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Thema: [Semi-Blog] Die Ghalerie

  1. #1411
    Im Monsterland
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    Das Aber bleibt

    Ich kann den Widerspruch nicht auflösen: Die angedachte Geschichte verlangt danach, den Cast flexibel zu halten und tendenziell zu reduzieren, während die Kampagne auf Beständigkeit baut und mich ermahnt, vor allem den Korken nicht anzurühren. Gerade Samus müsste irgendwann scheitern und/oder durchbrennen, um Ava Raum zu geben.

    Alles läuft auf diese Frage hinaus: Kann ich den Eindruck eines dynamischen, scheiternden Orts vermitteln, während in Wahrheit statische Prosperität herrscht?
    Es erscheint schwer.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  2. #1412
    Im Monsterland
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    Ich möchte nun die Pause nutzen, um beim Blick nach vorne das Offensichtliche auszusprechen: Ich überlege momentan, ob und wie es mit der Geschichte generell weitergeht.
    1.) Ich könnte mich hereinstürzen und doch irgendwie versuchen, die Behörde wie eine Westernstadt wirken zu lassen. Das fällt ganz unabhängig von der Achievementjagd schwer, da Tode nur über die Königin laufen und ich diese nicht benötige.
    2.) Ich könnte auf die Rahmenhandlung verzichten und die Geschichte bis zum Kampagnenende weiterplätschern zu lassen. Dies geschähe auch in Hinsicht auf meine Gastcharaktere.
    3.) Ich beschränke mich auf die Ausarbeitung und breche die Geschichte selbst ab.
    Wenn ihr mögt, könnt ihr eure Wünsche äußern.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  3. #1413
    Im Monsterland
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    "Es war nicht alles schlecht": Ein Blick auf den Cast

    Ich fokussierte mich bislang auf das Negative, doch möchte ich anmerken: Ich bin mit meiner Charakterzusammenstellung weitgehend zufrieden; sie erfüllt ihren Zweck für die Eröffnung. Mir fehlt allein die Fähigkeit, sie durchzutauschen und damit an spätere Situationen anzupassen.

    • Avastyn, die Zauberin und Hauptfigur
    Ich mag sie. Sie ist so schön kaputt.
    Bei ihr brach ich erneut mit meiner Tendenz zu blank slate protagonists und fuhr damit gut. Die liebe Ava besitzt einen klaren Hintergrund, Stärken sowie Schwächen und eine deutliche Herausforderung zur Wandlung. Sie hätte mit Arlonia ihre Geschichte gehabt und darin funktioniert.

    • Sirvai, die Heilerin, "bitchige beste Freundin" und Rivalin Plus
    Sirvai wurde von mir so erstellt, dass sie zwar als beste Freundin beginnt, jedoch in ihren Werten so grundverschieden ist, dass Avas Wachstum unweigerlich die Beziehung belastet. Sie nähert sich gerade Salcor an, doch wenn Ava ihr darin Konkurrenz macht, dann steht ihr mehr Leid bevor, als ohnehin für sie eingeplant war: Nechorias Ende trifft ihre Familie und ihre zunehmende Distanz zu ihrem Bruder kostet sie Macht. (Außerdem besitzt sie so starke Vorbehalte gegen ihren Eltern, dass ich sie zwangsläufig schwängern muss.) Ich sehe sie als dynamischen Charakter vor mir: Als machtbewusst, aber überfordert beginnend, werden sie die Katastrophen und Prügel immer anhänglicher machen, bis sie sich am Ende, quasi die Stadt Arlonia verkörpernd, an Avas Rockzipfel klammert.

    • Arlon, der Ritter und distanziertes Symbol der Stadt
    Für den Anfang erscheint mir die abgehoben-passive Doppelspitze passend, doch würde ich ihm zwei Wendepunkte hereinschreiben: Irgendwann erwacht er, um in hektischer Betriebsamkeit und minimalem Effekt seine Schöpfung zu sichern, und danach wird er gebrochen, also getötet oder besser noch krankenhausreif geprügelt. Von da an wäre er der Obhut seiner Schwester ausgeliefert, ebenso wie diese ein Symbol von Stadt und Volk (wobei er eher für die Stadt und Sirvai für das Volk stände).

    • Samus, die Königin und scheiternde Mentorin
    Das Handeln der distanzierten Obrigkeit ist bis zu einem entscheidenden Punkt belanglos: Mitten in der Krise offenbart sie, wie wenig sie das gemeinsame Abenteuer wirklich kümmert - sie unterschreibt einen Vertrag bei Nezrath, zieht nach Vesk und lässt die ihr Anvertrauten auf Gedeih und Verderb allein.

    • Salcor, die Missionarin und Rivalin Plus love interest
    Im Kindergarten Arlonias tritt Sally wie eine Erwachsene auf: Auch wenn sie innerlich vor Fragen steht, kennt sie doch sich selbst sowie ihren Platz in der Welt und kann ihr Innerstes für sich behalten. Ihr Aufenthalt liegt irgendwo zwischen Auszeit und Flucht; in den nächsten Freitext-Kapiteln wollte ich sie ihre Lebenssituation enthüllen lassen: Sie ist ein Geschöpf der Göttin Kalijja und wurde zu dem Zweck erschaffen, für diese unter Menschen zu wirken. Nun erfüllte sie als Prophetin den Auftrag, die Religion hochzuziehen, und weiß nun weder weiter, noch möchte sie zurück. Sie besitzt zwei psychopathische, offen gewalttätige "Brüder", die ihr feindlich entgegentreten, und hat die Vermutung, dass auf sie die Kugel warten könnte, sollte sie von ihrer getanen Arbeit berichten.
    Sally bettelt förmlich danach, in Arlonia Empathie für die Opfer des Systems vermittelt zu bekommen, und eine Anbindung an Sirvai erledigt das perfekt (Ava sollte das auch erledigen können). So bleibt nur die entscheidende Frage: Würden Ava und Sally überhaupt miteinander harmonieren?
    Meine Antwort: Ahhmm... mittelgut, wenn Ava noch wächst.
    Momentan verlangt Ava noch eine vollständige emotionale Kuschelzone, die Sally nicht geben kann. Sallys Familienhintergrund ist hochgiftig, was Ava nicht teilt (dafür aber Sirvai). Für Ava ist außerdem Religion uninteressant, während sich diese in Sally stark verankerte (und in Sirvai). Avas Stärke hingegen ist, auch Fehlgriffe des Partners wegstecken zu können, was bei der hochkontrollierten Sally keine Rolle spielt; diese muss vielmehr lernen, sich zu öffnen (genau wie Sirvai).
    All das ändert sich erst gegen Ende, nachdem Ava in Feychoris' Wanne steigen muss und zur Unsterblichen wird. Dann handelt es sich um zwei einsame Seelen, deren Probleme das Powerlevel einfacher Menschen weit übersteigt. Sally weist für die Endkampfkrise einen einzigartigen Trumpf auf: Mit ihren Erfahrungen, ihrer Ruhe und ihren fehlenden eigenen Arlonia-Ambitionen stellt sie für Avastyn die perfekte Ratgeberin und starke Schulter.
    Das bedeutet: Ich würde Sally gerne lange mit Sirvai harmonieren lassen, ehe sie an den Gräben endet (Sirvai ist für Salcor die perfekte Urlaubsbeziehung - je mehr die Rückkehr in die Alltagswelt droht, umso weniger kann diese noch bieten). Dann kann eine aufstrebende Ava den Platz übernehmen, auch wenn dies eher ein Geschäftspartner Plus bedeutet.

