Fragen zur Geschichte

[maxim_e]

Was interessiert dich denn? Es gibt halt wirklich wenig an schriftlichen Quellen (außer der von Jon Snow angesprochenen "Germania" von Tacitus eigentlich nichts größeres). Viele Bereiche gibt es halt erst einige Hundert Jahre später in den Quellen, beispielsweise die Mythologie. Da lässt sich halt dann einiges über den Kontakt mit dem Nordischen Raum erschließen. Was es halt an Berichten aus der Zeit gibt ist wirklich rar gesäht.
Was es über die Germanen sonst zu erfassen gibt wäre halt beispielsweise mit archäologischen Mitteln greifbar (da könnte man dann auch etwas näher an den Alltag der Menschen ran) oder über die Sprachwissenschaften gibt es Andeutungen in die Zeit hinein. Aber geschichtlich ist das halt ziemlich schwierig.

[Trismegistos]

Es gab schon regionale Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten, Götter, die sich unter verschiedenen Namen wiedererkennen lassen (z.B. Wotan/ Odin), im Allgemeinen ein typisch indogermanisches Pantheon mit einer Vaterfigur an der Spitze. Über die Religion der frühen Germanen ist aber eigentlich auch nicht so viel bekannt, weil wir da ja wieder vor allem auf die Römer angewiesen sind, die dann in Gleichsetzung meinen, die Germanen hätten z.B. Merkur verehrt, oder so, und auch selten ins Detail gehen, dazu ein paar archäologische Sachen, die aber meistens viel Interpretationsspielraum lassen. Die schönen Geschichten, die wir von Odin, Thor und Kumpanen kennen stammen ja eigentlich aus Island um 1000 n.Chr., also schon sehr spät und weit im Norden. Die Vorstellungen werden zur Römerzeit schon recht anders gewesen sein.

EDIT: Crosspost.

[Metropolis]

Tira, schau Dir halt auf youtube eine Sendung dazu an, dann bist du schlauer. Schriftlich gibt's - wie gesagt - kaum was außer Tacitus und die archäologischen Spuren sind auch nicht sonderlich aussagekräftig. Da gibt's v.a. Schmuck und Moorleichen.

[Tiramisu]

Was interessiert dich denn?

Wenn es so wenig Informationen über die Germanen gibt, kann ich es mir ja leisten, mich für alles zu interessieren.

Tira, schau Dir halt auf youtube eine Sendung dazu an, dann bist du schlauer.

Was empfiehlst du denn?

[maxim_e]

Naja, was das mit der Mythologie angeht: Bei den Sachsenkriegen im Frühmittelalter wurde halt einiges über die nichtchristianisierten Sachsen aufgeschrieben, was vermutlich verhältnismäßig nah sein könnte - das ist aber halt auch schon einige Hundert Jahre später. Außerdem gibt es in den römischen Kolonien am Rhein Aufzeichnungen über den Glauben derjenigen Einheimischen die sich eingegliedert haben. Da sind auch einige Götternamen bekannt. Das System der indogermanischen Religionen (was halt von Indien über Griechenland und Rom bis hoch in den Norden geht) hat starke Überschneidungen untereinander, während es aber auch große Unterschiede gibt. Manche Götter aus dem einen System kann man mit anderen aus anderen Systemen nahezu gleichsetzen, was von den Römern auch gemacht wurde, andere halt nicht. Insgesamt ist aber auch da die Lage uneindeutig, weil die Germanen selbst ihre Sachen eben nicht aufgeschrieben haben.

[Jon Snow]

Dazu kommt dann, dass die Römer gern Parallelen gezogen haben, auch wenn die Gottheiten eigentlich nicht wirklich vergleichbar gewesen sind und dass auch Beeinflussungen aller Art sehr wahrscheinlich sind. Viele Dinge, die wir über Odin wissen, sind beispielweise bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit vom christlichen Glauben beeinflusst worden. Dasselbe ist natürlich für die römisch-germanischen Grenzgebiete anzunehmen; da aber in der Spätantike in Soldatenkreisen auch einige Mysterienkulte große Verbreitung fanden, die in der Regel nur Eingeweihten näher bekannt waren, kann hier die Art und der Umfang der Beeinflussung kaum rekonstruiert werden.

[maxim_e]

Du wolltest was zum Alltag wissen, hattest du gesagt? Naja, archäologisch sind grundsätzlich verschiedene Bereiche zu Unterscheiden in denen keine eindeutige, einheitliche Kultur herrscht, die aber aufgrund der historischen Quellen gemein als Germanen bezeichnet werden. Dazu gehören Elbgermanen, Nordseegermanen, Rhein-Weser-Germanen, Oder-Weichsel-Germanen und Nordgermanen. Die lassen sich aufgrund des Namens auch recht leicht auf der Karte verorten, Nordgermanen wären dann im Raum Südskandinavien anzusiedeln. Aber allgemein gehen diese Bereiche alle, zumindest in Teilen, aus der Jastorf-Kultur der vorrömischen Eisenzeit hervor. Die Gleichsetzung dieser mit den "Germanen" ist aber etwas wagemutig - der Terminus "Germane" beruht ja auf den germanischen Sprachen und davon haben wir hier halt nichts.

