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Thema: Hast du die Bibel je selbst gelesen?

  1. #4066
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Wenn Asaph von David eingesetzt wurde, haben die Korahiten-Psalme jetzt vielleicht erstmal ein Ende? Eine inhärente Struktur bei den Psalmen ist mir bislang noch nicht aufgefallen. Jetzt sind wir wieder bei David selbst.

    Psalm 51


    Achtung Spoiler:
    1 Dem Musikmeister; ein Psalm von David,
    2 als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er sich mit Bathseba vergangen hatte.
    3 Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Güte! Nach deinem großen Erbarmen tilge meine Vergehen!
    4 Wasche völlig mir ab meine Schuld und mache mich rein von meiner Missetat!
    5 Ach, ich erkenne meine Vergehen wohl, und meine Missetat steht mir immerdar vor Augen!
    6 Gegen dich allein hab’ ich gesündigt und habe getan, was böse ist in deinen Augen, auf daß du recht behältst mit deinen Urteilssprüchen und rein dastehst mit deinem Richten.
    7 Ach, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat meine Mutter mich empfangen.
    8 Du hast Gefallen an Wahrheit im innersten Herzen, und im Verborg’nen läßt du mich Weisheit erkennen.
    9 Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde, wasche mich, daß ich weißer werde als Schnee.
    10 Laß mich (wieder) Freude und Wonne empfinden, daß die Glieder frohlocken, die du zerschlagen.
    11 Verhülle dein Antlitz vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetaten!
    12 Schaffe mir, Gott, ein reines Herz und stell’ einen neuen, festen Geist in meinem Innern her!
    13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht weg von mir!
    14 Gib, daß ich deiner Hilfe mich wieder freue, und rüste mich aus mit einem willigen Geist!
    15 Dann will ich die Übertreter deine Wege lehren, und die Missetäter sollen zu dir sich bekehren.
    16 Errette mich von Blutschuld, o Gott, du Gott meines Heils, damit meine Zunge deine Gerechtigkeit jubelnd preise!
    17 O Allherr, tu mir die Lippen auf, damit mein Mund deinen Ruhm verkünde!
    18 Denn an Schlachtopfern hast du kein Gefallen, und brächte ich Brandopfer dar: du möchtest sie nicht.
    19 Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochner Geist; ein zerbrochnes und zerschlagnes Herz wirst du, o Gott, nicht verschmähen. –
    20 Tu doch Gutes an Zion nach deiner Gnade: baue Jerusalems Mauern wieder auf!
    21 Dann wirst du auch Wohlgefallen haben an richtigen Opfern, an Brand- und Ganzopfern; dann wird man Farren opfern auf deinem Altar.


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Bathseba war die Frau, die David hat freveln lassen. Dementsprechend klingt David sehr reumütig und benutzt viele Ausrufezeichen. Außerdem viele "Reinheits"-Begriffe:
      • Wasche ab (V. 4, 9)
      • Rein werden (V. 9)
      • Weißer als Schnee (V. 9)

    • Ganz nett finde ich, dass David "rein gewaschen" werden will - da Bathseba ihn ja beim Baden (badseba, kann man sich gut merken ) rallig gemacht hat.
    • Vers 6: David hat ja auch gegen Bathsebas Mann gesündigt
    • Wissen wird etwas über Davids Mutter (Vers 7)? Sein Vater war ja der Es-ist-ein-Ros-entsprungen-Jesse.
    • Während David zunächst um Reinigung bittet, bittet er Gott dann darum, Davids Sünden zu übersehen (V. 11) und klingt dann beinahe flehentlich ("nimm deinen heiligen Geist nicht weg on mir!", V. 13), bevor er seine Dienste anbietet (Vers 15). Das wirkt auf mich so, als sei eine bloße Reinigung nicht möglich (er kann ja auch schlecht ungeschehen machen, was er tat). David realisiert das und bittet um Vergebung, ist auch bereit, etwas dafür zu. Bis Vers 15 inszeniert er sich eher passiv (Schuld im Bezug auf die Geburt, er richtet seine Bitten direkt an Gott).
    • Die Verwendung des Begriffes "Geist" sticht heraus:
      • V. 13: der heilige Geist soll nicht weggenommen werden
      • V. 14: David will mit einem willigen Geist gerüstet werden
      • V. 19: ein zerbrochner Geist ist ein Opfer, das Gott gefalle (das klingt ziemlich übel )

