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Thema: Eine civilisierte Geschichte Deutschlands

  1. #76
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    Zwischen den Keltenfeldzügen hatte Karl noch Zeit gefunden, das Kollegium in London aufzusuchen, um dessen Position zu festigen. Gleichzeitig ließ Karl am Karsamstag 331 seinen vierjährigen Sohn Karlmann mit dem Taufnamen Pippin versehen. Zwei Tage später wurden Pippin und sein jüngerer Bruder Ludwig vom Vorsitzenden Kardinal zu Königen gesalbt und wohl auch gekrönt, um in Zukunft in Dänemark und Ungarn zu residieren. Ihnen wurden verantwortungsbewusste Erzieher und Berater zur Seite gestellt, um den Adel in seine Politik einzubinden.

    Auf der anderen Seite unterdrückte Karl sehr schnell Opposition von Adeligen und zog gezielt gegen unbequeme Herzöge. Das erste Unternehmen richtete sich gegen den schwäbischen Herzog Arichis II. von Leonberg. Karl rückte 337 von Magdeburg aus nach Schwaben und zwang Arichis II. zur Unterwerfung bei Stellung von Geiseln, Treueid und Zahlung von Tributen. Den zweiten Kriegszug führte Karl gegen den Bayernherzog. Tassilo III. weigerte sich, die Hoheit der Deutschen anzuerkennen, er reagierte auch nicht auf Aufforderungen durch das Londoner Kollegium, das von Karl dazu gebeten worden war. Als er einer Vorladung nach Worms nicht Folge leistete, nahm Karl dies zum Anlass, im Spätsommer 337 von drei Seiten nach Bayern zu marschieren. Tassilo unterwarf sich auf dem Lechfeld bei Augsburg, leistete seinen Vasalleneid und stellte Geiseln, darunter seinen Sohn. Tassilo wagte im Jahr darauf trotzdem einen zweiten, ebenfalls erfolglosen Aufstand. Bayern und die Awaren blieben weiter ein Unruheherd.



    Karl widmete sich aber bereits wieder den Kelten. Schon 339 war er über die mittlere Elbe gegen die slawischen Wilzen vorgestoßen. Dies war als Grenzsicherung der deutschen Ostmark gedacht. Gegen die ständig aufsässigen Kelten führte Karl einen weiteren Kriegszug durch, wo er ganze Bevölkerungsgruppen ins Reichsinnere deportieren ließ. 342 ließ er das keltische Stammesrecht aufzeichnen, 344 unternahm er einen letzten Zug ins nördliche Keltenreich. Durch die Gründung von Klöstern wurden diese Erfolge auf dem Kriegsschauplatz politisch und kirchlich abgesichert.

    Das Keltenreich wurde nun auch zum Schauplatz für ein großes Spektakel. Ende 342 hatte sich das Londoner Kollegium nach dem Tod des Vorsitzenden Hadrian unter ihrem neuen Vorsitzenden Leo näher an Karl orientiert, weil es wenig Rückhalt bei den Engländern hatte. Die Situation eskalierte 343, als die Kardinäle von den Anhängern Hadrians überfallen wurden, mit der Absicht, sie zu blenden und zu verstümmeln. Das Kollegium konnte in letzter Minute fliehen und sandte sofort ein Hilfegesuch an Karl. Dieser ließ die Kardinäle durch den Bischof Hildebald von Köln ins Reich einladen und zwar nach Nordkelten.

    Hier konnte er den Kardinälen bei seinem feierlichen Empfang im Juli 343 seine ganze Durchschlagskraft und den Erfolg seiner Christianisierung der Kelten vorführen, wie die Zeitgenossen rühmen. Angesichts der Beschuldigungen, die Leo und seine Kardinalskollegen erhoben, ließ Karl sie nach London zurückbringen, um dort den Fall von hochrangigen Deutschen untersuchen zu lassen. Die Gegner wurden festgenommen und ins Frankenreich ins Exil geschickt.



