "Eisbrecher."
    Erstaunen über die Vielzahl der Namen sanken die Waffen der Fremden noch weiter. Sofern sie nicht schon entwaffnet waren.
    "Steiner."
    "Kupfergräber."
    "Seeleopard."
    Sechs Clans. Und sogar noch mehr. Denbar war mit zwei seiner Männer beim Lager geblieben und der erfahrene Seemann selbst stammte aus dem Clan der Küstenfischer. Sie standen zusammen, trotz ihrer unterschiedlichen Herkünfte und ein Gefühl des Stolzes erfüllte ihre Herzen. Und der Traum, für den sie kämpften, ein vereintes Keltenreich, schien in diesem Moment greifbar.
    "Wer seid ihr", warf Beras lauthals ein und schwang seinen Dolch vor dem Gesicht des Verwundeten hin und her.
    Es dauerte einen Moment, dann fand der Sprecher die Fassung wieder.
    "Ich bin Anfreid vom Clan der Köhler, dies sind die Krieger meines Stammes." Er deutet auf vier der Männer hinter sich. "Die beiden stammen vom Clan der Holzschläger." Also zwei weitere Clans, aber warum schlichen sich diese Kelten des Nachts an ihre Brüder an?
    "Ich bin Frederick von Clan Steiner", stellte sich Frederick vor. Erst nach kurzem Zögern fügte er hinzu: "Herzog von Duran." Er mochte diesen Titel immer noch nicht, doch bei einem ersten Treffen vermochte er manchmal Wunder wirken. Schon am Stallion waren die Kelten ihm gefolgt, weil dieser Titel ihm Autorität verlieh. Und Menschen brauchten in der Not jemanden, der ihnen sagte, was sie tun mussten. Nicht, weil sie selber nicht auch die gleiche Idee hatten, sondern vielmehr, weil viele es nicht wagten den Mund zu öffnen.
    "Nun Anfreid von den Köhlern - was schleicht Ihr euch im Schutze der Dunkelheit an mein Lager an?"
    Die beabsichtigte Wirkung trat ein. Anfreid, vielleicht dreißig Sommer alt, kräftig gebaut aber recht untersetzt, starrten Frederick einen Moment lang mit offenem Mund an. Als wolle er sagen: Ein Herzog? In vorderster Front?
    Er neigte den Kopf in der Andeutung einer Verbeugung und begann zu sprechen. Zuerst schien seine Zunge seinen Geist überholen zu wollen, doch mit jedem Wort, das er sprach, wurde seine Stimme fester.
    "Wir kommen aus Gergovia, einem Dorf an der Westküste. Die Rosanen haben uns angegriffen und unser Druide sagte uns, wir sollen ein Boot besteigen und versuchen zu entkommen." Erst da realisierte er, dass er immer noch nicht auf die eigentlichen Frage geantowrtet hatte und gab seinen Worten eine andere Wendung. "Wir wussten nicht, wer ihr seid! Wir haben Rosane befürchtet! Schon seit einem sind wir hier Mondlauf sind wir hier! Wir haben gedacht, sie hätten uns gefunden!"
    Sein Gesicht nahm den Ausdruck tiefster Furcht an und seine Augen wanderten hektisch von links nach Rechts.
    Einen Moment blieb Frederick ausdruckslos stehen und wecheselte einen bedeutungsschweren Blick mit Llionel. Ihre Geschichte war glaubwürdig - schließlich hatte Garamanus von anderen Druiden berichtet, die ebenfalls Kelten in die Fremde schickten. Und furcht vor einer Verfolgung durch die Rosanen war Frederick auch nicht fremd. Langsam kämpfte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Durch die Anspannung wurde dieses jedoch kaum zu erkennen und seine Zähne zeigten sich in einer seltsamen Fratze.
    "Was... was ist los", fragte Anfreid von den Köhlern verängstigt.
    Fragte er sich, ob er zu viele Informationen Preis gegeben hatte? Wenn er und seine Leute schon einen Mond hier waren, dann mussten sie bereits ein Lager errichtet haben. Sie sahen auch nicht ausgehungert oder krank aus. Irgendwo auf dieser Insel musste es einen Platz geben, den die Köhler und Holzschläger ihr eigen nannten. Fürchtete er nun Rache?
    "Ich habe gerade darüber nachdenken müssen, was ich in eurer Lage getan hätte", meinte Frederick ruhig und hakte seine Axt langsam und für alle deutlich sichtbar, wieder an seinen Gürtel. Dann streckte er die Hand aus und bot sie Anfreid dar, der sie sichbar erleichtert ergriff.
    "Lasst uns vergessen, was geschah. Was ist mit deinen Mann? Ist er schwer verletzt?" Anfreid sah wie Frederick zu dem Krieger am Boden, der bereits Bekanntschaft mit Beras gemacht hatte. Der Junge kniete über dem Krieger und reinigte offenbar eine Wunde.
    "Zwei Tage Ruhe und er ist wieder auf den Beinen", erklang Beras' Stimme und entspannte die Lage weiter. Inzwischen war er der einzige, der noch Stahl in den Fingern hielt - seine Nadel, mit der er schon Frederick und einige andere Krieger verarztet hatte. Der Krieger am Boden sah nicht glücklich aus, aber auch nicht dem Tode nahe.
    Bei der Erinnerung an die Naht, die Beras auf seinem Arm zurückgelassen hatte, erschauderte Frederick und war sich sicher, nicht mit dem Verwundeten tauschen zu wollen. "Kommt mit uns, setzt Euch ans Feuer und erzählt. Wie viele seid ihr?"
    Langsam schritt die Prozession voran, am Rande der Zelte warteten schon Denbar und seine beiden Seeleute. Auf ein kurzes Zeichen steckten auch diese ihre Waffen fort.
    Mit großen Augen betrachtete Anfreid das Lager. Es war nur provisorisch, doch die reichen Vorräte im inneren Ring und die neugierigen Kinder, die nachsahen, was ihre Nachtruhe gestört hatte, ließen ihn staunen.
    "Nun, wir kamen vor etwa einem Mond hierher", begann der Köhler zu berichten. "Wir gerieten in einen Sturm und unser Boot lief auf ein Riff, halb um die Landzunge herum. Wir konnten mit den Beibooten vieles von Bord schaffen, doch die Zahl unserer Krieger ist arg dezimiert. Wir entschieden Euch anzugehen und herauszufinden, wer ihr seid."
    Frederick warf einen kurzen Blick auf die sechs Krieger, die Anfreid begleiteten. Sie sahen allesamt kräftig aus und wie gute Kämpfer, doch war es zweifelhaft mit einer so geringen Anzahl an Männern ein gegnerisches Lager zu erobern.
    "Du hast einige deiner Männer bei Euren Familien gelassen", fragte Frederick, in der Hoffnung so herauszufinden, wie viele Kelten noch auf der Halbinsel weilten. Die Frage löste ein resigniertes Achselzucken bei Anfreid aus.
    "Ja. Zwei. Wir sind nur noch neun Männer bei fast zwei Dutzend Weibern! Ist ja kein schlechtes Verhältnis, aber wir kommen kaum mit der Arbeit nach. Nachtwachen, Jagd, Aufbau unserer Unterkünfte - allmählich sind wir mit den Kräften am Ende! Bei den Göttern, es ist ein Segen auf Euch getroffen zu sein!"
    Noch einmal dreißig Kelten! Dreißig Erwachsene, verbesserte sich Frederick in Gedanken. Anfreid hatte keine Kinder erwähnt, doch gerade darin lag ja die Hoffnung des Keltenreiches. Mit Sicherheit gab es auch Nachwuchs unter den Kelten aus Gergovia. Eine direkte Frage brachte eine positive Antwort.
    "Elf Kinder unter zehn Sommern. Zwei Jugend und drei Mädchen unter fünfzehn Sommern. Ihr seid auch mit Kindern hier, wie ich sehe. Hast du eigene, Frederick?"
    Ein eiskalter Dolch bohrte sich durch Fredericks Eingeweide, als er an seine Versprochene dachte. Zwar versuchte er sein Gesicht unter Kontrolle zu halten, doch es gelang ihm nicht. "Nein. Keine Gelegenheit."
    "Ein wunder Punkt? Verzeih mir. Wir haben alle Menschen verloren, die wir geliebt haben", meinte Anfreid schnell und trat dichter an Frederick heran. "Wie kommt es, dass ihr so vielen unterschiedlichen Clans angehört? Wie habt ihr die Führung geregelt? Ich meine, du bist Herzog, dir fällt die Führung zu. Aber bei so vielen Clans?"
    Mit knappen Worten beschrieb Frederick seinen Zug von Entremont gen Norden und wie er zu seinen Begleitern gekommen war. Nur bei Beras unterbrach Anfreid ihn mit einem erstaunten Ausruf. Schüler eines Druiden, anerkannter Krieger und dabei gerade zwölf oder dreizehn Sommer alt - dies machte Eindruck.
    "Und ich führe diese Gruppe. Es ist geklärt. Keine Eide, keine Versprechen. Jeder kann einen Vorschlag machen - im Ältestenrat - und hat einen Aufgabenbereich. Aber als letzte Instanz trete ich auf. Wenn du jedoch der Herr deines Stammes bist, dann werden wir uns einigen müssen. Haben die Holzschläger ebenfalls einen Führer? Ich würde gerne den Ältestenrat erweitern. Es ist eine althergebrachte Sitte und jeder Clan hat eine Stimme, die er erheben darf."
    Mit erneuter Verwunderung stellte Anfreid weitere Fragen. "Jeder Clan? Selbst wenn es nur ein Mann ist?"
    "Ich selber bin nur ein Mann - ich bin Clan Steiner!" Frederick antwortete vorsätzlich lauter und mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, um jedes Widerwort im Keim zu ersticken.
    "Beras ist Kupefergräber, Llionel Waldwolf. Denbar ist Küstenfischer, Madragor Seeleopard. Und ich bin Steiner! Wir alle kämpfen, wir alle haben eine Stimme! Gibt es damit Probleme, Anfreid vom Clan Köhler?"
    "Nein, das ist schon in Ordnung. Aber dann muss ich die Zusammensetzung meiner Gruppe etwas korrigieren. Einer der Krieger, die unser Lager bewachen ist kein Köhler oder Holzschläger. Wir haben ihn aufgenommen, da er gut kämpft und er hat treu zu uns gestanden."
    "Das ist gut! Je mehr Clans das Sterben überleben, umso besser für das Keltenreich! Du siehst besorgt aus, Anfreid. Was ist mit diesem Krieger?"
    Der Köhler räusperte sich und fuhr mit leiserer Stimme fort.
    "Nun, Herzog Frederick. Er ist von Clan Eisner."
    Fredericks Gesichtszüge gefroren einige Sekunden lang. Die Erzfeinde der Steiner. Und dann hier auf der Insel? Er konnte sich nicht viel vorstellen, was ihm mehr Unbehagen bereiten könnte. Eine Hundertschaft Rosane vielleicht.
    Er hatte auch Eisner kennen gelernt, die er gerne an seiner Seite gehabt hätte. Dennoch brachte das wieder Konfliktpotenzial in die Runde. Nicht, dass er dem Eisner irgend etwas unterstellen wollte, aber schon alleine bei dem Gedanken an diesen Clan, stellten sich Frederick die Nackenhaare auf.
    "Ein Eisner, wie? Ich werde ihn mir ansehen."