    • Tev, der Barde und Kleinschurke
    Tev diente dazu, als schwacher und wenig intelligenter Schurke für Chaos zu sorgen - und das tat er. Nun schloss sich sein Bogen ab. Ich hätte ihn gerne getötet und damit die Situation eskaliert, um seine Tochter ihm nachfolgen zu lassen, die ebenfalls mit verständlichem Hass für Ärger sorgt und vielleicht irgendwann zu beseitigen wäre. Der offene Hausplatz könnte letztlich dazu dienen, Delions Elfenreich mit einem Gesandtem ein Gesicht zu verleihen.

    • Gnos, der Priester und Sündenbock
    Den passiven Gnos wollte ich schnell beseitigen, um die Situation zu eskalieren und ihn durch seinen wesentlich engagierteren Halbbruder Tesrain (alias Tes) zu ersetzen, der als Halbbruder ebenfalls Tevs Seelenruhe stören könnte und ebenfalls ein Sohn von Feychoris wäre (dann würde die Stadt den Fehler begehen, nach ihrer Überreaktion beim Opfer Gnos dieser Mistkröte gegenüber zu nachsichtig aufzutreten). Tes könnte dazu beitragen, Nechorias Wirren auch nach Arlonia zu tragen; bis zum Finale würde ich ihn jedoch kaum überleben lassen.

    • Elianne, Spionin und sich erhebendes Opfer
    Die elfische Prinzessin Elianne wurde von Feychoris zum Spielzeug degradiert, von Samus mitgenommen und damit in eine Stadt gespült, in der sie einsam bleiben muss. Momentan verbrachte sie viel Zeit am Pranger und kämpft mit dem Umgang mit den Zwängen, die die elfische Gesellschaft an eine Kriegermagierin stellt. Sie kann jedoch in Arlonia noch ein kleines Glück finden, ehe sie die "falsche" Entscheidung trifft: Sie möchte lieber Gottessprössling bei den Elfen als Mitbürgerin und Überlebende in Arlonia sein und wechselt die Seiten. Das bringt sie vielleicht auf Taezins Thron und senkt die Hemmnisse des Endes, sich den Elfen zu unterwerfen.

    • Kathy und Phönix, die beiden Gastauftritte (Händler und Schmied) und Nebenfiguren
    Beide wirken bei der privaten Glückslotterie mit, nehmen aber auf die große Handlung keinen Einfluss. Ich kann mir den Phönix gut als Sirvais letzten Partner vorstellen, während Kathy Elianne die Zeit versüßt. Für Letztere wäre auch Gnos als "pro forma-Ehepartner für die Heimat" interessant.

    In dieser Aufstellung fehlt der menschlichen Invasionsbedrohung ein Gesicht. Ich würde jedoch dazu tendieren, dass sie keines benötigen.
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  4. #1414
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    Addendum:
    Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, auf die ich vielleicht zurückkommen würde: Im Abspann Nechorias gestand Samus Sirvais Mutter, einer weiteren von deren Töchtern das Herz gebrochen zu haben. Es würde für sie in einem weiteren Rückschlag münden: Nachdem sie von Salcor sitzen gelassen wurde und nachdem sie ihre anfänglich starke Abneigung gegen ihre Chefin überwand, lässt sie sich auf diese ein und wird bei erster Gelegenheit einfach sitzen gelassen, genau wie ihre Schwester vor ihr.
    Wie gesagt: Auf wertes Fräulein wartet eine Menge Leid.
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  5. #1415
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    Das Outline

    Das würde in etwa zu folgender Geschichte führen, die sich aktuell gegen Ende des ersten Abschnitts befindet.
    (Die Übergänge müssten durch meine Freitexte vermittelt werden, da das Spiel nur Geplätscher kann.)

    • Erster Abschnitt: Aufbau
    Verschiedene Gestalten strömen in die Stadt und erleben ihre ersten Geschichtchen. Es lässt sich bereits die Passivität der "harmonischen Doppelspitze" und ihre fehlende Einigkeit über eine zukünftige Ausrichtung erkennen, doch das Leben geht weiter. Auch Tevs Chaos und dessen (ausfallende) Nachbereitung geschieht.
    Dieser Abschnitt endet durch zwei Tragödien: In Nechoria scheitert der Aufstand und in Arlonia stirbt Gnos - erst von einer Hinrichtungsdiskussion bedroht, fällt er letztlich der Seuche zum Opfer.