    Karl selbst blieb im Reich der Kelten und konnte in den folgenden Wochen nun nach und nach die Treuebekundungen der letzten Keltenführer, die ihm Widerstand leisteten, entgegen nehmen.

    Im Herbst 343 wählten die keltischen Adeligen einen von Karl bestimmten Kandidaten zu ihrem neuen König. Der keltische König leistete widerrum gegenüber Karl den Vasalleneid, zahlte Tribut für die Kriegsschäden und empfing sein Land als Lehen aus der Hand des Deutschen. Die Kelten mussten sich dem deutschen König damit vollständig geschlagen geben.



    Karl brach anschließend auf, um nach England zu reisen, wo er in London nicht mehr als deutscher König, sondern als Kaiser empfangen wurde. Unter Karls Vorsitz fanden weitere Untersuchungen zu den Anklagen gegen die Hadriansanhänger statt. Durch den Einfluss Karls erkannten auch die anderen christlichen Reiche das Kardinalskollegium als rechtmäßigen obersten Rat der Christenheit an. Der Führer des Kollegiums wurde als Papst, die höchste christliche Instanz, bezeichnet.

    Am 25.12.343 setzte der erste offizielle Papst Leo dem deutschen König während der Messe eine kostbare Krone auf und kniete vor ihm nieder. Das versammelte Volk in der Kirche huldigte dem Kaiser und seinem zum König gesalbten jungen Sohn Karl. Der Kaiser war trotzdem erbost über den Papst, den Karl wollte das Kaisertum nicht aus päpstlicher Hand erhalten haben: Ein sakrales Kaisertum von Gnaden des Papstes. Um diese Vorgaben im deutschen Sinn zu ändern, gab sich die Umgebung Karls große Mühe mit dem neuen Titel. Seit Mai 344 ist folgende Erweiterung in Urkunden bezeugt: „Das christliche Reich regierend und zugleich durch Gottes Erbarmen König der Deutschen“. Auf diese Weise wurde das in den Heiligen Schriften prophezeite christliche Kaisertum mit universalem Anspruch dem deutschen König zugesprochen, er war der aktiv Handelnde, der das Christliche Imperium regierte.

    Dieser Anspruch traf wie erwartet auf große Empörung bei den Portugiesen, die sich spätestens nach dem Kreuzzug gegen Bibracte als Schwert und Schild der Christenheit ansahen. Die Portugiesen schickten sofort eine Gesandtschaft, um Näheres über Karls Ansprüche zu erfahren. Deutlich wurde nur, dass Karl, der in den Augen der Portugiesen den Titel usurpiert hatte, ihr Reich nicht erobern wollte. Erst 346 wurden die Gespräche abgeschlossen und Portugal schloss einen Vertrag, in dem die Deutschen auf Bibracte verzichteten und Portugal den neuen „Imperator“ akzeptierte. Die Interpretation der päpstlichen Seite spielte bei dieser Übereinkunft keine Rolle.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #77
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    Auf dem Höhepunkt seiner Macht dominierte der deutsche Kaiser die Politik zwischen den Reichen der christlichen Welt und sorgte dafür, dass das Reich den fortschrittlichen Anschluss nicht verpasste.

    Vom neuen Amsterdamer Stadtstaat erhandelte er die Gesetzgebung und die Ästhetik. In jahrelanger gemeinsamer Arbeit tauschten sich Amsterdamer und Deutsche über die innere Rechtssprechung aus – der Position des Herrschers und des Adels sowie die rechtlichen Fragen zu Gefolgschaft und Beziehung der Stände zueinander.



    Delegationen der Deutschen und Russen arbeiteten ebenfalls an rechtlichen Fragen, die Russen stellten dem Reich darüber hinaus aber auch umfangreiche militärische Ausbildung beim Einsatz von Kavallerie und dem Bau von Belagerungsmaschinen.



    Von den Engländern wurden die die Deutschen in der Kriegsführung zur See und der fortgeschrittenen Bearbeitung von Metallen und seiner Formung unterrichtet.



