Radyserb, mir geht es genau so. Seit Civ 4 fehlt für mich in den Versionen der Civ-Serie "die Seele". Da es hier naturgemäß sehr individuell wird, kann ich hier nur meine eigene Ansicht - ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit - wiedergeben:
1. Die Grafik:
Civ 4 hatte wenigstens noch ein gedrucktes Handbuch und ein ordentliches Spielkonzept - aber mit der Darstellung des Spielgeschehens durch die 3-D Engine komme ich nicht zu Recht. Der Austausch des gefundenen gelungenen Grafikformats in Civ 3 durch die in meinen Augen chaotische "Table-Top-Darstellung" ab Civ 4 verdirbt mir den ganzen Spaß an dem Spiel. Warum tauscht man eine klare Erkennbarkeit der Einheiten -für mich eine der wichtigsten Funktionen eines Civ-Spieles- gegen dieses "Grafikdesaster" aus ??
Eine der Grundvoraussetzungen der Spiele der Civ-Serie sollte die klare Erkennbarkeit der Einheiten auf der Landkarte sein. Da dies anscheinend selbst in den Augen der Entwickler ab Civ 4 nicht mehr der Fall war, hat man die Landkarte noch mit zusätzlichen Symbolen für die Einheiten, die eigentlich nach dem ursprünglichen Civ-Konzept alleine durch ihre Präsenz auf der Landkarte eindeutig erkennbar und zuordenbar sein sollten, "zugemüllt". Dies ist -genauer betrachtet - eigentlich ein deutliches Armutszeugnis, das sich die Entwickler der Civ-Serie ab Civ 4 zu dem von ihnen verwendeten Grafikkonzept selbst ausstellen. Wäre das gewählte Grafikformat klar, bedürfte es dieser "Symbolkrücken" nicht.
Bei Civ 6 wurde diese Problematik noch durch die gewählte Comic-Grafik "auf die Spitze" getrieben. Die Comicgrafik sei zur besseren Erkennbarkeit des Spielgeschehens erforderlich, so die Begründung der Entwickler. Die Verwendung der - aus meiner Sicht - falschen grafischen Darstellungsart zieht jetzt also auch noch als weitere Konsequenz dieser Fehlentscheidung, die Heimsuchung mit einer "Mickey-Maus-Welt" nach sich, die sich mit meiner Auffassung eines historischen Bezugs der Civ-Serie nur schlecht verträgt.
Auf einer mit Comicgrafik-Gebäuden überzogenen Civ 6-Welt stellt sich nun öfters die Frage, "ja wo ist denn nun der Feind"? Die Darstellung der Einheit in schwarz-weiß, um sie neben Lupo´s Mäuseturm (o.k. diesmal Fix und Foxi) noch erkennen zu können, dürfte hier auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Berichte einiger Civer, die bei Civ 6 lieber auf der strategischen Karte als auf der normalen Karte spielen. Der Rückgriff auf Civ 1 Gafikniveau (wobei die Civ 1 Einheiten meiner Aufassung nach immer noch besser aussehen als die Civ 6-Symbole) als Verbesserung der Civ 6 Grafik spricht meiner Meinung nach hier eigentlich Bände - aber den Verantwortlichen für Civ 6 ist dies völlig egal. Aus den Interviews im Vorfeld der Markteinführung von Civ 6 ergibt sich vielmehr das Bild, dass der Erfahrungshorizont der für Civ 6 Verantwortlichen bei Civ 4 endet. Woher sollen diese Personen denn überhaupt noch wissen, wie es für ein Strategiespiel grafisch besser geht?
2. Die Planung:
In den bisherigen Spielen der Civ-Serie habe ich es geliebt, mir für die jeweiligen Spiele (seien es Mods, Szenarien oder die Standardspiele) vorher eine Taktik zu Recht zulegen (ab Civ 5 leider ohne beigefügtes gedrucktes Handbuch), zum Beispiel über die Reihenfolge der Erforschung von Techniken, der Erstellung von Gebäuden und Einheiten.
Bei Civ 6 wird der Spieler wie eine Flipperkugel "heurekamäßig" durch das Spiel katapultiert. Eine vernünftige Planung ist - wenn überhaupt - nur noch eingeschränkt möglich, da die "Zufalls-Techniken" die Einheiten und Gebäude vorgeben. Nach einem der Leitgedanken von Civ 6 sollten hier Spiele nicht mehr durch vorgefertigte Schemas angegangen werden können. Leider kollidiert dies bei Civ 6 mit dem aus meiner Sicht sehr schönen Planungselement eines Civ-Spieles und führt zu dem von einer Reihe von Civern geschilderten Vorgehen, nur noch vielmals den "Nächste-Runde-Knopf" zu betätigen. Dies kann auch nicht durch das "Bezirks-Puzzle-Spiel" wettgemacht werden.
3. Fehlendes "Herzblut"der Entwickler:
Wenn man die Geschichte zur Entwicklung von Civ 1 durch Sid Meier oder von Civ 2 durch Brian Reynolds und eingeschränkt auch noch die von Civ 3 und Civ 4 durchliest, habe ich das Gefühl, dass die damaligen Entwickler noch den Ehrgeiz hatten, neben dem erforderlichen wirtschaftlichen Erfolg ein besonders gutes Civ-Spiel zu entwickeln. Bei den heutigen Entwicklern habe ich das Gefühl, dass ihnen dieser Ehrgeiz abhanden gekommen ist und der Gedanke "Wir brauchen mal wieder eine neue Version des Verkaufsselbstläufers Civilization, um wieder "Kohle" zu machen" im Vordergrund steht.
Vielleicht ist es aber heute mit den immer stärker ausufernden Teams und der Berücksichtigung neuer technischer Entwicklungen, die in der Werbung als Fortschritt angepriesen werden, in Wirklichkeit aber für Strategiespiele meiner Meinung nach ein deutlicher Rückschritt sind (z.B. 3D-Grafiken s.o.), gar nicht mehr möglich, ein gutes Civ-Spiel zu machen. Die stärksten positiven Impulse hat die Civ-Serie durch Individuen bekommen und nicht durch
Mamut-Teams.
Häufig wird in diesem Zusammenhang als Argument für die Qualität der letzten Civ-Versionen auf die hohen Verkaufszahlen hingewiesen. Hierbei wird jedoch meiner Meinung nach wirtschaftlicher Erfolg mit Qualität verwechselt, getreu dem Motto: "Fresst Sch... , denn Millionen von Fliegen können nicht irren".