Kapitel 32 - Die Stadtwache
Das weitere Gespräch beim Schmied Gernot hatte sich auf wenige Worte beschränkt. Frederick nannte ihm die Gaststätte, in der er und seine Begleiter untergekommen waren und bat ihn gegen späten Nachmittag oder Abend, je nachdem wie es die Arbeit zulies, ebenfalls dorthin zu kommen. Auf die Frage, ob dies nicht Aufmerksamkeit erwecken würde, zuckte Frederick nur mit den Schultern.
"Du bist der einzige Schmied in Lugdunum. Derivon gibt vor auch eine Schmiede eröffnen zu wollen. Ein Gespräch zwischen Euch beiden ist nur zu erwarten. Entweder das oder eisiges Schweigen und Konkurrenz."
Danach waren Frederick und Beras gegangen. Der Junge hatte sich klug verhalten und war, nachdem sich das Aufeinandertreffen in der Schmiede geklärt hatte, wieder an den Tresen gegangen und hatte sich von Logrinn einige Werkzeuge und Waffen erklären lassen. Auf dem Rückweg war Frederick schweigsam und in sich gekehrt, doch als er eine Gruppe Wachen bemerkte, die ihm folgten, fiel er wieder in seine Rolle und schnauzte Beras mit nuschelder Stimme an. Vorher wies er den Jungen darauf hin.
"Du wirst den ollen Dolch vorm Meister verstecken, klar Freundchen! Wenn der rauskrieg, dass wir den bei nem anderen Schmied gekauft haben, zieht er dir die Ohren lang!"
Beras tat erstaunt und schob den Dolche tiefer in die Falten seines Umhangs.
"Verstanden, Herr Frederick", antwortete er unterwürfig und laut genug, damit man ihn hörte.
Eine kräftige Stimme unterbrach das Schauspiel der beiden.
"Verzeiht die Störung!" Ein großer Kelte mit dunkelbraunem Bart und ordentlich gestutzten Haaren kam auf Frederick und Beras zu, drei Wachsoldaten im Schlepptau. Offenbar ein Truppführer oder Ähnliches. Im Gegensatz zu deren Kleidung, die aus Fellen und Leder sowie einer gewebten Hose bestand, trug er eine Lederrüstung, die an einigen Stellen mit zusätzlichem Metall ausgekleidet war. Sie machte einen ausgezeichneten Eindruck und Frederick wünschte sich eine solche Rüstung zu besitzen. Sie wirkte nicht schwerer als der Lederwams, den er trug und mit einem Umhang oder einem Pelz über den Schultern würde sie wohl auch entsprechend Wärme spenden.
Seine Gedanken wandten sich wieder der Wache zu. "Hääh", poterte er und starrte den Truppführer an. Dieser rümpfte die Nase, hob eine Augenbraue und erwiderte den Blick mit leicht zur Seite gelegtem Kopf.
"Was führt Euch zu unserem Schmied, Fremder?"
Frederick vernahm die Worte, öffnete den Mund um zu antworten, schloss ihn wieder und antwortete dann erst, wobei er einen verblüfften Gesichtsausdruck zur Schau stellte.
"Ich bin ein Kelte, kein Fremder", maulte er. "Was soll ich bei nem Schmied wollen? Waffen kaufen natürlich! Der Kurze muss doch irgendwann mal ein Mann werden!" Er schlug Beras heftig auf die Schulter, so dass der Junge einen Schritt vorwärts machte.
"Das meine ich nicht", antwortete der Truppführer. "Ihr seid mit dem neuen Schmied hierher gekommen. Warum..."
"Jaaaaa", krakeelte Frederick. "Meister Derivon! Ausgezeichnet Schmied! Kenn einige von denen! Hammerschlag, weist du?"
Resigniert winkte der Truppführer ab und kurz darauf beendete Frederick auch sein Lob über den neuen Schmied. "Was ich wissen will", sagte er langsam und deutlich, so dass es sogar ein Kelte verstehen konnte, der einen Schlag auf de Kopf bekommen hatte. "Ist, warum du, obwohl Meister Derivon deiner Meinung nach der beste Schmied ist, den es gibt, bei Meister Gernot warst."
Frederick zuckte zusammen, zog den Kopf etwas ein und sah sich zu allen Seiten um. "Kann ich dir nich sagen", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Daraufhin lächelte der Truppführer triumphierend. Offenbar der Meinung, eine Entdeckung gemacht zu haben.
"Sag es mir", befahl der Truppführer in einem Tonfall, als ob er ein Kind dazu bringen wollte, das Spielzeug wieder her zu geben, dass es von einem anderen Kind genommen hatte. "Ich bin der Kommandant der Stadtwache! Ich darf alles wissen!"
Nervös trat Frederick auf der Stelle, sah sich nochmals um und flüsterte dann fast, als er antwortete.