  8. #98
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 57 - Das Dorf

    Am nächsten Morgen folgten Frederick, Llionel, Beras und Thorval den Köhlern und Holzschlägern in deren Dorf. Die Nacht war für alle recht kurz gewesen, hatten sie diese doch mit Geschichten über ihre Flucht und neuer Verbrüderung verbracht und waren erst kurz vor dem Morgengrauen zu dem Schluss gekommen, endlich etwas zu ruhen. Der Weg verlief vom Lagerplatz der Kelten aus Lugdunum an der Kette aus stetig größer werdenden Gesteinsbrocken entlang, die auf der Halbinsel eine natürliche Grenze bildete. Sie teilte das Gebiet beinahe in zwei gleichgroße Hälften und hätte bei einem unglimpflicheren Ausgang der nächtlichen Begegnung auch gut zu einer wirklichen Grenze werden können. Nachdem der vereinte Tross gut eine Meile in den Wald hineingegangen war, wies Anfreid ihnen ein Lücke zwischen zwei besonders großen Felsbrocken, die an sonsten kaum zu überwinden schienen.
    "Woher diese Formation wohl kommt", rätselte Beras und musterte die hohen Steine. "So etwas ist mir gänzlich unbekannt."
    Anfreid quittierte dies mit einem väterlichen Lächeln, doch Llionel wies ihn darauf hin, dass Beras sehr wohl in der Lage war, etwas seltsames zu berurteilen. "Er ist der Schüler eines Druiden gewesen. Und wie ihr heute Nacht gesehen habt, ist er unser Heiler und einer der besten Späher, die wir haben." Bei diesen Worten wurden Beras' Ohren rot. Er hatte noch immer nicht die eiskalte Panik vergessen, die ihn in der letzten Nacht beinahe überwältigt hatte und verstand kaum, warum er nicht für sein Verhalten kritisiert worden war.
    Als Frederick und Anfreid schon einige Schritte weiter gegangen waren, lies sich Beras neben Llionel zurückfallen und beichtete ihm seine Furcht. "Ich konnte nichts machen außer zu warten", beendete er seine Beschreibung und erwartete eine gesteenge Reaktion seines Lehrmeisters, dochh Llionel runzelte nicht einmal die Stirn.
    "Du wirst lernen, dass es wichtiger ist als Späher am Leben zu bleiben und deinen Leuten zu berichten, als dein Leben im Kampf sinnlos zu vergeuden. Was hättest du gegen sieben Erwachsene ausrichten können? Auch ich hätte warten müssen. Als wir sie dann angegriffen haben, hast du dich in ihrem Rücken postiert und ihnen den Fluchtweg versperrt. Das war ein kluger Zug, keiner von uns hätte es besser machen können."
    Nach wenigen Minuten weiteren Weges durch das Dickicht des Waldes erreichten die Kelten eine Lichtung, auf der eine kleine Quelle sprudelte. Dies war der zentrale Platz einer Ansammlung von Hütten, die zwar etwas unbeholfen aussahen, aber stabil und einladend. Vier größere Unterkünfte waren schon errichtet worden, in dreien schliefen die Frauen und jüngeren Kinder. Die Männer und die älteren Jungen hatten ihr Nachtquartier in der vierten Hütte. Dort waren auch alle Waffen untergebracht sowie ein Großteil der Vorräte. Ein weiteres Gebäude war im Bau und schon von weiten erkannte Thorval begeistert den Zweck.
    "Eine Schmiede! Sag, Anfreid, habt ihr einen Schmied?"
    Der Köhler nickte und deutete auf einen der älteren Krieger, die in der Vorhut marschierten. "Rustus vom Clan der Köhler - ein Vetter von mir."
    Thorval dankte und sprach dann den bezeichneten Mann an. Kurz darauf begannen sie mit einer gestenreichen Fachsimpelei.
    "Wir haben diese Quelle erst nach knapp drei Tagen gefunden, als unsere Vorräte schon fast verbraucht waren", erklärte Anfreid. "Darauf haben wir entschieden, dass wir hier unsere Hütten bauen wollten. Der Platz liegt gut, durch die Felswand ist er an dieser Flanke gut zu verteidigen. Das Gebüsch hinter uns ist dicht und an einigen Stellen kaum zu durchdringen. Wenn ihr nach vorne schaut, wir haben einen Pfad in den Wald geschlagen, über den wir schnell zur Küste gelangen können. Alles in allem haben wir uns gut gemacht, finde ich."
    Er traf auf keine Widerworte. Binnen tagesfrist entschied Frederick in Abstimmung mit Anfreid und dessen Amtbruder, Tarvin von den Holzschlägern, eine Umsiedlung seiner Gruppe an diesen Ort. Vielleicht mochte es noch Probleme in der Abtimmung und der Unterbingung so vieler fremder Menschen geben, doch wurde dies einfach gelöst.
    "Die Krieger werden ihre Hütte räumen, dort können Eure Familien unterkommen. Wir werden uns dann zuerst eurer Zelte bedienen. Natürlich müssen wir dabei berücksichtigen, dass wir umgehend weitere Hütten errichten", trug Tarvin vor und erhielt die Zustimmung von Frederick und Anfreid. Freundschaftlich gaben sich die drei Kelten die Hände, doch ertönte plötzlich eine eisige Stimme, die der Eintracht urplötzlich Einhalt gebot.
    "Unser Gast hat also Vorschläge zu machen? Wer bist du, dass du hier einfach herkommen kannst, um unser Zusammenleben zu stören?" Hinter einem Baum trat ein stabil gebauter Kelte hervor, dessen linke Gesichtshälfte von einer Narbe über Auge und Wange verunstaltet war. Dennoch schien er das Augen noch benutzen zu können.
    "Pellwin vom Clan Eisner - dies ist Frederick vom Clan Steiner, Herzog von Duran", stellte Anfreid vor, bemüht die forsche Ansprache des Eisners zu mildern.
    Pellwin hingegen musterte Frederick intensiv, dann hob er die Augenbrauen und fragte: "Wenn du der Herzog von Duran bist, was ist mit dem alten Herzog? Hermann war sein Name, glaube ich."
    Fredericks Gesicht versteinerte sich. Nadeln aus Eis fraßen sich durch sein Herz und wenn Blicke hätten töten können, so wäre der Clan Eisner auf dieser Insel auf der Stelle ausgestorben. "Er starb im Kampf."
    "Dein Vater". hakte Pellwin nach. Es fühlte sich an, als würde ein Dolch in einer tiefen Wunder herumgedreht.
    "Nein. Mein Onkel." Das verzerrte Gesicht des sterbenden Ryan flackerte vor Fredericks Augen und seine Fäuste ballten sich.
    Die zweite Augenbraue des Eisner zuckte in die Höhe. "Eine Nebenlinie also." Er grinste. "Du nennst dich also Herzog von Duran. Zeig mir Beweise!"
