Die Bovaner
Kapitel 127
Erik der Große
Im Jahre 3328 E.Z. erhob sich der König von Corhallia, Erik-elfn-ak gegen Eronthar, den Herrscher von Blom und Bovana.
Nachdem Erik-elfn-ak die niigatischen Söldner und die Speerkriegern aus Wildegar als Verbündete gewinnen konnte marschierten die Heere nach Blom und schlossen die Stadt von allen Seiten ein.
Nach einigen erfolglosen Angriffen gegen die massive Stadtmauer entschloss sich Erik-elfn-ak dazu den sinnlosen Angriff abzubrechen und einen Teil seines Heeres nach Bovana zu entsenden, um diese wichtige Stütze seines Widersachers zu erobern. Ein gewagtes Unternehmen seine Armee zu teilen, obwohl der Feind noch nicht an Stärke verloren hatte.
Doch der jugendliche König aus Corhallia wusste, wenn erst einmal die alte bovanische Königsstadt in seiner Hand war, dann konnte Eronthar nicht lange standhalten.
Erik-elfn-ak ließ seinem General Lachs-ack den Oberbefehl vor Blom und zog nun nach Bovana. Im Spätherbst erreichten seine Speerkrieger die ehrwürdige Residenzstadt, dort lagerten bereits die verbündeten Soldaten aus Denmarsch unter dem Kommando von König Tesrak II. Weitere Kontigente stellten die tapferen Skythen aus dem Norden und die Stadt Wildegar im Osten.
Erik-elfn-ak übernahm den Oberbefehl, gegen den Wunsch von Tesrak und blies zum Angriff auf Bovana. In den späten Nachmittagsstunden des sechsten Tages des neunten Monats im Jahre 3328 E.Z. erklommen sie die alte Stadtmauer und vernichteten die Garnison aus Blom. Bovana war gefallen, wieder einmal.
Sogleich sammelte Erik seine Truppen und marschierte zurück nach Blom. Dort wurde die Nachricht des Verlustes als Schock empfunden. Eronthar hatte seinen eigenen Sohn als Oberbefehlshaber in Bovana zurückgelassen. Nun brachte Erik-elfn-ak dessen Kopf auf einer Lanze zu seinem Vater.
Ein Friedensangebot von Eronthar lehnte Erik ab und zog die Schlinge enger, bald brach eine große Hungersnot in Blom aus und viele Menschen starben an Erschöpfung und an Krankheiten. Beim ersten Sturmangriff wurde die Stadtmauer überwunden und die Soldaten des Erik richteten im Blutrausch, entgegen seinem Befehl, ein Gemetzel unter der Bevölkerung an. Zwei Tage zogen seine Soldaten plündernd und mordend durch die Strassen von Blom. Nur wenige Bewohner konnten sich retten.
Eronthar wurde nie gefunden.
Nachdem Erik das Werk seiner Armee mit großer Bestürzung gesehen hatte, ließ er die verantwortlichen Offiziere, die nichts gegen das Morden taten, grausam hinrichten. Ihnen wurden die Ohren abgeschnitten, die Augen ausgestochen und die Zunge entfernt. Dann wurden sie mit einer stumpfen Klinge erdolcht. Ihre Seelen sollten niemals die Ober oder die Unterwelt erreichen.
Die zehnte Dynastie aus Blom wurde ausgelöscht. Erik kehrte Blom den Rücken, ließ eine Garnison zurück und reiste nach Bovana. Nun wollte er der nächste König des Reiches werden.
Der König von Denmarsch, Tesrak II., stellte sich ihm mit einem Heer entgegen, er verlangte ebenfalls nach der Krone.
Nun standen sich die Heere gegenüber und ein neuer Waffengang stand dem geschundenen Land bevor. Doch Erik übermittelte seinem ehemaligen Verbündeten eine Nachricht.
„Er solle ruhig König werden. Ich verzichte, wenn es dem Frieden dient. Das Land und seine Bewohner haben genug gelitten, es ist die Zeit des Bauens und des Aufrichtens. Wenn ihr sicher seit, euch möge es gelingen das Land zu einen und in eine friedliche Zukunft zu führen, dann nehmt die Krone und herrscht über das Land und seine Bewohner. Doch solltet ihr auch nur den Funken von Zweifel oder den Hauch von Unentschlossenheit in eurer Seele tragen, dann lasset ab von der Krone.