    • Zweiter Abschnitt: Bürgerkrieg
    Während die Seuche noch wütet, versinkt Nechoria im Chaos und zieht wie selbstverständlich Arlonia mit hinein: Verschiedene Fraktionen erheben sich gegen eine demaskierte Feychoris, die sich kaum mehr durchsetzen kann, ringen miteinander und wenden sich an ihre speziellen einheimischen Kontakte. Am Radikalsten erweist sich Prinz Tes, der nach Arlonia zieht, um diese Stadt in seine Operationszentrale zu verwandeln; Arlon erwacht und kämpft für die Identität und Neutralität seiner Gründung.
    Stress und Leid beeinflussen den Alltag quasi aller Charaktere. Die Verbindung zu den Menscheninseln reißt ab und das Elfenreich Nezraths expandiert wie wild in alle Richtungen, was düstere Gerüchte über aktuelle und künftige Gräueltaten mit sich zieht; sie verleiben sich Vesk ein. Sirvai und Salcor kommen zusammen.
    Der Abschnitt endet mit weiten Veränderungen: Gerüchte von Feychoris' Ermordung machen die Runde und Delions Sternenfaust-Elfen erobern die Nachbarstadt Taezin.

    • Dritter Abschnitt: Gespannte Ruhe
    Während die Sternenfaust-Elfen ihre Präsenz im Westen festigen, muss Arlonia spüren, dass ihnen die Luft ausgeht. Arlon möchte die Bürgerschaft stärker auf den Kampf vorbereiten, muss dabei jedoch auf eine weiterhin passive Samus Rücksicht nehmen. Neuentstandener Kontakt zu den Inseln offenbart nur deren Fall an die Kirche und den drohenden Höhepunkt: Die Menschen wollen Kaervais Reichtümer nicht den Elfen überlassen; am Schicksal von Nechorias Insel wird sich die Zukunft der Region entscheiden.
    Salcor macht mit Sirvai Schluss. (Dieser Abschnitt bedarf meinem Gefühl nach noch eines weiteren Subplots.)
    Das Ende des Abschnitts geschieht durch einen doppelten Knall: Die Menschen erklären der Stadt den Krieg und Samus bricht die Zelte ab.

    • Vierter Abschnitt: Endkampf
    Avastyn sieht keine andere Möglichkeit: Sie reist nach Nechoria, um in Feychoris' Wanne zu baden und damit zur Halbgöttin zu werden. Zurück in der Stadt propagiert sie ihre Herrschaft als "sanfte Diktatorin", der sich Arlon verweigert, ehe ihn die schweren Verwundungen aus einem Gefecht zum Schweigen bringen. Avastyn und Salcor kommen zusammen; sie bereiten die Ankunft der Invasionsarmee vor, die außerdem von einem von Kalijjas Geschöpfen angeführt wird. Erste Gefechte verlaufen unentschieden.
    Letztlich handelt Avastyn mit Delions Reich eine Übernahme der Stadt aus, was Salcor missfällt, auch wenn ihr die Alternativideen fehlen. Es folgt ein Sieg und während Ava und Salcor fliehen, sich über ihren künftigen Kurs uneinig, beobachtet Sirvai mit Sorge den Einmarsch der Elfen in ihre Heimatstadt. Sie muss beten, dass die neuen Herren sich an die Übereinkunft halten, denn wenn sie sie brechen, kann sie mit ihrer Familie nirgendwo mehr hin.
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  6. #1416
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    Zusatz: Die fehlende Nebenhandlung des dritten Abschnitts

    An dieser Stelle muss der Versuch erfolgen, sich mit den Menschen der Inseln statt eines Waffengangs gütlich zu einigen. Kathy initiiert ihn und wendet sich dafür an Avastyn, die ihr dafür als solide Wahl erscheint. Diese sagt zu und folgt ihr auf die Inseln.
    Das Geschöpf, welches Salcor bedroht und dem Bösen dieser Geschichte sein Gesicht leiht, ist Lucis, Kalijjas Leibwächter. Von dieser dazu geschaffen, um während ihrer langen, künstlichen Schlafpausen, mit denen sie die Wartezeit während ihrer Experimente überbrückt, ist dieser seiner Herrin gegenüber anhänglich, ausstrahlungsarm und sadistisch (und außerdem eine Kampfmaschine); er gibt sich vollkommen damit zufrieden, auf der Fußmatte zu leben, wenn seine gelegentlich "Besorgungsausflüge" nur in Tod und Zerstörung enden. Nun erhielt Lucis den Auftrag, "nach Salcor zu sehen", und springt gezwungenermaßen bei der Kirchensache für sie ein.
    Gegenüber Avastyn versteckt er seine Blutgier hinter einer kalten Rationalität: Die Menschen könnten nicht zulassen, dass auf dem Kontinent ein geschlossenes und vernetztes Elfenreich entstehe, und nach Vesks Ende bliebe nur noch der ferne Westen übrig. Außerdem müsse Kalijjas Volk die Bösartigkeit der Restwelt lernen und dafür seien Feychoris' Gräuel ideal. Auch eigene Verluste wären unter diesem Licht betrachtet nicht nur hinzunehmen, sondern zu begrüßen.
    Er wird Avastyn letztlich ein entscheidendes Angebot vorlegen: Er würde Arlonia ein Zwischending zwischen Bündnis und Unterwerfung anbieten, wenn dieses ihm Salcor ausliefere. Das kann diese nicht annehmen, wodurch die Verhandlung scheitert.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  7. #1417
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    Der zweite Zusatz, das zweite Zwielicht

    Neben all den Aktionen sollte vor allem der zweite und auch der dritte Abschnitt von der verletzten Natur seiner Protagonisten geprägt sein, die sich miteinander fetzen und für ein unerträgliches Klima sorgen. Daraus und daneben sollte sich aber eine Kerngruppe bilden, Arlonias Quasi-Familie, die trotz manchen Differenzen im Inneren gegenüber der Außenwelt als Einheit auftritt. Bei meinem verstreuten, zusammenhaltslosen Cast fällt diese Gruppe allerdings recht klein aus (wie gesagt).

