Sie konnte kaum etwas erkennen, noch wusste sie wo sie sich befand. Dennoch führten sie ihre Füße zielgerichtet geradeaus den finsteren Korridor entlang. Dabei tastete sie mit ihren Händen die Wände ab. Plötzlich entzündeten sich vor ihren Augen zwei Fackeln und erhellten zumindest das Ende des Korridors. Kurzerhand öffnete sie die schwere Holztüre, die zwischen den Fackeln war. In dem dahinter liegenden Raum schien das Licht so hell, dass sie sich einen Moment lang die Hand vor Augen halten musste.
„Daenerys, liebste Daenerys...“ Die Stimme klang vertraut und nach einem Moment des Nachdenkens erkannte sie sie auch.
„Odysseus bist du es?“ Plötzlich stand er hinter ihr und legte seinen Arm um ihre Schulter, sie neigte ihren Kopf zu ihm und er küsste sie wie früher auf die Stirn.
„Ich habe dich vermisst.“ Sie blickte nach unten und bemerkte auf einmal den Säugling in seinen Armen. Ganz verwundert trat sie einen Schritt zurück und streichelte den Kopf des süßen Neugeborenen.
„Von wem ist das Kind?“
„Es ist deins.“
„Wie meins? In unserer Nacht... ich meine du hast mich nicht geschwängert.“ Odysseus verstummte und stattdessen vernahm sie eine andere Stimme, die sie schon seit Jahren nicht mehr gehört hat und die ihr einst vertraut war.
„Es ist deines, aber nicht von ihm und wenn du nicht kämpfst wird dein Kind mit dir sterben.“ Ein weiterer Mann trat aus dem Dunkeln neben Odysseus und als der Schatten sein Gesicht enthüllte meinte sie ihren Bruder Hektor zu erkennen. Als sie klein war beschützte er sie und las ihr vorm Einschlafen Märchen vor.
„Ich, ich träume... oder bin ich tot?“
„Du schwebst zwischen Leben und Tod und wenn du stirbst dann stirbt dein Kind und mit ihm unsere Familie. Alles wofür wir gekämpft haben, süße Schwester.“ Er legte ihr seine Hand auf die linke Schulter, während Odysseus die seinige auf ihrer Rechten ablegte.
„Nichts wünsche ich mir sehnlicher als mit dir wieder vereint zu sein, aber du musst dich zurückkämpfen. Zurück zu Prometheus deinem Sohn und deinem Volk.“
„Wie, was soll ich tun?“
Sie antworteten ihr beide. „Du bist die Tochter des Feuers und die Mutter der Drachen, sei dir dessen bewusst...!
Daraufhin entfernten sich so schnell von ihr, wie sie gekommen waren. Sie streckte ihre Hand in ihre Richtung aus und rief ihnen hinterher, während sie in die Ferne davon schwebten.
„Helft mir!“ Doch sie wiederholten nur ihre letzten Worte, ehe beide Männer, die sie liebte, wieder entschwunden waren. Auf einmal fühlte sie die Berührung von kaltem Eisen, welches sich um ihre Handgelenke legte.
Ketten! Sie erschrak und versuchte sich vergeblich zu befreien. Eine finstere Gestalt tauchte in der Türe auf.
„Hektor, Odysseus!?“ bangend schaute sie das Wesen an. Dessen Stimme klang leise, aber unheimlich
„Weder noch. Ich bin das Ende jeden Lebens.“ Er näherte sich ihr und strich mit seiner eiskalten Hand über ihr Kinn.
„Daenerys Sturmtochter, du hast mir viel Arbeit aufgetragen, aber mir noch mehr genommen. Nun will ich dich als Ausgleich.“
„Wer bist du?“
„Ich bin der Fährmann, Charon.“
„Wir sind nicht am Styx du hast kein Recht!“ Ihren Trotz hatte die Kaiserin von Rom auch in Ketten nicht verloren.
„Für dich mache ich einen Umweg.“ Er zog seine Kapuze ein Stück weit zurück und entbot ihr grinsend den Anblick seiner verfaulten schwarzen Zähne. Dany fühlte sich in jenem Moment verloren, bevor sie ein kaum hörbares Geräusch war nahm. Eines, welches so weit von ihr entfernt klang und dennoch aus nächster Nähe kam, wie ihr Herz es ihr verriet.
