Die Bovaner
Kapitel 218
Der Bovanische Krieg – Ein Sieg des Konrak
Die grelle und heiße Sonnenscheibe des Bovak näherte sich dem östlichen Horizont, bald würde sie am Rand der Erdscheibe hinter dieser verschwinden erst nach vielen Stunden im Westen aufgehen. So war es schon immer. Lunak, die Herrscherin der Nacht, würde dann mit ihrem mattscheinenden Himmelswagen über den dann funkelnden Himmel gleiten während die Sonnenscheibe des Bovak sich zurückzog.
Doch bis dahin waren es noch etliche Stunden, die ausreichten, um eine Schlacht zu schlagen, seine Feinde auf die Knie in den Staub zu zwingen und den Triumph des Sieges auszukosten. Als Gewinn würde ein ganzes Reich auf den Sieger warten, dass reif wie eine Frucht, hilflos wie ein kleines Kind und seinen neuen Herrscher unterwürfig dienen würde. Doch wer würde der Sieger sein? Hier, in der engen Pforte von Marthos, dem von hohen Felsgraten umgebenen Engpass zwischen zwei Provinzen sollte es sich zeigen wem die Götter hold waren.
Nachdem die beiden Heere aufgestellt, die Männer für die jeweilige Sache eingeschworen und die Hilfe der mächtigen Götter erbeten wurde. Warteten alle auf das Signal zum Angriff, zum Beginn des Tötens und des Ringen um die Macht im Reich. Der letzte Befehl ließ auf sich warten, die Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt und die Offiziere konnten ihre Männer kaum noch zügeln. Sie waren bereit zu kämpfen und die Feinde zu töten. Doch wenn der Befehl einmal gegeben wurde, dann würde nichts und niemanden die losstürmenden Männer noch von der Schlacht aufhalten. Höchstens ein imposantes Zeichen der Götter könnte ihre Aufmerksamkeit und ihren Willen vom beginnenden Morden abhalten.
Jense-nak stand auf seinem Streitwagen und beobachte die Aufstellung seines Feindes, die wie eine unüberwindbare Mauer am Horizont auf ihn wartete. Im Zentrum sah er die schweren Schwertkrieger des Konrak, die mit ihren wuchtigen Schwertern und den harten Rundschildern den Kern der Fußtruppen darstellten. Links und hinter ihnen standen die bovanischen Lanzenträger, die für eine Verteidigung bestens gerüstet waren. Großer Rundschild, Lanzen, die so lang waren wie zwei Mann, und starke Harnische aus Eisenplatten am Oberkörper. Die einzige Schwachstelle war vielleicht ihre Unbeweglichkeit. Sie konnten sich mit ihren langen Lanzen nicht besonders schnell bewegen. Standen sie zusammen, dann war dieser Pulk aus Lanzen kaum zu überwinden. Nur ein schnelles Einkreisen durch berittene Einheiten und der massive Einsatz von Pfeilen konnte die Linien durchbrechen.
Rechts von den imposanten Schwertkriegern wurden die Horden der Söldner postiert. Wild aussehende Krieger, die ihre freien Oberkörper und Gesichter mit allerlei Farben bemalten. So sahen sie aus, wie Fratzen aus der Unterwelt. Doch vor ihnen fürchtete sich Jense-nak nicht, sie waren meist schlecht bewaffnet und hatten keine Disziplin. Nur die Wenigsten von ihnen trugen leichte Lederpanzerungen, oder kleine Holzschilde. Diese hielten einem schweren Schlag aber selten stand.
Was Jense-nak Sorgen breitete war ihr große Anzahl. Er schätzte ihre Kopfstärke auf mehr als eintausend Seelen, wenn sie denn eine hatten. Auf seinem linken Flügel standen den feindlichen Kriegern nur 600 seiner Lanzenkrieger und 600 Bogenschützen gegenüber. Es herrschte zwar ein Patt an Köpfen doch hatte Jense-nak keine Reserven, wie sein Gegenüber. Dieser konnte an seinem rechten Flügel noch 900 randanidische Speerkrieger einsetzen und die dahinter postierten thormidischen Bogenschützen, die ihre Pfeile so treffsicher abschießen konnte, wie kein anderes Volk.
Der einzige Vorteil, den Jense-nak sah, war die Tatsache, dass seine Truppen sich hinter schnell errichteten Holzpalisaden und Abwehrgräben verschanzen konnten. Diese wurden, weil sie auf einer kleinen Anhöhe standen, nur Südturm genannt. Obwohl dort kein Turm im eigentlichen Sinne stand. Doch symbolisch stellten sie den Eckpunkt der eigenen Auftsellung dar. Seine Gegenstück fand der Südturm im Norden, am Rande des Hochlandes von Skel.
Dort befand sich eine ähnliche Wallanlage, die nur Nordturm genannt wurde.
Hinter diesen Schanzanlagen formierten sich seine Truppen und würden diese Stellungen so lange halten, wie es ging.
Die minoische Reiterei, etwas mehr als 1000 Mann wie Jense-nak schätzte, konnte er nicht einschätzen. Er hatte gegen diese wilden Reiter mit ihren Lanzen, die aus der Steppe Minoiens entsprangen, noch nie gekämpft.
