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Thema: Frauen und Fußball

  1. #1
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    Frauen und Fußball

    Stürmt, ihr Helden!

    Warum interessieren sich Frauen nicht für Ligaspiele, aber für die EM? Eine Erklärung

    Von Gunter Gebauer

    Fußball war immer eine Bastion der Männlichkeit. Zum Fußball gehören Gebrüll, kräftige Sprüche und eine Körpersprache mit jenem Akzent von Gewalt, wie ihn nur eine männliche Anatomie hervorzubringen vermag. In einer solchen Welt scheint für Frauen kein Platz zu sein. Wenn man die Literatur des Mutterlandes des Fußballs mit ihren unvergleichlich genauen Beschreibungen dieses Kosmos liest, lebt der echte Fan Englands in einer Welt, die entweder frauenfeindlich ist oder sogar frauenfrei (wegen Scheidung). Frauen kommen in diesem Leben allenfalls sporadisch vor, und wenn, dann nur als eine mitlaufende Sonderkategorie der Fans. Sie haben – von Ausnahmen abgesehen – den Status von Groupies, die affektiv an Männer gebunden sind, entweder an Spieler oder an Fans, aber eben nicht an die Sache des Fußballs.

    Bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Japan und Südkorea gab es allerdings ganz andere Bilder und Töne: Aus den Stadien war kein Dröhnen von Männerstimmen zu hören, sondern eine hohe Stimmlage, die zwischen Kreischen und spitzem Jubel variierte. Auf den Tribünen sah man Massen von Mädchen, in die Trikots ihrer Lieblingsmannschaften gehüllt. Diese weibliche Dominanz unter den Fußballzuschauern war einzigartig und nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass im Fernen Osten das männliche Interesse auf Baseball fixiert ist. Doch auch bei uns liefen im Sommer 2002 auffällig viele Mädchen im Trikot der deutschen Nationalelf herum, und Frauen saßen in einem nie gekannten Ausmaß vor den Fernsehgeräten. Kultivierte ältere Damen, bisher des Fußballinteresses völlig unverdächtig, wurden beim Hören von Radioreportagen aus Korea überrascht. Schwiegermütter, die ihr feindliches Verhältnis zu den Schwiegersöhnen bisher mit deren Fußballleidenschaft begründet hatten, verschoben das Familienessen auf die Zeit nach der Übertragung der Spiele, um diese persönlich verfolgen zu können.

    Dieser Eindruck einer emotionalen Involviertheit ist mittlerweile auch mit Zahlen zu belegen: Das Meinungsforschungsinstitut Emnid hat mittels einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass das Interesse an Fußballländerspielen nahezu gleich auf beide Geschlechter verteilt ist: 51 Prozent der befragten Frauen (und 52 Prozent der Männer) gaben an, gern wichtige Begegnungen wie etwa jene bei Europa- und Weltmeisterschaften zu verfolgen. Anders sieht es bei Bundesligaspielen aus: Genau die Hälfte der Männer schaut sich diese häufig im Fernsehen an, aber nur 18 Prozent der Frauen.

    Frauen haben also ihr Interesse am Fußball entdeckt, zumindest an großen Turnieren wie der bevorstehenden Europameisterschaft, und sie haben auch einen anerkannten Platz für dieses emotionale Engagement gefunden, der ihnen von den Hütern der Spielkultur in der Vergangenheit verweigert worden war: Männer wehren das Interesse der Frauen eigenartigerweise nicht mehr ab; sie sind über dieses Vordringen in der Regel nicht verstört.

    Zwar haben Frauen nach wie vor kein Recht auf ernst zu nehmende Kommentare, finden mit ihren Bemerkungen kaum nennenswertes Gehör, aber sie haben mit ihrem Interesse offensichtlich eine Rolle gefunden, die eine andere als jene der Männer ist. Und es lässt sich annehmen, dass insbesondere ein kontinentales Fußballturnier wie die EM eine spezielle weibliche Perspektive auf das Spiel ermöglicht. Aber welche?

