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Thema: Die Legende der Vesta di Baltari

  1. #1
    Im Monsterland
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    Die Legende der Vesta di Baltari

    Guten Morgen

    Niemand antwortete mir auf meine Frage, ob eine Geschichte erwünscht sei. Ich gehe mal davon aus, dass ich euch überzeugen soll. Und diesem Wunsch kommd ich gerne nach.

    Die nachfolgende Geschichte ist natürlich nicht DSA-konform. Nach der offiziellen Geschichte passierten freilich ganz andere Sachen. Ich hoffe vor allem, dass sich Flame dadurch nicht angegriffen fühlt, sondern sie stattdessen mit Humor nimmt. Sie selbst ist übrigens nur halbernst gemeint, und wie ernst oder nichternst ich schreiben werde, wird etwas von meiner aktuellen Tagesform abhängen.

    Aber genug der Einleitungen: Es geht los. Also schnallt euch bitte an und genießt die Fahrt.

    Viel Spaß noch.

    Christian alias Ghaldak
    Geändert von Ghaldak (09. Juni 2006 um 17:24 Uhr)
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  2. #2
    Im Monsterland
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    Die Legende von Vesta di Baltari

    Ein Studierzimmer, verstaubt und verlassen. Ein schwerer Schreibtisch steht im Raum, Regale mit Büchern an den Wänden. Ein Sessel steht darin, und in der Mitte liegt als Teppich ein Tigerfell, dass der alte Abenteurer von einer seinen weit führenden Reisen mitgebracht hatte. Manchmal, wenn der Abend länger wurde und das flüssige Gold aus Methumis oder Silas floss, erzählte er davon. Dann standen ihm Tränen in den Augen, wenn er sich wehmütig an die Zeit zurückerinnerte, in der er noch jung und frisch war, ehe Landgut und Familie in sein Leben traten, ehe er vernünftig geworden war.
    An Abenden wie diesen, an denen er sich in dieses verstaubte Zimmer zurückgezogen hatte, versuchte er sich einzureden, dass es ihm nun besser ging. Er musste nicht mehr im Stroh schlafen, musste keine Kaninchen oder Ratten jagen und keine schrecklich aussehenden Wurzeln mehr essen. Er kämpfte gegen keine stinkenden Orks und Wegelagerer mehr und lief auch nicht mehr Gefahr, in tiefe Felsspalten zu stürzen. Eigentlich ging es ihm doch nun viel besser. Wenn sein Herz nur schweigen würde.
    „Großvater? Erzählst du mir eine Geschichte von früher?“ Das kleine Mädchen, das sich gerade auf dem Sessel wand, um eine möglichst bequeme Sitzposition zu finden, sah den alten Mann halb bettelnd, halb erwartend an. Sie hatte lange, blonde Haare, war zierlich und klein und passte mit ihrem hellen Kleid so gar nicht in das dunkle, verstaubte Zimmer. Neun Jahre war sie jetzt alt, erinnerte sich Ordo, der einer solchen Bitte noch nie widerstehen konnte. Starr wie eine Statue stand er da und betrachtete seine Enkelin, während er sich überlegte, welche Geschichte er ihr erzählen sollte. Dann ging er schließlich, ohne zu antworten, um seinen Schreibtisch herum und ließ sich auf den Stuhl sinken. „Ich werde dir…“, sagte er schließlich ruhig, „Ich werde dir keine von meinen Abenteuern erzählen. Ich erzähle dir lieber eine Geschichte, die ich einstmals auf meiner Reise hörte. Die Geschichte eines Mädchens, noch nicht sehr viel älter als du, das für eine kurze Zeit Königin wurde. Diese Geschichte… sie ist eine Legende. Die Legende von Vesta di Baltari.“
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  3. #3
    Registrierter Benutzer Avatar von flame
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    Die nachfolgende Geschichte ist natürlich nicht DSA-konform. Nach der offiziellen Geschichte passierten freilich ganz andere Sachen. Ich hoffe vor allem, dass sich Flame dadurch nicht angegriffen fühlt, sondern sie stattdessen mit Humor nimmt. Sie selbst ist übrigens nur halbernst gemeint, und wie ernst oder nichternst ich schreiben werde, wird etwas von meiner aktuellen Tagesform abhängen.
    Keine Angst! Meine Geschichte ist ja auch nicht DSA-konform.
    Ich bin mal gespannt wie es sich entwickelt.

