SIND SIE EIN ANGSTHASE, HERR GÖTZ?
Der Hertha Trainer im BZ-Interview
"Ich bin der mutigste Trainer der Liga"
Von
LARS WALLRODT und
KAI ZIMMERMANN
4 Niederlagen in 6 Spielen musste Hertha zuletzt einstecken. Und schon gibt's die erste Kritik am Trainer, ganz automatisch. Doch Falko Götz verkriecht sich nicht. Am Dienstag besuchte Herthas Trainer die frisch bezogenen Redaktionsräume der B.Z. im Neuen Kranzler-Eck am Kudamm. Und stellte sich der Kritik. Das große B.Z.-Interview.
Herr Götz, sind Sie ein Angsthase?
Natürlich nicht. Ich seh's genau andersrum: Ich sehe mich als den mutigsten Trainer der Liga!
Das müssen Sie erklären...
Nennen Sie mir Trainer, die in schwierigen Situationen so viele junge Spieler einbauen wie ich. Die den Nachwuchs einfach mal ins kalte Wasser werfen. Allein in dieser Saison haben Jerome Boateng, Kevin Ellegard, Patrick Ebert, Amadeus Wallschläger, Robert Müller und Chinedu Ede ihre Debüts gegeben. Dazu kommen Spieler wie Ashkan Dejagah und Kevin Boateng, die ebenfalls noch sehr jung sind.
Ihre Kritiker meckern, dass Sie gegen Stuttgart zweimal mauern ließen.
Um es klar zu sagen: Ich würde es wieder so machen. Wir wollten kein Harakiri spielen. Es gab gute Gründe: Stuttgart hatte vorher alles weggeputzt. Und uns haben mehrere wichtige Spieler gefehlt. Wir wollten die Defensive stabilisieren und kontern.
Das 0:0 in der Bundesliga war okay. Aber im Pokal...
Ich fand, da haben wir offensiv stärker gespielt. Der Knackpunkt war, dass wir nicht 1:0 in Führung gegangen sind, obwohl wir drei Riesen-Chancen hatten. Bis zum ersten Tor war das Spiel ausgeglichen. Und auch danach hatten wir weitere Chancen. Ich werde Angsthase genannt, aber was sollte ich machen? Lakic war verletzt, ich habe den grippegeschwächten Ede eingewechselt, ich habe meiner Mannschaft gesagt, sie soll Forechecking spielen. Angsthasen lassen anders spielen.
Also lag es an der Einstellung der Spieler?
In diesem Spiel hat die letzte Entschlossenheit der Spieler gefehlt. Der allerletzte Glaube, das Ding zu drehen, war nicht bei allen da. Es haben sich leider nicht alle elf zusammengetan und haben gesagt: Das Ding drehen wir jetzt.
Wie erklären Sie sich das?
Jeder für sich will das Richtige. Aber wir schaffen es nicht, die Maßnahmen zu bündeln und als Team aufzutreten. Durch Verletzungen und Sperren konnte sich nie ein Kern von 14, 15 Spielern bilden, wir mussten immer wieder junge Spieler einbauen. Das wird sie in der Entwicklung unheimlich weiterbringen, aber auf der anderen Seite hast du natürlich die Erwartungen der Sportstadt Berlin.
Das bringt uns zu Bastürk, der in dieser Saison immer wieder ausfiel.
Den kannst du mal ein, zwei Spiele ersetzen, aber nicht eine ganze Saison. Wenn er spielt, muss der Gegner zwei Leute für ihn abstellen. Sein Ausfall hat uns hart getroffen.
Ist Hertha zu fixiert auf ihn?
Wir haben uns für ihn als Spielmacher entschieden. Wir sind nicht in der Lage, uns zwei oder drei von seiner Klasse zu leisten. Nahezu jede Mannschaft hat zentrale Figuren, die nicht leicht zu ersetzen sind. Bei Schalke ist das Lincoln, bei Werder Diego.
Wollen Sie mit Bastürk verlängern?
Wenn er sich klar zu Hertha bekennt - keine Frage. So ein Seuchenjahr wird er nicht wieder haben. Er wurde ständig kaputt getreten, dafür kann er nichts! Aber wenn er nicht bleibt, werden wir ihn gleichwertig ersetzen. Es gibt Alternativen. Wir sind vorbereitet.
Muss Hertha nächste Saison den Sparkurs verlassen und ins Team investieren?
Wir sind nun mal nicht auf Rosen gebettet und ein unkalkuliertes Risiko wird es nicht geben. Aber Zugänge wie Gilberto, Pantelic und Gimenez kannte vorher auch kaum einer. Jetzt schon...
Fühlen Sie sich von Dieter Hoeneß ausreichend unterstützt?
Unsere Zusammenarbeit ist vollkommen in Ordnung. Wir diskutieren viel. Es ist nicht einseitig, wir haben auch Reibungspunkte. Aber so stelle ich mir das auch vor.
Haben Sie die Entscheidung, Dejagah zu suspendieren, gemeinsam getroffen?
Nein, das war allein meine Entscheidung. Weil es eine persönliche Sache zwischen ihm und mir gab, die ich nicht akzeptieren konnte.
Welche?
Es ist da einiges nicht so kommuniziert worden, wie es hätte sein sollen. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Was wird noch aus dieser Saison?
Wir haben noch zehn Spiele, in denen eine Menge Punkte geholt werden können. Wenn wir die Möglichkeit haben, Platz 5 anzugreifen, werden wir das tun. Aber ich betone: Unsere Zielsetzungen sind jetzt schon so gut wie erfüllt. Es ging darum, junge Spieler an die Bundesliga heran zu führen - das haben wir getan, mit aller Intensität.
Sonnabend geht's nach Gladbach zum Tabellenletzten. Was wird das für ein Spiel?
Götz haut mit der Faust auf den Ledersessel. Ja, was wird das für ein Spiel?! Die haben richtig Druck! Wenn sie verlieren, sind sie so gut wie abgestiegen. Es geht um ihre Existenz! Wir stellen uns darauf ein, dass die Gladbacher bis aufs Messer kämpfen werden. Das ist gleichzeitig unsere Chance! Sie wissen, dass jeder Fehler ihren Abstieg bedeuten kann. Wir müssen nur wissen, was wir wollen! Und das sind drei Punkte, nix anderes! Wenn unsere Spieler das nicht kapieren, können wir gleich zu Hause bleiben.
Der Abstand nach unten beträgt noch 8 Punkte.
Nach unten? Götz winkt ab. Nach oben sind es zwei Punkte zum Uefa-Cup. Vielleicht langt sogar Platz 6, wenn Stuttgart und Nürnberg im Finale stehen und am Ende in der Tabelle vor uns. Sollte das so sein, gehört man geschlagen, wenn man diese Chance vergibt und um diesen Platz nicht kämpft.