    Rund um die beiden Kelten sogen Männer erschrocken Luft ein und wagten nicht mehr auszuatmen. Die Clans der Steiner und der Eisner waren verfeindet. Und es hatte schon weniger bedarft, um einen erneuten Krieg zwischen ihnen ausbrechen zu lassen. Irgendwo im Hintergrund schlug Llionel undauffällig seinen Mantel zurück, um schneller an seine Dolche zu kommen.
    Frederick musterte Pellwin, der mit arrogantem Lächeln vor ihm stand. Die weiße Narbe wand sich wie ein Wurm über sein Gesicht, als sich die Züge des Eisners selnstgefällig verzogen. "Die Toten so zu entehrten. Wahrlich, deine Worte sind eines Eisner würdig."
    Hastig versuchte Anfreid zwischen die beiden Männer zu gelangen und zu schlichten, doch er wurde von ihnen einfach ignoriert.
    "Damit wäre meine Herkunft wohl bestätigt", stach Pellwin nach. "Deine aber noch nicht!"
    Und damit hatte er sogar Recht. Niemand hatte je nach einem Beweis gefragt, wenn Frederick sich als Herzog von Duran bezeichnet hatte. Nun, er war es - Ryan hatte ihm auf dem Schlachtfeld zu seinem Erben ernannt. Doch Tote konnten nicht mehr Aussagen. Hatte Ryan eigentlich den Sigelring der Steiner getragen? Das Zeichen des Herzogs? Hatte Frederick töricht vergessen, diesen an sich zu nehmen? Oder war dieses Symbol des Herzogs von Duran schon mit Hermann vom Clan Steiner in den Wirren des Krieges untergegangen?
    Er wusste es nicht und schalt sich einen Narren. Hatte er niemals daran gedacht, dass irgendwer nachfragen würde, worauf sich sein Anspruch auf den Titel ableitete? Er konnte auch nur ein Streuner sein, der den Namen und den Ruhm des Clan Steiner angenommen hatte. Immer noch schweigend zog er die Nase hoch und musste lächeln. Die Nase. Ja, die würde ihn als Steiner ausweisen. Fast überall, wo er hinging. Jeder, der einmal einen Steiner aus der Linie des Herzogs gesehen hatte, würde dieses hervorstechende Merkmal sofort erkennen. Dennoch würde das nicht reichen.
    "Na", stichelte Pellwin und stemmte siegessicher die Hände in die Hüften. "Was ist?"
    Bevor Pellwin das Wort Betrüger in den Mund nehmen konnte, reagierte Frederick. Er lies den Eisner stehen und wandte sich dem Platz zu, an dem er und seine Begleiter ihre Rucksäcke abgelegt hatten. "Keine Beweise", hörte Frederick die triumphierende Stimme Pellwins erklingen, doch kurz darauf verstummte sie in einem elenden Krächzen.
    Frederick öffnete die Taschen und zog eine Stoffbahn heraus, die er mit ausgestreckten Armen vor der Brust hielt. Als er Pellwin erreichte, entfaltete er sie und lies sie im leichten Wind wehen. Grün und Gold starrte dem Eisner entgegen und mit erblassendem Gesicht wich er einen Schritt zurück.
    "Bei den Göttern", rief Anfreid und sank auf die Knie. "Brennus!"
    "Des Königs Banner", erklang es aus dem hinteren Reihen. Die Kelten schlugen heilige Zeichen der Verehrung vor der Brust. Zwei der Köhler wischten sich Tränen aus den Augenwinkeln.
    Nur langsam fand Anfreid die Sprache wieder, während Pellwin gänzlich stumm blieb.
    "Ich dachte, alle Banner wären verloren", brachte der Anführer der Köhler schwach hervor und starrte auf den keltischen Knoten, der die verblichene Flagge zierte. "Als die Städte fielen sind alle vernichtet worden, hieß es."
    "Nein! Dieses ist das Letzte! Das letzte Banner des Königs! Und ich bewahre es, seit ich in den Ruinen von Entremont einen der fünf rosanen Häuptlinge erschlagen habe!" In den Augenwinkeln erkannte Frederick, wie Pellwin zu einer Erwiderung ansetzte. Er lies mit der linken Hand das Banner los und griff erneut in den Rucksack. Diesmal zog er den Kopfschmuck des Rosanen hervor, den er auf dem marktplatz von Entremont getötet hatte. Zerknitterte Federn wehten im Wind, eine löste sich aus dem Kranz und flog davon.
    Und dieses Mal blieb Pellwin still. Niemand sprach ein Wort. Und niemand wagte es jemals wieder, den Herzog von Duran in Frage zu stellen. Frederick hatte ihnen nichts gezeigt, was ihn legitimiert hätte, doch alleine die Macht dieser beiden Gegenstände - dieser Ikonen - hatten jeglichen Zweifel ausgelöscht. Llionel lies seinen Mantel wieder zugleiten und Frederick faltete das Banner wieder sorgfältig zusammen. Noch am selben Tag bauten die Kelten aus Lugdunum ihr Lager ab und zogen um.
    Die Einheit und der langsame Wideraufstieg des Keltenvolkes hatte begonnen. Nach einem Mondumlauf erinnerte sich niemand mehr an die Worte Pellwins, außer er selbst und Frederick. Aber sie erinnerten sich an das Banner des Königs und den Stolz, den sie empfunden hatten, als es zwischen ihnen im Wind wehte.
    Die Siedlung gedieh, Häuser wurden gebaut, Familien wurden gegründet und neues Leben reicherte die Bevölkerung von Neu-Keltia an. Fast zwei Sommer ging das Leben voran, friedlich und geeint. Erst dann drang der Ruf der Ferne erneut an Fredericks Ohr.
    Die Kelten hatten überlebt. Die Clans waren nicht untergegangen. Das Keltenreich würde weiter bestehen. Der erste Schritt war gemacht. Nun musste der Zweite folgen. So, wie es Garamanus gesagt hatte. Sichert unser Überleben. Sucht neue Verbündete. Und dann kehrt in die Heimat zurück. Holt Euch das Erbe Eurer Väter zurück. Das Land Eurer Ahnen. Euer Land. Errichtet das Keltenreich erneut!
    Frederick erhob sich ein letztes Mal von dem prasselnden Lagerfeuer, an dem er viele Abende gesessen hatte, um dem Keltenvolk, seinem Volk, beim Wachsen zuzusehen. Er schnallte die Axt an seinen Gürtel, packte seinen Rucksack und marschierte zum kleinen Hafen hinüber, wo Denbar sich mit seinen Seeleuten und dessen Familien niedergelassen hatte.
    Das Schiff war immer noch intakt. Seeleute und geübte Helfer gab es zu genüge.
    "In die Ferne will ich ziehen. Wir brauchen Krieger, die uns helfen unsere Heimat aus den Händen unserer Feinde zu erobern. Macht das Schiff klar für eine Überfahrt. Wir werden zu fremden Gestaden aufbrechen. Neue Ufer finden und neue Verbündete."
    Geändert von Frederick Steiner (13. Dezember 2009 um 13:09 Uhr)