    • Dabei sind sich die Übersetzungen auch einig (nur bei Luther ist der "zerbrochene" ein "geängstigter" Geist)
    • Ein Farre ist ein junger Stier (V. 21). Ist Vers 21 nicht ein Widerspruch zu Vers 17 (und dem, was wir vor Kurzem lasen)? Gott mag keine (Schlacht-)Opfer, warum sollte er an "richtigen Opfern" gefallen finden?
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  2. #4067
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Psalm 51 ist einer der bekanntesten Davidspsalmen.

    Zum Geist: David hat (berechtigte) Angst, dass Gott den Heiligen Geist von ihm wegnimmt. Im Alten Testament hatten ja nur wenige auserwählte Menschen Gottes Geist. Und David war einer von ihnen. Aber er hatte miterlebt, wie Gottes Geist von Saul gewichen war und stattdessen ein böser Geist Einzug gehalten hatte. Der Grund dafür war Sauls Ungehorsam gegenüber Gott. David steht in dieser Situation steht an der gleichen Position, wie vorher Saul. Und deswegen bittet er, dass Gottes Geist bleibt.

    Der Zerbrochene Geist ist ein anderer Geist, nämlich der menschliche, der hier Buße und Umkehr tun soll. Nämlich von dem verkehrten Weg. Und dieser verkehrte Weg ist: "Ich darf als König mir einfach jede Frau nehmen, die ich will. Und wenn jemand das aufdecken will, dann vertusche ich es und schrecke nicht vor einem Auftragsmord zurück." Der "zerbrochene Geist" klingt in Worten also erst mal übel, aber in Realität ist es was ziemlich Gutes: David, der Verbrecher, ändert sein Denken und Handeln.

    David ist in der Bibel eine der am positivsten bewerteten Personen. Aber was unterscheidet ihn eigentlich überhaupt von Saul oder anderen Königen? Alle hatten irgendwo große Scheiße gebaut. Saul wollte seine Schuld unter den Teppich kehren. ("Wenn nur das Volk nichts merkt", sagt er zu Samuel.) David war einer der wenigen, der seine Schuld voll zugegeben hat und das kommt in diesem Psalm am deutlichsten zum Ausdruck. Und an diesem Punkt soll er uns als Vorbild dienen. (Ich würde mir so ein Geständnis ja auch heutzutage von manchem Politker wünschen....)


    edit: Fröhliche Weihnachten allen.
    Geändert von Der Kantelberg (25. Dezember 2021 um 19:43 Uhr)
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

    Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.


  3. #4068
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    Von mir auch frohe Weihnachten!

    Ich halte es übrigens schon für denkbar, dass einige Politiker auch heute noch ihre Sünden vor Gott bringen.

  4. #4069
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    Diesen Bußpsalm 51 empfand ich schon immer als besonders eindringlich und anspruchsvoll.
    Nach einer Abfolge von Reue und Bewußtmachung der eigenen Sünde und Wegen der Entsündigung folgt es dann vorallem auch andere Menschen zur Umkehr zu bewegen. Wesentlich bleibt aber, dass Gott bei der Vergebung der Aktive ist.

    Vers 7 ist ist wohl von Bedeutung für die Festigung der Idee der Erbsünde?

    Frohe und gesegnete Weihnachten!

    PS: Ich denke auch, dass gewisse Demut (und gegebenenfalls Schuldeingeständis) gerade in der Politik wichtig (und anerkennenswert) ist.
    Geändert von Tochtli (26. Dezember 2021 um 21:15 Uhr)

    "Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende."
    John F. Kennedy
    "Nationalismus und Egoismus dürfen nie wieder eine Chance in Europa haben - sondern Toleranz und Solidarität sind unsere gemeinsame Zukunft."
    Angela Merkel vor dem EP in Straßburg am 13.11.18
    "Wenn Europa scheitert, scheitert auch das "Nie wieder!""
    Frank-W. Steinmeier am 8.Mai 2020

  5. #4070
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Frohe Weihnachten!