  4. #4
    Im Monsterland
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    Kapitel 1 - Ein Tag im Garten

    Es gab eine Zeit, in der Vesta die Baltari mit dem alten Ordo mehr gemeinsam haben sollte als mit der jungen Celina. Die Zeit würde kommen, in dem auch sie durch das Land reisen würde, Königreiche retten würde, Drachen erschlagen und Völker vereinen... naja, fast. Jedenfalls würde sie irgendwann auch einmal eine Abenteurerin werden, an die sich noch Jahre später die Leute erinnern würden, wenn sie sie in Liedern und Sagen ideologisch verklärten.
    Doch mit dieser heiligen Teufelin hatte das Gör, das gerade im Garten einer Villa am Rande Grangors saß, wenig zu tun. Noch war sie ein einfaches Mädchen, sechtzehn Sommer alt. Sie war nicht klein, aber sehr zierlich und zerbrechlich, und fröstelte leicht, weshalb sie einen Mantel trug. Sie hatte helles, blondes Haar, was glatt bis unter ihre Schultern ging. Ihre Gesichtszüge waren fein wie jene einer kunstvoll gefertigten Puppe, und ihre reinen, saphirblauen Augen zeugten von einem klaren Geist und einer mitfühlenden Seele. Ihre Ohren indes, das fiel dem aufmerksamen Betrachter schnell auf, waren gespitzt, eines der wenigen Zeichen ihrer Abstammung. Denn Vesta di Baltari war ein uneheliches Kind, eine Halbelfe, die seit dem Verschwinden ihrer Eltern hier bei ihrem Onkel Adargo di Baltari wohnte, dem Oberhaupt dieser reichen Händlerfamilie, der, wie jeder wußte, ein nicht kleiner Teil dieser Stadt gehörte.
    Doch mit dem Geschäftlichen hatte Vesta wenig zu tun. Zu dieser Zeit, bis zu jedem schicksalshaften Tag, genoss sie das unbeschwerte Leben einer Schülerin, ließ sich von ihrem Privatlehrer unterrichten und träumte von ihrer Karriere als Sängerin. Eines Tages, das wusste sie, würde sie eine der besten Bardinnen Aventuriens werden, dann würde sie durch die Lande ziehen und die Welt kennenlernen.
    So sahen ihre Pläne aus. Sie dachte an noch ein paar friedliche, ruhige Jahre zwischen Villa und Garten, in denen sie lernen und üben konnte. Dann würde sie einige Jahre, vielleicht zwei oder drei, durch die Lande ziehen, ehe sie heiraten und ein Teil der Baltari-Familie werden würde. Es war ein schönes Leben, das auf sie zuzukommen schien. Doch es endete in dem Moment, als sie etwas abseits des Weges im Gesträuch ein Rascheln hörte.
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  5. #5
    Der einzig wahre Falke Avatar von Hawkeye
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    Story des Jahrzehnts
    update 16.08.2019



    Schreibt endlich weiter...


    "Ich habe nach dem Spiel in der Kabine viele verwirrte Menschen getroffen."
    Kiel-Trainer Ole Werner am 13.01.21 nach dem Sieg gegen Bayern München


  6. #6
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    Kapitel 2 - Der geheimnisvolle Fremde

    An dieser Stelle wird sich der Leser sicherlich schon seine eigenen Gedanken gemacht haben, wobei es sich bei dem Rascheln im Gesträuch gehandelt haben könnte. Die junge Celina hatte es ganz bestimmt, und sie war nicht höflich genug, um zu schweigen. "Was war denn da? War es nun ihr Traumprinz, der sich sofort in sie verliebt hatte?", fragte sie aufgeregt. "Mädchen", seufzte indes der alte Held, "das kann doch nicht sein. Du weißt doch: Vor dem Traumprinzen haben die Götter einen Drachen gesetzt. Kam denn schon ein Drache vor?" - "Ähhm, nöö...", gab das Mädchen kleinlaut zu, nur um dann gleich wieder lebhafter zu werden. "Dann war es sicher eine Fee, die ihr ihre Wünsche erfüllen wollte. Und dann hat sie sich gewünscht, Königin zu werd... auch nicht?" - "Nein, auch das wäre doch zu einfach gedacht. Wo sollte diese Fee denn auf einmal herkommen? Mitten in den Garten einer Villa?" - "Dann... Dann... Dann weiß ich es nicht." Das Mädchen schien traurig zu sein. Sie hatte ihren Großvater doch mit ihrem Wissen beeindrucken wollen, und so war sie ganz traurig, dass es nicht geklappt hatte. "Sei nicht traurig, dass es nicht geklappt hat", tröstete sie ihr Großvater, "Du konntest es nicht wissen. Es ist nämlich alles viel gewundener und komplizierter. Was sie im Gebüsch fand, war nämlich kein Mensch... oder doch, ein wenig Mensch war es schon... aber so kein echter... Wie schon gesagt, es ist alles ein wenig kompliziert. Am Besten erzähle ich es dir ganz von Anfang an."
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  7. #7
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    Kapitel 3 - Der noch geheimnisvollere Fremde