    Die Franken widerrum waren bereit, für die Übernahme der deutschen Gesetze über Gefolgschaft und Lehen dem Reich ihre seit antiken Zeiten entwickelte astronomischen Erkenntnisse und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft ausführlich zu lehren.



    Karl ließ im Jahre 349 von den Großen des Reiches seine Nachfolgeregelung beschwören. Seine drei Söhne Pippin, Ludwig und Karl sollten jeder König in einem Teil des Reiches werden, wobei der junge unverheiratete Karl als Haupterbe bestimmt wurde.

    Doch zuvor musste das zu erbende Reich noch verteidigt werden. Pippin und Ludwig hatten mit Bayern und Pommern zu tun, der dritte Sohn Karl stieß 349 gegen die Slawen östlich von Böhmen vor. Er führte ein deutsch-keltisches Heer gegen sie, das den Gegner aber nicht stellen konnte. Im Jahr 351 tauchten zudem barbarische Normannen auf, die die friesische Küstengegend heimsuchten.

    Außenpolitisch erlitt Karl eine Niederlage, als sich Amsterdam dem Druck der Franken beugen musste und gegenüber dem König in Paris den Vasalleneid leistete. In London erstarkten in der Zeit darauf wieder die Anhänger des Hadrian, der mit fränkischer Unterstützung den dem deutschen Reich zugeneigten Papst und seinem Kardinalskollegium die Autorität strittig machte. In London erhielt Hadrian ebenfalls wachsenden Zuspruch für seine Politik, die sich gegen den Einfluss des deutschen Kaisers richtete.

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  3. #78
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    Karl musste dann aber seine Nachfolge ganz neu regeln, denn 362 und 363 starben seine Söhne Pippin und Karl. Der Kaiser war davon so betroffen, dass er für das ganze Reich zur Buße ein mehrtägiges Fasten anordnete. Nach langem Zögern gab Karl Teile des Reiches 365 in die Herrschaft von Pippins Sohn Bernard und ließ seinen eigenen Sohn Ludwig zum Kaiser erheben.

    In der Pfalzkapelle setzte sich Ludwig auf Befehl des Vaters am 11. September 366 eine goldene Krone auf. Somit war zum ersten Mal das christliche Kaisertum vom Vater an den Sohn - und dies ohne Papst – weitergegeben worden. Aber Ludwig erhielt deshalb keine Mitsprache, sondern musste wieder in sein Unterkönigtum nach Franken und Schwaben zurückkehren. Aber schon im Januar 367 starb Karl nach mehreren Fieberschüben in Aachen. Ludwig ließ sich mit der Machtübernahme Zeit. Er zog mit seinen Getreuen über Sachsen und die Neumark, um sich wichtige Stützpunkte zu sichern – in der Überzeugung, dass es eine bewaffnete Opposition gegen ihn geben werde.




    LUDWIG DER FROMME (367 BIS 410)



    Ludwig beseitigte zunächst sämtliche potentiellen Gefahren seiner jungen Herrschaft. Die Schwestern, die zum Teil in informellen Verbindungen lebten, verwies er alle vom Hof. Das gleiche Schicksal hatten enge Berater von Karl, so Adalhard und Wala, die in Klöstern ihr Exil fanden. Dafür übernahm Ludwigs Kanzler aus früheren Zeiten, Hadalrich, die kaiserliche Kanzlei. Seinem engen Vertrauten Witiza, der nun als Stifter und Abt von Münster den Namen Benedikt trug, übertrug er weit reichende Vollmachten. Diese beiden Männer bestimmten mit dem Bischof Ebo von Köln und Ludwigs Schwiegersohn Graf Bego von Augsburg im Wesentlichen die Politik Ludwigs des Frommen (so sein Name in späterer Zeit).

    Unter der kaiserlichen Führung regierten Unterkönige. Bernard wurde noch 367 in Böhmen bestätigt, in demselben Jahr wurden dem ältesten Sohn Lothar Schwaben und dem zweiten Sohn Pippin Pruzzen zugeteilt. So konnte sich der Kaiser auf das Zentrum des Reiches konzentrieren.

