Phase Drei: Schweden
Gustav II. Adolf hatte durch den Friedensschluss mit Polen nun die Möglichkeit, aktiv in den Krieg im Reich einzugreifen. Seine Motive waren stets zweierlei geleitet: Zum einen war er gläubiger Protestant, und als solcher sah er sich in der Pflicht, dem Vormarsch der Katholiken in Deutschland Einhalt zu gebieten. Zum zweiten trieben Gustav machtpolitische Erwägungen. Schweden, das war ihm klar, konnte seine Dominanz in der Ostsee nur dann bewahren, wenn seine südlichen Ufer nicht in der Hand seiner Feinde waren, oder besser noch in schwedischer Hand waren. Die Gelegenheit war günstig, einen offensiven Schritt zur Verbesserung der strategischen Defensive zu wagen.
Am 6. Juli 1630 landete Gustav Adolf mit einer eher bescheidenen Streitmacht von 10.400 Mann Infanterie, 2.750 Reitern sowie 81 Geschützen auf der Insel Usedom. Durch seine Lage war der Brückenkopf verhältnismäßig gut zu verteidigen. Ihn abzusichern hatte erste Priorität, bevor es weitergehen konnte. Im Osten des Brückenkopf beeilte Pommern sich, seine wohlwollende Neutralität zu versichern. Und im Westen lag das perfekte Ziel, Wallensteins neuer Besitz Mecklenburg, das dieser aufgrund der neuesten Entwicklungen nicht mehr großartig verteidigen konnte. Nach der Einnahme dieser Region hielt Gustav Adolf zunächst inne, vor weiteren Schritten mussten die Versorgungsprobleme seiner Armee bewältigt sein.
Spannend war in diesen Wochen, wie sich die Kriegsherren und Anrainerstaaten auf den neuen Akteur einstellten. Im Juni 1630 fand ein Reichstag in Regensburg statt, den Kaiser Ferdinand II. ziemlich in den Sand setzte. Er wollte, dass die Kurfürsten schon einmal seinen Sohn zum König wählen, also zum designierten Nachfolger für die Kaiserwürde ernennen. Die Kurfürsten, inklusive der katholischen, waren grundsätzlich damit einverstanden. Allerdings unter der Bedingung, dass Ferdinand etwas an seinem harten Restitutionsedikt ändert, außerdem sollte er seinen General Wallenstein aus seinen Diensten entlassen. Die Forderungen kamen wie gesagt von den katholischen Fürsten, die Wallenstein misstrauten und mit den Protestanten ein Grundlage für einen Kompromissfrieden suchten. Im Hintergrund hatte Frankreich die Haltung der katholischen Fürsten auf dem Reichstag orchestriert, ein diplomatisch guter Schachzug gegen die Habsburger. Ferdinand II. befolgte die Forderung nach Wallensteins Demission und schickte den Feldherrn nach Hause. An seinem Edikt wollte der Kaiser hingegen nichts ändern, denn das dies berührte den Kern seiner Politik. Okay, antworteten die Fürsten, Wallensteins Entlassung nehmen wir, aber so sehen wir uns trotzdem nicht in der Lage, Deinen Sohn zum König zu wählen. Der Reichstag endete also ergebnislos, abgesehen von der durchaus bedeutenden Entlassung Wallensteins, der sich in sein Herzogtum Friedland zurückzog. Richelieu konnte zufrieden sein, die katholischen Fürsten längst des Rheins hatten sich politisch vom Kaiser entfernt und auf Frankreich zubewegt.