    Auch Flaiminion, der Großartige, hatte einmal sehr viel mit dem alten Ordo gemein. Er war ein großer Abenteurer gewesen, ein Magier mit Ausrichtung auf Illusion und Verständigung. Er hatte allen alles versprochen, dafür viel Geld kassiert und dieses Geld in sein eigenes Projekt gesteckt, nämlich in das Buch, dass er gerade schrieb: Geographia Aventurica, ein sehr nützliches Buch für den Reisenden.
    Dann hatte ein Ereignis jäh seine Träume zerstört. Pures Pech, dass so überirdisch war, dass es selbst die Götter nicht glauben konnten. Und auch noch so lächerlich, er konnt... "Eine Miez'. Wie süß.", unterbrach ihn eine aufgeregte weibliche Stimme in seinen Gedanken. "Na, Kleiner, wo kommst du denn her? Dich kenne ich hier doch garnicht."
    Flaiminion, der Großartige, der mit bürgerlichen Namen einmal Alrik Alrikson geheißen hatte, hielt ein und musterte das Mädchen. Blond war sie, vielleicht vierzehn, und irgendwie richtig süß. So unbeholfen, wie sie in ihrem weißen Kleid durch das Gestrüpp zu ihm kletterte. Doch dann wandte er sich jäh von ihr ab, um seine Geschichte weiterzuerzählen.
    "Ja, ihr habt richtig gehört", begann der schwarze Kater seinen Monolog. "Ich habe es verpatzt. Ich wollte bloß eine Katze verzaubern, damit sie mir etwas weiterhilft. Und was sehe ich dann? Zwanzig, zwanzig, zwanzig. Ich glaube es nicht. Ehe ich mich versah, war ich in dieser Katze, und meine Gefährten hatten meinen Körper geschlachtet, weil sie dachten, es wäre ein mächtiges Monster und brächte AP. Was für Idioten." Um seine Wut zu betonen, stampfte er einmal mit seiner Pfote auf und überhörte geschickt die Frage aus dem Publikum, um was für einen Zauber es sich denn gehandelt hatte. Das brauchten die nämlich nicht zu wissen. Das war... nicht weiter wichtig.
    "Du? Mit wem redest du denn? Und überhaupt... Warum redest du?" Die Stimme des Mädchens klang verwundert, aber nicht ängstlich. Und Flaiminion wurde sich wieder bewusst, dass er nicht allein war.
    "Ich rede, weil ich es kann. Und weil ich es will. Ich bin nämlich kein normaler Kater.", sagte er patzig. "Ist ja goldig. Darf ich dich behalten?"
    Flaiminion verzweifelte. "Nein... Doch... Irgendwie schon...", stammelte er. "Ich bin nämlich hier, um dich zu unterstützen. Du weißt sicher schon, wobei." Nein, das wusste sie nicht. Ahnungslos starrte sie ihn ab.
    "Nein, weiß ich nicht. Aber wenn du hierbleibst, ist das toll."
    Was für ein Mädchen, dachte sich Flaiminion. Das würde ein laaaaaanges Epos werden.
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  8. #8
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    Kapitel 4 - Wahrheiten

    Also erzählte der Kater, den wir mit Flaim abkürzen möchten, der jungen Vesta von der Geschichte. Der Grund, warum sie und ausgerechnet sie die Herrschaft über das Horasreich übernehmen sollte. Dummerweise war dies aber eine heroische und weltbewegende Geschichte und hatte mit der Wahrheit ebensoviel zu tun wie eine Folge Emergency Room mit Krankenhausalltag. Deshalb wollen wir die beiden einmal kurz ihrem Schicksal überlassen und einmal eine kleine Rückblende veranstalten.

