Ich habe ein sehr interessantes Interview mit Ragnar Tornquist gefunden, seines Zeichens Storyschreiber von The Longest Journey und Dreamfall. Im ersten Teil äußert er sich zu seinem aktuellen Projekt:
Interview Teil 1
Im zweiten Teil redet er über seine Idee von Spielen in der Zukunft etc.
Interview Teil 2
Da es doch ziemlich viel Text ist, habe ich mal einige interessante Ansätze herausgesucht und nach bestem Wissen übersetzt:
Achtung Spoiler:RPS: Anscheinend war es ihre Entscheidung, nicht "Cabal", sondern "The Secret World" zu entwickeln. Warum der Wechsel?RPS: Presumably it was your decision to move from Cabal to The Secret World. Why the change?
Ragnar: It was a discussion. Everybody was sort of torn about the 1920s. For us who love that sense of adventure and the unknown, it was easy to see how that setting could work. But a lot of other people felt it’s a difficult age to nail down. It’s an unknown period, especially for games. Everybody felt the modern day would be a lot easier for people to get and understand, and also there are very few contemporary real-world games that aren’t shooters or racing games. It was a choice that I think was absolutely right. And there are still mysteries in the world! The world is still unexplored. The feeling that there’s nothing left to explore, there’s nothing left to understand, there’s nothing left to decipher – that’s a dull thing. But there are still mysteries out there we don’t understand, whether they be spiritual, religious, scientific or magical.
Ragnar: Die Entscheidung wurde in einer Diskussion gefällt. Jeder war irgendwie gespalten über die 1920er Jahre. Für uns, die das Gefühl von Abenteuer und dem Unbekannten mögen, war es leicht zu sehen, wie das ganze Setting funktionieren könnte. Aber eine Menge anderer Leute dachten, es sei ein schwieriges, schwer festzumachendes Zeitalter.Es ist eine unbekannte Zeit, gerade für Spiele. Jeder dachte, die aktuelle Zeit wäre für die Menschen einfacher zu verstehen, einfacher sich hineinzuversetzen. Zudem gab es sehr wenige zeitgenössische Spiele, abgesehen von Rennspielen und Shootern. Es war eine Entscheidung, die ich [im Nachhinein] als absolut richtig empfinde. Und es gibt immer noch Geheimnisse in unserer Welt! Die Welt ist immer noch unerforscht. Das Gefühl, dass es Nichts mehr zu entdecken, Nichts mehr zu verstehen oder zu entschlüsseln gibt - das wäre langweilig und dumpf [wie übersetzt man hier "dull"?]. Aber es gibt immer noch Geheimnisse in unserer Welt, die wir nicht verstehen, seien sie sprirituell, religiös oder magisch.
Fragen, die sich daran anschließen:
1) Möchten die Spieler wirklich lieber in einer modernen Welt spielen als in den 20er Jahren?
2) Ist das nun romantischer Quatsch oder wird es immer irgendwelche Dinge geben, die wir nicht verstehen?
...
Achtung Spoiler:RPS: Warum, glauben Sie, ist es so ungewöhnlich in der Spieleindustrie [, dass hinter einem Spiel eine tiefere Story und ein Plan liegt]? Immerhin ist es in Filmen, Büchern oder jedem anderen Medium nicht ungewöhnlich.RPS: Why do you think that’s so unusual in the industry? I mean, it’s not unusual in cinema or in books, or any other medium.
Ragnar: I think people are scared of being perceived as preachy. Or to take themselves too seriously. Or to alienate the audience. But the fact is, you don’t alienate the audience. The audience is used to it. Everybody watches TV and movies and read books, and they know that they’re political or religious or there are themes that carry through in even the most pulpy TV or literature, because talking about something is inherently more interesting than talking about nothing. Why aren’t people doing it? Well, game writing is reasonably fresh. And you can create interesting stories without having a lot of subtext. You should have a message, but it doesn’t have to be a very strong message. It could be “love conquers all”.
Ragnar: Ich glaube, dass die Leute Angst haben, als Moralapostel wahrgenommen zu werden. Oder, dass sie sich selbst zu ernst nähmen. Oder, dass sie ihre Zuhörer/Spieler abschrecken. Fakt ist aber, dass man niemanden dadurch abschreckt. Das Publikum ist es gewohnt. Jeder schaut fern, geht ins Kino und liest Bücher, und die Leute wissen, dass diese politisch oder religiös sind, dass es Motive gibt, die sich auch durch die blödesten Serien oder Bücher ziehen, weil es schlicht viel interessanter ist, über irgendetwas zu reden, als über Nichts zu reden. Warum tun es die Leute [Spieleentwickler] nicht? Nun, Spieledesign ist ziemlich neu. Und man kann durchaus interessante Geschichten schreiben, ohne eine Menge an Zusatzinformationen. Du solltest eine Botschaft haben, aber es muss keine starke sein. Es könnte einfach nur "Die Liebe besiegt jedes Hindernis" sein.
