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Thema: Die Bedeutung von Literaturinterpretationen - Gibt es sie?

  1. #16
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    @Yasmin_D_Ahara
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    Zitat Zitat von Osarsiph Beitrag anzeigen
    Das ist aber schon ein grundlegender Denkfehler: Es geht bei der Interpretation von literarischen Texten nicht darum, herauszufinden, was der Autor sich gedacht hat, sondern darum, was der Text sagt. Texte sind nämlich immer vieldeutig, die intendierte Bedeutung (also das, was der Autor sagen hat wollen) ist also immer nur eine von mehreren möglichen Lesarten. Natürlich gibt es da in der Regel eine Schnittmenge, aber die Frage sollte nicht sein, was der Autor dem Leser sagen wollte, sondern was der Text dem Leser sagen kann. Deshalb gibt es auch nicht eine einzige richtige Interpretation eines Textes. Es ist deshalb letztlich auch irrelevant, ob John Lennon denkt, seine Texte seien überinterpretiert, er hat nämlich keine Deutungshoheit darüber, wie ein Leser seine Texte verstehen soll.
    Doch, im Deutschunterricht gibt es exakt eine Bedeutung eines Textes, nämlich die des Lehrers. Wie gesagt, Textinterpretationen im Unterricht bedeuten nur, dass man rausfinden muss, was der Lehrer da haben will, nicht was de Text tatsächlich einem sagt. Kurzum, überflüssig

  2. #17
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Zitat Zitat von Yasmin D'Ahara Beitrag anzeigen
    Doch, im Deutschunterricht gibt es exakt eine Bedeutung eines Textes, nämlich die des Lehrers.
    Das war bei uns immer anders. Wenn man seine abweichende Meinung ordentlich anhand des Textes begründen konnte, war das immer ok.
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

    Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.


  3. #18
    Macht Musik Avatar von Peregrin_Tooc
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    Bei mir auch

  4. #19
    Süß und knuddlig Avatar von Schlumpf
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    Zitat Zitat von Osarsiph Beitrag anzeigen
    Das ist aber schon ein grundlegender Denkfehler: Es geht bei der Interpretation von literarischen Texten nicht darum, herauszufinden, was der Autor sich gedacht hat, sondern darum, was der Text sagt. Texte sind nämlich immer vieldeutig, die intendierte Bedeutung (also das, was der Autor sagen hat wollen) ist also immer nur eine von mehreren möglichen Lesarten. Natürlich gibt es da in der Regel eine Schnittmenge, aber die Frage sollte nicht sein, was der Autor dem Leser sagen wollte, sondern was der Text dem Leser sagen kann. Deshalb gibt es auch nicht eine einzige richtige Interpretation eines Textes. Es ist deshalb letztlich auch irrelevant, ob John Lennon denkt, seine Texte seien überinterpretiert, er hat nämlich keine Deutungshoheit darüber, wie ein Leser seine Texte verstehen soll.
    Und was bringt einem das jetzt wenn man einen Text nach Gutdünken interpretiert. Man findet so ja anscheinend nicht immer die Intention den Autors heraus sondern einfach nur irgendwelchen anderen Kram den man sich möglicherweise nach 2 Joints ausgedacht hat.
    Bringt einem irgendwie nichts und das ist ja monkeys Problem

  5. #20
    Genosse Dampfsense Avatar von Der Gevatter Tod
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    Zitat Zitat von Der Kantelberg Beitrag anzeigen
    Das war bei uns immer anders. Wenn man seine abweichende Meinung ordentlich anhand des Textes begründen konnte, war das immer ok.
    Das war so bei meiner zweiten Lehrerin in der Oberstufe,da hatte ich meistens ne abweichende Meinung aber trotzdem 15 Punkte weils es einfach Sinn machte. Bei der ersten Lehrerin wurde mir gesagt,das sei falsch. Da stand ich dann meistens kurz davor der Lehrerin mal begründet zu erklären dass sie dumm wie Brot ist und meine Ausführungen schlicht nicht versteht,hab mich aber stattdessen einfach auf das völlig offensichtliche in den Texten beschränkt,weil das meistens das "richtige" war...
    Ist also noch stärker lehrerabhängig als der normale Unterricht ohnehin schon.

