Die Luft war schwanger vor Asche und das Atmen viel selbst den beiden Riesen schwer. Unter einem Felsvorsprung hatten sie sich einen Lagerplatz errichtet. Die kargen und von Staub bedeckten Bäume am Hang des Passes lieferten kaum genug Feuerholz um einen zuvor erlegten Wolf zuzubereiten.
Ahiman, der zweite Sohn des Anak, Nachfahre von Arba, dem Gründer von Ashdod, sah zum jüngeren Adon hinüber. Missmutig grunzte der Riese und warf einen Blick an den Horizont. In der Fern spien die Stahlofen genannten Vulkane schier ohne Unterlass einen immerwährenden Lavastrom aus. Die Asche der Vulkane am Drachenpunkt fiel noch fast hundert Kilometer weit vom Himmel. So nah wie die beiden Riesen lagerten, war es jedoch mehr als nur eine kleine Unannehmlichkeit die Kleidung frei von Staub und Dreck zu behalten.
Beinahe ein Jahr waren sie nun schon fernab von Ashdod und Ashkelon um auch die entferntesten Provinzen der Bandar Log für die Riesen zu beanspruchen. Der Drachenpunkt markierte den westlichsten Punkt des einstigen Reiches der Primaten. Wieso die Bandar hierher kamen war ihnen ein Rätsel.
Vielleicht waren es die abgestorbenen Skelette des einstigen dichten Waldes im Tal der Region. Vielleicht jedoch waren sie auf der Suche nach Artefakten. Wer wusste das schon. Die Menschenaffen hielten sich für spirituell und verbunden mit den Göttern dieser Welt, doch waren es in den Augen der Riesen nicht mehr als kleine, laute und störende Kreaturen.
Die fruchtbaren Länder, die reichen Berge, ja selbst diese Vulkane, wurden im Namen des Rates verlangt.
Ahiman und sein jüngerer Mitstreiter, Eran, waren als Speerspitze für das Volk der Riesen in diesen Krieg gezogen. Voller Zuversicht und stolz zogen sie aus der Steinwüste in Ashdod hinaus in die ihnen unbekannte Welt im Westen. Wer hätte gedacht dass sie jemals so einen Anblick zu sehen bekommen würden? Das stetige Grollen und die dumpfen Geräusche nieder kommenden Gerölls in der weiten Ferne ließen keine gute Hoffnungen auf einen ruhigen Schlaf zu.
Ahiman zählte mit seinen achthundertdreiundfünfzig Jahren zu den ältesten aller Rephaiten. Nur das starke Blut seines Vaters und seines Großvaters in seinen Adern erlaubten ihm ein solch hohes Alter erreichen zu können. Dennoch konnte er den Ruf zu den Waffen vor einen Jahr nicht widerstehen. Zu groß war die Bürde seiner Vorfahren. Zwar besaß er unglaubliche Kraft und Stärke, doch die Jahrzehnte vergingen ohne dass er sich hatte beweisen können.
Er wusste dass der Kampf gegen die Bandar der letzte Krieg sein würde den er erleben würde. Als er dem Rat Treue schwor und das erste Mal den unglaublichen Gott Ba’al al Kahash im Roten Tempel auf dem Berg Seir in Ashdod sah, hatte er nur eine einzige Bitte: Er wollte das sein Name in die Analen der Geschichte einging. So sehr getrieben von den Errungenschaften seiner berühmteren Vorfahren und Namensgeber, dass er den Ruf in den unrühmlichen Krieg gegen die Menschenaffen folgte.
Der Rat stellte ihm Eran zur Seite. Ein gestandener Anakim aus den Reihen der Adonen, den stolzen Fürsten und Königen der Riesenvölker.
“Was grunzt du so alter Mann?”, fragte Eran und riss den Riesen damit aus seinen Gedanken. Er erhob seinen mehr als vier Meter großen Körper vom Boden und machte eine ausschweifende Handbewegung.
“Diese Welt mein junger Eran.”
Der Adon wollte nicht verstehen. In seinen Augen war der ruhmesdürstene Nachkomme des Anaks nicht mehr als ein alterndes Relikt aus vergangener Zeit. Nicht mehr als ein alter Mann voller Bitterkeit und vollen Missmuts.
Der Wind frischte auf und die am Boden liegende Asche wurde abermals aufgewirbelt. Das dämmrige Licht schwand noch mehr und nur konturloses Licht fiel auf den Boden. Die Schatten waren weich und der Unterschied zwischen Licht und Dunkel tanzte stetig wie der aschene Wind selbst.
“Die Riesen werden diese Welt eines Tages für sich beanspruchen.” Abermals grunzte der alte Riesen und drehte seinen Kopf zur Seite.
“Ob man sich dann an uns erinnern wird?”
Eran zog eine Augenbraue nach oben und mit einem lauten Ächzen richtete er sich ebenfalls auf. Er selbst war nur dreihundertfünfundachzig Jahre alt, doch fühlte er sich selbst so alt wie Ahiman sich fühlen musste. Er kniff seine Augen zusammen.
“Was soll das heißen?”
“Wir kämpfen und kämpfen. Fernab unserer Heimat. Monate lang haben wir keinen Rephaim mehr gesehen.”
