Rut 1
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Wie geraten gehe ich das Buch ruhiger an. Heute nur das erste Kapite. Der Stil wirkt wieder komplett anders. Eher erzählerisch, aber in einer einfachen Sprache
- Am meisten fällt mir direkt auf, dass von Beginn an die Frauen die Handelnden sind:
- Die Männer sterben, es bleiben Noomi, Orpa und (die buchnamensgebende) Ruth
- Noomi führt die kleine Gruppe an und ist die erste, die spricht
- Ruth weigert sich zu gehen
- Dabei kommt Ruth am "dominantesten" rüber: Noomi definiert die Schwiegertöchter über ihre Rolle als Frau, Orpa dreht um. Die Verse 16 und 17 fallen hier (wegen der parallelistischen Struktur) natürlich ins Auge: Ruth definiert ihre Rolle an der Seite Noomis über Gott.
- Das klingt hier wie eine Bekehrung. Hat Noomi heimlich Wololo gemacht? Ich finde, man könnte das auch romantisch lesen. Im Glaubenskontext halt wahrscheinlich eher die Liebe zu Gott, die sich in Gemeinschaft zur (leidenden?) Noomi ausdrückt.
- Die Namen nehmen wieder die Rollen der Personen vorweg:
- Noomi: Annehmlichkeit (die ihr in der intakten Familie widerfährt?)
- Orpa: Rehkitz (und genauso scheu dreht sie wieder um)
- Ruth: Begleiter, Freund (zu dem Ruth wird)
- Mara: Bitternis
- "Voll" wohl im Sinne von "vollzählig", d.h. mit Mann und Söhnen. Bei einer Hungersnot waren die wohl nicht wirklich voll
Das sieht man auch sehr gut bei der Bedeutung der männlichen Namen der Geschichte:
Quelle WiBiLex2.1. Sprechende Namen
Dass die Handlungsträgerinnen und -träger des Rutbuches nicht als historische, sondern vielmehr als literarische Gestalten zu verstehen sind, wird durch den flächendeckenden Gebrauch von sprechenden Eigennamen deutlich gemacht:
• Der Mann אֱלִימֶלֶךְ, Elimelech, „[mein] Gott ist König“ lebt in der Übergangszeit von den Richtern zum Königtum (Rut 1,1; Rut 4,22).
• Ihre beiden Söhne, מַחְלוֹן, Machlon, „Kränklicher“, und כִּלְיוֹן Kiljon, „Schwächlicher“ (Zenger, 1986, 34: „Schwächlich“ und „Gebrechlich“), haben es bereits im Namen, dass sie todgeweiht sind,
• wohingegen bei בּוֹעַז, Boas, „in ihm ist Kraft / der Potente“, schon im Namen deutlich wird, dass er zur Zeugung von Nachkommenschaft und Fortsetzung der Judagenealogie fähig sein wird.
• Auch der nächststehende Löser, der in Rut 4 auf sein Leviratsrecht verzichtet, פְּלוֹנִי אַלְמוֹנִי, Peloni-Almoni, „Namenlos / xy / So-und-so“ (Rut 4,1; vgl. 2Kön 6,8), hat einen sprechenden Namen: Da er nicht bereit ist, dem Verstorbenen den Namen zu erhalten, wird sein eigener anonymisiert (vgl. Rut 4,5.10).
• Das Kind עוֹבֵד, Obed, „Diener / Knecht“, dient den beiden kinderlosen Witwen zur vollen Integration in die Volksgemeinschaft.
