Krieg überall
Cynfawrs Tod fiel mit weiteren Hiobsbotschaften zusammen und wurde sogar fast vollständig von diesen überlagert.
Die Julier überfielen die britischen Siedlungen jenseits der Alpen!
Auch die Brutier griffen in den Kampf ein, schließlich erkläte der Senat ganz offiziell den Iceniern den Krieg.
Mediolanum wurde sofort überrannt, Patavium konnte heldenhaft zwei Belagerungen abwehren, die dritte Belagerung der Julier war jedoch erfolgreich und alle Verteidiger fanden bei der Schlacht ihr Leben.
Besonders der Burgberg war schwer umkämpft und kostete viele Römer das Leben.
Die römischen Armeen rückten weiter vor durch die Alpen nach Nordgallien.
Belenus sammelte seine Truppen um alesia und Samarobriva zu verteidigen.
Die Gallier näherten sich Alesia von Westen, die Römer von Süden.
Sennianus lag mit den Reservetruppen in Samarobriva, als eine weitere Hiobsbotschaft ihn erreichte: Späher hatten im Osten mehrere lange Heeressäulen entdeckt – die Germanen schickten sich an in die Kämpfe einzugreifen!
Samarobriva wurde schnell eingeschlossen, dennoch war ed den Briten gelungen Botschaften nach Süden und Norden über den Kanal zu schicken.
In dieser Situation tat Belenus das einzig Sinnvolle, er ging zum Angriff über.
Eine dreifache Übermacht der Gallier lockte er in einen Hinterhalt. Gerade mal ein Dutzend Gallier konnten dieser Falle entkommen, Belenus‘ Männern schmerzten die Schwertarme noch Tage nach dem Gemetzel.
Doch dies sollte der letzte große Sieg der Icenier sein.
Eine Woche später rückten die Römer mit vier vollen Armeen an und belagerten Belenus in Alesia.
Sennianus stand auf dem Schutzwall und schaute über die Palisade.
Auf der Ebene vor der Stadt lagerte ein riesiges Germanenheer. Allen Verteidigern war klar, dass diese Masse Angreifer bei einem Sturm auf die Stadt niemals aufgehalten werden konnte. Die Waidkrieger machten sich mit rituellen Gesängen zum Kampf bereit, die Hauptschleuderer lockerten ihre Muskeln und die Speerkämpfer prüften ihre Waffen. Schicksalsergeben warteten sie auf die Angreifer.
Sennianus drehte sich um und kletterte von der Palisade. Er ging durch die Gruppen und versuchte soviel Zuversicht wie möglich zu spenden. Die Stadt war wie ausgestorben, bis auf ein paar Unentwegte war die gesamte Zivilbevölkerung zum Hafen auf die Schiffe gebracht worden. Sie würden in Britannien eine neue Heimat finden.
Vor dem Tempel wartete eine schmächtige Gestalt auf ihn.
Sennianus ging auf ihn zu.
„Gut dass du gekommen bist, Taran, es ist Zeit.“
Der junge Druide nickte beklommen.
„Hast du dir alles genau eingeprägt?“
Taran wirkte verletzt ob dieser Frage, schließlich gehörte das Einprägen von Texten in der ursprünglich schriftlosen keltischen Kultur zu den wichtigsten Fertigkeiten eines Druiden.
„Natürlich. Was sind deine Befehle?“
Sennianus nahm ihn beiseite und sagte: “Komm mit, du solltest aufbrechen.“
Sie gingen zur Nordmauer, die zum Meer führte. Ein unscheinbar wirkendes Haus eines Wein- und Kohlenhändlers war noch bewohnt, allerdings nicht mehr von seinem ursprünglichen Besitzer. Zwei ältere Plänkler lagen müde auf den Bänken, rappelten sich beim Eintritt der beiden sofort auf.
„Bleibt liegen, es ist noch nicht soweit. Habt ihr alles vorbereitet?“
Sie nickten. Sennianus öffnete eine Luke am Boden und deutete auf die Stufen, die in die Tiefe führten.