    In der nächsten Woche geht es dann wohl auch wieder regelmäßiger hier weiter

  6. #4071
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.MENG.EU/Psalm52

    Psalm 52


    1 Dem Musikmeister; ein Lehrgedicht Davids, 
    2 als der Edomiter Doeg kam und dem Saul die Meldung brachte, David sei in das Haus Ahimelechs gekommen.
    3 Was rühmst du dich der Bosheit, du Gewaltmensch? Gottes Gnade währet alle Zeit. 
    4 Auf Unheil sinnt deine Zunge wie ein scharfes Schermesser, du Ränkeschmied!
    5 Du liebst das Böse mehr als das Gute, sprichst lieber Lügen als Gerechtigkeit. SELA.
    6 Du liebst nur unheilvolle Reden, du trügerische Zunge! 
    7 So wird denn Gott dich auch vernichten für immer, dich wegraffen und herausreißen aus dem Zelt, dich entwurzeln aus der Lebenden Land! SELA. 
    8 Die Gerechten werden es sehn und sich fürchten, über ihn aber spotten: 
    9 »Seht, das ist der Mann, der nicht Gott zu seiner Schutzwehr machte, vielmehr sich verließ auf seinen großen Reichtum und stark sich dünkte durch seine Bosheit!« 
    10 Ich aber bin wie ein grünender Ölbaum im Hause Gottes, ich vertraue auf Gottes Gnade immer und ewig. 
    11 Preisen will ich dich immer, denn du hast’s vollführt, will rühmen deinen Namen, daß er so herrlich ist, vor deinen Frommen.

    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Bei Elberfelder wird "Lehrgedicht" mit "Maskil" übersetzt. Das klingt irgendwie fancy. Ist aber offenbar ein "Gelehrter, Aufklärer im Judentum"
    • Die Übersestzung des "Gewaltmenschen" ist auch super: die reicht von "Starker Held" (EU) bis zu "Tyrann" (Luther). In der Vulgata steht da "potens" (Mächtiger).
    • Der Rest des Psalms scheint mir eine Wertung des Lehrgedichtenden (also Davids) zu sein. Hat Saul die Priester dann nicht auch einfach umbringen lassen...? Die Gelegenheit wird dann direkt genutzt, sich als Gegenstück ("ich vertraue auf Gottes Gnade") zu präsentieren
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  7. #4072
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Psalm 53

    1 Dem Musikmeister, nach (der Singweise = Melodie) »die Krankheit«; ein Lehrgedicht von David.
    2 Die Toren sprechen in ihrem Herzen: »Es gibt keinen Gott«; verderbt ist ihr Tun, abscheulich ihr Freveln: da ist keiner, der Gutes täte.
    3 Gott schaut hernieder vom Himmel aus nach den Menschenkindern, um zu sehn, ob da sei ein Verständiger, einer, der nach Gott fragt.
    4 Doch alle sind sie abgefallen, insgesamt entartet; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.
    5 Haben denn keinen Verstand die Übeltäter, die mein Volk verzehren? Die Gottes Brot wohl essen, doch ohne ihn anzurufen?
    6 Damals gerieten sie in Angst und Schrecken, ohne daß Grund zum Erschrecken war; denn Gott zerstreute die Gebeine deiner Belagerer; du machtest sie zuschanden, denn Gott hatte sie verworfen.
    7 Ach, daß doch aus Zion die Rettung Israels käme! Wenn Gott einst wendet das Schicksal seines Volkes, wird Jakob jubeln, Israel sich freuen!

    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Wir hätten mal mitschreiben müssen, wie die ganzen Lieder heißen. "Die Krankhei" () kam glaub ich noch nicht vor. Interessanterweise merkt Elberfelder an: "Al-Machalath - ein nicht mehr verständlicher Hinweis auf Melodie, Darbietung o. Begleitung des Psalmes." Wissen die anderen Übersetzer etwas, dass Elberfelder nicht wusste? Bei Luther steht: "zum Reigentanz"
    • Inhaltlich ist der Psalm recht unspektakulär (Frevler machen Frevler-Sachen). Aber wenn man die Übersetzungen nebeneinander legt, fallen ein paar Sachen auf:
      • In Vers 2 wird z.B. bei Luther mit "Es ist kein Gott" übersetzt. Inhaltlich kein wirklich großer Unterschied, aber irgendwie hat die Formulierung was
      • Der Brotvers (V. 5) ist besonders interessant: bei Luther gibt es kein Brot (da nähren sich die Übeltäter, rufen Gott aber nicht an). Bei Elberfelder und EU fressen sie das Volk, als äßen sie Brot. Bei Menge verzehren sie das Volk und essen Gottes Brot.
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  8. #4073
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Psalm 54