Das ganze Buch Ruth diente wohl dazu die Vorgeschichte von König Davids Geschlecht zu erklären. Obed war ja laut Bibel der Großvater von David. Dabei muss man wohl annehmen dass die späteren Christen diese Personen als real, und nicht etwa als fiktiv ansahen. Denn in den Evangelien wird Jesus als Urahn Davids und wörtlich auch als Nachfahre Ruths erklärt, wie das Matthäus-Evangelium 1, 5-6 und 16 klar verdeutlicht:
Damit war die Prostituierte Rahab, die wir aus dem Bibelbuch Josua kennen (die Frau die die beiden Kundschafter versteckte, und dafür mit ihrer Familie bei der Eroberung Jerichos gerettet wurde) genauso wie die Moabiterin Ruth eine Vorfahrin Jesu, bzw. seines Vaters Josef.Zitat von Matthäus 1
Rut 2
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Hinter jemandem her Ähren lesen klingt nach ner sehr niederen Tätigkeit. Oder ist es so gemeint, dass das Leute sind, die das behalten dürfen? In einem der Gesetze stand ja, dass die Armen und Bedürftigen aufsammeln dürfen, was übrig bleibt.
- Bei der Stelle musste ich an dieses eine sächsische Kaff denken, das 2015 die Flüchtlinge nett aufgenommen hat (heute einen Artikel dazu gelesen - nur halt ohne das Knechtschaft und Löserzeug: https://www.zeit.de/gesellschaft/zei...omplettansicht). Kernbotschaft war: "Wir haben mit den Flüchtlingen und die Flüchtlinge mit uns Glück gehabt". Hier will es ja auch der Zufall, dass Ruth auf dem Feld von Boas landet. Da auch Kirchenmenschen am Helfernetzwerk beteiligt waren, hätten die den Abschnitt gut referenzieren können (looking at you, Vers 10-12)!
- Andererseits ist es wohl weniger Glück oder Zufall, wenn beide Seiten einfach keine Arschgeigen sind
- Nice, Brot mit Essig. Was sind das, Englänger? :cz:
- Boas macht bislang meiner Einschätzung nach alles richtig. Er behandelt die Fremde, die wegen ihres neuen Glaubens (an Gott) nicht umgekehrt ist, respektvoll. Er schenkt ihr sogar indirekt etwas, indem er die Knechte anweist, Halme fallen zu lassen. Noomi sieht das in Vers 20 genauso.
- Sieht man vom Tot Noomis Familie am Anfang von Kapitel 1 ab, ist bisher aber noch nicht viel Action gewesen.
Warum sollte man ihr auf dem Feld was zu leide tun (V22)?
Da fragst du noch bei den bisherigen Geschichten? Damals gab es keinen König in Israel und jeder tat, was er wollte.
Anmerkungen textlicher Art:
Schlüsselwort des 1. Kapitels: Umkehren
Schlüsselwort des 2. Kapitels: Sammeln
Die tauchen sehr oft im Text auf. teilweise mit mehrfacher Wiederholung. So als hätte der Autor es absichtlich oft eingebaut. Ihr könnt ja mal versuchen, in Kapitel 3 und 4 jeweils dieses Verb zu finden.
Kapitel 2 und 3 haben identische Struktur:
I. Gespräch zwischen Ruth und Naomi mit einem Plan
II. Ruth begegnet Boas auf dem Feld oder der Tenne
III. Ruth kehrt zurück und berichtet Naomi, die sich freut.
edit: Solche Dinge sind der Grund aus dem man annimmt, dass das Buch Ruth "durchkomponiert" ist.
Geändert von Der Kantelberg (12. September 2020 um 22:04 Uhr)
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Rut 3
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Ein Worfel ist ein geschwungener Korb, um Körner von der Spreu zu trennen. Wieder was gelernt. Lustiges Wort. Worfel.
- Vers 3ff beim ersten Lesen ein bisschen falsch Ich kann mir nen sexuellen Hintergrund zwar vorstellen, passt aber nicht in das Bild, das ich von den Protagonisten bislang habe. Vers 10 bestätigt das nochmal.
- Das gemalte Bild ist trotzdem sonderbar. Wird Rut so zu ner Art Fußwärmer? Ist das ein Trick wie "Wer 1 Jahr und 1 Tag in einer Stadt lebt, wird frei", mit dem sie ihn zum Lösen bringt? Die anderen Übersetzungen sprechen vom "Gewand" das er über sie ausbreiten soll, in "Fittich" schwingt eher Obhut allgemein und nicht nur für den Moment mit.