  9. #99
    der Gesegnete Avatar von Thalionrog
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    Jetzt habe ich den ganzen Abend damit zugebracht den Teil nachzulesen den ich in den letzten Monaten verpasst habe - ich habe deine Geschichte regelrecht verschlungen und freue mich schon auf dein nächstes Update.

  10. #100
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Zitat Zitat von Thalionrog Beitrag anzeigen
    Jetzt habe ich den ganzen Abend damit zugebracht den Teil nachzulesen den ich in den letzten Monaten verpasst habe - ich habe deine Geschichte regelrecht verschlungen und freue mich schon auf dein nächstes Update.
    Schön, wenns spannend ist. Wird auch noch etwas blutiger....

  11. #101
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 58 - Aufbruchstimmung

    Denbar musterte Frederick mit Erstaunen im Gesicht.
    "Natürlich fährt das Schiff noch - es ist so seetüchtig wie es immer war! Wir sind jede Woche zum Fischen draußen und ich lasse nicht zu, dass irgend ein Schaden übersehen wird!"Schließlich war Denbar jetzt der Kapitän. Es war sein Schiff geworden.
    "Aber warum, bei den Göttern, willst du von hier fort?"
    Es war noch früher Morgen, die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, ja war kaum den Bergkamm emporgestiegen. Denbar war üblicherweise um diese Tageszeit wach. Fischen konnte man am besten früh am Morgen. Doch in den beiden Sommern, die nun schon seit ihrer Ankunft vergangen waren, hatte der Seemann Frederick noch nie so früh am Pier gesehen.
    "Es ist wegen unserer Mission, Denbar." Seit Tagen quälte Frederick der Gedanke an die Worte Garamanus'. Wenn ihm schon zu Beginn der Reise bewusst gewesen wäre, wie viel Wahrheit in den Worten des Druiden gesteckt hatte - wieviel mehr hätte er erreichen können? Hätte er sich um die Rosanen in Lugdunum gekümmert, wenn er doch nur so viele Männer und Frauen wie möglich in Sicherheit bringen wollte? Wäre Derivon, der Schmied, vielleicht noch am Leben? Ihm rann die Zeit davon. Zwei Jahre auf dieser Halbinsel - und alles, was sie erkundet hatten war das unwegige Gebirge! Jedenfalls so weit sie konnten. Es gab keine anderen Menschen hier, außer den Kelten. Auf der einen Seite war es gut. Es hatte keinen konflikt gegeben, keine wieteren Kämpfe. Doch auf der anderen Seite war es Frederick auch nicht gelungen Verbündete zu finden, um die Rosanen zu bekämpfen. So wie Garamanus es gewollt hatte.
    "Wir leben noch und wir sammeln Kraft und Truppen. Wir werden zurückkehren! Ist das nicht genug?" Die schwieligen Hände des Seemannes machten eine ausladende Geste, die der ganzen Halbinsel galt.
    "Nein! Wie viele Krieger können wir denn ausbilden? Irgendwann sind wir zu alt, um mit zu gehen! Wir können hier überleben, aber neue Truppen werden wir nicht zu unseren Lebzeiten ausheben können!" Fredericks Stimme überschlug sich und er brauchte einen Moment, um sich wieder fassen zu können. Ruhiger fuhr er fort: "Du bist Seemann, Denbar. Brennt nicht der Ruf der Ferne in dir?"
    Kurz überlegte Denbar, dann begann er rau zu lachen. "Verdammt will ich sein, wenn er das nicht tut, Frederick! Aber ich habe hier eine Heimat gefunden. Und außerdem bin ich zu alt für die großen Reisen, die dir im Sinn stehen." Er setzte sich auf eine niedrige Mauer und sah zu dem Schiff hinüber, das nahe der Küste vor Anker lag. Es hatte kaum etwas von seiner Eleganz und Pracht eingebüßt. Denbar und seine Männer hatten es stets gut gewartet.
    "Dann gibts du auf? Weißt du nicht, was es bedeutet, wenn du nicht an Bord dieses Schiffes gehst? Die Männer werden mir folgen, wenn ich das will", bedeutungsschwer lies Frederick seine rechte Hand auf den Kopf seiner Axt sinken. "Doch nur dir folgen sie durch Sturm und Gefahren! Du bist ihr Kapitän! Wenn sie nicht entschlossen sind, dann werden wir wohlmöglich scheitern. Das kann doch nicht deine Absicht sein?"
    Eilig war Denbar wieder auf den Beinen. Erbost blies er die Backen auf und starrte Frederick mit einem missmutigen Blick an. "So nicht, junger Steiner! Dein Wort ist mein Befehl, so wahr ich hier stehe, aber ich lasse mich nicht von dir mit Worten manipulieren! Heb dir das für deinen Eisner-Freund auf!"
    "Dann halte ich den Mund und du machst klar Schiff", fragte Frederick mit einem breiten Grinsen. Denbar war ein alter Hase, dem man nicht so einfach etwas vormachen konnte. Nach einigen Augenblicken stahl sich jedoch auch in dessen Gesicht ein Grinsen. Unter lautem Fluchen schlug er ein.
    "Du feilscht wie ein Fischhändler! Wann willst du aufbrechen?"
    Frederick überlegte nicht lange.
    "Morgen, spätestens zur Mittagszeit. Die Winde werden uns gut aus der Bucht bringen. Bring deine Besatzung auf Vordermann. Bis Mittag habe ich auch meine Truppe zusammen." Einige Namen geisterten durch Fredericks Kopf. Mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter des Seemannes verabschiedete sich Frederick und marschierte den Weg zum Dorf hinauf.
    Es war nicht einfach zu überlegen, wer mitkommen wollte. Llionel hatte eine Frau gefunden, die vor wenigen Wochen ihren zweiten Sohn geboren hatte. Beras und Ginny - nun sie taten halt alles, was ihnen Spaß machte. Thorval hatte sich ebenfalls ein Weib gesucht, sie war inzwischen schwanger. Collin war bisher der Einzige, der zwar schon mit mehreren Frauen gesehen worden war, aber noch mit keiner dauerhaft etwas anfangen wollte. Es war auch nicht sonderlich schwer sich als Mann zu binden, zumal es mehr Frauen als Männer gab. Selbst Denbar war öfter in der Gesellschaft einer älteren Köhler-Frau gesehen worden, die ihren Mann im Kampf um Gergovia verloren hatte. Nur Frederick blieb seinem Gelübde treu. Noch ein Jahr Trauerzeit hatte er zu überstehen, erst dann würde er dem Werben vielleicht nachgeben.
    Und es waren einige gut aussehende Frauen noch frei.
    Irgendwie kam er etwas vom Weg ab und streifte fast einen niedrigen Busch. Beim Ausweichen fiel sein Blick auf die Hütte, die Llionel nun als Behausung diente. Ein schlichter viereckiger Bau, doch über der Eingangstür klaffte das aufgerissene Maul eines Wolfes. Er hatte seinen Totem über der Tür angebracht und sogar aus kleinen Korallen neue Zähne für den Wolf geschnitzt. Holzfresken zierten bereits die Pfosten und Balken um den Eingang und jeden Tag verbrachte Llionel damit, weitere Bilder hinzuzufügen.
    Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich der Hütte, als Llionel selbst aus dem Eingang kam, lächelnd einige nette Worte in das innere rief und dann erstaunt vor Frederick stehen blieb.
    "Frederick! Guten Morgen. Bist du schon lange hier?"
    "Ich hab mich gerade in den Fresken verloren. Ist das dort der Wagenzug, den du überfallen hast?"
    Mit einer Hand deutete der Steiner auf eine ausladende Schnitzerei, die einen Kastenförmigen Wagen und zwei Pferde zeigte, an sonsten aber noch nicht ganz fertig war.
    "Wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ja. Obwohl ich nicht ganz schlüssig bin, ob ich dieses Bild zu Ende bringen will. Irgend etwas sagt mir, ich sollte es nur noch mit Bäumen ergänzen. Die Vergangenheit begraben." Er sah auf die Freske und sein Blick schien in weite Ferne zu rücken. Urplötzlich war er wieder da und musterte Frederick neugierig.
    "Also, was treibt dich so früh hier her?"
    "Ich komme vom Hafen. Denbar ist bereit sein Schiff für eine Expedition bereit zu machen. Um neue Truppen zu beschaffen. Ich bin eigentlich ziemlich gedankenverloren durch die Gegend gelaufen und frage mich, wer noch mitkommen will."
    Llionel blieb der Mund offen stehen. Eine Falte legte sich zwischen seine Augen und er verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Und warum fragst du mich nicht", fragte er entrüstet.
    "Weißt du, wer mitkommen würde?"
    Prustend stieß Llionel Luft aus und wirkte fassungslos.
    "Mann, ich rück dir gleich den Kopf zurecht! ICH werde mitkommen! Wann soll es losgehen?"
    Damit hatte Frederick nun nicht gerechnet. Und es auch gar nicht beabsichtigt. Llionel war so ziemlich der Letzte auf seiner Liste, die er gefragt hätte. Dabei haben wollte Frederick den Waldwolf natürlich, doch bei dessen Wandel in letzter Zeit...
    "Was ist mit deiner Familie? Ich kann dich doch nicht von den beiden Jungs trennen! Und von Carema."
    "Blödsinn", antwortete Llionel entrüstet und stürmte in die Hütte zurück. Er wechselte einige schnelle Worte mit seiner Frau, die anscheinend sehr gefasst auf die Nachricht reagierte. Wenige Augenblicke später erschien er in seinem grauen Mantel wieder zwischen den Türpfosten. Am Gürtel hingen beide Dolche, er schien sich kaum verändert zu haben.
    "Mich nicht mitnehmen wollen! Ich glaubs ja nicht! Lass uns sofort zu Beras gehen und den aus den Betten holen! Der Junge hat in der letzten Zeit zu viel in der Horizontalen gefochten. Der braucht dringend wieder ordentliche Bewegung!"
    Mit erhobenem Haupt marschierte Llionel an Frederick vorbei und knurrte ein schnelles: "Worauf wartest du noch?" Als Frederick ihm erstaunt folgen wollte, blieb der Waldwolf stehen. "Ich muss noch etwas erledigen!" Er griff in eine Tasche seiner Jacke und zog einen Zettel und einen Federkiel hervor.
    Stumm schrieb er einige Zeilen auf das Pergament und besah sie sich genau, als er zum Ende gekommen war.
    "Was hast du geschrieben?"
    Llionel drehte sich zu ihm um. "Einen Brief an meine Söhne. Magst du ihn lesen?"
    Frederick nickte und nahm das Papier entgegen.