Findet die Wege zu euch selbst, hinterfragt eure Entscheidungen, schätzt die Konsequenzen eures Tuns ab. Dann entscheidet mit Weisheit.“ (Der genaue Wortlaut ist leider unbekannt. Der Autor)
Tesrak II legte seine Ansprüche nieder und Erik-elf-nak gründete die XI. Dynastie, er wurde der neue König von Bovana. Den Titel des Königs von Corhallia legte er nieder und schlug seinen Bruder Leif-nak als Nachfolger vor. „Was soll ich mit zwei Kronen? Ich habe doch nur einen Kopf!“ , so seine Worte.
Erik-elfn-ak, der zwölfte König von Corhallia, wurde im Jahr 3329 E.Z. von der Priesterschaft zum neuen Herrscher erhoben.
Sogleich wurden die gefürchteten marodierenden Söldnerheere in vielen Kampagnen besiegt und die Überlebenden fristeten ihr Dasein als Sklaven und Unfreie weiter.
Durch die vielen Schlachten und Kämpfe erschüttert, suchte der neue Regent andere Wege, um seine Macht zu festigen. Es wurde das „Ewige Bündnis“ zwischen Bovana, Marthos, Corhallia und Blom geschlossen. Nie mehr sollten Zwietracht und Argwohn innerhalb des Reiches herrschen.
Die einzelnen Stadtkönige kamen nach Bovana und schlossen sich zu einem „Großen Rat“ zusammen. Die vergangenen sechzig Sonnenzyklen hatten gezeigt, wie brüchig das Staatensystem war.
Nun wurden Wege aus der Krise gesucht. Die Verhandlungen und Dispute dauerten viele Jahre an, in dieser Zeit veröffentlichte Erik-elfn-ak viele Kommentare und schrieb seine Gedanken auf Pergament nieder.
In den vergangenen Generationen verrohte die Gesellschaft, der Krieg hinterließ Spuren an den Bewohner, ein Menschenleben galt nicht viel mehr als ein Stück Brot.
Erik versammelte viele Gelehrte um sich, gemeinsam diskutierten sie über das Übel des Krieges und wie man es verhindern könnte. Ein Ziel war das Gute und die Tugend zu bewahren und zu fördern. Die Hilfsbereitschaft und das Streben nach Nächstenliebe standen ebenfalls im Vordergrund seiner Politik. Der Egoismus der letzen Jahrzehnte sollte überwunden werden.
Dafür wurden neue Wege benötigt, das logische Denken hatte hier seinen Ursprung ebenso die Ethik und die Moral.
Bald entstanden an vielen Königshöfen philosophische Zirkel, in denen die Fragen der Zeit diskutiert wurden. Bald entstanden aus diesen Weisheitsrunden, verschiedene philosophische Richtungen.
In Denmarsch entwickelten sich die Ethiker, unter Topahh von Nun, wurde das Verhalten eines jeden einzelnen unter ethischen Gesichtspunkten untersucht und kritisiert.
Die Rhetoriker unter Verthan von Sirna in Marthos versuchten sich zum Ziel zu setzen die unterlegene Sache zur siegenden zu machen.
Die Lehre des Seienden und der Ideen verfolgte man in Corhallia, dazu wurde viele Programme und Lehren verfasst, die sich mit der Verbindung Gesetz—Staat—Bürger auseinander setzten.
Die Skeptiker begründeten ihre Lehre in Blom, dort wirkte Dwahla vom Berg, der in vielen Schriften zum Hinterfragen und eigenem Nachdenken aufrief.
Doch all dies erlebte Erik-elfn-ak nicht mehr, er starb im hohen Alter von dreiundsechzig Sonnenzyklen im Jahre 3355 E.Z. in Bovana. Sein Nachfolger wurde sein ältester Sohn Erik-zwölf-nak. Er trat in die großen Fußstapfen seines Vaters.......