Es war das Kreischen ihrer Drachen, als sie noch klein genug waren, um auf ihren Schultern zu sitzen.
Ich bin die Tochter des Feuers und die Mutter der Drachen! wurde sie der letzten Worte von Hektor und Odysseus gewahr. Entschlossen schaute sie in die leblosen Augen des Charon.
„Dracarys!“ und die Flammenzungen streckten sich nach ihm aus.
Ebenso nach ihr, aber Dany machte das Feuer nichts aus. Auf einmal war die Halle voller Drachen. Dutzende, hunderte, tausende von ihnen. Alle Drachen der Targaryens, Trojas und des alten Valyrias schienen hier versammelt zu sein und spien auf ihr Kommando hin Charon lodernde Flammen entgegen. Der Fährmann schrie und sein Fleisch schmolz von seinen Knochen, wie auch die Ketten um Danys Handgelenke. Das Feuer leckte auch an ihrer Haut, aber weder fühlte sie irgendwelche Schmerzen, noch schmolz ihr Fleisch. Charon wurde von den Flammen schreiend aus den Raum getrieben und der kleine Drogon setzte sich trotzig schreiend direkt auf die linke Schulter seiner Mutter und berührte mit seiner Schnauze ihre Stirn. Die anderen kleinen Drachen ließen sich auf ihren Armgelenken nieder und lehnten ihre Köpfe an Danys Brüste, von welchen sie sie einst trinken ließ.
Inbrünstig erhob sie ihre Stimme.
„Ich bin Daenerys Sturmtochter aus dem Hause Targaryen, Tochter des Feuers, Bezwingerin des Todes und Mutter der Drachen!“
Im nächsten Moment öffnete sie ihre Augenlider und schaute wiederum in die braunen Augen ihrer Dienerin Irri, die gerade dabei war ihre Stirn abzutupfen.
„Sie wacht auf!“ Ihr Mund fühlte sich trocken an und alles um sie herum schien sich zu drehen.
„Dany, du bist wach!“ Nun beugte sich auch Prometheus über sie und wischte ihre Haarsträhnchen nach hinten, die feucht auf ihrem Gesicht klebten.
„Was, wo... bin ich?“
„Du bist wohlauf. Alles ist gut.“ Seine Hand lag nun oberhalb ihrer Brüste und sie drückte sie so fest wie möglich an sich.
„Euer Gnaden ihr müsst euch schonen.“ Memnon stand direkt gegenüber von Prometheus an der anderen Seite des Bettes.
„Schonen?“ Plötzlich wurde ihr wieder bewusst, was passiert ist. Ruckartig setzte sie sich auf und spürte dabei ein Stechen in der Seite.
„Mein Kind, was ist mit meinem Kind!?“ Sie spürte die kalten Klauen der Angst erbarmungslos ihr Herz umklammern.
„Mach dir keine Sorgen, unserem Kleinen geht es gut.“
Als Prometheus ihr das sagte, fiel ein Stein von ihrem Herzen und sie fühlte sich auf einmal so erleichtert, wie nie zuvor. Beruhigt fuhr sie über ihren Bauch.
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihm etwas zustoßen würde.“
„Das lasse ich nicht zu.“ versicherte ihr Prometheus mit ernster Miene.
„Und ich auch nicht.“ pflichtete Memnon ihm bei und dies war nicht häufig der Fall.
Sie wollte aufstehen und sowohl Memnon als auch Prometheus hielten sie gemeinsam davon ab.
„Ihr dürft euch nicht überanstrengen, Dae... euer Gnaden.“ Im letzten Moment korrigierte sich der alte Bär.
„Ich habe mich genug ausgeruht, erzählt mir wie das passieren konnte. Ich erinnere mich noch daran, wie mir auf einmal ganz schwarz vor Augen wurde.“
„Du wurdest vergiftet.“ Nachdem er das letzte Wort aussprach, schluckte Prometheus, als wollte er einen unangenehmen Klos im Hals loswerden.