    1 Dem Musikmeister, mit Saitenspiel; ein Lehrgedicht Davids,
    2 als die Siphiter kamen und zu Saul sagten: »Weißt du nicht, daß David sich bei uns verborgen hält?«.
    3 Hilf mir, o Gott, durch deinen Namen und schaffe mir Recht durch deine Kraft!
    4 Höre, o Gott, mein Gebet, vernimm die Worte meines Mundes!
    5 Denn Freche haben sich gegen mich erhoben, und Gewalttätige trachten mir nach dem Leben: sie haben Gott sich nicht vor Augen gestellt. SELA.
    6 Ich weiß: Gott ist mir ein Helfer, der Allherr ist meiner Seele Stütze.
    7 Das Böse wird auf meine Feinde zurückfallen: nach deiner Treue vernichte sie!
    8 Dann will ich mit Freuden dir Opfer bringen, will preisen deinen Namen, o HERR, daß er gütig ist;
    9 denn er hat mich aus aller Bedrängnis errettet, und an meinen Feinden hat mein Auge sich geweidet.

    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Einmal mehr kann ich hier inhaltlich nicht viel zu sagen (David bittet halt um Hilfe und verspricht dafür Opfer)
    • Amüsiert hat mich aber die Übersetzung in Vers 5 mit "Freche". Das klingt so niedlich.
      Bei den anderen Übersetzungen ist 2x von Fremden die Rede (Elberfelder, EU) und 1x von Stolzen (Luther). In der Vulgata: alieni (Fremde, aber auch Feindselige)
    • Die Formulierung "der Allherr ist meiner Seele Stütze" hat was. Die moderneren Übersetzungen (Luther, EU) verwenden hier aber "Leben" anstelle von "Seele". Da hatten wir weit am Anfang der Story ja auch mal die Diskussion, wie der Begriff "Seele" im biblischen Kontext einzuordnen ist.
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  9. #4074
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Psalm 55

    Achtung Spoiler:
    1 Dem Musikmeister, mit Saitenspiel, ein Lehrgedicht von David.
    2 Vernimm, o Gott, mein Gebet und verbirg dich nicht vor meinem Flehen!
    3 Merke auf mich und erhöre mich! Ich schwanke in meinem Kummer hin und her und stöhne
    4 ob dem Lärmen der Feinde, ob dem Toben der Frevler; denn sie wälzen Unheil auf mich und befehden mich wütend.
    5 Das Herz ängstigt sich mir in der Brust, und die Schrecken des Todes haben mich befallen;
    6 Furcht und Zittern kommt mich an, und ein Schauder überläuft mich.
    7 So ruf ich denn aus: »O hätt’ ich doch Flügel wie die Taube! Ich wollte fliegen, bis ich irgendwo Ruhe fände.«
    8 Ja weithin wollt ich entfliehen, in der Wüste einen Rastort suchen; SELA.
    9 nach einem Zufluchtsorte für mich wollt’ ich eilen schneller als reißender Wind, als Sturm!
    10 Vernichte, Allherr, entzweie ihre Zungen! Denn ich sehe Gewalttat und Hader in der Stadt.
    11 Man macht bei Tag und bei Nacht die Runde um sie auf ihren Mauern, Unheil und Elend herrschen in ihrer Mitte.
    12 Heilloses Treiben besteht in ihrem Innern, und von ihrem Marktplatz weicht nicht Bedrückung und Trug.
    13 Denn nicht ein Feind ist’s, der mich schmäht – das wollt’ ich ertragen; nicht einer, der mich haßt, tut groß gegen mich – ich würde vor ihm mich verbergen;
    14 nein, du bist’s, ein Mann meinesgleichen, mein Freund und trauter Bekannter,
    15 die wir innigen Verkehr miteinander pflegten, zum Hause Gottes schritten im Festgetümmel.
    16 Möge der Tod sie ereilen, mögen sie lebend zur Unterwelt fahren! Denn Bosheit herrscht in ihrer Wohnstatt, in ihrem Herzen.
    17 Ich aber rufe zu Gott, und der HERR wird mir helfen.
    18 Abends und morgens und mittags will ich klagen und seufzen, so wird er mein Flehen vernehmen.
    19 Er wird meine Seele erlösen zum Frieden, so daß sie nicht an mich können; denn ihrer sind viele gegen mich.
    20 Gott wird mich hören, wird sie demütigen (ihnen Antwort geben), er, der von alters her auf dem Throne sitzt; SELA. sie wollen sich ja nicht ändern und Gott nicht fürchten.
    21 Er hat die Hand an seine Freunde gelegt, hat seinen Bund entweiht.
    22 Glatt sind die Schmeichlerworte seines Mundes, aber Krieg ist sein Sinnen; linder sind seine Reden als Öl, und sind doch gezückte Schwerter.
    23 Wirf auf den HERRN deine Bürde: er wird dich aufrecht erhalten; er läßt den Gerechten nicht ewig wanken.
    24 Ja du, Gott, wirst sie stürzen in die Tiefe des Grabes; die Männer des Blutvergießens und des Truges werden ihre Tage nicht auf die Hälfte bringen. Ich aber vertraue auf dich!


