Hallo liebe Leser,
dieser Thread steht wie im Mongolensturm allen offen.
Schöne Grüße
Christian / Ghaldak
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Christian / Ghaldak
Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.
Der zweite Blick: Lyonesse heute
In meiner Herleitung blickte ich auf das, was Rhenus/Lyonesse mit in den Bunker hereinbrachte. Die zweite Frage lautet: Wie sieht eine Gesellschaft mit dieser "DNA" nach Jahrhunterten der räumlichen Stagnation und technologischen Erosion heute aus?
• Auswirkungen der "bösen" Zahl: 2.500 Mann Bevölkerung
Ach ja... Wie ihr vielleicht wisst, stamme ich aus Heusenstamm. Dies ist eine Kleinstadt im Landkreis Offenbach mit knapp 20.000 Einwohner.
Heusenstamm besitzt einen Stadtteil, Rembrücken, welcher räumlich ein Stück entfernt liegt und Anfang der Siebzigerjahre eingemeindet wurde.
Rembrücken besitzt selbst etwa doppelt so viele Einwohner wie der ganze Rest der NFR Rhenus in der Heimstatt Lyonesse.
Die Zahlen entstammen meinem Gedächtnis und müssen nicht richtig sein, aber ihr werdet verstehen, was ich meine: Diese Gemeinschaft liegt irgendwo zwischen einem Dorf und einer Kleinstadt.
Ich las einmal, dass Menschen von ihrer biologischen Veranlagung her am Besten in Gruppen von maximal 150 Personen funktionieren und größeren Gruppen die Tendenz zu eigen ist, sich in kleinere Abteilungen von dieser Größe auszugliedern. Das sollte auch für Lyonesse gelten und sie somit in eine Gesellschaft verwandeln, deren Einwohner nicht komplett miteinander vertraut sind, aber in ihren Untergruppen (im Sinne von Berufen, Wohngemeinschaften oder vielleicht sogar Generationen) miteinander vertraut sind.
• Das führt zu der Frage nach dem Wahlsystem
Ich wünsche mir bei dieser Größe eine flache Hierarchie: Es gibt einen Präsidenten, der von den "Wahlmännern" gewählt wird, und diese Wahlmänner sitzen in einem "Rat der Wahlmänner" (hasst mich ruhig, aber ich nenne ihn den "Rheintag" ). Ich sehe bei der Größe des Grossdorfs keinen Platz für zwei Kammern und setze stattdessen auf eine doppelte Herkunft der Wahlmänner im Sinne von Erst- und Zweitstimme, nämlich zum einen durch Direktwahl und zum anderen durch die sozialen Untergruppen (also Berufe oder Nachbarschaften). Das verleiht dem Rheintag eine Größe von dreißig bis fünfzig Personen.
(Anmerkung: Bei den Direktkandidaten handelt es sich um eine übernommene Oberflächen-Tradition. Ansonsten sehe ich nämlich keine Chance für Individuen, sich in größerer Zahl gegen die Kleingruppenbindungen durchzusetzen.)
• Neben dieser Zivilregierung besteht eine gildenartige Berufswelt
Hochtechnologie verlangt nach Kompetenz und spätestens wenn die Ressourcen knapper werden sowie Maschinen versagen, verwandeln sich Behörden in personengebundene Institutionen mit Spezialwissenweitergaben von Lehrer an Schüler. Dieser Behördenapparat stellte sicher von Anfang an ein Gegengewicht zu den Luftpumpen und Selbstdarstellern der Zivilregierung dar (diese Medien-Direktwahl zieht leider solche Personen ins Amt) und deren Einfluss sollte mit der Zeit immer weiter wachsen, auch wenn der sichtbare Verfall dazu ein Gegengewicht bildet.
Die Gilden, die noch einen schönen Namen brauchen, bringen bei den feudalen Strukturen ohne Frage ihre Vertreter in den Rheintag.
(wird fortgesetzt)
Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.
• Ich spreche von Gilden, da der Übergang zwischen staatlicher Institution und Privatwirtschaft fließend scheint
Es ist anzunehmen, dass der Bunkerbetrieb auf dem Papier staatlich organisiert wurde, doch ein "privatisierter Überwachungsstaat" wäre sicher wahnsinnig genug, daran zu rütteln. Vielleicht gab es auch einmal einen gigantischen Behördenapparat, deren ausführende Kräfte aus der Wirtschaft kamen, doch in einem Grossdorf wurde dies belanglos.