    In einer Sauna in Waskir saßen zwölf Gestalten, sechs männlich und sechs weiblich. Sie schwitzten, ließen einen Tüte herumgehen und klagten über die Leiden des Lebens. "Jajaja, es ist so schlimm mit ihnen...", klagte ein Mann, den wir der Einfachheit einmal Boron nennen. "Das Schlimmste ist, dass sie einem vorschreiben, wie man seine Arbeit zu tun hat. Da hat man mal wieder eine Seele von irgendeinem Strolch, der es wirklich nicht besser verdient hat, und dann soll man die wieder rausrücken, nur weil dessen Spielerin ein paar Knöpfe ihres Hemdes geöffnet hat. Das ist nun doch wirklich nicht fair." - "Ich finde", mischte sich Praios ein, "das Schlimmste an ihnen ist der fehlende Respekt. Seht mich an. Ich bin der Göttervater und Herr der Sonne, Bewahrer allen Lebens. Und nun bin ich die Witzfigur schlechthin und meine Gläubigen sind paranoide, fremdenhassende Schurken für Zwischendurch." - "Jaja, diese Spielleiter.", sagte Hesinde und nahm einen kräftigen Zug, "Die haben immer so blöde Ideen. Und ich muss immer als Vision erscheinen, um die Leute auf die richtige Spur zu führen. Dabei gibt es keinen Sinn. Überhaupt keinen." - "Und ich werde auf den billigen Taschendieb reduziert. Wissen die Leute denn nicht, dass man auch mit ehrlicher Arbeit Geld machen kann?", mischte sich Phex ein. "Was meinst du, Schwester? Dir müsste es doch eigentlich richtig gut gehen, oder?" Rahja, die Angesprochene, lag auf der Bank und ließ sich von Phex den Rücken massieren. Es verging einige Zeit, bis sie antwortete, und dann klang ihre Stimme traurig. "Ja, das denkst du vielleicht. Jede Menge Kerle, Drogen und Spaß... Das ist schon schön, wenn man jung ist. Aber können diese Leute nicht begreifen, dass man nicht ewig jung sein kann? Irgendwann wird das auch langweilig, und man fragt sich morgens, wenn man mit brummendem Schädel in einem fremden Bett aufwacht, was denn mit seinem Leben passiert ist? Versteht ihr denn? Ich bin nicht mehr jung. Ich bin keine zwanzig mehr. Ich werde langsam alt. Und niemand erlaubt mir, es mit Würde zu tun."
    "Wahre Worte", mischte sich Travia ein, "Wir sollten an den heimischen Herd zurückkehren, ins Privatleben. Unsere Zeit ist vorbei, es kann eh niemand mehr etwas mit uns anfangen. Also warum wollen wir nicht unser Leben genießen, dort, wo es schön ist? Auf einer Insel, die auf keiner Karte verzeichnet ist und die deshalb auch kein Spielleiter kennt? Ein wenig Ruhe und Frieden im Paradies. Wäre das nichts?" Rondra stimmte ihr zu. "Doch was wird aus unseren Gläubigen?", gab sie zu bedenken. "Es wäre sehr feige und unsittlich, sie einfach so zurückzulassen. Das haben sie nun wirklich nicht verdient." Und Travia nickte. "Die werden wir natürlich mitnehmen. Jeden, der will. Wir werden Visionen durch das ganze Land schicken, dass die Götter zu einer Insel reisen, die kein Spielleiter kennt, und dass sie eingeladen sind, ihnen zu folgen. Goldene Schiffe werden an jeder Küste, an jedem Fluss auf sie warten. Die Zeit des Leidens wird vorbei sein."
    Rondra fand aber trotzdem noch einen Makel. "Aber wenn wir gehen, dann werden uns bestimmt auch alle Personen aus den Büchern folgen, die ja von den Spielleitern nicht weniger verschandelt werden. Wer soll dann das Land führen?" Hesinde, vollkommen breit, grinste nur: "Überlasst das mir. Ich habe da schon eine Idee."
    Rahja stand auf. "Dann ist es also beschlossen. Ich schlage vor, wir machen noch eine Abschiedsorgie, basteln dann die Schiffe und brechen auf." Nein, mischte sich Travia spitzzüngig ein, "Ich schlage vor, wir lassen das mit der Orgie und machen uns sofort an die Arbeit." Dem stimmten sie zu, und Rahja sah traurig auf den Boden. Jahrhundertealte Traditionen ließen sich nun einmal nicht so leicht vergessen.
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  9. #9
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    Kapitel 5 - Noch wahrere Wahrheiten

    "Und dann haben die untoten Kaiserdrachen-Legionen sich also die Götter geschnappt und sie im Unterwasser-Königreich der Silberelfen-Drows eingesperrt? Erstaunlich..." Die junge Vesta war ganz erstaunt, als ihr die vollen Ausmaße dieser Tat klarwurde. "Und sie haben wirklich alles mitgenommen? Alle Tempel? Alle Truppen? Und sogar den Großteil aller Aventurier?"
    Flaim nickte. "Auf dem Land sieht es wirklich schlimm aus. Bürgerwehren haben sich gebildet, um die Siedlungen vor Banditen zu schützen. Ganze Horden von tapferen Reichsarbeitern sind in diesem Moment dabei, neue Straßen und Minen anzulegen. Das Volk selbst hat sich erhoben, verstehst du? Doch jeder einzelne Mensch kann nur erkennen, wohin sein eigenes Auge fällt. Deshalb brauchen sie jemanden, der alles für sie überblickt. Das Volk braucht eine Regentin, die ordnend eingreift, eine Regentin, die lenkt und heilt." Versta war noch erstaunter. "Und da dachtet ihr an mich?" - "Nein, eigentlich nicht", gab die Katze zu, "Eigentlich wollte ich Rufus ay Taliesin. Aber ich habe keine Lust mehr, weiter zu laufen."
    "Ach, mein Kätzchen", sagte Vesta, die in einem Anfall von Knuddellaune den protestierenden Flaim hochnahm und sein Fell streichelte, "Das ist wirklich eine große Aufgabe, vor der wir beide da stehen." - "Große Aufgabe?", murrte der Kater nur, "Wohl eher ein ganz mieser Plot." Wie sehr sollte er doch recht behalten.
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  10. #10
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    Kapitel 7 - Wo ist nur Kapitel 6?