Doch wie alle Reiter waren diese nur im Angriff, wenn sie die Kraft und die Stärke ihrer Pferde richtig nutzen konnten, gefährlich. Wenn diese sich verteidigen mussten, dann waren sie ein leichtes Ziel, das selbst von einfachen Bauernjungen mit ihren Heugabeln bekämpft werden könnte.
Jens-nak hatte sich entschieden, er wollte unbedingt die Schlacht eröffnen. Sollte es Konrak erst gelingen mit der gesammelten Kraft seines Heeres anzugreifen, dann würde ihn kein Heer der Welt hier und heute aufhalten.
Konrak würde auf schnellstem Wege nach Norden, nach Bovana, eilen und den Thron für sich beanspruchen. Niemand würde erwarteten, dass der Rat der Stadt jemals wieder eine entscheidende Rolle in der bovanischen Politik spielen sollte. Das Volk sehnte sich nach einem starken Herrscher, der die zerflossene Macht der Hauptstadt erneuern könnte, der die ehemalige Stärke der Stadt neu schmiedete.
Nun entschloss sich Jense-nak zum Vormarsch, doch wie sollte er mit seinem kleinen Heer das größere überraschen? Nur durch ein überraschendes Manöver ließe sich die Phalanx des Konrak durchbrechen.
Jense-nak hoffte auf einen genialen Einfall oder auf ein Zeichen der Götter, doch er entdeckte keines. Da soll, nach den Worten des Chronisten, der Wind aufgefrischt haben und eine staubige Wolke gen Himmel getragen haben. Ein Zeichen. Jense-nak verstand es und befahl seinen Soldaten den trockenen Sand des Bodens mit ihren Händen aufzunehmen und ihn in die Luft zu werfen.
Der aufkommende Ostwind würde ihn aufnehmen und ich gen Westen, genau in die Augen seiner Feinde streuen. Sie wären blind für das was vor ihnen geschehen würde.
Die Männer und Offiziere des Jense-nak sträubten sich dagegen, mit ihren Händen, die sonst Waffen trugen und Feinde erschlugen, nun den Staub zu nehmen und ihn wie spielenden Kinder in die Luft zu werfen. Doch Jense-nak fand die richtigen Worte und sprach von einem Geschenk des Pharak, der ihnen diesen Ostwind sendete. Ein Signal der Götter, so meinten nun die Männer und warfen freudig und guten Mutes den Sand in den Wind, der ihn nun als staubige Wolken genau auf das Heer des Konrak wehte.
Im Schutze der schmirgelnden Wolken gab Jense-nak den Befehl zum Angriff. Die ersten Reihen seiner Lanzenträger rannten voraus, um die alte Wallanlagen von Rash zu besetzen. Sie sollte als Bollwerk dienen im folgenden Angriff der feindlichen Schwertkrieger. Als Wellenbrecher, der aber keine rauschenden Wellen des Ozeans aufhalten sollte, diente nun die Wallanlagen, die die Woge von Kriegerleibern brechen sollte.
Seine Truppen erreichten die Wallanlagen ungesehen und errichteten sofort behelfsmäßige Palisaden. Aus ihrer erhöhten Stellung konnte sie nun niemand mehr vertreiben. Gleichzeitig stießen die Streitwagen von Jense-nak gegen die minoischen Reiter, die im Staub die nahende Gefahr ebenfalls nicht erkannten. Der Lärm der Hufe und der Wagen drang zwar gut hörbar durch die dichten Schlieren von Staub und Dreck, doch die Truppen des Konrak sahen nichts.
Plötzlich lichtete sich die Wand aus Staubkörnern und gab ihre Reisenden frei. Die Streitwagen von Jense-nak zögerten keinen Augenblick und fuhren durch die überraschten Reihen der Minoer und lösten ihre Formation auf. Sogleich entstanden hartnäckig geführte Gefechte, in denen viele minoische Reiter durch Pfeile und Speere zu fall kamen.
Nun löste sich die Starre der Angegriffenen, die Offiziere, Truppführer und Hauptmänner schrieen ihre Befehle und sammelten sich für einen Gegenangriff.
Die gesamte Front von Konraks Heer marschierte nun los, die Reiter schlugen die Streitwagen in die Flucht, die Schwertkrieger stemmten sich die Wallanlage von Rash empor und wilden Söldner rannten mit lautem Geschrei auf ihre Gegner zu.
Erst schien es so, als sollte die gesamte Front des Jense-nak einbrechen, doch nur die Streitwagen, die in der Verteidigung ebenso schwach waren, wie die Reiter vor ihnen, versagten und wurden niedergemacht. Das Zentrum und der linke Flügel von Jense-naks Armee hielt die Stellung. Die Lanzenträger im Zentrum, die auf der Höhe von Rash standen, waren so gut, dass keine noch so mutig geführte Attacke der Schwertkrieger von Konrak einen Durchbruch erzielen konnte. Die Linie hielt. Viele hundert Schwertkrieger verloren an diesem Tag ihr Leben und sanken in den Staub der felsigen Arena.