„Gift?“
„Ja, die Nachricht aus Bot-Arabien. Das Pergament wurde mit einen feinem Giftpulver bestreut, bevor ihr es bekommen habt. Der Offizier, welcher es euch überreichte war kein echter Offizier, sondern der Giftmischer. So vermuten wir es, weil er seitdem verschwunden ist und wir noch am selben Abend, an dem ihr das Bewusstsein verloren habt, einen halbnackten Offizier im Heizkeller gefesselt vorfanden.“
Egal wie viele ich besiege, immer neue Feinde stehen auf und nehmen den Platz der Gefallenen ein.
„Hauptsache meinem Kind geht es gut.“
„Hauptsache dir geht es gut und natürlich auch unserem...“ Prometheus hielt die Hand in einer beschützenden Geste vor ihren Bauch.
„Memnon, sucht König Sarapion und richtet ihm aus, dass es mir besser geht. Ich will, dass dieser Giftmischer und seine Komplizen gefunden werden. Setzt eine hohe Belohnung auf sie aus und lasst alle verfügbaren Kräfte nach ihnen suchen.“ Niemand gefährdet das Leben meines Kindes ungestraft. Ich werde dich finden du Bastard. Dany war wütend. Es war eine Sache sie anzugreifen, aber der Gedanke an denjenigen, der versuchte das Leben, welches in ihrem Bauch heranwuchs, ebenfalls zu beenden, machte sie rasend.
Ich bin ein Drache und den weckt man nicht so ohne weiteres.
Memnon verbeugte sich vor ihr und ließ sie mit Prometheus alleine.
Ob ihm das schwer fällt? Nunja nicht ganz alleine. Irri war auch schon wieder da und brachte Hippokrates mit.
„Was war das für ein Gift?“ erkundigte sie sich bei ihm.
„Ein seltenes und ein tückisches. Man riecht es nicht und man schmeckt es nicht. Auch tritt die Wirkung nicht sofort ein und nur anhand der weißen Farbe des Pulvers kann man es vorher erkennen.“ Das brachte mir auf dem weißen Pergament leider nichts. „Damit und mit einer chemischen Untersuchung.“
„Nun es war nicht stark genug mich zu töten.“
„Aber es war nahe daran. Den Schwächeanfall hättet ihr auch so bekommen, nur keine Ohnmacht. Das war die verstärkende Wirkung des Giftes, dem Samen der Aurum Hararpus – gemeinhin bekannt als Harpyengold. Dank dem Anfall habe ich euch noch rechtzeitig untersuchen und das Schlimmste verhindern können. Ihr musstet auch die folgenden Tage noch um euer Leben kämpfen, aber der sichere Tod konnte abgewendet werden. Auch für euer Kind, welches meiner Einsicht nach keine Beeinträchtigungen erlitten hat und wohlauf ist.“
„Ihr habt mir das Leben gerettet und ich bin euch zu tiefem Dank verpflichtet. Wenn ihr einen Wunsch habt, völlig gleich welchen, sagt ihn mir und ich werde ihn erfüllen. Sofern es in meiner Macht liegt.“ Sie beugte sich vor und gab ihrem alten Leibarzt einen Kuss auf die Wange.
„Ihr seid zu gütig, euer Gnaden, aber ich bin glücklich euer Leben gerettet zu haben.“ Prometheus hielt ihr die ganze Zeit über ihre Hand.
„Kannst du mir aufhelfen, ich will auf die Terrasse." Er griff seiner hohen Gemahlin unter die Arme und vorsichtig erhob sie sich von ihrer Schlafstätte. Irri half ihr sogleich in ihren Morgenmantel, damit es ihr nicht fröstelte.
„Irri sei so lieb und lass mir ein heißes Bad ein. Ich muss seit Tagen nicht mehr gebadet haben. Wie lange war ich bewusstlos?“
„Mehr als sieben Tage.“
Sie seufzte.
Eine ganze Woche. Vorsichtig und mit Prometheus Hilfe bewegte sie sich nach draußen. Die Terrasse war leider nicht viel mehr als ein größerer Balkon, aber zumindest konnte sie die frische Luft einatmen und ein paar Pflanzen wuchsen hier auch. Natürlich war dies ein erbärmlicher Ersatz für ihre Terrasse daheim in Troja, die schon für sich einen kleinen Hofgarten darstellte. Aber es war das Beste, was dieser Ort aufzubieten hatte. Schließlich befand die Kaiserin sich hier in keinem Palast und auch in keiner Villa, sondern in einem Legionskastell.