Auf protestantischer Seite, könnte man meinen, müsste das Eingreifen Schwedens für Begeisterung sorgen, aber das war weit gefehlt. Nur wenige Akteure wie die Stadt Magdeburg oder der Landgraf von Hessen-Kassel oder auch Weimar stellten sich unverzüglich und klar auf die Seite Gustav Adolfs. Die anderen protestantischen Fürsten agierten deutlich zurückhaltender. Vor allem Brandenburg und Sachsen waren gar nicht begeistert, dass die Schweden vor ihren Grenzen gelandet waren. Ja, die Kurfürstentümer waren protestantisch, aber sie waren auch loyale Mitglieder des Reiches. Beide Kurfürsten versuchten, sich auf eine neutrale Position zu lavieren, als Anführer einer dritten politischen Position zwischen dem Kaiser und Gustav Adolf. Es war für Brandenburg und Sachsen zu gefährlich, sich für eine Seite zu entscheiden und damit die jeweils andere Seite zum Einmarsch zu animieren. Also luden die beiden Kurfürsten die protestantischen Stände nach Leipzig ein, um mit ihnen eine gemeinsame politische Linie abzustimmen, mit der man sowohl dem Kaiser als auch Gustav Adolf diplomatisch geschlossen entgegentreten wollte. Das Problem war, dass man gar nicht über die Macht verfügte, um seine neutrale Position im Zweifel auch durchzusetzen. Allen Fürsten stand in Leipzig vielmehr der Angstschweiß auf der Stirn, und so gab es außer viel Laberei rein gar nichts Greifbares, das Sachsen und Brandenburg mit ihnen organisiert bekamen.
So brach das Jahr 1631 an, der Krieg war nun im vierzehnten Jahr. Gustav Adolf hatte seinen Brückenkopf an der Küste gesichert und konnte aktiv werden. Ja, er musste aktiv werden, wenn er sein Heer weiter ernähren und bezahlen wollte. 11.000 Mann seines Heeres ließ er zur Sicherung in Pommern zurück, 14.000 Soldaten schickte er Richtung Schlesien, um den Oderlauf zu besetzen. Das Hauptheer mit 30.000 Mann schickte er nach Südwesten, gedacht für eine Entscheidungsschlacht mit der Liga: Tilly verfügte zu dieser Zeit vor Ort über 14.000 Bewaffnete, und hatte zu dieser Zeit noch die Möglichkeit, den Ort der Begegnung mit Gustav Adolf zu bestimmen.
Sein draufgängerischer Kommandeur Pappenheim votierte dafür, offensiv gegen das protestantische Magdeburg zu marschieren, die Stadt einzunehmen und dann zum Stützpunkt für weitere Aktionen zu verwenden. Der vorsichtigere Tilly dagegen wollte eine Taktik der beweglichen Defensive einsetzen. Natürlich sollten die Kriegshandlungen bevorzugt in feindlichem Gebiet stattfinden, und so marschierte die Liga in Neubrandenburg ein und verwüstete das Land.
Das schrie nach Revanche von protestantischer Seite. Gustav Adolf stieß seinerseits Richtung Frankfurt vor und nahm die Stadt im April 1631. Sein nächstes Ziel war Landsberg. Aufgrund des schwedischen Vormarschs ging Tilly auf den Wunsch von Pappenheim ein, der sich Magdeburg vornehmen wollte. Er zog 26.000 Soldaten zusammen, um die Stadt zu nehmen, denn er wusste: Mit Magdeburg in Besitz der Liga würde Gustav Adolf gezwungen zu reagieren, denn er konnte einen solchen katholischen Stützpunkt im Rücken seiner Armee nicht erlauben. Die Lage von Magdeburg war verzweifelt: Hinter den Mauern befanden sich neben den 25.000 Einwohnern nur 2.500 Verteidiger, die es mit der zehnfachen militärischen Macht der Liga aufnehmen mussten. Hilfe durch Gustav Adolf war kurzfristig nicht zu erwarten, und so diskutierten die Oberen von Magdeburg über Optionen, wie sie mit Tilly in Verhandlungen treten sollten. Dem standen die einfachen Stadtbewohner gegenüber, die abseits der Fakten auf ein göttliches Wunder setzten und fanatischen Widerstand leisten wollten. Zweimal schon hatte Magdeburg in der jüngeren Vergangenheit einer Belagerung standgehalten, das sollte auch jetzt passieren.