Keine Ahnung. Also als sozialkritischer Prophet hat Amos schon eine gewisse Wirkung entfaltet. So wurde er beispielsweise von Thomas Müntzer recht häufig zitiert und auch von anderen kritischen Theologen oder Volkspredigern gern herangezogen. In der "klassischen" Ausgabe nach der hebräischen Fassung des AT ist es das dritte Buch nach Hosea und Joel. Ich könnte jetzt aber auch nicht alle kleinen Propheten aufzählen, vielleicht ist es auch ein wenig Zufall.
Ich kenne keinen kleinen Propheten.
Aber bei dem Namen waren die sicher toll.
Meine Liste:
- K
- T
- V
Dann bin ich mal gespannt, was uns da erwartet. Ca. in einem Jahr?
Das führt tatsächlich in eine recht aktuelle Debatte um die Frage, wie überhaupt staatliche Macht entstanden ist. Klassischerweise hat man sie mit den großen "Flusskulturen" an Nil, Euphrat//Tigris, Indus und Huang He in Verbindung gebracht. Man spricht hier von "Primärstaaten", bei denen sich die Staatsidee sozusagen "von selbst" ohne äußere Einflüsse entwickelt habe. Dieser Theorie nach erforderten die zahlreichen mit dem Getreideanbau an solchen Flüssen verbundenen Arbeiten (Kanalbau, Feldzuteilung, Hochwasserschutz, Schutz vor Nomaden und wilden Tieren etc.) eine zentrale Autorität, die schließlich mythisch überhöht wurde. Deshalb wurde der König dann auch als göttlich oder wenigstens als von einer Gottheit eingesetzt angesehen.
Nun gab es aber eindeutig schon in der Jungsteinzeit größere Gemeinwesen mit regem Handel und einer archäologisch fassbaren kulturellen Nähe, die man sich ohne eine gewisse Organisation nur schwer vorstellen kann. Einige Forscher sprechen beispielsweise von einer "Donauzivilisation" im 6. bis 4. Jahrtausend v. Chr., vor allem der Sprach- und Kulturwissenschaftler Harald Haarmann. Auch in Anatolien gibt es eindeutig Belege für verhältnismäßig dicht besiedelte "Städte" (aus heutiger Sicht natürlich größere Dörfer, aber doch ohne eine gewisse zentrale Planung kaum vorstellbar). Vielleicht hast du schon von Göbekli Tepe und Çatal Höyük in Anatolien gehört? Ersteres ist eine vermutlich aus dem 9. Jtsd. v. Chr. stammende große Anlage mit mehreren monumentalen Steinkreisen, letzteres eine jungsteinzeitliche Siedlung aus dem 8. Jtsd., die manchmal als "älteste Stadt der Welt" bezeichnet wird. Einige Archäologen deuten beide Anlagen (wie auch die Kultur oder die Kulturen im Donauraum) als Zeichen einer egalitären, nicht patriarchalen Gesellschaft. Es wurden offenbar bei den Häusern und bei Bestattungen keine Hinweise auf eine soziale Hierarchie gefunden. Es wird auch diskutiert, ob die Menschen wenigstens in Çatal Höyük vielleicht sogar im selben Raum lebten, höhere Mächte verehrten und auch (unter dem Boden) bestattet wurden, also gar keine Repräsentationsgebäude für ein "Stadtoberhaupt" kannten.
Wie gesagt, das ist alles noch ziemlich umstritten, und von vielen Fundorten ist bislang nur ein sehr kleiner Teil überhaupt untersucht werden. Außerdem sind archäologische Zeugnisse meist mehrdeutig. Die in Çatal Höyük gefundenen weiblichen Figuren werden beispielsweise als Göttinnen, Ahnfrauen, Fruchtbarkeitssymbole oder Geister gedeutet, und je nachdem fällt dann auch die Einordnung der Kultur aus. Wenn es aber stimmt, dass die monarchische Staatsordnung nicht die älteste Form entwickelter menschlicher Organisation darstellt, könnte natürlich die Demokratie als Idee schon weit älter als die griechische Kultur sein und diese vielleicht sogar beeinflusst haben.