    Bemerkungen/ Gedanken:
    • David bringt auch immer die gleiche Leier
    • Vers 7 sticht für mich heraus, das Bild finde ich ganz nett. Außerdem ist durch die Noah-Erzählung die Taube ja ein Symbol für Frieden, den Gott mit der Menschheit/ Welt geschlossen hat. Das schwingt hier mit, wenn David sich nach Frieden sehnt und seine Bitte an Gott richtet.
    • Ist David nicht ne Zeit lang wirklich in der Wüste untergekommen und hat sich da in ner Höhle versteckt?
    • "Entzweie ihre Zungen" in Vers 10 wird bei Luther mit "verwirre ihre Sprache" übersetzt. Das lässt mich an den Turmbau zu Babel denken und tatsächlich sind die, über die sich David beklagt, auch im Besitz eines Bauwerks (der Stadt). Eine bewusste Parallele? Er soll verfahren wie mit denen, die schonmal übermütig wurden?
    • In Vers 14 hab ich mich zuerst gewundert, an wen sich das richtet. Ich vermute, dass das als Apostrophe für einen unbekannten/ archetypischen ehemaligen Freund Davids steht.
    • "Abends und morgens und mittags" (V. 18) ist ein eher lames Trikolon für "die ganze Zeit über", aber mich wundert hier die Reihenfolge: ich hätte morgens, mittags, abends erwartet. Aber war es nicht so, dass der Tag im Jüdischen abends beginnt? Dann würde das natürlich Sinn machen.
    • Der letzte Vers liest sich wie ein Fazit nach dem Klagen über die Feinde, vor denen David flieht: "Ich aber vertraue auf dich!"
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  10. #4075
    Zurück im Norden
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    Ps 55 wird ja als "Lehrgedicht Davids" bezeichnet, und ich meine mich zu erinnern, dass man die entsprechende Formulierung "Be'David" auch als "für David" (also als eine Art Zueignung) lesen könnte. In dem Fall sind in V 13-15 vielleicht auch ganz allgemein falsche Freunde gemeint, die einem Menschen zusetzen. In ihrer heutigen Form sind die im Psalmenbuch zusammengestellten Lieder und Gedichte ja bereits für einen allgemeinen Gebrauch vorgesehen und nicht bloß an eine bestimmte Situation gebunden.

    Zu V 18: Der Sabbat beginnt übrigens tatsächlich (wie später der christliche Sonntag) bereits am Vorabend. Vielleicht steht das tatsächlich dahinter, wenn es nicht bloß Zufall ist.