„Dieser Gang führt unter der Palisade nach draußen. Wenn du unten bist, werden wir den Eingang hier zuschütten. Der Ausgang liegt versteckt hinter Büschen. Warte dort auf die Nacht, Vorräte für die Reise findest du dort. An der Küste wartet die Flotte auf dich und wird dich in Sicherheit bringen. Gib die Botschaft weiter, sie darf nie vergessen werden!“
Taran nickte.
„Was wird aus dem König?“
Sennianus blickte zu Boden.
„Falls er die Römer abwehren kann, wird er sich mit der Armee direkt zur Küste durchschlagen.“
„Wie wahrscheinlich ist das?“
Sennianus schwieg lange.
„Ich fürchte, sein Glück hat sich aufgebraucht. Aber das ist jetzt zweitrangig und darf dich nicht belasten. Deine Mission ist wichtiger. Die Botschaft darf nicht verloren gehen, egal wie oft du oder deine Nachfolger sie weitergeben müssen. Zeit spielt keine Rolle.“
„Wirst du nachfolgen?“
Sennianus‘ Lächeln wurde zu einer Grimasse.
„Wohl weniger. Aber die Germanen müssen sich wenigstens jede Handbreit Boden erkämpfen. Dann verlieren Sie die Lust auf eine Schiffsreise.“ Er legte seine Hand auf die schmächtige Schulter des Druiden. „Und nun geh. Leb wohl!“
Taran drehte sich wortlos um und kletterte in den Schacht. Die Plänkler begannen kurz darauf den Schacht wieder ein Stück aufzufüllen. Bald war nichts mehr von ihm zu sehen. Dann wandte sich Sennianus an die beiden:“Es beginnt bald, macht euch kampfbereit.“
Kurz darauf begann der Sturm.
Von zwei Seiten rückten die Angreifer mit Sturmböcken und Leitern auf die Tore zu. Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit und der wilden Entschlossenheit der Axtkämpfer, die den Angriff vortrugen, benötigten die Germanen 2 Stunden, bis die Palisaden überwunden waren. Zum Schluss konnten die Angreifer über die Leichen ihrer Kameraden den Wall übersteigen. Aber auch jenseits der Einfriedung hörten die Kämpfe nicht auf, die Briten flohen nicht, sondern verschanzten sich in den Straßen und Häusern. Im gegenteil, so manches Mal machten die Germanen kehrt und nur die nachrückenden Truppen verhinderten den Abbruch der Kämpfe.
Sennianus stand an der Einmündung der Hauptstraße auf den großen Platz und organisierte die Verteidigungslinie. Er war über und über mit Blut bespritzt. Er hatte einen Schwerthieb an den Kopf erhalten, den der Helm nur teilweise abwehren konnte. Zum Glück war es keine Axt gewesen, der hätte der Helm wohlmöglich überhaupt nicht standhalten können. Die Wunde war nicht sehr tief, blutete aber stark und raubte ihm einen Großteil der Sicht. Trotzdem schickte er die Kämpfer immer an die richtigen Stellen, so dass die Feinde hier vergeblich gegen die Kämpfer anrannten.
Plötzlich hörte er ein Rauschen und duckte sich, aber es war zu spät. Ein Wurfspeer traf mit voller Wucht die ungedeckte rechte Schulter.
Der Kettenpanzer gab sofort nach, die Spitze bohrte sich durch Fleisch und Schulterblatt und stoppte erst zwei Handbreit hinter seinem Rücken. Sennianus Knie knickten ein und er krachte schwer auf die Seite. Mühsam versuchte er sich hochzurappeln, doch seine Lunge war getroffen.
Er spuckte Blut. Mühsam zog er sich in einen Hofeingang und lehnte sich mit dem Rücken an einen Türsturz.
Das Atmen fiel ihm schwer, auch wenn er kaum Schmerzen spürte.
Genau genommen spürte er überhaupt nichts.
Ihm wurde kalt.
Der Lärm der Schlacht verblasste.
‚Die Botschaft ... die Schale ... sie darf nicht verloren gehen ... Taran!‘ ging es ihm durch den Kopf.
Dann dachte er nichts mehr.