  6. #21
    Kunst am Arier Avatar von Snup
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    Wie man in diesem Thread sieht sind Interpretationen essentiell um zu vermeiden dass aus deinen zukünftigen Schülern Leute wie Yasmin werden. Selten so viel Ignoranz gesehen.

    Ein Werk zu analysieren und zu interpretieren sagt nicht nur etwas über das Werk, sondern auch über die Kultur und Gesellschaft in der es entstanden ist, aus. Wie viel das tatsächlich im Unterricht bringt, hängt wie so vieles sehr stark von der Qualität des Lehrers ab. Die Tatsache, dass dir das anscheinend völlig unreflektiert beigebracht wird, spricht mal wieder Bände über die Lehrerausbildung. Mein aufrichtiges Beileid dafür an dich.

  7. #22
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    @Yasmin_D_Ahara
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    Die Realität ist wie sie ist, es hat nichts mit Ignoranz zu tun, wenn man das einfach mal anzuerkennen. Textinterpretationen sind nicht mehr und nicht weniger als das Zusammenspinnen von Zeugs, was so im Text nicht drin steht, man aber irgendwie an den Haaren herbeiziehen kann. Für Journalisten bei der BILD ist das eine nützliche Fähigkeit, ansonsten ist nicht das relevant was womöglich gemeint sein könnte, sondern was da steht.

    Und da man sich bei einem beliebigen Text fast beliebig was zusammenspinnen kann, ist am Ende des Tages nur wichtig, welche Spinnerei der Laser oder Lehrer haben will. Alles andere ist esoterische Traumtänzerei, die einer letztlich völlig nutzlosen Zeitverschwendung einen Sinn andichtet, um sie zu legitimieren. Es fördert absolut null außer dem Absatz von Interpretationsbüchern, daher kann man das Verbleiben dieser sinnlosen Übung im Lehrplan als Lobbyerfolg der entsprechenden Industrie sehen.

  8. #23
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    Vielleicht wollen wir mal ein Werk interpretieren. Am besten ein kleines Gedicht.
    Dann kann man konkret belegen, dass jeder Interpretationsversuch entweder herbeigesponnener Quatsch oder eine Beschreibung des Offensichtlichen ist.
    Verstand op nul, frituur op 180.

  9. #24
    Paul I.
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    Liebe Yasmin, ich empfehle dir dringend die Lektüre von In praise of idleness - Bertrand Russell. Da stehen sehr schlaue Sachen über die Bedeutung von Kulturtechniken drin. Da er sich auch zur Bedeutung und Wahrnehmung von Arbeit äußert kannst du mit der Lektüre auch noch einige deiner weiteren schwerwiegenderen Bildungsdefizite ausgleichen.

  10. #25
    Kunst am Arier Avatar von Snup
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    Zitat Zitat von Yasmin D'Ahara Beitrag anzeigen
    Die Realität ist wie sie ist, es hat nichts mit Ignoranz zu tun, wenn man das einfach mal anzuerkennen. Textinterpretationen sind nicht mehr und nicht weniger als das Zusammenspinnen von Zeugs, was so im Text nicht drin steht, man aber irgendwie an den Haaren herbeiziehen kann. Für Journalisten bei der BILD ist das eine nützliche Fähigkeit, ansonsten ist nicht das relevant was womöglich gemeint sein könnte, sondern was da steht.

    Und da man sich bei einem beliebigen Text fast beliebig was zusammenspinnen kann, ist am Ende des Tages nur wichtig, welche Spinnerei der Laser oder Lehrer haben will. Alles andere ist esoterische Traumtänzerei, die einer letztlich völlig nutzlosen Zeitverschwendung einen Sinn andichtet, um sie zu legitimieren. Es fördert absolut null außer dem Absatz von Interpretationsbüchern, daher kann man das Verbleiben dieser sinnlosen Übung im Lehrplan als Lobbyerfolg der entsprechenden Industrie sehen.
    Ja, wir habens verstanden, der Unterricht den du genossen hast war absolut furchtbar. Ignorant ist aber deine Annahme, dass er dir trotzdem alles geboten hat was er je bieten könnte.