• Ich zähle die Armee mit zu den Gilden
Ich weiß nicht, wie viele verschiedene Strukturen es gibt - von "Polizei und Armee sind eines" bis "Auch die Streitkräfte bestehen aus verschiedenen zivilwirtschaftlichen Vertragspartnern" erscheint mir alles möglich -, doch solange es sich um eine isolierte kleine Gemeinschaft handelt, sollte ihre Rolle überschaubar bleiben. Das kann sich jedoch mit Beginn des Spiels schnell ändern.
• Die Gewaltenteilung
So besteht Lyonesse aus einer demokratisch gewählten Regierung (Legislative) und aus Gildenstrukturen verschiedener Farbe (Exekutive), wobei die Macht eher bei Letzterer liegt. Ich sehe in einem Grossdorf wenig Raum für einen ausgeformten Richterstand, sodass diese Aufgabe wohl einer Mischung aus Schöffen und Mächtigen zukommt.
• Dafür sehe ich die Vierte Gewalt stärker legitimiert.
Diese Tradition möchte ich ihnen mitgeben. Wenn Reporter das (geschriebene und umgeschriebene) Recht erhalten, jedes Ritzel der Gesellschaft zu durchleuchten und die Allgemeinheit zu informieren (durch das Bunkernachrichtensystem oder später durch "Anschläge"), dann könnten diese die Tradition des gläsernen Menschen fortführen und ein dringend benötigtes Gegengewicht zu den Gilden bilden (auch wenn sie als Gemeinschaft als solche gelten).
Jaa, ich habe langsam das Gefühl, eine Römische Republik auszubalancieren. Leider gerät alles in Bewegung, sobald sich die Tore öffnen.
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Das Rhenus der Vorlage bestand aus einer Riesenstadt und fragt man mich, ob ich man deren Brot- und Spiele-Kultur rund um den Gläsernen Bürger in ein Grossdorf ohne Strom übertragen kann, lautet meine Antwort: Nein.
Diese kann aber zu "Werten der Vorväter" erklären und adaptieren.
• Wenn "Das schlechteste Rating lautet: gar kein Rating" und "Schmutz wird akzeptiert, Lügen nicht" zu sozialen Normen werden, nach denen sich die Oberschicht und besonders die Politiker zu folgen haben, dann wird Selbstaufdeckung die Aufgabe der fehlenden Kameras übernehmen (auch angesichts der drohenden Journalistengilde).
• Die frühere frei verfügbare Allwissenheit wird auch dafür sorgen, dass kaum Gesprächstabus bestehen.
• Die Kultur der Städterzeit war zynisch, grenzüberschreitend und säkular. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Kirchen oder nur das Konzept einer Demut gegenüber Gott halten konnten. Anhänger von Religionen werden die Bewohner von Lyonesse einfach nicht verstehen können.
• Die Rolle als moralische Instanz und "Spielverderber" fiel an zumindest jene Teile der gildenartigen Behörden. Die "verschworenen Gemeinschaften, die gemäß ihres Geheimwissens Handlungen vollzogen und damit den gemeinsamen Ort vor den düsteren äußeren Kräften bewahren" finden sich fast schon in einer Mönchsrolle wieder und fangen eventuelle religiöse Gefühle im Volk für sich auf.
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Servus PaPaBlubb,
lass mich bitte noch einmal über meinen Spezialvorteil schlafen. Ich möchte ihn wahrscheinlich ändern.
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Danke.
Weiter im Text:
(Ihr kennt es aus meinen WWs; ich nutze Monologe zum Nachdenken.)
• Eine wichtige Worldbuilding-Frage lautet für mich: Gibt es eine Jugendorganisation im Sinne von BdM oder HJ,...
.. und ich würde sagen: Ja.
Das hat zum einen historische Gründe: Der Staat Rhenus besaß etwa die Fläche Belgiens und agierte nicht aggressiv. Ein solcher Staat besitzt selbst vermutlich selbst keine Atomwaffen und hofft bis fünf vor zwölf, dass sich alles noch zum Guten entwickelt. Aus dem folgenden "zu wenig und zu spät" entwickelt sich eine zusammengewürfelte Bunkerbesatzung, und weil die Planung eines Schulsystems auf der Strecke blieb, wird die Verwaltung eine auf dem Papier souverän wirkende, tatsächlich jedoch zusammengeschusterte Behörde ins Leben rufen, die den Kindern die Grundlagen des Bunkerlebens nahebringt und sie beschäftigt hält, während die Eltern arbeiten.
Zum anderen greift es die faschistischen Bildelemente auf, die Rhenus beheimatete, und es senkt die Bedeutung von Ehe und Familie, auch wenn beide Elemente nicht ganz verschwinden werden, was außereheliches Sexualverhalten begünstigt...