Immer wieder erklommen die tapferen Krieger die Wallanlagen, um dann doch tödlich getroffen den Hang hinabzugleiten.
Die nun folgenden Angriffe der jensenidischen Lanzenreiter stießen immer wieder in die zusammenfallende Formation von Konraks Armee und hinterließ ein Feld von Toten und Verstümmelten. Die Verluste stiegen, auf beiden Seiten. Mit äußerster Brutalität kämpften die gegnerischen Einheiten, jeder Zoll Boden wurde bis zum letzten Blutstropfen verteidigt oder erobert.
Als Gegenreaktion auf die stetig vorgebrachten Angriffe von Konraks Truppen wurden die bovanischen Bogenschützen von Jense-nak ins Kampfgeschehen geworfen. Mit ihrer schnellen Schussfolge mähten sie förmlich die Gegner nieder.
Nach Stunden des tödlichen Ringens erlahmten die Truppen von Jense-nak, ihre Kräfte ließe nach. Da er über keine Reserven verfügte konnte sich Jense-nak selber ausrechnen, wann der Moment des Zusammenbuchs kommen würde. Während die Männer der Jenseniden der Erschöpfung nahe waren, konnte Konrak immer neue Truppen in die Schlacht werfen. Doch auch er konnte nicht zufrieden sein. Seine Verluste waren immens und die Schlacht noch nicht gewonnen. Eigentlich hatte er noch nichts erreicht. Da entschloss er sich alles in die Waagschale zu werfen, was ihm noch an Einheiten geblieben war. Alles, auch die wertvollen randanidischen Lanzenträger, marschierten nun vorwärts.
Dies war das Zeichen für Jense-nak den Kampf abzubrechen, er gab den Befehl sich hinter die Bewässerungskanäle zu begeben, um den Abwehrkampf dort fortzuführen.
Daraufhin lösten sich die Truppen von ihren Gegnern und gaben die Linie auf. Rasch aber ohne Panik zogen sich die abgekämpften Männer inter die Kanäle zurück. Nur die Garnisonen im Nordturm und Südturm sollten weiter ausharren. Der Südturm wurde heftigst umkämpft, viele Söldner ließen ihr Leben an den Lanzen der Bovaner. Doch letztendlich mussten sie sich geschlagen geben. Der Südturm fiel an Konrak, der noch einmal seine Chance sah seinen Gegner nun endlich zu schlagen.
Der Triumph schien für Konrak zum Greifen nahe. Der Feind auf dem Rückzug, mit hohen Verlusten vom Feld gejagt und den wichtigen Südturm erobert. Dort feierten und jubelten die Söldner bereits. Doch zu früh gefreut.
Mit einer beherzten Reiterattacke durch Jense-nak persönlich wurden die Söldner unter den Hufen der Reiter niedergetrampelt. Die Reiter flogen nur so durch die Luft und mähten mit ihren Lanzen die fliehenden Ligurer, Indianer und Minoer nieder. Eine schwere Schlappe für Konrak. Obwohl der Angriff von Jense-nak auf die Festung Rash fehlschlug, zeigte diese energisch vorgetragene Attacke doch den Willen von Jense-naks Männer diese Stellung zu halten.
Als dann auch noch die mürrischen und enttäuschten Stimmen der randanidischen Emissäre an sein Ohr drangen, da erkannte Konrak, dass er zwar einen Sieg erzielt hatte doch unter grausamen Verlusten. Der Feind war zwar geschlagen aber nicht besiegt. Ein Erstürmung der vor Wochen bereits abgeschlossenen Verteidigungsanlagen hinter den Bewässerungskanälen wäre militärischer Wahnsinn.
Konrak, auch durch die Entscheidung seiner randanidischen Berater ihre Truppen zurückzuziehen und das gemeinsame Heer zu verlassen, tief enttäuscht sah auf einen weiterem Angriff ab und gab den Befehl zum Rückzug. Der einzige nennenswerte Erfolg für Konrak war die Besetzung von der Festung Rash, in der er einige Truppenteile als Garnison zurückließ. An dieser Stelle war kein Durchkommen möglich, die Pforte blieb für ihn verschlossen. Die Randaniden verließen mit ihren Lanzenträgern das Feldlager von Konrak und zogen gen Marthos. Konrak stand erneut allein. Seine Verbündeten ließen ihm in Stich und sein Heer war wieder einmal militärisch am Ende. Gewaltige Verluste hatte er zu beklagen. Er soll später gesagt haben:“ Noch so ein Sieg und wie sind verloren!“
Für Jense-nak war es ebenfalls ein schwerer Schlag, doch er hatte sein Ziel erreicht. Die Pforte blieb für seinen Feind unpassierbar. Strategisch war es ein Erfolg, denn die kurze Allianz von Konrak und den Randaniden hatte nun ein Ende.
Enttäuscht verließ Konrak mit den Resten seines Heeres die Pforte und wandte sich nach Norden, vielleicht würden die Erikiden ihn gegen den Usurpator Jense-nak helfen. So zog der Tross in eine ungewisse Zukunft, nach Norden in das Land der streitenden Erikiden......