    "Der Inhaber dieses Schreibens wird von mir bemächtigt, die Regierung über das Kaiser- und Königreich Horasien-Nostria zu übernehmen.", las der alte Adargo vor. "Ich sende ihm meine Grüße und Wünsche, dass er diese Aufgabe übernehme, die ich so schnell abgeben musste. In Ehrfurcht, Kaiserin Amene." Der alte Kaufmann musterte das Pergament eindringlich. "Wo hast du das her?"
    "Ach, Onkelchen...", antwortete Vesta verlegen, "Das hat mir die Katze gebracht. Und die hat es von den Göttern persönlich."
    Das junge Mädchen glaubte es sogar. Nur Flaim kannte die Geschichte, wie er das Pergament in einer Mülltonne gefunden hatte, die er nach Essensresten durchstreifte. Er hatte sofort die Bedeutung herausgefunden, doch hatte er auch sofort erkannt, dass er dafür ein williges Schäfchen brauchte. Und da Straßenkater nun einmal übel stanken, hatte er sich noch einmal in ein Haus geschlichen, um sich vorher gründlich zu waschen. Leider hatte ihn die Hausherrin gefasst und ihm mit einem drohenden Kehrbesen in der Hand vorgeschlagen, doch ihren Sohn Rufus an die Macht zu bringen. Notgedrungen hatte er sich den Weg sagen lassen... und sich gründlich verlaufen. Und als dann diese kleine, schnuckelige Vesta vor ihm stand, hatte er beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen. Immerhin, so nah war er einem so schönen Mädchen lange nicht mehr gekommen. Und ein wenig Mann steckte doch immer noch in ihm.
    "Der Kater, ja?", fragte Adargo und starrte auf das schwarzbefellte Etwas, dass sich von Vesta streicheln ließ. "Ja", antwortete diese begeistert. "Flaim ist ganz toll, der kann sogar sprechen." - "Sprechen, soso". Der Mann klang skeptisch. "Glauben Sie ihr nicht alles", sagte Flaim. "Mädchen in ihrem Alter haben eine sehr lebhafte Phantasie..." - "Nein, ehrlich, Onkelchen.", fiel Vesta ihn ins Wort. "Der ist total goldig. Darf ich ihn behalten?"
    Adargo di Baltari, Oberhaupt der unermässlich reichen Baltari-Familie, seufzte nur. Er verstand die Welt nicht mehr. "Ist es...", fing er dann halbherzig an. "Ist es denn wenigstens eine Rassekatze?" - "Na sicher. Seine Familie hat schon seit Generationen im Garether Palast Mäuse gejagt." Sie fing an, zu kichern. Onkelchen würde die kleine Flunkerei bestimmt nicht merken.
    Flaim aber war merkwürdig still geworden. Sein Körper war tatsächlich eine Rassekatze, das persönliche Haustier einer Andergaster Prinzessin mit Namen Serilla. Was für eine Frau. Und dann dieser unglückliche Zwischenfall.
    "Na schön", gab der Händler schließlich nach. "Ihr sollt nach Vinsalt fahren. Ich werde euch eine Kutsche und eine kleine Eskorte zur Verfügung stellen. Viel Glück, mein Kind. Und denke daran, dass du zurückkehren kannst, wann immer du möchtest." Der Mann lächelte. Sicher, er würde Vesta vermissen. Aber indem er zu Hause blieb, ersparte er sich das Schicksal, weiter in dieser Geschichte vorzukommen. Und das stimmte ihn ausgesprochen froh.
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  11. #11
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    Kapitel 8 - Die Priesterin

    Während Vesta di Baltari und die furchtlose Kampfkatze Flaim mit einer nagelneuen, tiefergelegten Ferrara-Achthufer-Kutsche auf den noch nicht wieder aufgebauten Reichsstraßen von Grangor nach Vinsalt holperte, warteten in dieser fernen Stadt zwei weitere Personen darauf, einander bekannt zu werden. Die eine war Rhian, ein Mädchen kaum älter als Vesta, doch in einer bedeutend älteren Kutsche unterwegs, der andere...

    "An die Bürger der Stadt Neetha", schrieb eine Gestalt auf ein Pergament. "Ich weiß, die Zeiten sind hart. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ihr euch um eure Sicherheit sorgt, solange die Armee des Reiches noch nicht wieder einsatzbereit ist. Ich kann sogar verstehen, wenn ihr in diesen harten Zeiten vor der Verlockung steht, die Steuer gering zu halten und gar daran zu denken, Freistadt zu werden. Doch muss ich Euch mitteilen, dass ich dies für den falschen Weg halte. Die Zeiten sind hart, und wir alle geben unser Bestes, das alte Horasreich aus den Nebeln der Dunkelheit wieder neu erstrahlen zu lassen. Mutige Männer sind dabei, das Land wiederherzustellen, und die Werber in Neetha und Drol stellen eine Armee zusammen, um gegen die Plünderer zu Felde zu ziehen. Auch unsere neue Regentin, die strahlende Vesta di Baltari, wird in wenigen Tagen bei uns eintreffen. Die Götter selbst haben sie erwählt. Bedenket bitte Hesindes Weisheit und Travias Güte, wenn ihr vor ihr stehen werdet. Vertraut ihr, wie ihr auch euren Göttern vertraut.
    In diesen Zeiten müssen wir zusammenhalten. Dann wird alles gut werden.

    Hochachtungsvoll,
    Lord Ghaldak in Vertretung s.M. Vesta di Baltari."

    Der Mann stand auf, und bei dem Licht, dass auf ihn schien, konnte man sehen, wie jung er eigentlich war. Er las sich das Pergament noch einmal durch. Perfekt war es nicht, aber es erfüllte die Ansprüche. Jetzt nur noch das Siegel, und fertig. Jetzt noch etwas abkühlen, und dann...