- Was hat es mit dieser Löserei auf sich? Dem Kontext entnehme ich, dass das mit der Gesellschaftsordnung zu tun haben muss. Sowas wie Frondienst und er ist ihr Herr? Oder jemand, der sie daraus freikaufen kann?
- Das Lateinische hilft mir nicht sehr viel: "nec abnuo me propinquum sed est alius me propinquior", also "und ich bestreite nicht, dass ich ein Verwandter (bin), aber es gibt einen Fremden, der ist ein Verwandterer als ich". Um Lösen zu können muss man also vermutlich verwandt sein; das passt zu dem, was wir aus Kapitel 2 wissen.
- Den Fortgang der Geschichte verstehe ich: Rut gehorcht Noomi, ist artig und soll dafür belohnt werden, aber es gibt einen unbekannten Dritten. Die Handlung und die Lösersache verstehe ich nicht so recht. Zu wissen, was es mit einem Löser damals auf sich hatte, erscheint mir aber wichtig zu sein, wenn der ultimative Erlöser kommt.
Ich habe versucht Kantels "Verb of the Kapitel" zu finden. Ich schwanke zwischen "liegen" und "lösen". Sind beide oft erwähnt und stellenweise mehrfach hintereinander
liegen/legen.
lösen kommt im nächsten Kapitel.
Ich hätt das auch nicht gefunden, ich hab das aus unseren Unterrichtsmitschriften.
Die rollt sich auch nicht am Fußende zusammen wie eine Katze. Das ist wahrscheinlich eine Umschreibung. Andere übersetzen so:
"7 Als Boas gegessen und getrunken hatte, legte er sich gut gelaunt und zufrieden am Rand des Getreidehaufens schlafen. Leise ging Rut zu ihm hin, schlüpfte unter die Decke und legte sich neben ihn. 8 Um Mitternacht schrak Boas auf und tastete um sich. An ihn geschmiegt lag – eine Frau." (Gute Nachricht)
Und jetzt muss man sich mal bewusst machen, wie Boas reagiert und das mit der Richterzeit vergleichen:
Der Levit und seine Nebenfrau sind in einem Dorf zu Gast. Die Männer des Dorfes trommeln an die Tür und die Frau wird totvergewaltigt. (hässliches Wort)
Rut hingegen:
- Zieht sich extra schick an.
- Geht auf die Tenne, wo die Männer am worfeln sind und nach der Arbeit ordentlich einen heben
- wartet bis Boas sich schlafen legt und schlüpft dann unter seine Decke
Man könnte sagen: Die bettelt doch darum.
Und was passiert? Nichts.
Bethlehem ist sozusagen der Gegenentwurf zu Gibea. (Man merke sich beide Ortsnamen) In Bethlehem sagt der Boas sogar: Es gibt noch einen, der mehr Rechte zum Lösen hat als ich. Und er wird alles minutiös nach dem Gesetz des Mose erfüllen, so wie er schon nach dem Gesetz des Mose und darüberhinaus die Witwe hat Ähren nachlesen lassen. Der ist im Gegensatz zu den anderen Leuten in dieser Zeit ungeheuer gesetzestreu. (im positiven Sinne) Und was folgt daraus: Die Armen bekommen eine Existenz.
Zum Worfeln: Es war, meine ich, in Israel eher eine Schaufel als ein Korb. Siehe hier, es gibt da auch ein Bild, das will sich aber nicht verlinken lassen: https://www.die-bibel.de/lightbox/ba...aufel-worfeln/
Jedenfalls kommt im AT ab und zu das Wort Worfschaufel vor. Wikipedia zeigt leider eher Körbe.
Geändert von Der Kantelberg (13. September 2020 um 21:30 Uhr)
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Das stimmt natürlich
Der Löser (https://de.wikipedia.org/wiki/Goel) ist ein naher Verwandter, der seine Verwandten für irgendwas rächen soll, oder hier: der Mann, der die kinderlos gebliebene Frau seines Verwandten heiraten muss, um ihr doch noch Nachkommen zu verschaffen (wie bei Onan).
Zitat von Meister Wilbur