  11. #4076
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    Zufälle? In der Bibel? Niemals! Emoticon: cthulhu

    * * *

    Psalm 56

    Achtung Spoiler:
    1 Dem Musikmeister, nach »Die stumme Taube der Ferne«; ein Lied von David, als die Philister ihn in Gath festgenommen hatten.
    2 Sei mir gnädig, o Gott, denn Menschen stellen mir nach! Immerfort bedrängen mich Krieger.
    3 Meine Feinde stellen mir immerfort nach, ja viele sind’s, die in Hochmut mich befehden.
    4 In Zeiten, da mir angst ist, vertrau ich auf dich!
    5 Mit Gottes Hilfe werde sein Wort ich rühmen. Auf Gott vertrau’ ich, fürchte mich nicht; was können Menschen mir antun?
    6 Allzeit suchen sie meiner Sache zu schaden; gegen mich ist all ihr Sinnen gerichtet auf Böses.
    7 Sie rotten sich zusammen, lauern auf meine Schritte, dieweil sie nach dem Leben mir trachten.
    8 Ob der Bosheit zahle ihnen heim, im Zorn laß die Völker niedersinken, o Gott!
    9 Meines Elends Tage hast du gezählt, meine Tränen in deinem Krüglein gesammelt; ja gewiß, sie stehen in deinem Buche verzeichnet.
    10 So werden denn meine Feinde weichen, sobald (zu Gott) ich rufe; dessen bin ich gewiß, daß Gott mir beisteht.
    11 Mit Gottes Hilfe werde sein Wort ich rühmen, mit Hilfe des HERRN werde sein Wort ich rühmen.
    12 Auf Gott vertrau’ ich, fürchte mich nicht: was können Menschen mir antun?
    13 Mir obliegt es, dir, Gott, zu erfüllen meine Gelübde: Dankopfer ich will dir entrichten;
    14 denn du hast meine Seele vom Tode errettet, ja, meine Füße vom Straucheln, daß ich wandeln soll vor Gottes Angesicht im Lichte der Lebenden.


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • "Die stumme Taube der Ferne" klingt schön Auch schön: "Die stumme Taube unter den Fremden" (Luther) oder "Die Taube der fernen Inseln" (Elberfelder). Vielleicht ging ja musikalisch Davids Wunsch, zu einer Taube zu werden und weit weg zu fliegen, in Erfüllung
    • Durch das wiederholte Nachstellen in Vers 2 und 3 haben die Krieger David stilistisch schon umzingelt
    • Ansonsten weiterhin Gottvertrauen und Bitte um Niedersinken-Lassen. Vers 9 ist dann wieder spannend: das Krüglein wird z.B. in der EU mit "(Trink-)Schlauch" übersetzt. Als Bild dafür, dass Gott(?) sich von diesen tränkt, wär das schon ziemlich edgy. Die Tage des Elends sind auch mal Tage der Flucht, Heimatlosigkeit bzw. Wege des Elends. Im Kontext macht der Verweis auf Davids Dasein als Flüchtender für mich am meisten Sinn. Am interessantesten erscheint mir das "Buche", denn ich entsinne mich, dass meine kindliche Vorstellung von Gott diesem ein Buch zugeschrieben hat (vielleicht vom Weihnachtsmann übernommen). Oder es kommt von solchen Versen. In der Lutherbibel wird hier aber nur geschrieben "gewiss, du zählst sie"
    • Interessant ist auch, dass in Vers 11 (zum ersten Mal?) Gott und der HERR in einem Satz erwähnt werden. Könnte ne bloße Wiederholung sein, aber gab es im Hebräischen nicht auch verschiedene Gottesbegriffe?
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  12. #4077
    Zurück im Norden
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    HERR (oft in Großbuchstaben) ist in den meisten christlichen Übersetzungen des hebräischen AT die Wiedergabe des Tetragramms (JHWH/Jahwe). Das ist tatsächlich der Name, den Gott nach biblischer Sicht dem Volk Israel geoffenbart hat. Bei "Gott" steht im Original normalerweise "El" oder "Elohim", also sozusagen der Gattungsbegriff. Es gab im 20. Jh. für einige Zeit den Versuch, beide Bezeichnungen mit verschiedenen Quellenschichten in Beziehung zu setzen, die später redaktionell zusammengefügt wurden. Soweit ich weiß, hat man aber schon damals erkannt, dass dieses Vorgehen seine Schwächen hat und außerhalb des Pentateuch kaum mehr Ergebnisse liefert. In dem Fall dürfte es sicherlich ein Stilmittel sein, denn Vers 11 wird ja kaum von zwei ganz verschiedenen Autoren stammen.