... und außerdem lässt mich der Gedanke an eine Gesellschaft grinsen, deren Kinder Uniform tragen und deren Erwachsene sich um tabubefreite Individualität bemühen. Das sorgt für Spannungen und Mischformen.
Einen schönen Namen fand ich auch: Bei den Mitgliedern der Rheingoldjugend handelt es sich um die "Glühwürmchen".
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In meinem Blog schreibe ich gerade eine Serie zu meinem persönlichen Weg nach Rhenus/Lyonesse. Hier überschneiden sich die Themen, denn über den Kunstnamen Rhenus zerbrach ich mir outplay wohl so den Kopf den Kopf wie die Inplay-Entscheider.
Ich zähle ihn jedenfalls nicht zu den "Random-Katastrophen, mit denen ich nun gefangen bin". Stellt euch einfach folgendes Szenario vor: Auf dem Weg zur Zentralisierung ordnet die Europäische Union im Sinne einer Angleichung neu und bricht dabei im Geiste der Französischen Revolution historische Grenzen, wo sie nur kann. Dabei entsteht ein Gebiet von Antwerpen bis zum Ruhrgebiet mit einer Herkunft aus drei Nationen. Wie möchte man es nennen, wo doch Belgien bei seiner Namensfindung improvieren musste und deren Antwort nun definiert ist? Germania, nach der römischen Provinz?
Rhenus, also "Rhein" in lateinischer Sprache, stinkt gegen den Wind nach einer Kompromisslösung (vermutlich sitzt die Regierung dafür in Ex-Belgien, doch das legte ich nie fest). Es nutzt Latein als fiktive Klammer, um sich bei diesem dreisprachigen Staat (mit Englisch als vierter) nicht festzulegen, und es greift auf den "europäischen", mehrstaatlichen Fluss zurück.
Ich sprach allerdings bei der Vorstellung von einer "Nationalfaschistischen Republik" - und das ist Blödsinn. Republik passt und Faschismus ist, wenn ich mich nicht irre, ein ziemlicher Gummi-Begriff, welcher von der Wortherkunft erst einmal nur einen "starken Staat" proklamiert, aber dieses Konstrukt ist ganz sicher nicht national. Nicht mit drei Völkern und einer großstädtisch-offenen Kultur.
Ich glaube deshalb, dass "Supranationalfaschistische Republik (SFR) Rhenus" besser klingt... aber lasst mich noch einmal nachsehen, wie man dies auf Englisch ausdrücken würde.
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Ich möchte noch (in der Ghalerie) meine ursprüngliche Geschichte nach den "Verfremdungs-Vignetten" abklopfen, die auf meinen Bunker abfärben, und (hier) zum Abschluss noch eine Übersicht ausformulieren. Anschliessend könnte ich mich noch an einem Logo versuchen.
Soll heißen: Ja, ich habe meinen Spaß, aber ich komme langsam zu einem Ende. Ich denke, ich schaffe es bis Mittwoch oder Donnerstag.
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Nachdem ich in der Ghalerie meine Textvorlage nach Stilelementen abklopfte,...
Achtung Spoiler:
... stehe ich nur noch vor einer Richtungsfrage: Möchte ich nicht doch noch einen christlichen, katholischstämmigen Kult am Leben erhalten? Es wäre sicher möglich und ich könnte ihnen auch einen Platz hereinschreiben, doch andererseits möchte ich auch vermeiden, dass Lyonesse zu einer Gemeinschaft ohne Schwächen wird. So tendiere ich im Moment dazu, darauf zu verzichten.
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Abgestumpft und anspruchslos" <--- Bleibt es dabei? Führt das nicht auch zu Antriebsarmut? Das wäre dann schon ein Nachteil?
Nein, ich möchte auf den "starken und anerkannten Reporterstand" als Bonus wechseln, der als Kontrollinstanz der Elite agiert und damit entweder für "weniger Korruption" oder "mehr Zufriedenheit" sorgt (oder etwas in der Art).
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Die Daten:
Staat: Säkularfaschistische Republik Rhenus
Städte/Bunker: Heimstatt Lyonesse
Herrschaftsgebiet: unbekannt. Rhenus umfasste einst das Gebiet von Antwerpen bis zum Ruhrgebiet und vom Ijsselmeer bis nach Bonn, ein Start irgendwo dort wäre nett.
Staatsform: (Unvollständige) Demokratie
Bunkerbonus: „Starker und anerkannter Pressestand“ (Erhöht Zufriedenheit, senkt Korruption oder etwas in der Art.)