    Ludwig wählte Aachen als Hauptsitz seiner Herrschaft aus und berief die Reichsversammlung dorthin ein. Im August 369 wurden hier auf dem Konzil unter dem Einfluss von Benedikt von Münster die Weichen gestellt: Das Leben der klösterlichen Gemeinschaften wurde in einem Kapitular geregelt, denn für Ludwig war der Aufbau einer Königskirche zentrales Anliegen. Er dehnte den bisherigen Schutz und die Herrschaft über die Klöster auch auf die Bischofskirchen aus, die so in eigenkirchliche Verhältnisse einbezogen wurden. Der Kaiser war Schutzherr, dafür übernahm die Kirche die Mitverantwortung im Reich. In den Kapitularen von 371 wird den Kirchen und Klöstern vor allem zugesichert, dass ihnen künftig keine Kirchengüter für weltliche Herrschaft entwendet werden.

    Zu dieser Sicherung im kirchlichen Bereich trat die Rechtssicherheit. Auf derselben Reichsversammlung wurde eine verbesserte Rechtsprechung - eine rationalere Rechtspflege nach dem Vorbild von Amsterdam - angestrebt, z.B. die Reduzierung der Gottesurteile und der Schutz der armen und weniger mächtigen Bevölkerungsteile. Angesichts der komplizierten Gesellschaftsstruktur von Sklaven über Hörige, Minderfreie, Freigelassene, Freie bis hin zum Adel sind damit ganz allgemein sowohl die wirtschaftlich Schwachen angesprochen als auch diejenigen, die der Macht der Mächtigeren ausgeliefert sind. Speziell herausgehoben werden Geistliche, Witwen und Waisen.

    Parallel zu diesen innenpolitischen Bemühungen war vor allem das Verhältnis zum Papsttum zu klären. Als 368 Nachrichten zu Ludwig kamen, dass Leo gegen Oppositionelle in London mit Todesurteilen vorgehe, übertrug er Bernard die Klärung der Ereignisse. Der Papst konnte sich zwar rechtfertigen, musste sich aber kurz darauf wieder gegen Aufstände wehren. Das Problem wurde durch seinen Tod 369 erst einmal beseitigt.

    Der neue Papst Stephan wurde im Juni 369 innerhalb von zehn Tagen aus einer Londoner Familie erwählt, ohne den Kaiser als Schutzherrn zu beteiligen. Da dies die erste Wahl nach Karls Kaiserkrönung war, war unklar, ob dem deutschen Kaiser das Recht der Bestätigung zustand. Allerdings ließ der Papst das Kollegium gleich einen Treueid auf den Kaiser schwören und reiste selbst nach Speyer. Dort wurde er im Oktober 369 feierlich empfangen, salbte den Kaiser und seine Gattin Irmingard und setzte dem Kaiser eine eigens mitgebrachte Krone, angeblich die von Achiulf, auf. Dies war als Rechtsakt zwar bedeutungslos, doch zeigte er mit der Salbung und Krönung die Ansprüche des Papstes an.

    Von großer Bedeutung wurde der Vertrag über ein freundschaftliches Treuebündnis, in dem der Papst im Wesentlichen der Schutz über seine Besitzungen in Südengland garantiert wurde. Es wurde auch grundlegend die Wahl des Papstes geregelt. Sie sollte in England ohne fremde Beteiligung stattfinden und dem Kaiser angezeigt werden, wobei der Treuebund zu bestätigen war. Damit wurde der Anspruch der Oberherrschaft des Kaisers deutlich, zugleich wurde dem Papst sein Platz im System zugewiesen, in dem er die von Gott übertragene Sorge für Kirche und Reich übernommen hatte.