    Die Nationalspieler entsprechen dem Männerbild ihres Landes

    Unabhängig davon, wie erfolgreich die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ist, sehen Frauen lieber die Spiele des Männerteams. Wenn Frauen Männern zusehen, ist dies etwas anderes, als wenn Männer dem Spiel anderer Männer beiwohnen. Man braucht kein Spezialist der Geschlechterforschung zu sein, um die Eigentümlichkeiten des weiblichen Blicks auf spielende Männer zu erfassen. Während Männer beim Turnier der besten Nationalmannschaften in erster Linie auf deren Spielweisen achten, sehen Frauen erst einmal darauf, wie die Männer aus den verschiedenen Ländern auftreten. Nicht, was sie tun, ist hauptsächlicher Gegenstand ihres Interesses, sondern wie sie es tun: wie sie sich bewegen, mit anderen umgehen, sich darstellen, ihre Rolle ausfüllen, kurz, welche Art Männlichkeit sie im Spiel präsentieren.

    Für das Interesse an Männlichkeit stellt eine Europameisterschaft ein großes Theater dar, auf dem die unterschiedlichen nationalen Ausprägungen zu besichtigen sind. Jedes Team hat seine Leitfiguren, Präferenzen und seinen Stil, mit dem es sich gegen die anderen Mannschaften durchsetzen will: die Franzosen mit ihrem ebenso virtuosen wie knochenharten Zinedine Zidane, die Italiener mit ihren eleganten Spielern wie Francesco Totti und Alessandro DelPiero, die Engländer mit ihrem genialen Popstar David Beckham, die Portugiesen mit ihrem elegischen und inspirierten Luís Figo. Und dann sind da noch die Deutschen – es sind unsere Spieler, Frauen sagen: »unsere Jungs«.

    Von unseren Jungs ähnelt kaum einer den Stars aus anderen Ländern – sie entsprechen dem Männerbild unseres Landes. Sie stellen die Art von Männern dar, die einem hier auf der Straße, in Cafés, in Discos und auf Sportplätzen begegnen. Mit ihnen sind die zuschauenden Frauen vertraut; sie entsprechen den Männern, mit denen sie ausgehen und die sie heiraten. Die sind oft ähnlich unspektakulär wie Dietmar Hamann.

    Von den fremden Herren mag große Anziehungskraft ausgehen, aber »unsere Jungs« stehen für das Eigene der Gruppe, zu der die Frauen gehören und dem sie im wahren Leben in ihrer überwältigenden Mehrheit den Vorzug geben. Diese Männer haben sich in unserer Nationalelf gegen die Männlichkeit aus den anderen Ländern zu behaupten. Es mag sein, dass sie nicht so gut aussehen wie die Spieler aus der Fremde, aber sie gewinnen ihre Attraktivität aus der Aufgabe, dass sie für uns gewinnen sollen. Sie repräsentieren unser Land und damit auch dessen Männer.

    Von den Frauen wird diese Repräsentation anders empfunden als von den Männern. Wenn Männer über ein Länderspiel diskutieren, ist jeder von ihnen ein potenzieller Spieler: Er hätte in dieser Situation abgegeben, anstatt zu schießen; in einem anderen Moment hätte er einen langen Pass gespielt, er hätte den freien Mitspieler gesehen… Und wenn das Spiel perfekt war, erkennt er an, dass er es auch nicht besser gemacht hätte. Gerade weil Männer in ihrer Einbildung mit der Nationalelf auf dem Platz stehen, weil sich beim Zusehen ihre Beinmuskulatur spannt und sie Fußstöße unter dem Tisch vollführen, bedeutet für sie die Repräsentation durch die deutsche Elf ein stellvertretendes Handeln an der Stelle jener Millionen von imaginären Spielern, die im Prinzip auch hätten auflaufen können. Umso schlimmer, wenn diese Stellvertretung kläglich scheitert! Wenn der ganze Wille, das Engagement und Feuer der vor dem Bildschirm Sitzenden die wirklichen Spieler nicht erreichen!

    Frauen sehen diese Situation anders: Sie spielen nicht in Gedanken mit – ihre Beziehung zu den Nationalspielern ist die von Betrachterinnen. Sie wollen sehen, wie sich ihre Jungs schlagen, ob sie gegen die anderen Männer, die nicht uninteressant aussehen, standhalten können. Auch in ihrer Perspektive gibt es ein Stellvertretung: Die Spieler auf dem Rasen tun stellvertretend das, was die Männer der Gruppe, deren weiblicher Teil sie sind, zu tun haben. Sie zeigen ihnen, dass sie sich für ihre Frauen anstrengen, dass sie ihnen nicht nur gefallen wollen, sondern dass sie besser sind als die anderen Männer.