    "Wenn Ihr alt genug seid, um diese Worte zu lesen,
    werdet Ihr ihre Bedeutung verstehen.
    Vielleicht sind diese Worte das Einzige, was bleibt von mir,
    wo wir uns kaum kannten, meine Kinder.
    Ich hoffe Ihr wisst, dass ich bei Euch geblieben wäre,
    wenn ich es gekonnt hätte, doch meine Aufgabe rief mich in die Fremde.
    Nun liegt Euer Leben vor Euch, das Leben der Waldwölfe.
    Ihr sollt wissen, das es Euch bestimmt ist,
    die Schwachen zu verteidigen, in ihrer dunkelsten Stunde,
    sie zu begleiten, bis zum Ende und Eurem Volk und Eurem Clan
    Ehre zu machen.
    Ihr seid Waldwölfe und ich werde stolz auf Euch sein.
    "

    Sprachlos reichte Frederick Llionel den Brief zurück. Erst nach dem dritten Versuch gelang es ihm seine Lippen so weit befeuchten, dass er Worte aussprechen konnte. "Du gibts all das auf für einen unbestimmten Weg?"
    "Sie sind Waldwölfe. Sie werden wissen, dass es wichtig war. Und sie werden es verstehen. Ich habe meine Zeit genutzt, um meinem Clan das Fortbestehen zu ermöglichen. Die Gemeinschaft wird sein Überleben sichern. Und wenn wir dereinst zurückkehren, werden meine Söhne als Männer an meiner Seite fechten!" Er kniff die Augen zusammen und versuchte ein Träne zu verstecken.
    "Jetzt lass uns Beras wecken! Wenn wir ihn von seiner Braut losgerissen haben, werfen wir Opem, Collin und den Rest der Truppe aus den Betten!"
    "Du wirkst, als hättest du nur darauf gewartet, dass ich auf die Idee komme aufzubrechen."
    Llionel schnaubte, während er auf den Dorfplatz zu marschierte.
    "Gewartet? Zwei verdammte Jahre hast du gebraucht, um zu erkennen, dass wir weiter müssen! Ich beschwere mich nicht, Carema ist die Liebe meines Lebens und meine Söhne machen mich stolz. Aber wenn ich nicht bald den Ruf der Ferne aus deinem Mund gehört hätte, Frederick von den Steiner, dann hätte ich dich hier auf dieser Insel sitzen lassen und wäre alleine gefahren!"
    Sie eilten mit weiten Schritten durch das Dorf auf die kleine Kate zu, die Beras mit Ginny bewohnte. Die Läden vor den Fenstern waren noch geschlossen, doch nach Llionels Trommelhagel auf die Holzbretter musste der junge Krieger wach geworden sein.
    "Komm raus aus deiner Hütte du Faulpelz! Nimm die Waffen mit! Es geht wieder los! Beras! Bewegung!"
    Ein Feuer brannte in Llionels Herzen und auf seinen Wangen. Es brach aus seinen Augen und sprang auf Frederick über, der noch vor wenigen Minuten viel zu letargisch gewesen wäre, um mitten im Dorf einen solchen Radau zu schlagen.
    Dann griff er an seinen Gürtel und zerrte sein altes, verbeultes Kriegshorn hervor. Ein tiefer Atemzug und der dröhnende Klang von altem Metall zerriss die Morgenstille des Dorfes. Und noch etwas geschah. Hörner und Dudelsäcke antworteten!
    Sie hatten alle gewartet!