Ungefähre Bevölkerungszahl: ca. 2.500
Finanzen: 5.000 Credits + 2.500 pro Runde derzeit
Übersicht:
Bei der Säkularfaschistischen Republik Rhenus handelt es sich um einen westeuropäischen Supranationalstaat, welcher nach seiner autonomen und seiner faschistischen Phase vor allem als „privatisierter Überwachungsstaat“ in die Geschichte einging, welcher seinen Bürgern den Erhalt der zahlreichen Kameras befahl und ihnen deren Daten zur Verfügung stellte. Seit dem Ende der Welt besteht er nur noch aus dem Bunker „Heimstatt Lyonesse“.
Geschichte:
Verlässliche Daten gingen im großen Knall verloren, sodass abseits der Oberfläche und jenseits von Geschichten nur folgendes Dokument verbleibt.
Achtung Spoiler:
Politisches System:
Bei seiner Größe gleicht die Bürgerschaft von Lyonesse einer Kleinstadt und während eine freiheitlich-demokratische Grundordnung aufrechterhalten wird, lässt sich doch nicht leugnen, dass das System verflacht wurde und ganze Teile implizit darauf setzen, dass Gruppenzwang und Überlebenswillen schon für eine Lösung sorgt.
Bei der Wahl der Regierung besitzt jeder Einwohner von mindestens fünfzehn Jahren zwei Stimmen, von denen eine einem beliebigen und eine einem aus dessen Wohnbereich stammenden Kandidaten gilt. Diese Kandidaten, Wahlmänner genannt (die Bezeichnung Wahlfrau wird zusätzlich inoffiziell genutzt), wählen den Präsidenten (wobei das Gewicht ihrer Stimmen durch das Wahlergebnis bestimmt wird), doch bilden sie auch den um die die dreißig bis fünfzig Mitglieder großen Rheintag. Dieses Parlament muss jedem Gesetz und jeder Entscheidung der vom Präsident zusammengestellten Regierung zustimmen, damit sie rechtens wird.
Grafik:
Achtung Spoiler:
Es existiert kein festgelegtes Staatsoberhaupt. Seitdem die Computersysteme ausfielen, existiert auch keine Textform der Verfassung mehr und die politische Bevölkerung besitzt bestenfalls noch eine vage, von Mythen überlagerte Vorstellung davon, was sie enthielt.
Wirtschaft:
Der Bunker Lyonesse beherbergt eine Reihe heterogener Institutionen, die das Leben der Bevölkerung durch ihre Funktionen und als Arbeitgeber prägen. Oftmals handelt es sich bei ihnen um staatliche und privatwirtschaftliche Mischformen, wenn etwa von einer Behörde nur noch die Verwaltung übrigbleibt, der Kern des Geschäfts an ein Unternehmen ausgelagert wurde und bei Bedarf freie Mitarbeiter angeheuert werden.
Institutionen mit hohem Fachwissenbedarf, etwa aus dem medizinischen oder technischen Bereich, entwickelten dabei oft gildenähnliche Strukturen; Meister bilden Lehrlinge direkt aus, bei denen es sich oft um deren Kinder handelt (nirgendwo sonst in Lyonesse sind Familienbindungen so stark wie in den „Gilden“). Diese Institutionen bilden oft disziplinierte, eingeschworene Gemeinschaften und erhalten Bewunderung, wenn sie nicht gar religiöse Gefühle entfachen. (Was sich damit erklären lässt, dass sie ihr „Geheimwissen“ für „Rituale“ nutzen, welche der Gemeinschaft „Segen“ bringen.)
Hierarchien und Arbeiter-Wohnregionen verschaffen manchen Institutionsoberen einen starken politischen Einfluss. So ruht das gelebte System auf der Hoffnung, dass das Nebeneinander demokratischer und optimatischer Einflüsse zu einer mehrwertförderlichen Konkurrenz führt. Bisher verhinderten auch die Selbstkontrolle der Institutionen und der gesellschaftliche politische Konsens, dass die kopfreichen Arbeitgeber mit oft gering qualifizierter Schar über Druck eine dominante Rolle einnahmen.
Rechtsprechung:
Ausformulierte Gesetze stehen Lyonesse seit dem Ausfall der Computersysteme nicht mehr zur Verfügung, sodass Prozesse, die unter dem Vorsitz eines Wahlmannes und der Entscheidung von Schöffen geführt werden, Urteile nach „altem Recht und guter Sitte“ fällen. Für eine Quasi-Kleinstadt unter der Erde erwies sich das bislang als ausreichend.