    • Sie muss von Sirvai ausgehen, die auf den Fortbestand des Staatswesens angewiesen ist, das weiß und als einstige Ersatzmutter ihrer Geschwister darin Erfahrung aufweist. Aktuell bewegt sie sich in die andere Richtung, doch werden sie Nechorias Katastrophen, der die Mehrzahl ihrer Geschwister zum Opfer fällt, zu einer Anpassung ihres Familienbildes bewegen - und Salcor kann ihr diesen Schritt nahelegen.
    • Arlon wird ebenfalls mit dabei sein. Bruder und Schwester werden zunehmend Nähe suchen - schon weil ihnen keine andere Wahl bleibt.
    • Die "kleine Schwester" Avastyn gehört anfangs ebenfalls mit dazu, wird sich jedoch bei ihrer Wandlung zur Meisterzauberin von diesen distanzieren.
    • Samus sehe ich höchstens im erweiterten Kreis, da sie ihre Selbstwahrnehmung einer Erwachsenen unter Kindern nicht aufgeben kann.
    • Salcor ist Einzelgängerin und Prophetin; sie mag einzelne Mitglieder beraten, doch für eine Integration in eine Clique ist sie die falsche Person.
    • Kathy und Phönix könnten sich anschließen, wenn sie sich gestrandet fühlen. Das hängt jedoch auch mit dem jeweiligen Partner zusammen.
    • Den Rest schließe ich aus. Tev machte sich zu unattraktiv, Tes tritt zu sehr als externe Bedrohung auf und Elianne ist eine nicht integrierte Elfe.

    Das bedeutet vier oder fünf Leute, die jedoch Ketten bilden, wenn es überhaupt funktioniert. Es erscheint mir möglich, dass dieser Kern eine reine Vision bleibt.
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  8. #1418
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    Ansichten der Teufel: Arlonias ideologische Konflikte

    Diese obige Skizze löst sich von den angedachten Hauptthemen und klammert sich stattdessen im doppelten Sinne an Nechoria; als Nachbereitung erzählt sie vom Untergang von Feychoris' Volk und sie bringt sie spätere "Friedenskönigin" auf den Pfad, der zur Diktatur der Rahmenhandlungs-Gegenwart führt. Das bedeutet keinen völligen Bruch mit dem angedachten "persönliche Dämonen überwinden und ein Gemeinwesen schaffen", dies würde im Kleinen immer noch geschehen, doch es bleibt Fakt, dass Arlonia und seinen Bürgern nur beschränkte Macht und Handlungsfreiheit bleiben. Selbst im Optimalfall hätte diese Geschichte wohl ein tragisches Ende gefunden.

    Der Sieg des Bösen:
    Dies kann die Geschichte vom Kampf der Wahrheit gegen ein übermächtiges System sein: Neben all ihren Taten scheitert Feychoris daran, dass der Zusammenhang zwischen dem Leid der Untertanen und der Macht der Herrin entlarvt wird. Dadurch entstehen Aufstände und Orte der Freiheit wie Arlonia.
    Dann passen sich die Götter an. Sie entwickeln komplexere Systeme, die Einflüsse verschleiern und Profiteure ermöglichen. Diese Systeme erweisen sich als aus eigener Kraft überlebensfähig und übernehmen die Macht, wobei sie die Orte der Freiheit wieder beseitigen.
    Das führt zu der ersten, entscheidenden Frage: Soll dieses System bekämpft werden - und wenn ja, bis zu welchem Preis?
    • Ich stelle mir Avastyn am Ende, nachdem unter dem Schock des Verschwindens ihrer Meisterin stehend in die Wanne hüpfte, als zwiegespalten vor: Zum Einen setzt sie sich gegen Salcor damit durch, eben nicht auf Kosten ihrer Quasi-Familie einen sinnlosen Endkampf zu führen (so wächst dieser Charakter, der zu Beginn jedes Verhalten seiner Partner hinnahm), und setzt die Annäherung an Delion auch gegen inneren Gegenwind durch, doch zum Anderen weiß sie um ihre Machtlosigkeit und verzweifelt an den Prügeln, die sie einstecken muss. Ich kann mir etwa vorstellen, dass Delion mit der Nachricht, dass "Sternenfaust weniger schlimm wie Nezrath und eher mit Vesk zu vergleichen" sei, bei ihr eine Wunde aufreißt und sie anmerken lässt, dass Vesk ja eigentlich nicht so schlimm gewesen sei - eine Lüge, für die sie sich halb schämt und sie halb selbst glauben will.
    Avastyn zieht sich nach Arlonias Ende aus der Debatte sowie der Politik zurück.

    • Salcor entwickelt erst während ihres Urlaubs in Arlonia die Überzeugung, dass das System gestürzt werden müsse, und zieht aus der Fallstudie, die sie gerne noch bis zu den rauchenden Ruinen fortgeführt hätte, zwei Lektionen: Will sie Erfolg erzielen, dann muss ihr Versuch besser geplant werden und weniger feinfühlig sein. So wird es auch geschehen.
    • Lucis verleiht den Kreaturen des Systems ein Gesicht, die jede Schweinerei unterstützen, solange sie sie sich für sie persönlich lohnen.
    • Samus, diese Vogelscheuche, übernimmt eine Doppelrolle: Sie führt den Widerspruch der "guten Diktatorin" vor Augen, indem sie zwar als Anti-Feychoris auf Gräuel verzichtet, aber sie entwickelt so wenig Bindung, dass sie bei erster Gelegenheit einfach weiterzieht - die Bürgerschaft, die sie in die Stadt rief und einsetzte, verlor die Macht über sie. Sie zeigt Avastyn außerdem, das Herz allein nicht genügt, um es besser zu machen.

    Arlonias Fall:
    Dies wäre aber auch eine tragische Geschichte rund um eine offene Gesellschaft, die sich bei der Suche nach einer Kernidentität abmüht und gegenüber starreren, homogeneren Gemeinwesen in die Defensive gerät.