    Ein wenig später schlenderte der junge Mann durch die Gänge des Palastes. Sie waren leer, viele verstaubt. Der Palast war, wie das halbe Land, eine Geisterstadt. Wie viele Leute mochten noch hier sein? Zwanzig? Dreißig? "Grüß dich, Carro.", rief ihm die vertraute Stimme eines Dieners, für den ich mir keinen Namen ausdenken möchte, zu. "Warst du eben wieder bei deinem hohen Herrn?" Der junge Mann nickte. "Ja, war ich. Aber nun schläft der Lord." - "Seltsamer Knabe, der Alte. Warum will er eigentlich nicht, dass jemand außer dir ihn besuchen kommt? Ist er denn nicht schrecklich einsam, wenn er immer allein in seinem Zimmer ist?" - "Was weiß ich?", sagte Carro und zuckte mit den Schultern. "Vielleicht hat er nur Angst, dass man ihn für hässlich halten könnte. Denn ganz im Ernst..." Er zwinkerte und sprach den Satz nicht zu Ende. "Ach, übrigens. Diese Schreiben hier hat er mir in die Hand gedrückt. Sie gehen an verschiedene Städte des Reiches und nach Nostria. Sorge bitte dafür, dass sie bald verschickt werden. Ich hab' jetzt Feierabend." - "Moment, Carro, Moment..." Der Diener mit den Pergamenten im Arm fasste ihn am Ärmel. "Unten an der Pforte ist ein junges Mädchen. Mit einer Menge Gepäck. Sie stammelte etwas davon, dass die Kirche sie hierhergeschickt hatte. Könntest du dich vielleicht um sie kümmern?" Der Diener schien verzweifelt. Carro zögerte ein wenig, bevor er dann hervorbrachte: "Na gut. Meinetwegen kümmere ich mich um sie. Aber dann schuldest du mir was."
    Sobald der Diener außer Sichtweite war, begann Carro zu pfeifen. Ein Mädchen wartete also auf ihn. Ob sie wohl hübsch war?
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  12. #12
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    Kapitel 9 - Zusammenkunft (= Viel Leben für viel Mana)

    Vesta war nervös. Die ganze Fahrt über. Und zwar so nervös, dass einem Flaim wirklich leid tun konnte. "Was soll ich nur tun, Flaim? Soll ich wirklich da aufmarschieren und den Wisch vorzeigen? Und dann werden die mir glauben? Was ist, wenn die mich einfach einbuchten? Oder auslachen, weil es nur ein dummer Scherz ist? Und überhaupt... Sitzt wenigstens mein Haar richtig? Ach, diese Fahrt ist doch Gift für meine Frisur. Hätten wir nicht warten können, bis die wieder mit den Straßen fertig sind? Überhaupt, diese ganze Holperei schlägt mir auf die Blase. Ich denke, wir sollten mal anhalten. Und bei diesem Kleid ist das ja auch noch so umständlich..." Flaim nahm das Ganze gelassen. Zuerst hatte er panisch das Sitzpolster aufgekratzt, um sich den Stoff in die Ohren zu stecken, und als das nicht geholfen hatte, hatte er versucht, sich mit einem Bleistift selbst bewusstlos zu schlagen. Schließlich hatte er eines von Vestas Parfümfläschchen zerdeppert und so viel daran geschnüffelt, bis er halb betäubt war. Seitdem saß er auf dem Kutschenboden, zählte die Vögel, die er durch das Fenster sah und bangte vor dem Moment, an dem die Betäubung nachlassen würde.

    Auch Rhian war nervös, als sie vor den Pforten des Kaiserlichen Palastes darauf wartete, von einem Diener in Empfang genommen zu werden. Es waren schier endlose Minuten, die sie allein mit den beiden Torwachen verbrachte. Die beiden waren wohl auch noch nicht lange dabei. Sie traten von einem Bein auf das andere bei dem Versuch, eine bequeme Steh-Haltung zu finden, und sie beäugten die junge Geweihte von Zeit zu Zeit, mal misstrauisch, mal forschend, mal mit eindeutigem männlichen Interesse. Doch sie blieb ruhig. In jahrelangem Training hatte sie eiserne Geduld entwickelt. Nein, nicht als Teil ihrer Ausbildung, sondern weil sie zwei Schwestern und zwei Brüder hatte und sie die jüngste von allen war. Und das härtete deutlich ab.