Es wird drei Fraktionen in dem neuen Spiel geben, die Drachen (Dragons), die Illuminaten und die Templer.
Achtung Spoiler:RPS: Will you lie to the player about the other factions?
Ragnar: Yes. Absolutely. You won’t be able to tell what’s lies and what’s truth as well, so players will argue about this as well. When they start playing the game they’ll be like, “Well, you did that.” “No we didn’t, you guys did that!” When it comes to terrible things that have happened in history, the Illuminati will blame the Templars, the Templars will blame the Illuminati, and the Dragon are probably the ones who did it. We want people to question everything. Everything is true, but at the same time everything is therefore by default false. There is one Truth, and players will learn about that too, but nothing is ever simple in this game.
RPS: Werden Sie den Spieler über die jeweils anderen Fraktionen belügen?
Ragnar: Ja! Auf jeden Fall! Man wird allerdings nicht wissen, was Lüge und was Wahrheit ist, sodass die Spieler auch darüber diskutieren werden. Zu Beginn des Spiels werden sie sich beschuldigen: "Du hast das gemacht!" - "Nein, das waren wir nicht. Ihr wart das!" Wenn es um die schrecklichen Dinge der Geschichte geht, werden die Illuminaten die Templer dafür verantwortlich machen und diese wiederum die Illuminaten und vermutlich waren es die Drachen gewesen. Wir wollen, dass die Menschen alles hinterfragen. Alles muss richtig sein, aber daher muss auch alles zugleich falsch sein. Es gibt "die Wahrheit" und die Spieler werden sie mit der Zeit kennen lernen, aber ncihts in diesem SPiel wird jemals simpel sein.
Sehr interessant, wie ich finde. Man spielt sozusagen ein unterschiedliches Spiel, je nachdem, welcher Fraktion man sich anschließt. Es bleibt abzuwarten, wie weit sie es damit treiben. Tornquist scheint da jedenfalls keine Grenzen zu kennen.
Achtung Spoiler:RPS: Etwas, das wirklich völlig anders zu sein scheint als bei anderen Spielen, ist die Idee, den Spieler dazu anzuhalten, das Spiel zu verlassen und nach anderen Dingen zu googeln. Wie wollt ihr das den Spielern schmackhaft machen? Ich glaube nicht, dass die Spieler von sich aus das Spiel verlassen, um etwas herauszufinden, ohne dazu angehalten zu werden.RPS: One of the things that does seem wildly different to me is asking players to task-switch out of the game and go to Google. How do you sell that to players? I can’t see how I would ever think to step out of a game without being told to.
Ragnar: Well, we’re already telling people they’ll need to. But there are other ways to do it. The chat channels will let people help each other out. Get clues from players. I think players will be extremely eager to help each other. I think we’re becoming a world of Googlers, so I don’t think it’s a big step to go to find things out.
Nunja, wir sagen es den Spielern jetzt schon, dass sie es tun werden müssen. Aber es gibt auch andere Wege, es zu tun. Die Chats werden den Spielern dazu dienen, sich gegenseitig zu helfen. Hinweise von anderen Spielern bekommen. Ich denke, dass Spieler sich darauf freuen, sich gegenseitig helfen zu müssen. Wir werden ohnehin eine Welt von "Googlern", da ist es kein großer Schritt mehr, google für ein Spiel zu nutzen.
Achtung Spoiler:Auf die Frage, ob das die Spieler denn nicht nerven würde, das Spiel zu beenden oder wegzuswitchen, antwortet Ragnar:
Du bist immer noch IN der "Secret World". Joel [ein anderer leitender Designer des Spiels] pflegt zu sagen: "Erschaffung eines Gedankenbereichs" [wtf? Keine Ahnung, was das bedeuten soll!?!?!].Du bist immer in der geheimen Welt. Auch wenn du nicht spielst, denkst du darüber nach. Ich denke, dass viele Lösungen von Rätseln entstehen, wenn man gerade nicht spielt. Du hängst irgendwo, gehst weg und tust etwas Anderes, aber du kaust das Ganze im Geiste wieder und wieder durch. Am nächsten Tag schreibst du vielleicht mit deinen Freunden, oder du gehst in ein Forum, und siehst, wie sich die Leute darum Gedanken machen und verschiedene Lösungen durchspielen. Und dann gehst du heim und spielst es abends wieder. Das Großartige an dem Spiel ist, dass du im Spiel jederzeit eine Mission pausieren kannst, und wenn du hängen bleibst, mit etwas Anderem weitermachst.Ragnar: You are still in The Secret World. Joel [another senior writer on the game] likes to use the phrase, “creating a mind space”. You’re always in The Secret World. So even when you’re not playing, you’re thinking about it. I think a lot of the puzzle solving will happen when you’re not playing. You’ll get stuck, you’ll go do something else, but your mind will churn over the details. The next day at work you’ll be chatting with your friends, or going on the forums, and seeing people discussing various ideas for how it can be solved. And you’ll get home and play it again that night. The great thing is you can always put a mission on pause in The Secret World, so if you get stuck you can always go and do something else.