    • Es wird mir gerade schmerzlich bewusst, dass eine Pro-Stimme, die sich offen für Arlonias Erhalt ausspricht, fehlt; das liegt an der Fixierung der meisten Charaktere auf Nechoria, welches sich nicht davon unterscheidet. Avastyn kann das bei ihrem Vesk-Trauma übernehmen, sobald Nezrath expandiert, oder Arlon - oder Kathy.
    • Sirvai fällt bei ihrer Abhängigkeit immer weiter auf ihre Mischlingsrolle zurück und sagt schließlich: "Ich brauche (ein) Arlonia, da die meisten Orte Leuten wie mir das Lebensrecht anspricht."
    • Elianne übernimmt die Gegenrede: Sie entstammt einer normierteren Kultur, wurde in Arlonia nicht heimisch und kehrt ohne Groll in ihre feste Rolle zurück. Dabei mag Opportunismus mitschwingen, da es einen Aufstieg bedeutet, aber auch Präferenz und Erziehung.
    • Vito versteckte hinter seiner Unterstützung der Einheimischen persönliches Machtstreben - und wenn seine Kinder aktiv werden, werden sie es genauso tun. Einer von Tev und Tes kann deshalb im vierten Abschnitt gegen Avastyns Machtanspruch aufstehen - und letztlich nur auf ihren Stuhl scharf sein.
    • Wenn Arlon danach strebt, aktiver Verwalter zu werden, dann geschieht dies tatsächlich, um Freiheit und Leben zu bewahren.
    • Salcor, diese Prophetin einer rassistischen Religion, ist selbst farbenblind. Sie passt ihre Lehre einfach an ihr Publikum an.
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  9. #1419
    Im Monsterland
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    Bonus-Herausforderung: Die Suche nach einem Ton

    Nechoria schlug absichtlich einen comichaft-überzeichneten Ton an: Ich wusste, dass es sich bei der Zeitreise einer Jugendgruppe in eine Fantasywelt hinein eben nicht um eine triste Geschichte von in die Sklaverei verschleppten Kindern zu Zeiten der Pest handelt und verzichtete weitgehend auf Naturalismus oder Subtilität: In meinen Szenen wählte ich Ort, Umstände und Requisiten stets so, dass sie schon für sich allein stehend das folgende Thema und die emotionalen Konflikte andeuten. Der Ersteindruck der Figuren sollte klischeehaft sein, nur um dann im Verlauf der Geschichte durch ihre Vermenschlichung gebrochen zu werden.
    Dieser Ansatz erscheint und erschien mir für Arlonia jedoch höchst unpassend. Ich fand jedoch noch keine Lösung, keinen "Arlonia-Stil".

    Momentan würde ich die beste Lösung darin sehen, die innere Einsamkeit der Charaktere und deren Unfähigkeit, sich zu öffnen, zu fokussieren. Dann würden seltsame Gesprächsführungen und halb verstandene Subtexte das Bild prägen; Arlonia wäre ein Ort ohne gemeinsame Basis und ohne Nestwärme.

    Nachtrag:
    Das ließe sich bei der Inneneinrichtung mit Provisorien und Stilmix ergänzen, der sich aus dem Gewirr aus übernommenen Bildern, eigenen Visionen, finanziellen Einschränkungen und fremden Einflüssen ergibt. Schließlich erreicht keine der Hauptfiguren die Stadt mit einer fertigen Blaupause für ihr Leben.
    Geändert von Ghaldak (30. Dezember 2018 um 17:37 Uhr)
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  10. #1420
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    Dies ist noch kein Fazit, aber...

    Ich nahm mir die letzten Tage Zeit, die beiden Storys noch einmal zu lesen und mein Urteil würde lauten: Während man Nechorias Beginn deutlich anmerkt, dass es als ein "in drei Monaten durchzujagen und dann auf zum nächsten"-Projekt angedacht war und erst nach der Hälfte zu seiner Stärke fand, stand Arlonia von Anfang an auf soliden Füßen und geriet erst in den letzten Seiten ins Schlingern, dem ich noch gegenarbeiten muss (das betrifft vor allem Salcor, die nach viel mehr Distanz und Fremdartigkeit verlangt).

    So entscheidet sich alles an einem anderen Punkt, den ich bisher nicht ansprach: Es ist möglich, dass mein Speicherstand meinen Rechnerquerelen zum Opfer fiel. Das kann ich allerdings erst im neuen Jahr prüfen.
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  11. #1421
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    Zu etwas ganz Anderem

    Nachdem ich vor einigen Tagen die Überreste meines Atzen-Kalenders aus dem Gefrierfach holte, möchte ich noch etwas dazu schreiben - und zwar: Im Nachhinein betrachtet bereue ich nichts so sehr von meiner Storyschreiber-Laufbahn wie den Atzventzkrantz und den dahin enthaltenen Ab18-Mod.
    Dazu solltet ihr wissen, dass ich ihn ganz anders deute(te) als die meisten meiner Leser. Vor einem Jahrzehnt sah ich mich nämlich als anspruchsvollen Schreiberling an, wählte meine Projekte mit Vorliebe nach "Story des Monats"-Potenzial aus und ging mit wenn nicht gar künstlerischem Anspruch, dann aber zumindest Mehrwertschaffung des Autors an die Sache heran. Dann, auf einmal, bringe ich ein Projekt, welches durch seine Massennatur das Genre Story entwertete und auch die Kritik an meinem Anime-Mod ins Absurde steigerte, indem ich erst einen Oben Ohne-Mod einrichtete und ihn dann von Hand zensierte.
    Der Atzventzkrantz war für mich, wenn nicht eine Story-Dekonstruktion, dann doch eine parodistische Übersteigerung und ich sah den künstlerischen Anspruch dadurch erfüllt, dass ich ihn scheinbar brach. Allerdings hatte ich das Offensichtliche nicht bedacht, nämlich dass Menschen Schwierigkeiten damit haben könnten, eine Inszenierung im Negativen als Inszenierung wahrzunehmen; wer mich damals für einen zweitrangigen Schreiberling hielt, konnte schnell das Gefühl erhalten, ich hätte mich entlarvt.
    Die nächsten Schritte kamen mir nicht entgegen: Ich war bei Civ3 schon auf dem Weg heraus und weil mein Ab18-Mod nun einmal besser war als mein Storymod (da neueren Datums), verwendete ich ihn weiter. Die damit einhergehende Verwässerung der Botschaft nahm ich in Kauf.