    "Seid gegrüßt, Madame", hörte sie schließlich die Stimme eines jungen Mannes, der aus dem Tor herausgetreten kam. "Mein Name ist Carro, Ihr ganz persönlicher Diener. Und Sie sind?" Der junge Mann lächelte. Ein freundlicher Kerl. Doch sie war nervös, und mit einer Sicherheit, die sie selbst nicht fühlte, antwortete sie ihm: "Ich bin Rhian, Geweihte der Hesinde. Die Kirche hat mich zu Euch geschickt, um..." Es war passiert. Sie hatte den Faden verloren. Was sollte sie denn genau tun? Nervös stammelte sie herum. "Um... um... um auf Euch aufzupassen." Wie dumm das doch klang. Doch dem jungen Diener - Carro - schien es wenig auszumachen. "Das ist gut.", sagte er und nickte. "Folgen Sie mir, ich habe bereits ein Zimmer für Sie herrichten lassen." Beiläufig nahm er ihr Gepäck, drei vollgestopfte Taschen, und dann führte er sie durch den Palast. "Nehmen Sie bitte nicht zu viel Anstoß an der ganzen Unordnung hier.", redete er nebenher, "Wir sind momentan ziemlich unterbesetzt. Ihr könnt Euch sicher ausmalen, was passiert, wenn neun Zehntel des ganzen Palastes über Nacht verschwinden. Ganz unter uns: Ich bin wirklich froh, dass Sie jetzt hier sind. Etwas geistliche Präsenz wird uns hier sicher guttun. Aber sagt, Rhian, Ihr seid ganz schön jung für eine Geweihte." Das Mädchen wurde rot. "Nun ja", sagte sie verlegen, "Das stimmt sicher. Ich wurde... im Schnellverfahren ausgebildet." Mehr sagte sie nicht dazu, und Carro fragte auch nicht weiter. "Es kommen Zeiten", sagte er stattdessen, "Da muss jeder tun, was er kann, ob er nun den Stand dazu hat oder nicht. Seid also unbesorgt. Niemand erwartet von Euch Wunder. So, da wären wir." Mit einem Schlüssel von seinem Schlüsselring schloss er die Tür auf, vor der sie standen, und dann entfernte er den Schlüssel, um ihn Rhian zu geben. Demonstrativ öffnete er ihr die Tür, und ließ sie vor sich eintreten.
    Rhian betrat das Zimmer zögerlich, aber nicht verdutzt. Sie musste Luxus gewöhnt sein, schloss er daraus. Denn das Zimmer, was er ihr zugeteilt hatte, war normalerweise für hohen Besuch bestimmt. Es war geräumig, prunkvoll eingerichtet, mit eigenem Waschraum und Balkon zum Palasthof heraus. "Gefällt es Ihnen?", fragte er, und die Geweihte nickte nur. "Euer Schlüssel passt auch für die Balkontür. Keine Angst, sie ist magisch verstärkt. Vor Meuchlern braucht Ihr also keine Angst zu haben." Er hatte die Taschen an die Wand gestellt. "Wenn Sie irgendetwas wünschen, zögern Sie nicht, es zu verlangen. Wenn Sie hungrig von der Reise sind, dann könnt... Was ist das?"
    Carro trat vor zu den Balkontür. Unten, das konnte man durch die feinen Gläser erkennen, fuhr eine Kutsche in den Hof. Eine Ferrara-Achthufer. Das musste sie sein.
    "Ich denke aber", sagte er schnell, "dass das ein wenig warten kann. Unsere neue Königin ist soeben eingetroffen."
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  13. #13
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    Kapitel 10 - Sie wünschen zu flüchten, Majestät?

    Vesta war nervös, als sie an dem Hof des Kaiserlichen Palastes hielt. Groß, und wirklich beeindruckend. So hatte sie ihn sich vorgestellt, genau so. Aber das war ja auch keine Kunst, da in ihrer heimatlichen Villa ein Bild dieses Palastes hing. Da stpoppte die Kutsche, und zögerlich stieg Vesta aus. Flaim ließ sie zurück. Der Kater hatte sich beim Versuch, einen Fluchttunnel in den Kutschenboden zu graben, vollkommen verausgabt und schlief nun tief und fest. Sie fragte sich, was er wohl hatte. Aber vermutlich lag es nur an der hohen Geschwindigkeit der Kutsche.
    Der erste Schritt war der schwerste. Ihre Beine zitterten, ihr ganzer Körper zitterte, ihr Herz schlug wie wild. 'Nur keine Panik, Vesta, nur keine Panik.', versuchte sie sich einzureden. Aber das war nicht so leicht. Da draußen standen zwei Wachen, die ganz erwartungsvoll zu ihr blickten, und soeben öffnete sich die Tür.
    'Langsam, Vesta, schön langsam. Ein Bein vor das andere. Nur nicht hasten. Nur nicht stolpern. Dann wird alles gut.'
    Zwei Personen waren durch das Tor getreten, ein Mann und eine Frau. Sie blickten zu ihr herüber.
    'Weitergehen. Immer weitergehen. Sie werden dich schon nicht töten. Oder doch. Sie schauen so in meine Richtung. Und diese Spieße der Wachen, die tun bestimmt weh.'
    Der Mann trat einen Schritt vor. Wie jung er doch war. Und was für schäbige Kleidung er trug. Aber irgendwas hatte er, dachte sie. Wenn sie nur wüsste, was.
    "Fräulein Vesta di Baltari", begrüßte er sie förmlich, "Willkommen in Eurem Palast." Er drehte sich herum, zu seinen drei Gefährten. "Meine Herren. Verneigt euch vor eurer Kaiserin." Dann ging er selbst in die Knie.