    Um die Herrschaft für seine Familie frühzeitig ans feste Ufer zu bringen, regelte Ludwig früh die Thronnachfolge, nachdem er durch einen Anschlag schockiert wurde. Bei einem Besuch Ludwigs am Hof Bernards in Böhmen wurde 386 ein Attentäter in Ludwigs Schlafgemächern aufgegriffen und bei der Flucht getötet. Die Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass es sich vermutlich um einen Meuchelmörder im Auftrag Persiens gehandelt hat.

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    Geändert von Mark (30. März 2010 um 21:49 Uhr)
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  4. #79
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    Ludwig hatte mit Irmingard fünf Kinder - die drei Söhne Lothar, Pippin und Ludwig, sowie die Töchter Rotrud und Hildegard. Ludwig versuchte, eine Lösung für den Gegensatz zwischen dem unteilbaren Kaisertum und dem gleichberechtigten Erbrecht aller seiner legitimen Söhne zu finden. Im Thronfolgegesetz von 389 wurden den beiden jüngeren Brüdern ihre Teilreiche Schwaben und Franken zugewiesen, in denen sie die Kirchenhoheit wahrnehmen und alle Ämter und Würden vergeben sollten. Dem ältesten Sohn Lothar I. wurde die Kaiserwürde zugesprochen. Die Krönung vollzog Ludwig selbst, die Großen des Reiches akklamierten. Dies war widerrum eine Kaisererhebung ohne den Papst.


    Prinz Ludwig

    Wenig begeistert war der leer ausgegangene Bernard von Böhmen – sein Land gehörte zur Erbmasse des zukünftigen Kaisers, sollte also später Lothar gehören. Um Bernard sammelten sich andere Oppositionelle, die mit der Machtübernahme durch die Söhne nicht einverstanden waren und zogen gegen Ludwig. Allerdings gab Bernard nach einiger Zeit auf und unterwarf sich dem Kaiser. Ludwig reagierte danach verständlicherweise ziemlich misstrauisch auf die Erlebnisse der letzten Jahre. Unliebsame Personen – Bischöfe, Adelige und auch Unbeteiligte - ließ er absetzen oder sie verschwanden ganz, darunter auch der erwähnte Bernard von Böhmen im Jahre 390.

    Ludwig setzte zum Kitten der schlechten Beziehungen zu den Adeligen dann auf die klassische Heiratspolitik. Er selbst und seine Söhne heirateten Frauen aus der Familie der Welfen, deren Aufstieg damit begründet wurde. Nun folgte aber neuer Ärger mit seiner eigenen Familie. Sein Sohn Lothar übernahm im Jahr 394 die Regentschaft über die Neumark, Sachsen und Böhmen und wurde zu Ostern 395 von Papst Paschalis zum Kaiser gesalbt und gekrönt. Somit war die Verbindung von Papsttum und Kaisertum wie bei Karl dem Grossen wiederhergestellt. Lothar nahm aber energischer als seine Vorgänger seine Rechte in London wahr. Dies mündete in der Reorganisation der Verwaltung des Kirchenstaates (der Ländereien des Papstes), der von je einem missus des Kaisers und des Papstes kontrolliert wurde, außerdem sollte der gewählte Papst die Weihe hinausschieben bis er vor einem Gesandten des Kaisers den Treueid abgelegt hatte.


    Prinz Lothar

    In der Zwischenzeit hatte sich die Situation in der Familie Kaiser Ludwigs geändert. Seine Frau hatte zuerst Gisela und dann im Juni 395 den Sohn Karl zur Welt gebracht. Im Dezember 395 kehrte Lothar aus England zurück, um sich als Mitregent an den Regierungsgeschäften zu beteiligen. Der Kaiser selbst zog sich von der energischen Politik der Reformen zurück. Gegen Ludwig waren im Reich wieder zahlreiche Beschwerden laut geworden, gegipfelt von seiner Absicht, seinen Sohn Karl ein Gebiet aus verschiedenen Einzelteilen des Reiches als Erbe zusammen zu setzen.