    Wie gesagt: eine blöde Sache - und wenn ich eine Moral der Geschichte finden sollte, würde sie lauten: "Vergesst niemals die Aussenwirkung. Die Wahrheit vor Gott gilt weniger, als man meinen mag."
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  12. #1422
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    Der Weg nach Lyonesse

    Während derweil in Lyonesse etwas Eigenes entsteht, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ein paar Anekdoten beizutragen. Ein Umstand lässt mich nämlich schmunzeln: Meine zwei aktuellen Projekte, Lyonesse und Arlonia, besitzen einen gemeinsamen Urahn - und dieser erklärt meinen auf den ersten Blick unpassenden Bunkernamen.

    Zur Genealogie: "Arlonia, Bollwerk der Helden" setzt "Nechoria, der vergessene Tempel" fort, bei welchem es sich um eine Adaption der Begleitgeschichte eines Civ3-PBEMs mit dem Titel "Der Tempel von Nechoria" handelt, welche nach einer P&P-Rollenspielkampagne von mir spielt, die keinen Namen trägt. Über diese Kampagne möchte ich mit euch sprechen.

    Dort treffen wir bereits eine Samus. Diese ist eine Elfenstämmige und wurde im Geheimen in den Bergen aufgezogen, da Elfen in den Augen Nezraths kein Lebensrecht besitzen. Sie ist eine junge Erwachsene und eine Auserwählte, die in die Stadt reist, weil sie weiß, dass sie die Kräfte der Guten in den Endkampf zu führen hat.
    ...
    Besitzt ihr euren Mageninhalt noch? Wenn nicht, bin ich bei euch. Wäre sie Protagonistin einer Geschichte, dann wäre sie der formvollendete Minimalpersönlichkeits-Harry Potter-Klon; ein archetypischer Lesertraum im Sinne von "Die Protagonistin lebt in einer kleinen Stadt und langweilt sich in ihrem Alltagsleben, bis sie erfährt, dass sich die ganze Welt tatsächlich nur um sie dreht". Sie ist allerdings ein NSC mit einer auf Spielerfreiheit bedachten Rollenspielkampagne, was alles ein wenig besser macht: Schlagen sich die Spieler auf ihre Seite, so können diese sie formen und quasi ihre Rolle übernehmen, doch stellen sie sich gegen sie, dann kann sie noch zu einem Endgegner heranwachsen.
    Ein erträglicher Charakter ist jedoch etwas anderes als ein guter und ihr konntet beobachten, wie ich durch die Editionen an ihr feilte: Aus "Die Prinzessin zieht in ihr wartendes Königreich" wurde im ersten Nechoria ein "Die Prinzessin sucht nach Königreichen" und im zweiten ein "Die Prinzessin weiß, dass Königreiche nicht mehr existieren, und befindet sich im Schnittpunkt von Suche und Resignation". (In Arlonia erhielt sie ihr Königreich, doch weiß inzwischen nichts mehr damit anzufangen.)

    (Diese Aufwertung traf auch auf den zweiten übernommenen Charakter zu, Takea, eine Angehörige einer alten religiösen Gemeinschaft mit Priester-Familientradition. Die Ur-Takea war mit ihrer Rolle zufrieden, Archie begehrte, soweit sie konnte, dagegen auf - und der innere Konflikt lässt sie interessanter und dynamischer werden.)

    Die Ur-Samus, diese ausstrahlungsfrei-formlose Masse, hatte allerdings als Gegenspieler einen "Shadow-Samus", einen dunklen Widersacher, der nun wirklich nicht mehr über "Er ist da. Und böse. Und gruuuuselig" herauskam.
    Dieser Gegenspieler hatte ebenfalls einen uninspirierten, dämlichen Namen. Er hieß Lanzelot...
    ... und ihr werdet es ahnen: Mit ihm geht es weiter.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  13. #1423
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    Straßenreste

    Vor etwa zehn Jahren folgte ich den Erzählungen eines Freundes in ein Forum, welches eine "Kampfliga der User" abhielt, in der Teilnehmer Charaktere erschufen, andere Teilnehmer als Gegner zugelost bekamen und eine Variante dieses Kampfes schrieben, woraufhin eine Jury gemäß einiger Kriterien den Sieger kürte. Diese Herausforderung nahm ich an.

    Nun sind Kampfszenen allerdings etwas, das mich kaum interessiert, und besonders lässt mich die "Kämpfe als souveräne Präsentation von Handwerkskunst" kalt, wonach ein solcher Wettbewerb zu verlangen scheint. Ich befinde mich also an einem ungünstigen Ort, doch was will man machen...

    Ich erinnere mich noch, dass es mir Schwierigkeiten bereitete, einen Charakter zu erstellen, der losgelöst von Welt und Umfeld funktioniert. Ich wollte mich von den zahlreichen klassischen Anime-Helden distanzieren und ich wollte auch meinen Opponenten einen angenehmen Gegner überlassen. So adaptierte ich Lanzelot, auf den all das zutrifft, und er erwies sich trotzdem als größtmögliche Hypothek.

    Lanzelot, eine Naturgewalt... auch innerhalb der Welt eine Figur ohne Persönlichkeit, bis sie sich an seine Nemesis anpasst... zufällig handelnd, agendafrei...
    ... Brrr. Das ist ein passabler Gegenspieler für einen Protagonisten, der an seinen inneren Konflikten ertrinkt, aber nicht mehr. Aber eine Geschichte aus seiner Perspektive wird wahrscheinlich in die Hose gehen - und diese musste ich nun schreiben.

    (Ich sollte erwähnen, dass meine Erinnerung hier größere Lücken aufweist: Ich kenne den genauen Zeitpunkt nicht mehr, nicht den Namen des Forums, und auch wenn ich die Geschichte aufhob, galt das nicht für den Charakterbogen.)
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  14. #1424
    Im Monsterland
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    Die Invertierung des Gedankens Lyonesse

    Mein Gegenspieler, das fand ich vor einigen Tagen auf der Suche nach dem Forum heraus, war ein aus Naruto entliehener Charakter. Er stammte aus einem kleinen Dorf in Japan, wo er mit seiner Familie lebte und sich von seinem Meister in der Kampfkunst unterrichten ließ. Lanzelot hingegen wurde von mir in einen großstädtischen Moloch geworfen, der sich auf das moderne Nezrath bezog, aber von mir im Charakterbogen namenlos gelassen wurde (meine ich). So kam ich bei folgendem Handlungsgerüst an: Der Japanerjunge wird von seinem Meister an das andere Ende der Welt geschickt, um irgendein antik-magisches Artefakt aufzuspüren und mitzunehmen. Dabei stolpert er über Lanzelot und es kommt zum Kampf.
    Das Landei stolpert also in die Großstadt und um es ihm richtig dreckig zu geben, erschuf ich mir einen eigenen Megasprawl namens Rhenus.