Sie möchten das Spiel richtungsweisend machen:
Achtung Spoiler:Es gab z.B. schon Charaktere aus dem Spiel, die anderen Spielern Emails schreiben. Tolle PR oder auch Teil des Spiels?
Ragnar: Auf jeden Fall. Das wird direkt nach dem Spielstart (Release?) passieren. Wir werden die Grenzen zwischen deinem Charakter und dir selbst verwischen, und du wirst von Charakteren des Spiels kontaktiert werden.Ragnar: Absolutely. That’ll happen once you start playing the game too. We’ll erode those boundaries between your character and yourself, and you’ll be contacted by the characters in the game.
Beängstigend? Es könnte Menschen geben, denen das nicht gut tut...
In Tornquists Spielen gibt es anscheinend immer wieder eine Welt hinter der realen. Die Menschheit dagegen scheint eher zu glauben, dass man alles rational erklären kann und meidet das Mysteriöse.
Achtung Spoiler:RPS: Weshalb, glauben Sie, geschieht dies?RPS: Why do you think that happens?
Ragnar: It’s a good question. I think a lot of people feel that they can live without mystery, the fear of the unknown, maybe? For me the unknown is nothing to feared, it’s something to be embraced. I don’t know if people have lost it – I think people actually crave it. But in our daily lives there’s very little mystery. We go from our safe homes to our safe commute to our safe jobs and live in a safe environment. Of course we face things like death and disease, poverty and crime, but that’s really not about a sense of mystery. That’s just a sense of fear. I think we’re so closed in by the routines of our normal lives that mystery becomes something abstract that we don’t crave any more. When something kindles that sense of mystery in us, I think that’s very intriguing.
Ragnar: Gute Frage. Ich denke, eine Menge Leute glauben, sie KÖNNEN ohne das Mysteriöse leben, vielleicht aus Furcht vor dem Unbekannten? Für mich ist das Unbekannte nichts, was ich fürchten müsste, es ist etwas, das man willkommen heißen sollte. Ich weiß nicht, ob die Menschen das verloren haben - ich denke eher, dass sie sich danach sehnen. Aber in unserem Alltag gibt es keine Geheimnisse. We gehen von unserem sicheren Zuhause zu unseren sicheren Wegen zur sicheren Arbeit und leben in einer sicheren Umgebung. Natürlich werden wir mit Dingen wie Seuchen, Armut, Kriminalität oder dem Tod konfrontiert, aber das sind keine Mysterien im wirklichen Sinn. Dort fühlen wir nur Angst. Ich denke, dass wir so eingeengt von usnerem Alltag sind, dass das Mysteriöse etwas Abstraktes geworden ist, und wir uns nicht mehr danach sehnen. Wenn dann etwas diese Sehnsucht nach dem Mysteriösen in uns entfacht, ist das ein sehr faszinierendes Gefühl.
Welche Grenzen müssen noch durchbrochen werden?
Achtung Spoiler:RPS: Was sind dann die Grenzen? Welche sollten wir jetzt erweitern?RPS: What are the boundaries, then? What should we be pushing at now?
Ragnar: Very few stories are about family. Where’s family in games? Friendship, family, love, tragedy. There are lots of areas that games need to push themselves. We create great conspiracies, and great dramatic retellings of epic wars, but we’re still missing that core, intimate, personal, family – that part of storytelling. Giving players a family is really interesting. To build a life for you as a player. But that’s hard in an MMO, because you’re creating your own character. But we do have an origin story that shows you how you became who you are. But we don’t have a family for you. We don’t have that dense background that all of us in the real world have – that is a blank space in MMOs and RPGs.
Ragnar: Es gibt nur sehr wenige Geschichten über Familie. Wo ist die Familie in den Spielen? Freundschaft, Familie, Liebe, Tragödie. Es gibt viele Gebiete, in denen sich die Spiele verbessern müssen. Wir erschaffen riesige Verschwörungen, großartige Nacherzählungen epischer Kriege, aber wir treffen immer noch nicht diesen Kern, vertraulich, persönlich, familiär - diesen Teil des Geschichtenerzählens. Spielern eine Familie zu geben ist wirklich interessant. Ein Leben für dich als SPieler zu erschaffen. Allerdings ist dies schwierig in MMO, weil du deinen eigenen Charakter erschaffst. Dabei haben wir durchaus eine Hintergrundgeschichte, die zeigt, weshalb man der ist, der man nunmal ist. Wir haben jedoch keine Familie für dich. Wir haben nicht den dichten Hintergrund, den jeder in der Realwelt hat - das ist eine Leerstelle bei MMOs und RPGs.
Was haltet ihr davon? Wird sich die Branche in dieser Richtung weiterentwickeln oder ist das Spinnerei? Wie gefährlich wäre es, wenn Leben und Spiel sich vermischen?