    Damit waren alle älteren Brüder und deren Anhang brüskiert. Am Hof übernahmen sie und ihre Anhänger die Macht. Daraufhin kam es zum offenen Widerstand der um ihren Einfluss gebrachten Adeligen. Als Führer ihrer Rebellion holten sie Lothar herbei, der von der Gebietsveränderung der Ordinatio Imperii am meisten betroffen war. Gegenüber der aufgebotenen Heeresmacht flohen die meisten Anhänger, die Kaiserin wurde in Klosterhaft nach Ungarn gebracht. Ludwig und sein kleiner Sohn wurden unter Aufsicht gehalten, aber vor der völligen Absetzung schreckte Lothar zurück. Auf der Reichsversammlung im Mai 400 bestand Lothar nur darauf, dass die Verfügungen aus dem Vorjahr zurückgenommen wurden. Dies und andere Maßnahmen enttäuschten die radikaleren Anhänger, die Stimmung gegen Lothar wuchs und der alte Kaiser gewann wieder die Oberhand. Lothar musste seine Niederlage eingestehen und wurde für seine Rebellion nach Dänemark abgeschoben, die Kaiserin wurde dagegen aus Ungarn zurückgeholt. Die geschlagenen Anführer der aufständischen Adeligen wurden wenig sanft behandelt.

    Der Verlierer dieser ersten Auseinandersetzung war Lothar, der auf Dänemark begrenzt wurde, während Pippin und Ludwig ihre Macht ausdehnen durften. Doch die Bevorzugung Karls ließ auch bei den beiden Brüdern Missgunst aufkommen. Schon 401 war bereits wieder die Zeit für Lothar gekommen, denn sein Vater war auf seine Unterstützung angewiesen, um seine beiden anderen Brüder im Zaum halten zu können. Der alte Kaiser unterwarf 402 erst Ludwig und dann Pippin, der hart bestraft wurde, indem sein Königreich an Karl vergeben wurde.


    Prinz Pippin

    Dieses endgültige Zerstören der Ordinatio Imperii brachte nun alle Gegner zusammen. Die drei Brüder konnten den Papst Gregor auf ihre Seite ziehen, der die Bischöfe zum Widerstand gegen Ludwig den Frommen aufrief. Auf dem Rotfeld bei Colmar standen sich die Heere Ende Juni 403 gegenüber. Der alte Kaiser verlor nach tagelangen Verhandlungen seine Anhänger und musste sich ergeben. Wegen des vielfachen Eidbruchs wurde das Feld „Lügenfeld“ genannt.

    Kaiser Ludwig der Fromme wurde in ein Kloster nahe Paderborn verschleppt und gefangen gehalten. Von nun an war es aber Lothar, der sich gegen die beiden Brüder behaupten musste. Im Streit um Landbesitz schlossen sich Pippin und der jüngere Ludwig gegen den älteren Bruder Lothar zusammen und setzten den alten Kaiser Ludwig 404 wieder in seine Rechte ein. Nach einigen Kämpfen unterwarf sich Lothar und rettete seine Herrschaft über Sachsen und Dänemark.


    Prinz Karl

    Das Jahr 408 brachte mit der Erhebung Karls zum Unterkönig und dem plötzlichen Tod Pippins einschneidende Veränderungen. Der Kaiser traf mit Lothar und Karl 409 auf einer Reichsversammlung in Worms zusammen und stellte eine neue Hausordnung auf. Der jüngere Ludwig erhielt nur seinen Pflichtteil Schwaben. Lothar und Karl teilten den Rest in ein zentrales Gebiet mit der Neumark, Franken, Sachsen und Böhmen für Lothar und die übrigen Randgebiete für Karl. Dort stieß Lothar auf die Interessen der Söhne Pippins, vor allem des mündigen Pippins II.

    Ludwig der Fromme übernahm selbst die kriegerische Durchsetzung dieser Regelung gegen Pippin II. und wollte sich dann mit Ludwig dem Jüngeren befassen. Er starb dann aber am 20. Juni 410 auf einer Rheininsel bei Ingelheim. Bei seiner Bestattung war keiner seiner Söhne anwesend, wen wundert es.