"Aber du darfst es nich weitersagen", verlangte er. "Meister Derivon ist der beste Schmied, den ich kenne, seine Äxte und Schwerter schlagen dir glatt den Kopf vom Hals! Und seine Rüstungen erst! Wenn ich dir davon erzähle, wirste grün vor Neid! Und...."
"Mann, komm zum Punkt!" Der Kommandant der Wache verlor seine Geduld. Eine Ader pulsierte gefährlich auf dessen Stirn. Jetzt entschied Frederick, war der beste Zeitpunkt ihn davon zu überzeugen, dass er einem völligen Trottel gegenüber stand, der nicht einmal ansatzweise intelligent dazu war, sich einen hinterhältigen Plan auszudenken.
"Ist ja gut", beruhigte er den Kommandanten. "Es ist nur... Meister Derivon ist ein sehr guter Waffenschmied..." Die Ader wurde größer und der Hals nahm eine deutliche rote Färbung an. "Aber bei kleinen Waffen, wie für den Jungen ist er nicht so.... geschickt." Frederick lies sich von Beras den Dolch geben und zeigte ihn dem Kommandanten zögerlich.
"Bitte, sagt Meister Derivon nichts davon! Er regt sich dann immer so furchtbar auf", fügte Beras noch hinzu.
Der Kommandant lies die Schultern hängen. Sein Gesicht zeigte nur absolute Verwirrung. Frederick glaubte ein leises Schniefen zu hören und bemerkte das Grinsen in den Gesichtern der drei Wachsoldaten. Dieses verschwand natürlich sofort wieder, doch Frederick war sicher, dass diese Geschichte heute Abend der gesamten Wache bekannt war. Der Kommandant würde als jemand gelten, der hinter jedem Stein einen Geist sitzen sah und Frederick würde als großer, etwas dummer, aber ansonsten harmloser Handlanger seines Schmiedes gelten. Und Beras war nur ein Kind. Sie würden ihn bis morgen früh vergessen haben.
Ohne den Dolch noch eines weiteren Blickes zu würdigen, schob der Kommandant diesen wieder seinem Besitzer zu und wandte sich pikiert ab. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, hakte Frederick erneut nach. "Ihr sagt es ihm auch wirklich nich, oder? Will keinen Streit mit Meister Derivon."
Wieder trat das Grinsen auf die Gesichter der Soldaten. Ihr Kommandant drehte sich noch einmal zu Frederick und Beras um und gab sich großzügig, um wenigsten etwas von seiner Würde zu behalten, die er gerade für eine Lapalie - für Nichts - durch den Dreck hatte ziehen lassen.
"Ich werde ihm nichts sagen. Nun seht zu, dass ihr von hier verschwindet, bevor ich mir es anders überlege!" Frederick nickte einfrig und zog Beras mit sich davon um die nächste Straßenecke. Dort krümmten sich die beiden vor Lachen.
Glücklicherweise beobachtete sie niemand dabei.
Auf dem Weg zurück zur Gaststätte hielt sie niemand an. Zwei Soldaten kamen an ihnen vorbei, doch sie achteten nicht einmal auf die beiden Kelten.
In der Gaststätte hatten sich Derivon und Llionel bereits an einen Tisch gesetzt und ein reichliches Mittagessen bestellt. Gebratenes Fleisch und Wurzelgemüse.
Frederick erzählte von seinem Besuch beim Schmied und den Zusammenstoß mit der Wache. Doch selbst die lustige Anekdote konnte das Trübsal nicht mindern, dass sich in den Augen der beiden Kelten ausbreitete. Sie mussten verhindern, dass die Rosanen Lugdunum als Hafen nutzen konnten. Oder als Lagerplatz.
Außerdem verlangte ihr keltisches Blut nach Rache an dem rückratlosen Fürsten, der sein Volk an die Rosanen verraten hatte! Beides hätten sie damit erreichen können, die Stadt niederzubrennen. Gezielte Brände legen und verhindern, dass der Stadtwache schnell genug Wasser zur Verfügung stand, um zu löschen war eine anspruchsvolle Aufgabe, aber durchaus machbar. Vor allem mit der Erfahrung Llionels auf diesem Gebiet.
Dennoch würden sie damit den Kelten - unschuldigen Brüdern und Schwestern - das Obdach nehmen. Das konnten sie nicht verantworten.
Es musste eine andere Lösung geben!
"Heute Nachmittag wird Gernot, der Schmied der Stadt hierher kommen. Vielleicht können wir noch mehr in Erfahrung bringen. Jedenfalls haben wir in ihm jetzt einen Vertrauten", meinte Frederick, der appetitlos an einem Eisbein herumknabberte. "Außerdem kennt er sich er sicher einige Kelten, die mit der gegenwärtigen lage nicht zufrieden sind. Es ist nicht alles verloren."