Darquie entstand als Gegencharakter zu NYON, weswegen ich ihnen zwei Reibepunkte mit auf den Weg gab: Darquie sollte während dessen Zeit bei der Geheimorganisation für einige Vorfälle verantwortlich sein, bei denen der Wahrheitssucher NYON übertölpelt wurde, und Darquie war irgendwie mit NYONs tot geglaubter Schwester verbunden. Tatsächlich setzte ich diese Schwester für ein (alptraumhaftes) Con-Abenteuer um, wodurch sie als SC zählt, doch bruchstückhafte Informationen verschiedener Zeiten ohne einen festen Kern ergeben nur offene Fragen.
a.) Dass NYON später lernte, dass sein ziviles Leben nur als Konstrukt auf einem Band existierte, wurde nie bis zur tot geglaubten Schwester weitergedacht.
b.) Zwischen allen Beteiligten bestehen gewisse Altersunterschiede: 2060, wenn die Handlung in den Schatten einsetzt, ist Darquie 45 Jahre alt, NYON Mitte Zwanzig und die Schwester gerade einmal Zwanzig. Da fällt es schwer, zu glauben, dass sie einige Jahre zuvor im Problemlöser-Spezialteam und Darquie gegenüber eine Position einigermaßen auf Augenhöhe einnahm.
c.) Von der Macht her ist es stemmbar, da die Schwester zum Vampir wurde (was ich bei der SC-Version herausließ und wobei sich Shadowrun zu diesem Zeitpunkt selbst nicht einig war, wie sehr das hinderte).
Die Schwester spielte in späteren Versionen keine Rolle mehr. Wenn ich also aus den Fakten etwas zusammenzimmere, dann bedeutet dies einen ganz neuen Charakter.
1.) Ich möchte davon ausgehen, dass es bei der Produktion der künstlichen Erinnerungen für das NYON-Projekt die üblichen Schwierigkeiten gab: Die Deadline wurde bereits zur Würgeschlinge, die Chefetage kam noch auf Änderungswünsche - und so wurde in den Abteilungen einmal nachgesehen, ob es nicht jemanden gäbe, der mal eben schnell für die Schwester-Rolle einspringen könnte.
2.) Somit gehörte die Schwester schon in jungen Jahren der Geheimorganisation in einer Lehrlingsposition an, was sich damit erklären lässt, dass diese zur Minimierung möglicher offener Stellen und Steigerung der Verbundenheit gerne Familienangehörige rekrutiert.
3.) So erkläre ich Darquies Chef in seiner Problemlöser-Zeit zu ihrem Vater.
4.) Das ermöglicht eine interessante Dynamik: Der Chef bittet Darquie, eine Mentorenrolle für seine Tochter zu übernehmen, doch wenn das Verhältnis der Schwester zu ihrem Vater unter der Oberfläche angespannt ist, dann können Darquie mit seiner eigenen komplizierten Familiengeschichte und sie an diesem Punkt binden.
5.) NYONs Schwester "starb", indem sie vergewaltigt und ermordet wurde. Die vorgebliche Schwester musste sich auf eine solche Inszenierung einlassen und weil ihr Vater sicher auch für eine "Batmans Eltern"-Geschichte mit weniger Haut hätte sorgen können, stimmte sie dem letztlich freiwillig zu. Sie tat dies, um entweder ihrer sexuellen Seite etwas Luft zu verschaffen und/oder um (Papi) zu schocken. Dies stärkt auch ihre Dynamik durch den Kontrast mit dem "Stock im Arsch"-Darquie.
6.) Vermutlich kann sie zaubern. Das wertet sie zum einen als Person auf eine Stufe weit jenseits ihres Alters auf und erklärt, warum bei NYON Vampirgerüchte aufkommen. Diese halten schließlich fern und erklären von der Chip-Erinnerung abweichende Phänomene.
7.) Das doppelt auch Darquies Mentoren-Rolle und lässt sie wohl eher in eine schamanistische Richtung gehen.
Ich stelle mir somit eine Person vor, die trotz ihrer Sozialisation und Teilnahme in der Geheimorganisation weder reine Schuld noch reine Unschuld verkörpert. In der Vergangenheit war sie wohl eine für Darquie vor allem angenehme Erinnerung, doch ob dies bei einem Zusammentreffen in der Gegenwart noch so bleibt, nachdem die Jahre beide veränderten, müsste sich zeigen. Nach dem Tod ihres Vaters und dem Zerfall der Geheimorganisation könnte sie als gedämpftere und heimatlose Person in den Schatten auftauchen. (Von ihren Werten her würde sie, Augenrollen bitte, wohl die Rolle einer zaubernden Fernkämpferin einnehmen.) Gegenüber NYON wäre die Beziehung völlig irre, denn nicht nur kennt er sie als fremde Schwester, sondern sein Team sorgte auch für den Tod ihres Vaters.