    Frauen wollen stolz auf ihre Jungs sein; daher müssen ihnen diese beweisen, dass sie ihre Zuneigung und Begeisterung verdienen. Als Teil der Gruppe, die durch das Spiel ihrer Stellvertreter erhoben oder gekränkt wird, sind sie freilich nicht in der Rolle von Richterinnen, die ein unerbittliches Urteil fällen und die Jungs bei einer Niederlage im Stich lassen, womöglich sogar zu den Gegnern überlaufen würden. Ihre emotionale Qualität ist die Treue, die sie für ihre Gruppe empfinden. Wenn die Spieler alles gegeben haben und es dennoch nicht gereicht hat, sind Frauen in aller Regel die ersten, die diese Schwäche verzeihen. Dieses Phänomen gilt für Gruppen unterschiedlichster Art und Größe, angefangen mit Klassen- und Schulmannschaften.

    Mit ihrem Wunsch, die Männer der eigenen Gruppe siegen – zumindest: sich verausgaben – zu sehen, fügen die Zuschauerinnen dem Fußballgeschehen einen Aspekt hinzu, der Männern im Allgemeinen nicht bewusst ist. Das Fußballspiel besitzt eine Tiefendimension, in der die Frauen der eigenen Gruppe eine versteckte Präsenz erhalten. Wenn man es unter dem Gesichtspunkt des Geschlechterverhältnisses betrachtet, entdeckt man in ihm eine untergründige Mythologie, in der diese exklusiv männliche Praxis als ein Spiel um Frauen erscheint. Kein Spieler oder Zuschauer macht sich die symbolische Bedeutung des Geschehens auf dem Rasen klar; aber die Tatsache, dass ihnen die mythische Dimension ihres eigenen Spiels entgeht, hindert sie nicht daran, diese mit ihren Handlungen zu verwirklichen. Man stößt auf die versteckte Bedeutung des Fußballs am besten, wenn man die Symbolik des Tores erschließt.

    Das Tor im Fußballspiel ist eine Art großer Eingang mit einer durch einen Kreidestrich markierten Schwelle. Dahinter liegt ein mit Netzen abgetrennter Raum. Dieser kleine Innenraum am Ende des Spielfeldes muss um jeden Preis geschützt werden. In diesen versucht der Gegner mit Gewalt oder mit List und Tücke den Ball eindringen zu lassen. Der Ball muss mit einer ganzen Umdrehung hinter die Linie gebracht werden, erst dann ist das Eindringen vollendet. Die eigene Mannschaft verteidigt die Linie, die Schwelle; sie bildet eine Abwehr, die den Ball nach vorn zu einem Gegenangriff spielt. Ihre Stürmer versuchen ihrerseits, das Tor des Gegners in Gefahr zu bringen, den Ball im Netz zu »versenken«, ihn »reinzuhauen« oder »über die Linie zu drücken«, kurz, die Unberührtheit des Innenraums zu zerstören.

    Fußball ist symbolische Befleckung – das Tor muss rein gehalten werden

    Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Torwart: Er hütet den Innenraum hinter der Schwelle. Dabei fällt ihm das Vorrecht zu, als einziger Spieler die Hände zu benutzen. Sein Körper ist unter einen besonderen Schutz gestellt. Wenn er versagt und überwunden wird, wenn der Ball »die Linie überschreitet«, wird dies als ein Akt der Schande empfunden, ein Begriff, der auf Stürmer selten angewandt wird. Der Torwart hat nicht gehalten; sein Gehäuse nicht rein gehalten, es ist beschmutzt worden. Ein Torwartfehler ist eine »Katastrophe«, unentschuldbar – diese Überhöhung des eigenen Tuns pflegt nicht zuletzt Oliver Kahn, und er scheint sich selbst daran zu zermürben.