    Die Riesenstadt Rhenus verkörpert das industrielle Europa und umfasst den heutigen Haupthandelshafen Antwerpen, Teile Belgiens als vergessenen early adopter der Industriellen Revolution und das Ruhrgebiet als Motor des Wirtschaftswunders. Aber - und ich präsentiere es als Herleitung, auch wenn es in Wirklichkeit wohl keine war - ich bevorzugte eine symbolische Stadt in Cyberpunk-Tradition, also mit Schmutz und Leid. Da wäre es doch ganz passend, wenn sie gleichzeitig als Bühne für Straßenkämpfe dienen würde, die im Rahmen einer Show stattfinden und überall geschehen können. Dafür müssen Kameras existieren, die der Show zur Verfügung stehen, und damit wären wir schon beim "privatisierten Überwachungsstaat"; bei einem "Big Brother", dessen Informationen frei zur Verfügung stehen.

    Ich mochte die Idee und entschloss, dieses Setting zu einem tragenden Teil der Geschichte zu machen. Diese lautete dann: Das Landei wurde auf der Suche nach einem Relikt nach Rhenus gesandt, wo es einer abgestumpften, aber ambitionierten Journalistin über den Weg läuft, die über den neuen Trend des Einzelstrassenkampfes schreibt und in ihm einen geeigneten Protagonisten für ihren Artikel erkennt. So überzeugt sie ihn davon, sich anzumelden, und während er nach seinem MacGuffin sucht, wird ihm Lanzelot als Gegner zugelost. Sie haben eine erste Begegnung, bei der das Landei erst seinen Gegner unterschätzt und dann gerade so mit dem Leben davonkommt; dann bricht der Text ab. (Mir ging die Zeit aus und ich weiß auch nicht mehr, was ich im Folgenden plante.)

    Gemäß des "künstlerischen Anspruchs" bestand der Text aus drei wechselnden, aber grundverschiedenen Perspektiven: Lanzelot erhielt einen wirren Gedankenfluss in bester "Der Autor zeigt zu Beginn jedes Thriller-/Krimi-Kapitels, wie schrecklich der Gegner ist, doch wenn man sie überblättert, hat man auch nichts verpasst"-Manier und wurde nur als "das Monster" bezeichnet; das Landei wird als gesunder Mensch und klassischer Protagonist porträtiert und die Journalistin steht in der Darstellung der Menschlichkeit zwischen ihnen, sie spricht durch Schnipsel ihres Artikels und bleibt namenlos (sie verkörpert die Stadt).

    Ich reichte den abgebrochenen Text von einem halben Dutzend Seiten ein - und musste erleben, dass dies nur für sechs Teilnehmer aus dem Feld von zwanzig oder dreißig Personen zutraf (es kam kein einziges Duell beidseitig zustande). Die Jury entschied daraufhin, auf den Rundencharakter zu verzichten und stattdessen aus den Einsendungen einen Gesamtsieger zu küren.

    Ich endete auf dem fünften Platz, was mich etwas enttäuschte und was mich heute die Hand wackeln lässt. Natürlich hatte ich als Neuling im Forum keinen Nimbus und natürlich kostete mich die unvollständige Natur weiter an Boden, doch um mit diesem ambitionierten, aufgabenfremden Konzept zu überzeugen, hätte alles stimmen müssen. Das tat es nicht. Ich bin vom Setting zwar weiterhin überzeugt (auch wenn sich die letzten zehn Jahre in eine andere Richtung entwickelten), doch es enthielt neben schwachen Elementen auch eine Menge zur Verfremdung hereingestreuten random stuff... und mit diesem werde ich mich nun herumschlagen müssen.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

  15. #1425
    Im Monsterland
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    Verfremdungsvignetten mit Bittermandelaroma

    Was ich hier Verfremdungen nenne, das sind Details, die ich in die Geschichte einflocht, um den Lesern gelegentlich daran zu erinnern, dass sie sich in einer fremden Welt befinden und dass es sich bei dieser um eine Dystopie handelt. Sie dienen auch dazu, mehr Tiefe vorzutäuschen, und wenn sie hier oft mehr style als substance enthalten, werde ich keinen Anstoß daran nehmen, denn das trifft aus die gesamte Geschichte zu und wird auch die Erstellung von Lyonesse begleiten.
    Trotzdem sehe ich sie als "den Mist an, mit denen ich mich jetzt herumschlagen muss", und wenn die Geschichte nicht überzeugte, dann trugen sie einen guten Teil dazu bei. Ich melde schon einmal an, dass ich einen kurzen Weg benötige, um zu vermitteln, dass ich in den Keller gehen und heulen möchte, doch ich denke, dafür gibt es einen passenden Smiley: .

    Nun denn, zur Liste:

    0.) Der Name Rhenus
    Ich schrieb in der Heimstatt bereits darüber, dass ich ihn zwar (wie das ganze Gebiet) nicht als wahrscheinlich, aber als hinreichend glaubwürdig ansehe, wenn man über die Hintergründe seiner Wahl spekuliert. Schließlich handelt es sich um ein supranationales Kunstgebiet und solche werden oft nach Flüssen benannt, wie etwa Jordanien, das Saarland oder Transnistrien.

    1.) Jahreszählung nach der "Erschaffung der Welt" (nEW) (jüdisches/byzantinisches System)

    Der Kern all dessen, was ich beklage, seht ihr bereits hier: Ja, es ist möglich, zur Verfremdung den Kalender auszutauschen, doch warum geschah das nicht zu etwas Passenderem? Warum wählte ich nicht etwa den Französischen Revolutionskalender für einen Staat jenseits von Monarchie und Religion oder suchte mir einen "Ford"-Moment? Genau diese Übernahme erscheint mir ausgesprochen unwahrscheinlich. (ps: Die Geschichte spielte übrigens umgerechnet im Jahr 3.750 n. Chr.)
    => Es ist da, ich muss damit umgehen. Vielleicht erlaube ich mir den Spaß, daraus ein "nach der Apokalypse" zu machen.