Was wir aber so ganz allgemein zu den Germanen haben wäre zum Beispiel die grundlegende Art der Siedlungsweise - das sind im Vergleich zu vorher größere, komplexe Gehöfte mit jeweils einem zentralen Wohn-Stall-Haus und einigen Nebengebäuden. Städte gab es keine und Burgen erst in später Zeit in der Nähe des Limes (quasi als Reaktion zu den Römern). Es gab dementsprechend auch keine Zentralisierung von Herrschaft oder ähnlichen. Aus den Schriftquellen (und aufgrund von so genannten Prunkgräbern) lässt sich aber eine in verschiedene Herrschaftsgrade eingeteilte Gesellschaft schließen mit unterschiedlich starken Königen - aber auch Unfreien und Sklaven. Auffällig ist dabei auf jeden Fall die starke Trennung von Stämmen, die für sich selbst stehend den Römern nichts auszusetzen haben, wenn sie sich verbünden aber stark sind. Was dahingehend interessant ist, ist zu erwähnen, dass zu dieser Zeit Stämme nichts unbedingt konstitutives waren. Natürlich gehörte man für gewöhnlich, wenn man einem Stamm angehörte sein Leben lang diesem an, aber es gab halt ständig Bewegungen und kein Herrschergeschlecht eines Stammes hat für 1000 Jahre an einem Ort geherrscht. Gegebenenfalls lässt sich hierbei auch ein einzelner Heerführer als Stammesführer bezeichnen und der Stamm umschloss dann die diesem Heer zugehörigen Kämpfer und ihre Familien. Die große "Völkerwanderung" ist auch in diesem Rahmen zu sehen. Sie mag eine absolute Eskalation gewesen sein, aber sie ist halt in diesem Rahmen von ständigen Bewegungen zu sehen. Aber das geht vermutlich schon über das hinaus, was du fragen wolltest.
Manche Regionen waren auf verschiedene Handwerke spezialisiert, beispielsweise gab es, wo es anstand, Eisenproduktion, deren Produkte dann weithin verhandelt wurden. Den Fokus hatte aber die für den Hof selbstständige Erschaffung von Objekten. Durch die Römer kamen aber auch Importgüter.

[Tiramisu]

Das ist doch wirklich sehr interessant.

Die germanischen Stämme waren also Halbnomaden? Wie haben sie sich ernährt? In Gallien gab es wohl mehr Landwirtschaft, aber in Deutschland gab es bestimmt viel weniger Farmen. Ich habe in einer Doku mal gehört, dass es auch viele Krieger gab, die sich die Nahrung von Bauern in der Nähe zusammengeräubert haben.

Manche Regionen waren auf verschiedene Handwerke spezialisiert, beispielsweise gab es, wo es anstand, Eisenproduktion, deren Produkte dann weithin verhandelt wurden.

Haben die Germanen noch weitere Produkte exportiert?
Außer Haare natürlich.

[maxim_e]

Halbnomade ist wohl zu viel gesagt. Dafür waren die Gehöfte insgesamt zu stabil. Mehr in die Richtung, dass einzelne junge Männer sich vielleicht in Gruppen zusammengeschlossen haben und der Urgrund für manche Stämme gewesen sind. Die können sich dann später auch angesiedelt haben und den Status "Stamm" aufrecht erhalten haben. Unter Stamm kann aber eben genauso auch ein "Geschlecht" also etwas Clan-artiges verstanden worden sein. Die ganze Struktur ist dahingehend halt nur über die römischen Schriftquellen (wie gesagt von außen) so klar ermittelt. Das ganze habe ich halt eher erwähnt aus dem Grund, dass man sich unter den Stämmen nicht vorstellen darf, dass das wirklich "Völker" in heutigem Sinn waren. Eher größere Gruppen.

Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht war in der Eisenzeit jetzt auch im "germanischen" Raum nichts ungewöhnliches. Das hatten die da auch schon seit dem Neolithikum. Also die Gehöfte haben sich mehr oder weniger selbst versorgt und die herumstreundenden Kriegergruppen darf man sich nicht so riesig vorstellen - das kann also gut sein, dass die das "zusammengeräubert" haben.

Bernstein aus dem Osten würde mir da einfallen. Und so unschön man sich das vielleicht vorstellen mag: Sklaven haben in einer entsprechend hierarchisch strukturierten Welt auch eine Rolle im Handel gespielt. Ansonsten müsste ich mir meine Unterlagen aus dem letzten Wintersemester nochmal ansehen, da hatte ich Eisenzeit in einer Ur- und Frühgeschichts-Vorlesung.