  11. #26
    Bái Zuô! Avatar von monkeypunch87
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    Zitat Zitat von Der Kantelberg Beitrag anzeigen
    Bei diesem Beispiel für Gedichte auf jeden Fall... Die kommen im Leben eher seltener vor - Manchmal dann aber doch. Geht mir oft so bei Musik. Dann guckt man sich den Liedtext an und schon stell ich mir die Frage: Was will der damit sagen? Natürlich nicht bei Ballermann-Wir-saufen-uns-die-Hucke-voll-Musik. Aber grade im Metal-Bereich gibts da viele Texte die erstaunlich teifgründig sind und Anleihen bei allen möglichen Werken der Weltliteratur nehmen. Beispiel: Kamelots Album "Epica" http://en.wikipedia.org/wiki/Epica_%28album%29

    Bei Kurzgeschichten oder Romanen sieht es ein wenig anders aus, das brauchst du definitiv später für:
    - Jegliche Sprachwissenschaft. Also, egal welche Sprache du studierst (oder lernst). Bei einem Semester Business-English vielleicht nicht, aber sobald es darüber hinaus geht. Merkst du ja grade. Wenn du die Literaturanalyse außen vor lässt, entgeht dir halt die Hälfte der Sachen, die in dieser Sprache geschrieben wurden.
    - Religion. Alle religiösen Texte von der Bhagavad Gita über Bibel bis zum Koran und was es sonst noch so gibt, müssen ausgelegt werden. Das ist erst mal nichts anderes als ne Interpretation. Wenn du religionskritisch bist und dich mit dem Thema befassen willst, musst du die Texte trotzdem auslegen, weil du zeigen willst, was daran falsch ist.
    - Geschichte. Quellen sind fast immer Texte. Und die sind nicht immer sachlich-nüchtern verfasst, sondern ausgeschmückt. (Es sei denn, es handelt sich um irgendwelche Inventarlisten oder ähnliches) Also musst du sie interpretieren.
    - Gesellschaftliche Teilhabe: Menschen drücken sich halt manchmal über Literatur aus oder nehmen Anleihen daran. Sie fassen Kritik am Staat in eine Parabel oder Gesellschaftkritik in einen Roman. Sie stellen die "Gretchenfrage". Sie verarbeiten den 2. Weltkrieg mit der Blechtrommel. Sie reden in Pleonasmen, Oxymora oder Tautologien und es ist nicht immer nur ein dummer Wortwitz, sondern sagt manchmal auch was aus. - Wenn du sie nicht verstehst, bist du dann außen vor.
    Das hat mir schon sehr weitergeholfen bei meiner Suche nach einem Sinn, gerade der Ansatz über die geschichtlichen Quellen.

    Zitat Zitat von Metropolis Beitrag anzeigen
    Als Englischlehrer meine ich auf Interpretationen verzichten zu können, zumal an der Schulart, die ich unterrichte (Realschule). Richtung Gymnasium mag das eher was bringen, allerdings werden dort für gewöhnlich eh' Werke besprochen, die schon zig-fach seziert wurden. Daher eigentlich nicht so schlimm, wenn Du damit haderst.

    Wichtig ist es den jeweiligen Zeitrahmen und die jeweiligen Lebensumstände zu beachten, in der die Geschichte niedergeschrieben wurde. Bei Austen und Bronte z.B. ist es so: Kennt man einen, kennt man alle.

    Gedichte sind allerdings hart, da habe ich auch keinen Zugang dazu gefunden. Wurde aber im Staatsexamen just zu den beiden was gefragt, zu denen ich zumindest was labbern konnte. Hätte mich aber auch eiskalt erwischen können.