    Wenn ein Journalist in einem Artikel über die Regierung mal von Kanzler Scholz und mal vom Regierungschef spricht, hat das ja normalerweise auch vorwiegend sprachliche Gründe.

  13. #4078
    der 397ste von 29355 Avatar von X_MasterDave_X
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    Zitat Zitat von Jon Snow
    Es gab im 20. Jh. für einige Zeit den Versuch, beide Bezeichnungen mit verschiedenen Quellenschichten in Beziehung zu setzen, die später redaktionell zusammengefügt wurden.
    Das wurde nicht erst seit dem 20. Jahrhundert vermutet sondern schon Jahrhunderte früher....siehe Henning Bernhard Witter (1711).

    Die Theorie vom „Jahwisten“ – er bekam diesen Namen, weil die ihm zugeordneten Textpassagen den Namen JHWH (יהוה, rekonstruierte Aussprache: „Jahwe“) für den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs schon vor der Offenbarung dieses Gottesnamens an Mose ((Exodus 3,15 EU)) verwenden – entstand mit der historisch-kritischen Erforschung der Bibel im 18. Jahrhundert, verlor aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts teilweise an Zustimmung in der alttestamentlichen Forschung

    Und wenn Wiki nicht total falsch liegt, ist die These daß der Pentateuch aus mehreren Text-/Bearbeitungsschichten oder Erzählsträngen stammt keinesfalls obsolet:

    Daher geht die jüngere Forschung oft nur noch von einer wirklichen Quelle innerhalb des Pentateuch aus, der Priesterschrift. Der Begriff Quelle setzt hier die Vollständigkeit der Erzählung voraus. So habe allein die Priesterschrift einen von der Erschaffung der Welt bis zur Landnahme reichenden durchgehenden Erzählfaden. Sie zeichnet sich durch eine klar erkennbare theologische Linie und wiederkehrende Formulierungen aus. Alle anderen Texte – auch die, die zuvor dem Jahwisten zugewiesen wurden – werden zu älteren oder jüngeren Redaktionen gerechnet oder als ältere Einzeltraditionen angesehen, die keinen gesamten Geschichtsverlauf erzählen. Statt von einem Jahwisten sprechen diese neueren exegetischen Entwürfe – etwa von Reinhard Gregor Kratz, Erhard Blum, Eckart Otto, Erich Zenger, Jan Christian Gertz, Konrad Schmid, Markus Witte – von „vor-“ oder „nicht-priesterschriftlichen Texten“.
    Kurzum, es gibt vielfach Streit wo die einzelnen Texte zuzuordnen sind, aber allen ist klar, dass sie aus mehreren Textschichten (sprich Redaktionen oder Erzählsträngen) stammt, also sicher nicht aus einem Guß, oder gar von einem historischen Moses stammt.

    Ein Teil der alttestamentlichen Forschung hält am Begriff Jahwist fest. Zum einen der Münchener Alttestamentler Christoph Levin, der den Jahwisten für eine (antideuteronomisch geprägte) Redaktionsschicht hält, die verschiedene Erzählkränze (Schöpfung, Abraham, Bileam und weitere) sammelt, sie zusammenarbeitet und so einen einheitlichen Erzählstrang von Gen 1 EU bis Num 24 EU, das „jahwistische Geschichtswerk“, kreiert.[20] Allerdings wird dieses im Gegensatz zur Einordnung durch die frühere Forschung eher spät datiert (im Umfeld des Babylonischen Exils). John van Seters geht einen anderen Weg und sieht im Jahwisten einen deuteronomisch geprägten, exilischen Historiker (ähnlich den griechischen Geschichtsschreibern Hesiod oder Herodot), der aus den umlaufenden Erzählungen Motive zusammenstellt und so seine Geschichte Israels schreibt. Die Priesterschrift ist für Van Seters hingegen eine Redaktionsschicht.
    Als Quelle für die 3 Zitate: https://de.wikipedia.org/wiki/Jahwist


    Natürlich wird dies von der katholischen Kirche bis heute nicht anerkannt:

    Die Päpstliche Bibelkommission bekräftigte 1906, dass Mose der Verfasser des Pentateuch sei und verwarf jede Form einer Urkundenhypothese (De mosaica authentia Pentateuchi).
    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Neuere_Urkundenhypothese


    Eine gute Zusammenfassung dazu, wem das Thema interessiert, und der aktuelle Foschungsstand:
    https://www.bibelwissenschaft.de/bib...es-pentateuch/

  14. #4079
    Registrierter Benutzer Avatar von Jerry Demmings
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Wenn ein Journalist in einem Artikel über die Regierung mal von Kanzler Scholz und mal vom Regierungschef spricht, hat das ja normalerweise auch vorwiegend sprachliche Gründe.
    Ich denke auch, dass es daran liegt. Gerade in den Psalmen wechselt meinem Eindruck nach recht häufig die Anrede auch innerhalb eines Verses zwischen Herr und Gott. Ob dieser Psalm als "zusammengesetzt" angesehen wird, müsste man natürlich in einem exegetischen Kommentar nachschlagen, wenn man es wirklich wissen wollte. (Will jemand? Die Bibliothek ist nicht so weit weg )

    Zitat Zitat von X_MasterDave_X Beitrag anzeigen
    Natürlich wird dies von der katholischen Kirche bis heute nicht anerkannt
    Jaja, heute, 1906, da sitzen wir echt noch in einem dunklen Loche. Wann wird Pius X. endlich aufgeben? Einfach schrecklich!
    Zitat Zitat von Meister Wilbur
    Junge lies doch mal! Es geht um Katholiken und nicht irgendwelche Ketzer!

  15. #4080
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    Jerry: Wenn du ohne große Mühe im Vorbeigehen mal reinschauen willst, wäre ich interessiert.

    Zitat Zitat von X_MasterDave_X Beitrag anzeigen
    Eine gute Zusammenfassung dazu, wem das Thema interessiert, und der aktuelle Foschungsstand:
    https://www.bibelwissenschaft.de/bib...es-pentateuch/
    Vielleicht verstehe ich da etwas falsch, aber da steht doch (natürlich ausführlicher und kenntnisreicher) das, was ich zum Thema von Jahwist und Elohist geschrieben habe:

    "Am Ende des letzten Jahrhunderts [gemeint ist hier offenbar das späte 19. Jh.] wurde dann als erster Konsens von Julius Wellhausen die neuere Urkundenhypothese formuliert, die für alle folgenden Überlegungen den Bezugsrahmen darstellte: Danach bildeten zwei wegen des verwendeten Gottesnamens Jahwist (J) und Elohist (E) genannte Quellen den Grundstock des Pentateuch. [...] In den letzten Jahrzehnten wurde der in dieser Theorie formulierte Konsens weitgehend aufgegeben. [...] Die Datierung [des Jahwisten] in das 9.Jh. ist aufgegeben worden, man setzt diese Quelle jetzt vielfach kurz vor dem Exil, exilisch oder noch später an. Das Siglum "J" wird bei E. Zenger jetzt für ein neu angenommenes Jerusalemer Geschichtswerk verwendet, das erstmals Väter- und Exodusüberlieferungen zusammenstellte. Manche Forscher gehen inzwischen davon aus, dass es eine umfassende Quelle "J" gar nicht gegeben hat. [...] Die früher der Quelle E zugeschriebenen Texte werden von den meisten Forschern nicht mehr als Hinweis auf ein eigenes Werk gesehen, sondern als eine Ergänzungsschicht zu J aufgefasst, wobei auch hier wieder ältere Stoffe aufgenommen wurden. Die Datierung dieser Redaktionsarbeit ist damit abhängig von der jener Quelle."

    Und als Fazit: "Es ist also alles noch viel schwieriger, als bisher angenommen." Die auf den ersten Blick recht charmante und eben auch sehr leicht durchführbare Unterscheidung zweier Quellen anhand der Gottesbezeichnung scheint also nicht mehr Stand der Forschung zu sein.

    Die Formulierung "Mit Gottes (Elohims?) Hilfe werde sein Wort ich rühmen, mit Hilfe des HERRN [JHWH] werde sein Wort ich rühmen" in Psalm 56 kann also mit einer gewissen Berechtigung als Stilmittel angesehen werden. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen.

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