[Tiramisu]

Du studierst Geschichte? Dann hol mal deine Unterlagen heraus!

Was die Stämme angeht, gab es doch auch große und bekannte Gruppen wie die Sueben, die ich mir fast schon wie ein Volk vorstelle. Zumindest begegnet man denen in einigen Strategiespielen. Vor denen habe ich immer Respekt.

[Trismegistos]

Ja, wobei der Suebenname auch im Laufe der Geschichte auf verschiedene Gruppen angewandt wurde, die wahrscheinlich nicht immer genau dieselbe waren. Generell entstanden solche Großsstämme (Die Sueben sind der älteste, von dem berichtet wird), wie z.B. Sachsen, Franken, Goten erst nach und nach, mit einem Höhepunkt in der Völkerwanderungszeit, vermutlich auch unter römischem Einfluss. Vermutlich nahm die Wichtigkeit der Kriegerelite im Laufe der langen Zeit des Kontakts mit Rom immer mehr zu: Während am Anfang alles noch mehr oder weniger Subsistenzwirtschaft war, konnte man von Rom entweder durch Plünderung, oder indem man in römische Dienste trat, erheblichen Wohlstand erringen. Dadurch entwickelten sich Anführer, die sehr viel Macht und Prestige anhäufen konnten und eben Leute, die nur noch Krieger waren und nicht mehr nebenher Bauern.

[Jon Snow]

Du studierst Geschichte? Dann hol mal deine Unterlagen heraus!

Was die Stämme angeht, gab es doch auch große und bekannte Gruppen wie die Sueben, die ich mir fast schon wie ein Volk vorstelle. Zumindest begegnet man denen in einigen Strategiespielen. Vor denen habe ich immer Respekt.

Die Sueben waren aber eigentlich kein "richtiger" Stamm, eher eine Gruppe von Stämmen, die sich entweder selbst als besonders kriegerisch ansahen oder von den Römern so bezeichnet wurden. Ein Teil der Sueben - die "Neckarsueben" - war sogar Teil des römischen Machtbereiches. Ähnliches gilt auch für andere "Stämme" wie die berühmten Cherusker. Von vielen wissen wir nicht einmal genau, wo sie ihren Schwerpunkt hatten. Sicher ist nur, dass sie keine zentral gelenkten Herrschaftsverbände waren, sondern eben eher lose Föderationen oder manchmal vielleicht sogar noch weniger.

[Tiramisu]

Welche möglichen Schwerpunkte könnte es denn theoretisch gegeben haben? Kriegerisch, handelsorientiert/kooperativ, landwirtschaftlich z.B.?

[Metropolis]

Germanen betrieben v.a. Viehzucht, Viehbestand war ein Statussymbol, daher könnte man sich eine (halb)nomadische Lebensweise durchaus vorstellen. Gehandelt haben sie daher auch mit Fellen. Zu den bekannten Sachen gehört das Trinkhorn, das man austrinken muss, weil man's nicht ablegen kann. Das hielt man lange für ein Mythos von saufenden Barbaren, allerdings gibt's in Innerasien noch ein Volk, wo genau das Brauch ist.
Was gibt es noch? Ach ja, das lange Haar war bis ins Mittelalter hinein das Zeichen des freien Mannes. Unfreie und Kriegsgefangene wurden geschoren. Und die Frisur: der Suebenknoten (oder Germanenknoten), so was ist nur möglich, wenn man Haarpflege betreibt. In Frisuren waren ja auch die Römer vernarrt, man Leiter davon Kraft und Gesundheit ab (vergleichbar auch mit dem biblischen Samson).
Mit Abstrichen, weil eher zeitlich später verortet und schon im nordgermanischen/wikingerischen Bereich gibt es eine große Siedlung: Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein.

[maxim_e]

Geschichte ja, aber eben auch Ur- und Frühgeschichte (also Archäologie) - und da hatte ich wie erwähnt eine entsprechende Vorlesung.

Was die Sache mit den Trinkhörnern angeht: Es gibt Belege für Halterungen aus Metall, die ein abstellen sehr wohl möglich machten - aber die Lagerung erfolgte wohl tatsächlich eher "auf dem Kopf" stehend. Die Sache mit dem Mythos des saufenden Barbaren ist aber wohl trotzdem eher das - ein Mythos.

Haithabu ist eine Gründung des achten Jahrhunderts, soweit es sich datieren lässt sogar des späteren. Zu dieser Zeit war es im Norddeutschen Raum aber auch nicht die erste größere Siedlung. Ich glaube aber nicht, dass Tiramisu danach fragen wollte.

Bezüglich Schwerpunkten: Die Germanen waren eine heterogene Gruppe, wie genau stellst du dir das mit Schwerpunkten vor, beziehungsweise, in welchem Kontext meinst du Schwerpunkte?