    Edith meint: Geschichte war auch bei mir Zweitfach. Solltest Du später mal Unterrichtsstunden brauchen, einfach anfragen. Ich habe da so viel selber gemacht (und so gut), dass ich es fast veröffentlichen sollte.
    Ich werde irgendwann Lehrer für das Gymnasium sein, aber auf dein Angebot mit dem Lehrmaterial werde ich sicher irgendwann zurückkommen. Mir geht es aber auch nicht so sehr darum, ob ich es als Lehrer später mal den Schülern vermitteln kann, sondern um eine persönliche Sinn- und Motivationssuche damit ich überhaupt diesen Pflichtteil meines Studiums überstehe. Ich denke, wenn ich mir selber und mit euer Hilfe einen solchen Sinn erarbeiten kann, dann kann ich es auch später besser vermitteln.

    Zitat Zitat von Peregrin_Tooc Beitrag anzeigen
    Die Interpretation eines literarischen Werkes - insbesondere, wenn es ein gewisses Niveau hat - stellt häufig sicher, dass man überhaupt verstehen kann, was alles in diesem Werk drinsteckt.
    Ein simpler Roman, der eine Geschichte erzählt, hat natürlich einen Wert an sich, er kann aber auch - gerade bei Autoren, die sich als aktive Mitglieder der Gesellschaft verstehen - noch viele andere Erzählebenen und auch ganz andere Inhaltsebenen haben. Und die versteht man nicht, ohne eine gewisse Anstrengung. Lustiger Weise macht man diese Interpretation im späteren Leben von ganz alleine, ohne großartig darüber nachzudenken, dass ermöglicht einem dann, auch etwas schwierigere Bücher lesen zu können als als Kind...
    Ist es so, dass es mit der Zeit einfacher wird? Und noch ist mir auch noch nicht ganz klar, wie man "Überinterpretation" verhindert? Ich bin schon Anhänger der Meinung, dass die einfachste Theorie einer komplizierteren vorzuziehen ist. Aber das wird wohl der falsche Ansatz bei Interpretationen sein, oder?

    Zitat Zitat von Yasmin D'Ahara Beitrag anzeigen
    Die Realität ist wie sie ist, es hat nichts mit Ignoranz zu tun, wenn man das einfach mal anzuerkennen. Textinterpretationen sind nicht mehr und nicht weniger als das Zusammenspinnen von Zeugs, was so im Text nicht drin steht, man aber irgendwie an den Haaren herbeiziehen kann. Für Journalisten bei der BILD ist das eine nützliche Fähigkeit, ansonsten ist nicht das relevant was womöglich gemeint sein könnte, sondern was da steht.

    Und da man sich bei einem beliebigen Text fast beliebig was zusammenspinnen kann, ist am Ende des Tages nur wichtig, welche Spinnerei der Laser oder Lehrer haben will. Alles andere ist esoterische Traumtänzerei, die einer letztlich völlig nutzlosen Zeitverschwendung einen Sinn andichtet, um sie zu legitimieren. Es fördert absolut null außer dem Absatz von Interpretationsbüchern, daher kann man das Verbleiben dieser sinnlosen Übung im Lehrplan als Lobbyerfolg der entsprechenden Industrie sehen.
    Genau so sehe ich es bisher auch, aber dieser Zynismus hält mich auf. Vielleicht hast du ja auch absolut recht, hilft mir aber nicht weiter in meinem Studium. Es ist zwar ein bisschen krampfhaft, aber ich muss dringend einen Sinn entdecken.