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    LOTHAR I. (410 BIS 445)



    Der bereits als Kaiser amtierende Lothar I. ließ sich nicht auf die zuletzt geschlossene Vereinbarung der Reichsteilung mit seinem Bruder Karl ein, sondern berief sich mit breiter Unterstützung inmitten der rechtlichen Unordnung auf die Ordinatio Imperii.

    Lothar ließ seinen Sohn Ludwig II. in der Neumark zurück und zog nach Aachen, wo ihm der Erzkapellan Drogo Krone, Schwert und Szepter Ludwigs überreichte. Gegen ihn schlossen sich die beiden Brüder Karl und Ludwig zusammen, woraufhin er Pippin II. als Bundesgenossen gewann. Die Brüder schlugen ihre Gegner in einer verlustreichen Schlacht bei Salzburg im Juni 415.

    Lothar floh zurück nach Aachen, unterstützte den so genannten Stellinga-Aufstand der Freien und Halbfreien gegen den schwäbischen Adel und gegen Ludwig und versuchte dazu, normannische Anführer an der friesischen Küste in seine Dienste zu ziehen. Doch die Initiative hatten seine beiden Brüder, die sich 418 in Straßburg trafen und dort vor ihren versammelten Heeren die berühmten Straßburger Eide der gegenseitigen Treue schworen. Dem gemeinsamen Bedrängen musste Lothar I. nachgeben und sich auf Verhandlungen einlassen. Zur Regelung der Familienangelegenheiten wurde eine Kommission eingesetzt, die schließlich einen Vertrag ausarbeitete, der 420 erneut in Worms geschlossen wurde, aber nicht erhalten ist.



    Dieser Teilungsvertrag von Worms sah vor, dass drei neue Reichsteile entstehen sollten. Ludwig erhielt nun neben Schwaben auch Lothringen und Franken, Karl die Ostmark und Böhmen, Lothar I. das Gebiet von Sachsen, der Neumark und Pruzzen. In Dänemark und Ungarn wurden weitere Unterkönige eingesetzt, die von Lothar bzw. Karl kontrolliert wurden.

    Lothar I. versuchte, seine gescheiterte Politik der Oberherrschaft über das Gesamtreich zu kompensieren, indem er zumindest auf der kirchlichen Ebene die Oberhoheit einführte. Er erreichte bei Papst Sergius (424-427), dass sein Erzkapellan Drogo zum apostolischen Vikar für ganz Deutschland sowie ernannt wurde. Allerdings gab es im Reich Karls Proteste der Bischöfe und im Reich Ludwigs wurde Drogo ignoriert. Lothar I. fand sich damit ab und versuchte, durch regelmäßige Treffen mit seinen Brüdern den ideellen Gedanken der Reichseinheit lebendig zu erhalten.

    In den folgenden Jahren hatte Karl seine Gebiete von Böhmen bis Ungarn nicht unter Kontrolle, auch wenn er sich der Hilfe einflussreicher Familien versichern und hervorragende Persönlichkeiten auf wichtige Positionen bringen konnte. Wesentlich bessere Voraussetzungen hatte Ludwig, der sich häufig in Frankfurt am Main aufhielt, von wo er sein Gebiet kontrollierte. Seine Hauptstütze war die Kirche, den gelehrten und sehr aktiven Hrabanus Maurus setzte er als Erzbischof von Mainz ein.

    Den Höhepunkt der Regierung von Lothar I. bildete im Jahr 435 die Salbung seines Sohnes Ludwig zum Mitkaiser durch Papst Leo II. (432-440), die Lothar I. veranlasst hatte. Hier war also der Akt alleine in die Hände des Papstes gelegt, allerdings auf Anordnung des Kaisers. So hatte Lothar I. zumindest für seine Nachfolge gesorgt, als er im September 445 als Mönch im Kloster Prüm nach schwerer Krankheit starb.
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    LUDWIG II. (445 BIS 468)



    Ludwig II. schaffte es, seinen Anspruch auf die Macht gegen seine beiden Onkel Karl und Ludwig zu behaupten. Für den jungen Kaiser waren deren Forderungen keine Gefahr mehr, nachdem Karl bereits zwei Monate nach Ludwigs II. Antritt an der Pest verstarb und sein Onkel Ludwig 448 einen – hoppla - tödlichen Unfall erlitt. Die Herrschaft über die aufgeteilten Gebiete fiel allein zurück an den Kaiser, Ludwig II.