  12. #102
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 59 - Auf hoher See

    "Wir ziehen aus, um dorthin gehen, wo noch nie ein Kelte zuvor gegangen ist", murmelte Collin mit freudloser Mine, während er auf die endlos wirkende See hinaussah. Zusammen mit Thorval hatte er sich einen Platz an der Reeling des Schiffes gesichert, der durch einen Überbau der Brücke weitgehend von Wind und Wetter geschützt war. Das war auch nötig, denn es regnete in Strömen. Die Aussicht war grau in grau und es war kaum mehr zu erkennen, wo das Meer aufhörte und der Himmel begann.
    Missmutig zog Collin die Nase hoch und spuckte etwas Unappetitliches in die See. Er hatte sich bei der andauernden Feuchtigkeit erkältet. "Ich kann auch verstehen, warum hier noch nie einer war!"
    Thorval wickelte sich eng in seinen Lederwams, den er von innen mit ausreichend Fell gefüttert hatte. Er wirkte dadurch massig und schwerfällig und bei den anfallenden Arbeiten an Bord wurde er dadurch behindert, dass er sich durch die dicke Polsterung nur eingeschränkt bücken konnte - aber wenigstens fror er nicht.
    "Ich weiß gar nicht, warum es dir hier nicht gefällt", rief Thorval und schürte so den Missmut seines Freundes noch etwas mehr. Ihm selber gefiel es auf dem engen Raum, den das Schiff bot, ohne seine Frau, und bei den anhaltenden Niederschlägen ebenso wenig, wie Collin. Doch die Fluchtiraden und immer ausgefalleneren Beschwerden und Verwünschungen seines Gefährten, brachten ihm wenigstens ein wenig Erheiterung.
    "Das Wetter ist fast so wie in Lugdunum, nur nicht ganz so kalt. Das Essen und die Gesellschaft sind abwechslungsreich und wir verstehen uns alle prächtig!" Thorval grinste ob seiner Lügen und sah ebenfalls hinaus in die Ferne.
    Nun, nicht alles war gelogen. Das Wetter in Lugdunum hatte tatsächlich eine große Ähnlichkeit, mit dem anhaltenden Regen und dem Wind. Glücklicherweise war das Meer, auf dem sie fuhren ein warmes Gewässer und somit war die Temperatur auch entsprechend angenehmer. Das Essen hingegen war wirklich genau wie die Gesellschaft an Bord. Eigentlich nicht übel, immer mal was dabei, was man nicht mochte, aber leider immer wieder das Gleiche. In jeder Woche abwechselnd Fisch und Räucherfleisch, dazu immer das gleiche Gemüse - eine Bohnenart, die auf Neu-Keltia gedieht. Es war nahrhaftes Essen, aber wenn man es immer wieder essen musste, ähnelte es einer Geschichte, die man schon zum zweiten oder dritten Mal gehört hatte. Und leider auch dies traf zu. Irgendwann waren die guten Geschichten erzählt. Die schlechten auch und mit jeder Widerholung wurde es langweiliger. Die einzige Abwechslung war da schon der Streit zwischen Beras und seiner holden Ginny, der gestern Abend ausgebrochen war.
    "Prächtig", höhnte Collin. "Viel zu prächtig!"
    Nun war Thorval kurze Zeit sprachlos. "Habe ich da etwas nicht mitbekommen?"
    Collin drehte sich langsam um, als würde es ihn große Mühe kosten, und schnaubte abfällig.
    "Ja! Die beiden haben sich gestern wieder versöhnt! Mehrfach!"
    Das trieb auch den letzten Funken guter Laune aus Thorval heraus. Allen Männern an Bord war die Anspannung deutlich anzumerken, unter der sie standen. Vor allem wenn Ginny in ihrem allzu knappen Lederharnisch Dehnübungen machte oder sich einfach nur zu weit vorbeugte und dann beinahe alles präsentierte, was die Natur ihr gegeben hatte.
    "Glaub es mir! Meine Kabine liegt direkt neben seiner. Vier Mal! Der Kerl dürfte heute nicht laufen können, so wund muss der sein! Ich hab kein Auge zu bekommen", knurrte Collin und deutete auf Beras, der gerade an Deck kam. Gekleidet in einen grauen Umhang, der dem Llionels nachempfunden war.
    "Was hättest du früher gemacht, wenn da ein Bengel mit einem Mädchen angebandelt hat, das dir gefällt", meinte Thorval irgendwo zwischen Hohn und Neid. Dennoch berührte kaum eine Spitze Boshaftigkeit seine Stimme, sondern viel mehr ein Hauch von Resignation und Wehmut.
    "Verdroschen hätte ich den", antwortete Collin, schiefte und spieh erneut über die Reelung. "Aber versuch das mal bei ihm! Noch grün hinter den Ohren, aber mit den Messern gefährlich wie der Alte!"
    Damit war Llionel gemeint. Der Waldwolf persönlich hatte Beras schon vor Jahren zu seinem Schützling und Schüler erkoren. Ein Bandit und Halsabschneider war er gewesen, das wusste inzwischen jeder Kelte. Llionel ging offen mit seiner Vergangenheit um, er spielte sogar damit. Selbst zu den schlimmsten Festen, wenn die jungen Kelten kaum mehr aus den Augen schauen konnten vor Trunkenheit, und mit jedem eine Rauferei anzetteln wollten, musste Llionel nur seinen Mantel bei Seite schlagen und schon war Ruhe. Berühmt und berüchtigt, so wie viele der Kelten, die nun wieder in die Fremde zogen.
    Hinter Beras betrat der eben benannte Llionel das Oberdeck, verneigte sich vor dem jungen Krieger und zog ein Schwert unter seinem Mantel hervor - eine Waffe, die er sonst sehr selten nutzte. Bei genauerer Betrachtung der Waffe, war die Klinge in eine Schutzhülle aus Leder und Flachs eingewickelt. Die Kelten sollten sich beim Training ja nicht gegenseitig schwer verwunden. Ein Schwert, das so verpackt war, würde immer noch Schmerzen bereiten, wenn es traf. Aber diese würden dann hoffentlich zu einer bleibenden Erinnerung werden - nicht zu einer bleibenden Verkrüppelung.
    "Ich habe morgen einen Termin mit Llionel", murmelte Collin leise und sein gesichtausdruck zeigte, dass er nur begeistert war. Der Banditenkönig hatte darauf bestanden, dass alle Kelten sich regelmäßig im Gebrauch ihrer Waffen übten. "Er hat nur den großen Prügel genommen, um sich schon mal dran zu gewöhnen, wenn ich morgen sein Opfer bin."
    Unglücklich deutete er auf das Schwert, das Llionel führte.
    "Hör doch auf, dich zu beschweren. Wenn du gegen Llionel bestehst, dann hast du einen unserer Besten geschlagen. Außerdem finde ich das Training sinnvoll." Thorval streckte sich in seinem dicken Wams, wodurch er kurz wie ein zu klein geratener Bär aussah. "Komm mit, ich zeig dir was. Das wird dich sicher aufmuntern."
    Mit einer Hand packte Thorval den ernüchtert aussehenden Collin am Hemd und zog ihn von der Reeling fort. Währenddessen begannen Beras und Llionel die ersten leichten Hiebe auszuteilen, um sich aufzuwärmen. Mit der Zeit würden sie immer schneller werden und einen beeindruckenden Wirbel aus Klingen darstellen. Zur Verteidigung verließen sich beide nur auf eine Tartsche, die an ihr linkes handgelenk gebunden war. Wenn Llionel mit beiden Dolchen focht, dann band er sich nur eine Tartsche auf den Rücken. Er setzte völlig auf Geschwindigkeit und nicht auf Panzerung. Eine Haltung, die Collin nur selten verstand. Er hatte trotz Schwert und Schild oder seinem beidhändigen Claymore und der Kettenpanzerung immer noch genug Bewegungsfreiraum und ein zufälliger Hieb oder Pfeil würde ihnnicht auf der Stelle tödlich verletzen können.