    Zitat Zitat von Paul I. Beitrag anzeigen
    Liebe Yasmin, ich empfehle dir dringend die Lektüre von In praise of idleness - Bertrand Russell. Da stehen sehr schlaue Sachen über die Bedeutung von Kulturtechniken drin. Da er sich auch zur Bedeutung und Wahrnehmung von Arbeit äußert kannst du mit der Lektüre auch noch einige deiner weiteren schwerwiegenderen Bildungsdefizite ausgleichen.
    Könnte die Lektüre dieses Buches mir bei meiner Suche helfen?
    Das Bemühen um mehr soziale Gleichheit hat ebenfalls seine Schattenseite:
    So erzeugen manche Verfechter von Gleichheit und Akzeptanz selbst Ungleichheit und Inakzeptanz – weil auch sie nur jene akzeptieren, die ihren eigenen Werten entsprechen. Alle anderen werden beschuldigt, beschämt, moralisch verurteilt oder sonstwie verächtlich gemacht. Das begünstigt Kulturkämpfe und eine immer stärkere Polarisierung der Gesellschaft.

  12. #27
    Paul I.
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    Zitat Zitat von monkeypunch87 Beitrag anzeigen
    Könnte die Lektüre dieses Buches mir bei meiner Suche helfen?
    Auf jeden Fall. Ist zwar schon was älter (1932) aber die Themen sind immer noch sehr aktuell. Das Namensgebende Essay gibt es auch Online.
    Ich weiß zwar nicht, was ihr in der Lehrerausbildung lernt und was ihr dann später damit anfangen sollt, aber grundsätzlich ist ein Text ja schon mehr als nur Summe aller geschriebenen Worte. Duktus, Reimschema, historischer Kontext usw. können Inhalt und Wirkung ja entscheidend mitbestimmen. Du kannst das ja einfach mal selber ausprobieren, indem du zum gleichen Thema einen Text als Aufsatz, kreatives Essay und in Reimform schreibst.
    Ich hatte das Glück, dass tatsächlich einer meiner Lehrer in der Lage war uns diese Begründung für Textanalysen zu vermitteln. Letzlich geht es ja bei der Lehre immer um das Wecken von Neugierde.

  13. #28
    Macht Musik Avatar von Peregrin_Tooc
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    Zitat Zitat von monkeypunch87 Beitrag anzeigen
    Ist es so, dass es mit der Zeit einfacher wird? Und noch ist mir auch noch nicht ganz klar, wie man "Überinterpretation" verhindert? Ich bin schon Anhänger der Meinung, dass die einfachste Theorie einer komplizierteren vorzuziehen ist. Aber das wird wohl der falsche Ansatz bei Interpretationen sein, oder?
    Nein, das ist nicht der falsche Ansatz. Es ist der richtige. Alles, was übermäßig kompliziert ist, ist wahrscheinlich falsch. Bleiben wir mal bei zeitgenössischer erzählender Literatur. Da wird zunächst eine Geschichte erzählt. Jetzt weiß aber jeder, das man Tatsachen so oder so deuten kann. Nimmst Du irgendeinen Handlungsverlauf, an dem ein 16 jähriger Junge und eine 42 jährige Frau zentral beteiligt sind, erfährt jeder der Beiden die gleiche Handlung völlig unterschiedlich. Schreibt der Autor das Buch aus der Sicht des Jungen, wird es ein ganz anderes Buch, als wenn er aus der Sicht der Frau mittleren Alters schreibt. Zumindest sollte es so sein. Es ergibt schon allein daher sehr viel Sinn, sich über die Erzählperspektiven Gedanken zu machen. Man kann auf diese Weise auch mehr oder weniger objektive Kriterien dafür finden, wann ein Buch gute Literatur ist und wann nicht - und eine gute Handlung ist nur der erste Schritt und am Ende des Tages nicht mal unbedingt notwendig, damit ein Buch gut ist.