Bildung:
In Rhenus dienten Bücher mehr als Statusobjekte, weshalb die mangelhafte Vorbereitung auf den Ernstfall für einen knappen Pool sorgten, der durch den Ausfall der Computersysteme noch weiter ausgetrocknet wurde. Abseits der Gilden und ihrem Fachwissen verbleibt der Bildungsstand oft gering.
Mit der „Rheingoldjugend“ (ihre Mitglieder werden „Glühwürmchen“ genannt) wurde schnell eine staatliche Jugendorganisation geschaffen, die den Kellerkindern die Grundregeln des Lebens im Bunker beibringen und sie während der Arbeitszeit ihrer Eltern beschäftigt halten sollte. Sie nahm jedoch mit der Zeit Internatscharakter an, legte sich Uniformen zu und ergänzte den mauen Bildungsstoff mit reichlich körperlicher Betätigung, Unternehmungen und Kameradschaft. So kümmern sie sich um die jungen Lyonesser von deren Geburt an bis maximal zu deren Erwachsenwerden mit fünfzehn Jahren (Gildenkandidaten verlassen die Rheingoldjugend meist deutlich früher.)
Kultur:
Bei Rhenus-Lyonesse handelt es sich um eine große (Hallen-)Hockeynation; so bildete sich unter Tage eine kleine Liga, deren Spiele von der Öffentlichkeit verfolgt werden.
Bis zum Ausfall der Computersysteme wurde auch ein Kino betrieben, welches sich aus einer ansehnlichen Bibliothek „alter rhenischer Filmklassiker“ speiste, doch seit dessen Ende lebte eine Theaterkultur im besten shakespeareschen Sinne wieder auf; nun bilden meist derb-zotige, oftmals improvisierte Stücke eine Bereicherung des Freizeitprogramms.
Alltagsleben:
Das „einzigartige, wenn auch aufgezwungene Experiment des privatisierten Überwachungsstaats“ hinterließ auch unter Tage Spuren, die die Lebenszeit der Kameras überdauerten. Die Möglichkeiten, alles von jedem mitverfolgen zu können, sorgten dafür, dass nahezu keine Gesprächstabus bestehen und das Konzept der Privatsphäre nur ungläubige Gesichter hervorruft.
Das Ideal des Gläsernen Bürgers wird dabei in beide Richtungen gefordert, wobei Gruppendruck an die Stelle fehlender Technik trat: Ein Politiker gilt als suspekt und unwählbar, wenn er dem Wissensdurst der Öffentlichkeit nicht nachgibt, und Lügen gelten als schlimmer als Skandale.
Auf den Gängen herrscht oft eine bunte Mischung aus den Uniformen der Glühwürmchen, der professionellen Unauffälligkeit der Gilden und oft modischer Wildheit bei der Zivilbevölkerung vor (gerade von Politikern wird eine „markante Individualität“ erwartet), die auf den Außenstehenden befremdlich wirken kann, von den Einwohnern jedoch nicht als Widerspruch empfunden wird. Eine abwechslungsreiche Geschichte hinterließ einige Sprachrelikte, wobei besonders lateinische Ausdrücke gerne (und bisweilen falsch) eingestreut werden. Es setzte sich außerdem ein „Ersatz-Kaffee“ sowohl in der Arbeitswelt wie auch im Privaten durch, welcher wohl aus zerkleinerten Pilzstrunken gewonnen wird.
Ein starker und anerkannter Pressestand:
Noch in den Überwachungsstaat-Tagen bildete sich eine besondere Art Medienschöpfer aus, der die Bilderflut in Geschichten formte, und unter Tage entwickelte sich die „vierte Gewalt“ nicht nur zum Unterhalter, sondern gleichsam zum Drucklöser und Wächter des politischen Systems und seines Spannungsfelds zwischen Institutionsherren und Demokraten. Die Institutionsherren waren zu weitreichenden Zugeständnissen bereit und ließen ihre Türen für Journalisten offen stehen, damit diese die Balance vor Verschwörungen schützen oder mögliche Fehlnutzung lebenswichtiger Systeme anprangern konnten.
Der einmal der „Journalisteninstitution“ zugestandene Zugang zu den Mitteilungssystemen des Bunkers mag inzwischen Blättern auf einer Anzeigetafel gewichen sein und manche ihrer Mitglieder mögen sich schon teilironisch in die Tradition der Barden und Stadtschreier stellen, doch ihre Rolle blieb bestehen und noch immer durchstreifen Journalisten im Geiste ihrer Bestimmung die Hallen auf der Suche nach Geschichten.
Geändert von Ghaldak (22. Februar 2019 um 12:37 Uhr)
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