Eran trat neben den Riesen und schlung sich seinen langen Mantel um die Rüstung um sie vor den feinen Staub zu schützen.
“Wer weiß schon ob wir noch im Krieg sind. Haben wir gewonnen?” Er machte eine Pause. “Oder haben wir bereits verloren?” Sein Blick lag am Horizont als die Esse, der zweithöchste der Vulkane des Stahlofens, abermals mit einem lauten grollen und tiefrot in die Luft geworfener Lava auf sich aufmerksam machte.
“Mit uns mein alter Kamerad werden wir wohl kaum verlieren.” Er bemühte sich den alten Riesen aufzubauen der daraufhin jedoch abermals seufzte und eine wegwerfende Handbewegung machte.
“Vergiss es. Wie könnte ein Jüngling wie du so etwas auch je verstehen?” Er wollte sich gerade umdrehen als der Adon mit einem lauten Schnauben Ahiman an der Schulter packte. Er sah den gehörnten Riesen in die wütenden Augen.
“Du wagst es mich Jüngling zu nennen?!” Der alte Riese schob die Hand sanft von seiner Schulter, drehte sich zur Seite und strich sich über seinen weißen Bart. In seinen Augen war keine Wut und keine Hast zu erkennen.
“Ich nenne dich Jüngling weil du einer bist und nicht um dich zu beleidigen.” Eran schniefte und drehte sich zur Seite. Er nahm seine Ausrüstung auf und schulterte sein Gepäck.
“Lass uns gehen. Vielleicht hebt ein wenig grün deine Stimmung.”
Er blickte dabei abermals in die Augen des alten Riesen die schier endlose Weisheit zu versprühen schienen.
Schweißbedeckt fuhr Eran auf. Das Lagerfeuer welches er am Ufer eines Stroms errichtet hatte war bereits ausgebrannt und die Asche warf einen bissigen Geruch. Er wischte sich über seine Stirn und blickte neben sich. Es war nichts zu sehen und langsam kam er wieder zur Besinnung. Es war nur ein Traum. Nicht mehr als eine Erinnerung. Denn Ahiman war bereits seit zwei Monate tot und der Adon nicht mehr als ein begrabener Riese in einer Höhle mehrere Tagesmärsche entfernt. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Wie passend dass der ruhmreiche Ahiman beim Kampf in einer Gegend namens Gigantenruhe um das Leben kam.
Als der Hohe Rat den Sieg über die Bandar Log verkündete und der schwächliche Prophet Arriod vom Antlitz der Welt getilgt wurde, feierten die Riesen in Ashdod und Ashkelon in Gedenken an ihre Vorfahren versprachen sie in Totenfeiern den Namen der Rephaim erneut zu alter Größe zu führen.
Ba’al al Kahash wusste dass dieses stolze Volk der Riesen ihm helfen würde diese Welt zu erobern und so flößte er dem Rat erneut ein dass es notwendig war zu expandieren. Die Stunde war im Siegestaumel günstig und so war es dass sich Ashdod auf einen erneuten Krieg vorbereitete. Die Menschen die sich unter dem Banner von Arcoscephale vereinten waren ein organisiertes Volk. Ihre Armeen bestand aus disziplinierten mit Speeren bewaffneten Männern. Diese Hopliten oder Hypaspisten wurden von Kriegswagen unterstützt. Das alte Reich der Arcoscephale konnte sich nie davon trennen Kriegselefanten zu verwenden. Auch wenn Elefanten in der damaligen Zeit als altmodisch in den zivilisierten Völkern der Menschen galt, waren es doch die einzigen Wesen die den Riesen der Ashdod die Stirn bieten konnten.
Die Invasion des Norden Arcoscephale zu Beginn des Winters durch die Riesen Ashdods
Noch bevor der erste Schnee in diesem Jahr fiel, griffen die Riesen aus den fernen Ashdod die Menschen Arcoscephales an. Die ersten Monate des Winters trafen die Truppen der Riesen nur auf wenig Widerstand und so kam es dass die Hauptstadt des einst so reich an Kultur und Wissen, Reiches vor einer Belagerung stand.
Die Armeen der Ashdod schlugen jede Schlacht zu ihren Gunsten. Insgesamt kamen in diesen Winter lediglich zehn der Riesen zu Tode.
Die Krieger schlugen erfolgreiche Schlachten, genau so wie Sandalphon, ein Hashmal der als Heroldsbringer im Namen Ba’al al Kahash auf dieser Welt verweilte. Die Welt brannte in ständigen Konflikten zu jener Zeit und die Wogen der Macht schienen sich in einen Strom umzuwandeln. Doch welche Seite vermochte die ungetüme Macht der Vorbestimmung zu lenken und für sich zu gewinnen?
Im Namen Ba'al al Kahash verbreitet der peitschenschwingende Hashmal aus Ashdod das Wort des einzig wahren Gottes.
Während der Winter über die Welt hineingebrochen ist, bringt der Glaube an ihren Gott den Riesen das Feuer und die Wärme welches ihrer Heimat und ihnen selbst innewohnt. Wo die Grenzen Arcoscephales enden mögen ist noch nicht bekannt. Abermals müssen die Ashdod weit in den Osten vordringen um ihre Ambitionen zu erfüllen und die Menschen den Riesen zu unterwerfen.
Die Welt im Spätwinter des vierten Jahres.