  14. #29
    zu alt für den Scheiß Avatar von papillon
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    Zitat Zitat von Yasmin D'Ahara Beitrag anzeigen
    Doch, im Deutschunterricht gibt es exakt eine Bedeutung eines Textes, nämlich die des Lehrers. Wie gesagt, Textinterpretationen im Unterricht bedeuten nur, dass man rausfinden muss, was der Lehrer da haben will, nicht was de Text tatsächlich einem sagt. Kurzum, überflüssig
    Das ist doch Humbug. Moderner Literatur- oder Deutschunterricht lehrt das Handwerk der Analyse und nicht den Inhalt. Natürlich gibt es Bezüge, die offensichtlich sind, wenn man z.B. die Epoche beachtet oder eben gewisse Moden der Zeit, die sich dann im Werk wiederfinden lassen. Eine vernünftige Analyse läuft wie ein Beweis ab: These, Argumentation (unterstützendes Argument/ ggfs. Entkräftung von Gegenargumenten plus Belege) und Textverweise. Eine Analyse (denn den Terminus Interpretation benutzt man eigentlich nicht mehr) stellt einen Deutungsansatz anhand formaler und inhaltlicher Bezüge dar, der am Text belegt werden soll. Wichtig ist dabei die Konsistenz des Ansatzes und die Beachtung offensichtlicher Elemente wie Motivik, Gestaltung usw...
    Sachlich falsch kann eine Analye aber trotzdem sein, wenn der Inhalt, aus welchem Grund auch immer, fehlverstanden wird, Bezüge unlogisch sind oder sich die Argumentation widerspricht bzw. die Belege nicht zu den eigenen Interpretationsansätzen passen.
    "Wer schweigt, stimmt nicht immer zu. Er hat nur manchmal keine Lust, mit Idioten zu diskutieren…"

    "In the beginning the Universe was created. This has made a lot of people very angry and been widely regarded as a bad move."
    The Restaurant at the End of the Universe, 1980, Douglas Adams

  15. #30
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Was Yasmin erzählt ist schlicht und ergreifend ignoranter Dünpfiff. Ich verweise auf Kantels Begründung.
    Hab mich als Schüler auch lange gegen Interpretationen gewehrt, aber ab Oberstufe hatte ich einen super Lehrer, der mir den Spaß daran vermittelt hat. Natürlich gehe ich jetzt nicht durchs Leben und versuche jede Metapher zu verstehen, aber insbesondere bei Musik (so ein Song ist ja meist locker und kurz anzuhören, man kennt "seine" Songs auch sehr gut) ist es erstaunlich, wie viel man mehr raushört. Und immer neue Hintergründe und tiefere Zusammenhänge zu finden macht mir unheimlich viel Spaß. Ich würde sogar behaupten, dass gute Textanalyse bei naturwissenschaftlichen Fächern helfen kann.

    Dass du überinterpretierst verhinderst du ganz einfach, indem du das betrachtest, was da steht. Der Hauptcharakter fühlt sich allein gelassen. Bestimmt wurde der als Kind gemobbt! Steht das da? Nein. Aber wenn er in einem Beamtenapparat arbeitet und am Fließband Personenkarteien abheftet, während er so denkt, kann der bürokratisierte Umgang mit Menschen ein Gefühl des Alleinseins in ihm auslösen.

    Mal als Extrembeispiel.
    Im nächsten Schritt kannst du dann überlegen, wie eine mögliche These des Textes lauten konnte. Entmenschlicht die Bürokratie? Wenn das konsequent vom Text gestützt wird, ist es zumindest ein starkes Motiv.
    Dann kannst du dich im dritten Schritt vom Text lösen, andere Werke hinzuziehen, auf die du Verweise findest (er fährt nach Hause und es läuft "Auferstanden aus Ruinen"?) und vergleichen oder die Vita des Verfassers anschauen (Civforumuser, der 2013 in nem Amtsgericht Praktikum macht?) etc.
    Wobei ich den letzten Schritt ungern mache. Autor vom Werk gelöst betrachten halte ich für zielführender. Textimmanent arbeiten, das Werk (und seine Verweise) für sich betrachten. Aber da bin ich womöglich von meinem Deutschlehrer geprägt.

    Den Begriff (hinein)interpretieren finde ich unschön. Das klingt subjektiv.
    Herauslesen klingt besser.
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
    Wären die Beiträge der Admins alles, was zählt, dann wäre dieses Forum eine Geisterstadt mit Adventskalender.

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