    2.) Es gab vor dem Einzelstraßenkampf die Sportarten Kadaverbingo und Schädelhockey, die möglicherweise zu "exotischen Jugendkulturen" gezählt werden
    : blaw:
    Natürlich möchte ich zeigen, dass die Zivilgesellschaft gegenüber Gewalt und Opfern abgestumpft ist, doch solche comichaften Beispiele tun einfach nur weh. ('Kadaverbingo' war übrigens meine flapsige Bezeichnung für Vorhersagen, wer als nächstes in einem Werwolfspiel gefressen wird.)
    => Es spricht jedoch nichts dagegen, aus meinem Bunkervolk eine (Hallen-)Hockeynation zu machen.

    3.) Kaffee wird weiterin als Arbeitsgetränk genutzt, die Gesellschaft ist weitgehend rauchfrei
    Das sind nun wirklich keine Verfremdungen, aber ich wollte sie notieren.
    => Irgendwie muss ich meine gequälten Bunkermannen mit Kaffee versorgen.

    4.) Antwerpen stellte zwei Jahre lang die Hauptstadt Flanderns
    Watt?
    => Danke, gut zu wissen.

    5.) "Informationen lassen sich besser aus dem Netz ziehen, aber Bücher schinden Eindruck"
    Bei dieser Einstellung sollte das Ende des Computersystems den Bunker Lyonesse schwer treffen.
    => Armes Lyonesse

    6.) Wilde Frisuren, knappe Kleidungen und Tätowierungen waren verbreitet, aber nicht exklusiv
    Wir befinden uns schließlich irgendwo zwischen Cyberpunk und "unserer" modernen Großstadtkultur
    => Kommt nicht überraschend

    7.) "Einzelstraßenkämpfer mit Traditionsbewusstsein grüßen sich mit „Morituri te salutant.“ Unter anderen genügt der einfache altdeutsche Gruß."
    ... Hier sind wir. Ich bin gefangen.
    Diese Textzeile sagt, dass in Rhenus der sogenannte "altdeutsche Gruß" als einfache Begrüßung angesehen wird. Der "deutsche Gruß" war ein anderer Name für den Hitlergruß und wenn ich mich nicht irre, wurde das "Heil" als angebliche germanische Begrüßung schon vor Hitler eingeführt/erfunden. Das Perspektivische dieses Verfremdungselements liegt auf der Hand: Diese Gesellschaft ging durch eine faschistische Phase (entweder bis zu den "jüngsten Ergebnissen" der Privatisierung des Überwachungsstaates oder schon davor) und zog dabei Legitimation aus der Berufung auf nazionalsozialistische (und vielleicht auch römische) Geschichte.
    => Es liegt auf der Hand, dass ich nicht jeden diplomatischen Kontakt mit Worten eröffnen möchte, die strafrechtlich relevant werden könnten, von all den anderen Folgen einmal abgesehen. Hier schwinge ich den Retcon-Hammer.

    8.) Die Journalistin grüßt, als "Witz unter Kollegen", eine Kamera mit erhobenem Arm und "Ave Caesar"
    Zur Kontextualisierung: Die Journalistin klärte das Landei davor darüber auf, dass sich auch in ihrer Wohnung Kameras befinden, wie es gesetzlich verordnet war. Sie meinte anschließend, dass sie sich an diese Überwachung resignierend gewöhnt habe, schon weil "Dinge langweilig werden, nachdem man alles von jedem sah". Dieser 'Witz unter Kollegen' in einem erst in jüngster Zeit entstandenen Staat sollte also noch der vorher geltenden Formensprache entsprechen, aber doch genug Ironie enthalten, um damit ihre Unzufriedenheit zu kommunizieren.
    => "Ave Caesar" als Gruß wäre vielleicht tatsächlich ein guter Kompromiss

    9.) Polizei und soziale Größen nutzen den Einzelstraßenkampf als eine Möglichkeit,unerwünschte Personen zu beseitigen, woran sich die Allgemeinheit nicht stört
    Yay, Cyberpunk.
    => Die auf dem Papier starken, tatsächlich teilweise erschreckend schwachen staatlichen Institutionen wollte ich ohnehin einbauen.

    10.) Im Rhenus gibt es Filme, die in Japan nicht leicht verfügbar sind
    Diese dahingeworfene Aussage kann vieles heißen. Die Stadt kann eine starke, eigene Filmindustrie besitzen und/oder sie kann wesentlich sanftere moralische Grenzen setzen, sodass ihre Werke in einem 'anständigen' Land nicht freigegeben werden.
    => Letztere Aussage nehme ich mit. Vielleicht mag ich auch Erstere, was im Bunker nach Ausfall der Systeme zu einer Wiederbelebung der Theatertradition im Shakespeare-Sinne führen könnte.

    X.) Fehlerkorrekturen
    * Ich vertat mich dabei, wie der Einzelstraßenkampf funktioniert: Er wird wohl von einem privaten Unternehmen abgehalten, welches die Kämpferkartei verwaltet, Paarungen bestimmt und Geld mit Wetten auf Sieger einnimmt, mit denen auch die Preisgelder bezahlt werden. Die Ereignisse werden auch im Fernsehen übertragen, was aufgrund deren redaktionellen Bearbeitung leicht zeitversetzt geschieht und als Alternative zum Ansehen der Rohdaten offen steht.
    * Die Geographie wirkt seltsam: Antwerpen wird als "Westhafen" und das Ruhrgebiet als "Ostteil" bezeichnet (und Bonn, nicht Köln, indirekt einbezogen), doch an einer anderen Stelle heißt es, dass das Land vom Meer begrenzt wird. Würde es nun Holland umfassen, dann läge Antwerpen nicht besonders weit westlich, doch wahrscheinlich reicht die Stadt bis ans Ijsselmeer.
    * Lancelot nutzt die englische Version des Namens.

    Damit lässt sich etwas machen.
    Keep your eyes on me, now we're on the edge of hell.

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