    Vesta war, als würde ihr Herz stehen bleiben. Die Sekunden, in denen die vier Gestalten gebeugt unter ihr verharrten, kamen ihr endlos lang vor. Sie konnte nicht beschreiben, wie sie sich fühlte. Sie war aufgeregt... ergriffen von dem Moment... Sie fühlte sich verwandelt... Ihr wurde bewusst, dass die langen Jahre in Grangor vorbei waren... Morgen würde alles anders sein.
    Seltsamerweise, und das verwunderte sie später zutiefst, dachte sie gar nicht daran, davonzulaufen. Sie hatte nie Kaiserin werden wollen und war dazu, das fand sie auch später, nicht wirklich geeignet. Aber sie hatte das Gefühl, dass das Schicksal sie hierhergeführt hatte, und sie wollte ihm weiter folgen.
    "Erhebt euch...", sagte sie schließlich. "Danke für diesen herzlichen Empfang. Ich bin froh, hier sein zu dürfen..." Ihr Blick strich einmal über die Gestalten. "Und nun sagt mir bitte mal, wo hier das Klo ist."
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  14. #14
    Im Monsterland
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    Kapitel 11 - Das doppelte X

    Es ist eine Illusion, dass der Mensch frei ist. Es ist aber auch eine Illusion, dass der Mensch nicht im Geringsten über seine Schicksal entscheiden kann. Vielmehr gibt es manchmal Straßen, und manchmal Kreuzungen. In diesem Moment, für nur ein paar Sekunden, stand ein Mädchen an einer dieser Kreuzungen. Ohne die Bedeutung des Augenblicks zu erkennen, traf sie ihre Entscheidung.

    Das Mädchen war nicht Vesta. Diese war nämlich noch viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Gefühle zu sortieren. Dieses Mädchen war Rhian, die die Zeit über schweigend in der zweiten Reihe gestanden hatte, selbst noch zu neu in diesem Palast, um schon die Rolle des Hausherren zu spielen. Und so war es an dem Diener Carro gewesen, mit ihr zu sprechen. Er erhob sich gerade wieder, um seine neue Herrin den Palast zu zeigen und dabei mit einem besonderen Ort anzufangen. Sie gingen an ihr vorbei, und sie wollte gerade den beiden folgen, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass sich in Vestas Kutsche etwas bewegte. Sie blieb stehen, um zu beobachten.
    Einen Moment später sah sie es. Es war ein schwarzer Kater, der verschlafen aus der Kutsche torkelte und herzallerliebst gähnte.
    Normalerweise hätte sie sich nun umdrehen müssen und den Kater Kater sein lassen. Denn ob nun seltsam oder nicht, die neue Kaiserin hatte nun einmal Priorität. Aber doch gab es etwas an diesem Tier, dass sie noch nicht erklären konnte. Er erschien ihr so vertraut, so bekannt. Und ganz diesem Gefühl folgend, ging sie langsam zu der Kutsche hinüber. "Hey du... Kleines... Was bist du denn für einer?"
    Flaim reagierte darauf nicht. Benommen saß er nun auf dem Pflaster vor der Kutsche und starrte in Rhians Richtung. "Du siehst aber ganz schön mitgenommen aus.", redete sie weiter, während sie sich ihm immer weiter näherte. "Gehörst du denn der Kaiserin? Oder weswegen bist du sonst hier?"
    Und wie in Trance murmelte Flaim nur zwei Worte... "Wegen dir..."
    "Moment." Rhian war stehengeblieben. "Du... kannst sprechen. Dann musst du mich verwechseln. Ich kenne nämlich keine sprechenden Katzen. Daran würde ich mich erinnern."
    Doch nun war es der Kater, der auf die fassungslose Rhian zuging. "Ich habe zu den Göttern gebetet... habe nach Wissen geforscht... bin auf den höchsten Bergen gewesen, nur um dich wiederzusehen. Meine Liebe..."
    "Du...", begann Rhian ganz entschieden. "Du siehst ja richtig fertig aus. Hast du getrunken? Oder irgendwas genommen? Oder war deine letzte Maus verdorben? Was es auch war... Es kann ganz bestimmt nicht gut für dich gewesen sein."
    Rhian trug in diesem Augenblick einen einfachen, dunkelblauen Rock, der ihr bis knapp zu den Knöcheln reichte. Das wurde in dem Augenblick entscheidend, als sich Flaim ihren Beinen genähert hatte. Als sie sich nämlich beugte, um ihn hochzuheben, war das zuviel für seinen empfindlichen Katzenmagen. Flecken undefinierbarer Katzenspeisereste waren deutlich sichtbar, als Rhian, die die Kaiserin schon ganz vergessen hatte, den vollkommen verdatterten Kater durch den Palast trug. Irgendwo auf dem Weg zu ihrem Zimmer schlief er dann auch ein.
    Rhian nutzte die Zeit, um zu verschnaufen. Was für ein Tag.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  15. #15
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