    "Etwas, das mich aufmuntert?" Mit einem Aufblitzen seiner üblichen Lebhaftigkeit folgte Collin dem Schmied auf das Vorderdeck. "Jetzt weiß ich, warum du deine gute Laune behalten hast! Hast du eine Frau an Bord geschmuggelt?" Lachend schlug er Thorval auf die Schultern. "Na komm schon - wo ist sie? Sieht sie gut aus? Egal, was solls!"
    Thorval eilte kopfschüttelnd und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht über das Dekc. Der Regen fiel beinahe waagerecht und rann trotz seines Lederwams unangenehm den Nacken hinunter bis in die Unterkleider.
    Collin auf den Fersen erreichte der Schmied eine Stelle am Bug des Schiffes, die von einer großen Decke aus Lederflicken abgedeckt war. "Da sind wir", verkündete er und zeigte mit einem gewissen Stolz auf die Plane.
    "Wenn sie eine Plane braucht, die so groß ist, dann unterhalte ich mich doch lieber mit meinen Händen", murmelte Collin. Mit erneut ernster Mine fügte er hinzu: "Ich dachte, das ist eines der Beiboote."
    Tatsächlich konnte man beim ersten Hinsehen denken, dass hier eines der Beiboote abgedeckt worden war. Jedenfalls als Nicht-Seemann. Die Beiboote lagen üblicherweise Steuerbord und Backbord, um sie schnell an einer geraden Wand abseilen zu können. Am Bug hätte ein kleinen Beiboot bei stürmischem Seegang oder bei ungeschickter Bedienung der Winde leicht am Bugspriet zerschellen können.
    "Nein, das ist kein Beiboot. Wir haben aber eines von denen zu Hause gelassen. Wegen dem Gewicht." Energisch packte Thorval die Plane und eine massige Konstruktion wurde sichtbar, als er sie bei Seite zog.
    "Du erinnerst dich an die Waffe, die wir Kapitän Ahab abgenommen haben? Ginny benutzt sie - so oft wie du der Kleinen hinterhergaffst, hast du das Ding sicher gesehen." Ohne auf das verstimmte Gesicht zu achten, das dieser Kommentar hinterlies, fuhr Throval fort. "Es ist eine tödliche Waffe, die keine große Übung benötigt, wie zum Beispiel das Bogenschießen. Jeder kann innerhalb von einem Mond damit umgehen, es ist kaum Kraft erforderlich. Auch die Erfahrung, die ein Bogenschütze braucht, um ein weiter entfernteres Ziel zu treffen, wie hoch er den Bogen hält, ist nicht weiter wichitg. Der Bolzen, den diese Waffe - diese Armbrust - verschießt, ist schneller als jeder Pfeil. Das hier", er tätschelte beinahe sehnsüchtig die Konstruktion. "Ist die gleiche Technik. Nur deutlich größer!"
    Auf dem Vorderdeck, erhöht auf dem Bug, so dass sie über die Reeling hinausragte, stand eine Armbrust. Wie Thorval gesagt hatte, war die Konstruktion dem kleineren Modell sehr ähnlich, doch sah sie aus, als wenn sie ganze Baumstämme verschießen konnte. Das Aussehen war dem der kleineren Armbrust nachempfunden, doch die gewaltige Kurbel an der linken Seite und die dicken Seile, die das Geschütz zierten, zeigten deutlich, in welches Verhältnis diese Waffe zu ihrem kleineren Geschwister zu setzen war.
    "Was nimmst du denn als Munition", fragte Collin verblüfft. Und nach einigen Sekunden fügte er mit wachsendem Widerwillen hinzu: "Und wer soll das Ding beladen?"
    "Wir haben zehn Geschosse mit an Bord gebracht - Harthölzer mit im Feuer gehärteten Spitzen." Er griff neben das Geschütz und zog drei breite und mehrschichtige Lederriemen hervor. "Diese werden unter die Stämme gelegt, an jeder Seite drei Mann. Das Beladen geht recht zügig und die Wirkung ist..."
    Sicher, dass er selber einer der Männer sein würde, die Baumstämme auf die Armbrust hieven durften, hörte Collin nicht ganz zu. Doch irgendwann fiel ihm auf, dass Thorval seinen Satz nicht beendet hatte. Urplötzlich gab ihm das zu denken.
    "Die Wirkung ist - was?"
    Thorval senkte verstohlen den Blick, dann antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich hatte noch keine große Gelegnheit sie zu testen. Wir hatten ja keine Schiffe, mit denen wir hätten üben können. Aber das Geschoss fliegt fast sechzig Meter."
    "Sechzig Meter! Da holt dich aber jeder mittelmäßige Bogenschütze vorher von den Beinen!" Collin kletterte auf den Aufbau der Armbrust, der sich sogar ein wenig in jede Richtung drehen lies.
    "Deshalb ist sie auch auf dem Bug montiert", verteidigte Thorval seine Konstruktion. "Wir bieten einem Gegner so weniger Angriffsfläche. Außerdem habe ich noch nie von so einer Waffe auf einem Schiff gehört! Das ist das Überraschungsmoment von dem Frederick immer sagt, es sei so entscheidend! Ich behaupte, dass ich mit dieser Waffe die Rümpfe von Schiffen wie dem unseren schwer beschädigen kann!"
    Collin war immer noch skeptisch und suchte nach Deckung. "Und was ist mit den Bogenschützen, die trotzdem auf uns schießen? Es ist ja schön, wenn wir ein Loch in deren Schiff ballern", begann er ruhig und brauste dann immer weiter auf. "Aber wenn ich vorher einen Pfeil im Hintern habe, gibt mir das keine sonderliche Befriedigung!"
    Schweigend trat Thorval an die Reeling und zog an einem Seil, das dort scheinbar sinnlos hing. Eine Holzplatte schwang nach oben. "Auf der anderen Seite ist noch so eine. Sie sind von außen mit Leder und Metallringen beschlagen. Besseren Schutz konnte ich nicht anfertigen, ohne das Schiff zu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und jetzt hör auf zu meckern! Ich würde meine Waffe zu gerne einmal im Einsatz sehen."
    "Ein echter Kampf? Oh, ja, das könnten hier einige gebrauchen. Außer Beras vielleicht", erwiderte Collin lachend und schlug Thorval kameradschaftlich auf die Schultern. "Du hast echt nachgedacht. Mal schauen, was wir mit dieser Armbrust anfangen können. Ich bin sicher, das sie sich bewährt."
    Sie deckten das Geschütz wieder zu und kehrten zum Mittschiff zurück. Dort hatten Beras und Llionel soeben nahezu gleichzeitig Treffer beim jeweils anderen gelandet, die ohne die Polsterung der Schwerter definitiv tödlich gewesen wären. Beras hielt sich die linke Flanke, während Llionel mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Unterleib umklammert hielt.
    "Böse", murmelte Thorval mitfühlen. "Wie gut, dass Llionel ein Ehrenmann ist und es Beras nicht übel nimmt."
    Collin schüttelte den Kopf und krümmte sich allein bei den Gedanken an die Schmerzen, die der Waldwolf gerade erleben musste. "Ich will hoffen, dass er überhaupt noch ein Mann ist", antwortete er nüchtern.

  13. #103
    Registrierter Benutzer Avatar von Erpel
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    Ogott, ich bin total raus, ich glaub ich muss nochmal anfangen.