Zumindest die königskritischen Schriften aus dem AT haben aber durchaus ihre Wirkung in Europa entfaltet; auch das Judentum hat sich anders als die benachbarten Gemeinwesen trotz des Untergangs seiner Königsherrschaft und sogar des Staates als Religionsgemeinschaft gehalten. Das ist zumindest außergewöhnlich und hat sicher mit der Trennung von Monarchie und Gottes Schöpfungsordnung zu tun. Man könnte aber natürlich auch argumentieren, dass der Monotheismus Monarchien eher stabilisiert oder wenigstens nicht destabilisiert habe und dabei auf die Idee des Gottesgnadentums verweisen. Das hängt wohl auch ein wenig vom persönlichen Standpunkt ab.
Finden sich in der Bibel denn auch oligarchische Herrschaftstrukturen? Das wäre neben Demokratie und Monarchie ja auch noch eine häufige vorkommene Regierungsform. Vielleicht geht der Sonderstatus der Leviten ungefähr in diese Richtung.
Btw. sind Monarchie, Oligarchie und Demokratie nicht sehr idealtypisch gedachte Staatsformen und könnte man nicht in jeder Gesellschaft gemischte Elemente finden, während die Reinform eher die Ausnahme ist?
Sicherlich, ja. Auch das spirituell legitimierte Königtum des Alten Orients hatte stark oligarchische Züge, und brauchte wie schon erwähnt die Duldung und Unterstützung der "Großen des Landes", also der mächtigen Gouverneure, Heerführer, Adligen, Priester etc. Ich sprach ja auch mehr über das Selbstbild und die Selbstdarstellung der jeweiligen Staaten. So wenig der Pharao oder der König von Assur wirklich absolut und ohne Rücksicht auf irgendjemanden herrschen konnte, so wenig brachten alle Israeliten ihre Opfer immer brav in Jerusalem dar. Man wird immer Ausnahmen und Besonderheiten finden, so wie auch antike wie moderne Demokratien oligarchische oder charismatisch-"monarchische" Züge umfassen oder entwickeln können. Auch die alttestamentlichen Bücher enthalten prokönigliche Texte und Textpassagen, die durchaus zur "heidnischen" Umwelt passen; die Idee, dass ein König eigentlich gar nicht nötig sei, ist aber für die Region und Zeit eher ungewöhnlich.
Es kommt halt darauf an, wann die Texte entstanden sind. Ungewöhnlich wären königskritische Texte während das Land einen König hatte. Der amtierende König hätte die Kritiker vermutlich schnell aufknüpfen lassen. Sind die königskritischen Texte aber erst im Exil oder danach entstanden, wären sie als Königskritik durchaus leicht zu verstehen, da man ja womöglich das Königshaus für die Misere verantwortlich machte. Immerhin hatten sich die judäischen Könige gegen ihre assyrischen und später babylonischen Oberherren aufgelehnt. Und wurden daraufhin von diesen bestraft. Nachdem Jerusalem von den Babyloniern niedergebrannt wurde, und große Teile der Stadtbevölkerung und des Adels nach Babylon verschleppt wurden, sind königskritische Texte danach nicht mehr so ungewöhnlich. Speziell da es ab dem Exil bis zur Zeit der Makkabäer-Priester-Könige in Juda nichts mehr gab was einem König gleichkam.
Ja, das wäre eine Möglichkeit. Allerdings sind das ja eher "Rechtsbeauftragte" Gottes und weniger Personen eigenen Standes. Zu einer echten Oligarchie gehört ja in der Regel, dass sich ihre Führungsschicht weitgehend aus sich selbst heraus reproduziert.
Das ist eine sehr unwahrscheinliche These, die deutlich gegen den Quellenbefund steht. Erstens gibt es königskritische prophetische Texte bei Amos, Jesaja, Jeremia, Hosea und im Richterbuch, die selbst von Vertretern einer extremen Spätdatierung nicht in die exilische Zeit eingeordnet werden und zweitens ist die Vorstellung, eine antike Königsherrschaft sei überall mächtig genug gewesen, um jeden Kritiker sofort aufknüpfen zu lassen, außerordentlich unrealistisch. Gerade im Buch Amos und bei Jeremia kann man ja sehr gut sehen, wie der Monarch auch von anderen Gruppen abhing und seine Macht zwar unter Umständen in einem Reichsheiligtum oder in der Hauptstadt zur Geltung bringen konnte, aber die prophetische Verkündigung letztlich nicht zu unterbinden vermochte (und es manchmal vielleicht sogar aufgrund seiner religiösen Vorstellungen auch nicht wagte).