    Die Metaphorik der Fußballsprache ist voller Zweideutigkeiten, die über das rein sportliche Geschehen hinausdeuten: Der Torwart ist der Hüter des Hauses. Auch der Trainer der brasilianischen Weltmeistermannschaft von 2002, Luiz Felipe Scolari, stellt in seiner Strategie das eigene Tor in den Mittelpunkt. »Mein Prinzip lautet: Ein gut aufgeräumtes Haus legt den Grundstein für einen Sieg«, sagte er in einem Interview. Das Tor ist der Ort, an dem es für die Mannschaft um ihren wichtigsten Wert geht, die Ehre, die Reinheit. Wie diese auch immer gedeutet wird, sie ist ein höheres Gut, das dem Haus mit Gewalt genommen, ihm geraubt wird. Fußball organisiert eine symbolische Befleckung. Parallel zu den Aktionen auf dem Rasen veranstalten die Fans auf den Stehplatzrängen in den Kurven ein ähnliches Spektakel, indem sie in das Territorium der Anhänger des Gegners eindringen, es mit ihren Füßen betreten, beschmutzen, bespucken und darauf urinieren.

    In der Mythologie des Tores wird die Metapher des Hauses der Familie entwickelt, das die Männer zu hüten haben. Ihre Aufgabe ist der Schutz des Ortes, an dem sich – zumindest in der Tradition – die weiblichen Mitglieder der Familie aufhalten. Dies gibt dem Wunsch der Frauen, sie mögen durch die Nationalspieler würdig vertreten werden, einen tieferen Sinn. Ein solches Verhältnis zum Fußball kann nur bei der Nationalelf eintreten, weil diese die ganze Gruppe vertritt, zu der auch sie gehören. Und gerade im Spiel der deutschen Mannschaften ist die Sicherung des eigenen Tores immer als die wichtigste Aufgabe aufgefasst worden. Zum Mythos des deutschen Fußballs gehört, dass selbst in den schlechtesten Zeiten der Nationalauswahl das Tor von einem Hüter bewacht wird, der an Verlässlichkeit schwer zu überbieten ist.

    Im Wettstreit der Nationalmannschaften werden Zuschauern und Betrachterinnen Möglichkeiten der Stellvertretung angeboten, die wir aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben nicht kennen. Als eine Form der Repräsentation, die über geschlechtliche Zugehörigkeit funktioniert, öffnet sie Männern und Frauen je einen eigenen Zugangsweg. Dass dieser mit sexuellen Symboliken markiert wird, über die niemand spricht, die sich aber in den Emotionen der Beteiligten ausdrücken, fügt dem Spiel mit dem Fuß eine unvermutete Attraktivität hinzu.


    Gunter Gebauer ist Professor für Philosophie und Sportsoziologie an der Freien Universität Berlin. Mit Essays und wissenschaftlichen Arbeiten zu soziologischen Problemen des Sports verschaffte er sich weltweit Anerkennung

    Link zum Zeit-Artikel

    Wie stehen eure Frauen, LAGs und Freundinnen wohl zu dem Thema?

  2. #2
    Irgendwie zweitklassig
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    Ich habe im Moment keine Frau

    Aber selbst wenn meine Partnerin die EM schauen möchte, würde ich ihr absagen, weil das einfach eine Sache unter uns Männern (Freundeskreis) ist.

    PS: Nach etwa 5 Zeilen hatte ich ein Erlbenis, was sich Sekundenschlaf nennt... ich habe nicht den ganzen Text gelesen...
    Ozeman

  3. #3
    ...
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    Echt nen süßer Artikel. Hab mich köstlich amüsiert. Aber ob das nu wirklich der wahre Kern für das Frauenzugucken ist, kann ich bei weitem nicht beurteilen.
    Auf jeden Fall eine passende Lektüre um fröhlich ins Bett zu kriechen.

  4. #4
    bumvoll Avatar von absolut vodka
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    Zitat Zitat von Ozeman
    Ich habe im Moment keine Frau

    Aber selbst wenn meine Partnerin die EM schauen möchte, würde ich ihr absagen, weil das einfach eine Sache unter uns Männern (Freundeskreis) ist.

    PS: Nach etwa 5 Zeilen hatte ich ein Erlbenis, was sich Sekundenschlaf nennt... ich habe nicht den ganzen Text gelesen...
    Frauen eignen sich dabei doch herllich als Bediense/Kellnerin.
    Salem 'Aleikum

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