  14. #104
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 60 -Auf hoher See II

    Klingen trafen mit einem dumpfen Knall aufeinander, Llionel und Collin übten beide Druck auf die Waffe des anderen aus. Als beide erkannten, dass diese Kraftprobe zur Zeit noch keinen Sieger bringen würde, zogen sie sich zurück, um jeder einen neuen Angriff vorzubereiten. Der Waldwolf bewegte sich noch immer vorsichtig, nach seinem unrühmlichen Aufeinandertreffen vom gestrigen Tage, doch schienen keine bleibenden Schäden zurückzubleiben. Jedenfalls nicht bei Llionel. Beras hingegen hatte gerüchteweise von seiner Liebsten ziemlichen Ärger bekommen. Nun, Gerüchte verbreiteten sich an Bord von Schiffen schneller als Läuse.
    Wieder erklang ein dumpfes Scheppern, doch dieses Mal waren es nicht die verhüllten Schwerter der beiden Kelten, sondern ein Gong, der den Ausguck zierte. Oben, im höchsten Punkt am Mast, war eine Metallplatte befestigt, die der Seemann, der dort Dienst tat, mit einem Hammer schlagen konnte, um die Aufmerksamkeit der Mannschaft zu bekommen. Bisher war der Gong nur einmal erklungen - kurz vor dem Aufbruch, um den Mitreisenden, die nicht zu den üblichen Seeleute gehörten, die Neuerung zu erklären. Nun richteten sich alle Blick nach oben und die Stimme des Ausguck erklang.
    "Seeeeegel am Horizoooont!" Dröhnte der dumpfe Bariton über das Deck und hoch im Mastkorb deutete der Ausguck mit einem Arm in die Richtung, in die er sah. Die Blicke der Kelten wanderen an den Horizont. Steuerbord voraus zeichneten sich Silhouetten ab, die vielleicht Schiffe darstellen konnten, aber ebensogut nur Felsklippen, Wolken oder Spiegelungen auf dem Wasser.
    An der Reeling entstand ein Gedränge, jeder wollte nach den endlosen und tristen Wochen der Fahrt als Erster einen Blick auf die Abwechslung verheißende Entdeckung des Ausguck machen. Beras und Thorval waren dort ebenso Ginny, Opem und einge der dienstfreien Seeleute. Collin und Llionel kamen spät dort an, ebenso wie Frederick und Denbar, die von der Brücke am Heck des Schiffes gelaufen kamen.
    "Ho, was siehst du", brüllte Denbar zum Mastkorb hinauf. Seine Stimme überbrückte die Entfernung nach oben spielend und die Antwort kam gestochen scharf zurück.
    "Ich sehe Schiffe - Zwo! Nähern sich einander!"
    Frederick sah zu Denbar hinüber, dem ein Stirnrunzeln Furchen in das Gesicht schlug. Sie waren immer noch auf hoher See und Frederick war kein Seemann, doch das Treffen zweier Schiffe auf dem Meer fand er seltsam. Und Denbars Gesichtsausdruck trug dazu bei, seinen Argwohn zu schüren.
    "Das ist recht ungewöhnlich, oder?"
    Mit zusammengekniffenen Augen erwiderte Denbar den Blick des Steiner. "Äußerst ungewöhnlich."
    Er reckte den Kopf wieder zum Mastkorb empor. "Halten sie Kurs aufeinander?"
    "Neeeein! Ein Schiff verfolgt das Andere!"
    Mit einer Faust schlug Denbar gegen den Mast. "Verdammt", knurrte er.
    "Wir haben es also nicht mit einer Karawane zu tun", fragte Frederick etwas unbeholfen. Das Wort Karawane war aus dem Land-Sprachgebrauch. Er war sich sicher, dass er es nicht auf die Seefahrt hätte anwenden sollen, doch im fiel kein anderer Begriff ein.
    "Auf See heißt das Konvoi", meinte Denbar. "Nein, es ist kein Konvoi. Das scheint mir ein Angriff zu sein."
    Weitere Sekunden vergingen, in denen die Kelten am Bug immerlauter wurden. Sie schienen sich dabei überbieten zu wollen, als erstes eine Veränderung zu erkennen. "Sollen wir uns einmischen", fragte Frederick. "Einen Überfall würde ich immer vereiteln zu versuchen, aber das hier ist nicht mein Element." Er breitete die Arme aus und deutete somit auf die See.
    "Würden wir nicht von unserem Kurs abkommen", warf Llionel ein, der urplötzlich neben den Kelten am Mastbaum erschienen war.
    "Welchen Kurs", rief Denbar. "Wir segeln nur einfach drauf los! Es ist sogar möglich, dass wir ewig unterwegs sind und niemals mehr Land finden!"
    Ein Blickwechsel zwischen Llionel und Frederick folgte. "Dann sollten wir auf jeden Fall intervenieren. Auf den anderen Schiffen werden sie wissen, wo Land ist", beschlosse der Steiner. "Denbar, veranlasse alles Weitere. Llionel, kampfbereitschaft herstellen. Thorval soll die Armbrust bestücken."
    Denbar und Llionel nickten knapp. Der Kapitän eilte zurück ans Heck des Schiffes, lauthals Befehle brüllend. Llionel hingegen ging langsam an den Bug und musterte die Kelten, die dort versammelt waren.
    Schon trafen ihn die fragenden Blicke der Männer - und Ginny. Gemurmel erklang, nachdem die anhaltenden Rufe verstummt waren. Llionel blieb nur einen Meter vor der Menschentraube stehen, sah jedem einzeln ins Gesicht und holte dann tief Luft. In seiner Stimme schwang Vorfreude mit, dennoch war sie nicht überschwänglich, laut oder hektisch. Viel mehr wirkte er, wie das, was er war: Der Banditenfürst, der seiner Bande im Hinterhalt die letzten Anweisungen gab.
    "Kampfbereitschaft herstellen!"
    Sekunden vergingen, bevor sich die Anspannung gelöst hatte. Jubeln rannten die Kelten davon, nur Thorval schien einigermaßen ruhig zu bleiben und hielt Collin den den großen Opem fest. "Ich brauche Euch zum Beladen der Armbrust", verkündete er und erntete mürrische Gesichter. Mit einer Hand deutete er zu einer großen Kiste auf dem Hauptdeck."Es ist nicht viel! In einer halben Stunde könnt ihr Euch mit den anderen tummeln."
    Llionel betrachtete die Vorgänge lächelnd, dann trat er entschlossen an die drei Kelten heran. "Ich werde helfen", verkündete er. Die vormals mürrischen Gesichter wurden schlagartig entspannter, doch ein Hauch von Argwohn blieb in ihnen. Llionel war einer der Kommandanten. Er war nicht der, von dem man erwartete, dass er sich die Hände schmutzig machte - obwohl er das sogar sehr häufig tat. Und urplötzlich erklang noch eine zweite Stimme.
    "Dann lasst uns mal anfangen!" Frederick stand bereits bei den Kisten, hatte von einer den Verschluss geöffnet und stemmte nun den Deckel in die Höhe.
    Alle an Bord hatten unter dem ständigen Warten gelitten. Jetzt stand ein Kampf bevor und die Trägheit fiel von den Kelten ab. Sie wollten wieder in die Schlacht! Wieder das Blut in ihren Adern wallen und in den Ohren singen hören! Das Lied des Kampfes und des Krieges. Schnell trugen Frederick, Llionel, Opem, Thorval und Collin die schweren Armbrustbolzen zum Geschütz am Bug und legten einen bereits in den Lademechanismus. Dann betätigten sie die schwere Kurbel und spannten die Seile der riesenhaften Armbrust. Bald schon würden sie testen können, ob das Geschick ihres Schmiedes auch dieses Mal hielt, was es versprach.

  15. #105

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