Das stimmt. Interessant ist aber hierbei, dass gerade die von dir genannten Propheten Amos, Jesaja, Hosea, sowie Micha und Obadja gegen das Nordreich Israel und dessen gottlose Herrscher prohezeiten. Und die nach ihnen benannten Prophezeiungen/Schriftrollen deshalb vermutlich auch im Südreich Juda eher wilkommen waren, weil man das Nordreich Israel sowieso als Rivalen ansah. Vermutlich wurden sie auch deshalb weiter überliefert und gelangten letztendlich in die Bibel, weil ja auch sonst die historischen Bibelbücher sämtliche Könige des Nordens als gottlose Herrscher darstellen, die die Gunst JHWH´s verloren haben. Zusätzlich war das Nordreich ja auch bereits von Assyrien vernichtet was die Prophetien ja als wahr auswies, bzw die Kritik an den nördlichen Königen bestätigte, als Exilanten diese Schriften entweder mitbrachten, oder diese Schriften schon im Lande waren, weil die nördlichen Kritiker schon zuvor nach Juda ins Exil flohen.
Es gibt allerdings eine Ausnahme: den Propheten Jeremia. Er ist der einzige dessen Prophetien auch in der Bibel erscheinen, obwohl sie gegen die davidische Königslinie im Süden prophezeite. Es gab vermutlich noch viele weitere Propheten die gegen das Königshaus im Süden prophezeiten oder es kritisierten. Da von denen aber niemand in der Bibel überliefert ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Könige Judas sie abmurksen liessen. Jeremia ist vermutlich nur deshalb überliefert worden, weil er das Ende Jerusalems und seines letzten amtierenden Königs überlebte, und nach Ägypten floh bzw verschleppt wurde. Wenn es natürlich vor den Augen der Menschen eintrifft, was der Prophet schon lange prophezeit hatte (das Ende Judas), dann glaubt man ihm natürlich...und überliefert auch seine Worte. Und über Jeremia ist nach biblischen Bericht auch bekannt dass die jüdischen Könige ihn für sein königsfeindliches Reden folterten und beinahe töteten. Wäre Jerusalem zu seiner Lebzeit nicht wirklich mitsamt des Königshauses vernichtet worden, wäre von ihm vermutlich auch nichts überliefert worden, weil das Königshaus eine solche Kritik kaum geduldet hätte. Seine Schriften hat er dann vermutlich erst in seinen letzten Lebensjahren im Exil nieder geschrieben, sofern dies nicht andere für ihn taten. Zumindest haben seine Mit-Exilanten seine Prophetien als wahr empfunden und sie so weiter überliefert...so dass sie es sogar in die Bibel geschafft haben.
Was nun aber die königskritischen Texte in den Büchern Mose angeht, darüber wird oft vermutet dass sie eben aus der Exilszeit und jüdischer Hand stammen, als das Königshaus längst Geschichte war. Aber natürlich gibt es dazu auch viele gegensätzliche Theorien und Deutungen.
Geändert von X_MasterDave_X (17. Juni 2020 um 00:18 Uhr)
5. Mose 13
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Vers 1 klingt brisant. Wenn Verfassungsersteller meinten, den heiligen Gral gefunden zu haben, hat die Zukunft die doch schon häufiger Lügen gestraft.
- Die Bezeichnung "Träumer" finde ich etwas ulkig. Der "Traumseher" in der EU ist da wohl der elegantere Begriff, amüsant ist auch "einer, der Träume hat" (Elberfelder). Ich weiß zwar, was gemeint ist, habe aber aus Neugier auch die lateinische Variante nachgeschlagen (somnium - Traum, Traumbild)
- War nicht Benjamin auch so ein Traumseher? Nur halt einer, der vom richtigen Gott geträumt hat
- Das Ausrotten der fremden/ abergläubigen Völker finde ich schon krass, aber Vers 10ff. überträgt das auch auf Israeliten, die vom Glauben abfallen.
- Götzenverbot ist auch das erste Gebot (warum heißen die "10 Gebote" und nicht "10 Verbote"? ), sein Revier zu markieren ist Gott das wichtigste Anliegen, wie mir scheint. Was nicht an Gott glaubt, wird gebannt, also vom Glauben Abgefallene getötet und die Ortschaften vernichtet.
- Aus Sicht eines Religionsfreiheit gewöhnten Menschen für mich heute schwierig nachzuvollziehen.