    Ludwig II. musste zum Erhalt des zurück gewonnenen Gebietes einen erheblichen Tribut an die Slawen zahlen, die bis Prag vorgedrungen waren und die Stadt belagerten. Um ein Ausbluten der Familie zu verhindern, adoptierte der kinderlose Ludwig II. 450 den ungarischen Unterkönig Karlmann, dieser starb aber – hoppla - durch einen Jagdunfall im Dezember 460. In seiner Familie war noch der Halbbruder Karl übrig, der allerdings wegen seiner starken geistigen Beeinträchtigungen nicht ernsthaft in Betrachtung gezogen werden konnte.

    Der Kaiser sah sich großen Aufgaben an allen Ecken des Reiches gegenüber. Die Normannen hielten Hamburg seit November 463 fast ein Jahr lang umzingelt. Ludwig II. war wieder in Böhmen unterwegs und konnte im Oktober 464 nur durch Tributzahlung und Freigabe Dänemarks zur Plünderung den Abzug der Feinde erreichen. Eine Omnipräsenz in allen Reichsteilen war nicht möglich, männliche Helfer in der Familie waren nicht vorhanden, daher setzte der Kaiser immer mehr Vertrauen auf starke Adelige.

    Berengar von Friaul kümmerte sich um die Gebiete der Kelten, der Robertiner Graf Odo von Magdeburg erhielt zusätzlich die Neumark, Otto der Erlauchte wurde in Sachsen gefördert, der Babenberger Poppo konnte ungehindert seine Machtposition im Westen des Reiches ausbauen. Andere Gebiete waren der karolingischen Macht schon entzogen.

    Ludwigs größte Sorge aber war seine Nachfolge. Nachdem die Bischöfe gegen den unehelichen Sohn Bernhard Einspruch erhoben hatten, suchte sich Ludwig II. den kleinen Hugo, Sohn des verstorbenen Boso von Vienne, zur Adoption aus. Dies wurde als Brüskierung des Arnolfs von Kärnten, dem illegitimen Cousins des Kaisers, angesehen. Noch mehr erschütterte Ludwigs Position, dass er seinen vertrauten Erzkanzler Liutward unter dem Vorwand entließ, er habe ein Verhältnis mit der Kaiserin Richgard. Sie beteuerte ihre Unschuld und ging in das von ihr gegründete Kloster Andlau. Arnolf von Kärnten brachte 467 ein großes Heer unter seiner Führung zusammen und marschierte gegen den ungeliebten Kaiser, der nach Frankfurt am Main flüchtete. Als die Anhänger Ludwigs II. die Zeichen der Zeit erkannten und dem neuen starken Mann, nämlich Arnolf, zuströmten, war Ludwig II. politisch erledigt und musste abdanken Er zog sich auf einen Königshof nach Schwaben zurück, wo er bereits im Januar 468 starb.

    ERSTES INTERREGNUM (468 BIS 510)

    Mit seinem Tod war der Mannesstamm der Karolinger abgebrochen. Die Herrschaft des Geschlechts wurde über die Zeit gerettet durch den illegitimen Markgrafen von Kärnten, der sich selbst um die Herrschaft bemüht hatte. Jede mächtige Adelsgruppe suchte sich in den einzelnen Reichsteilen nun einen Herrscher, denn alle strebten nach Eigenständigkeit. Dazu gehörten Berengar von Friaul, der sich zum König der Kelten krönen ließ, der Welfe Rudolf als Herzog von Schwaben, der Robertiner Odo als Graf der Neumark und Franken und Graf Ramnulf von Lothringen, der sich aber Odo unterwarf.

    Arnolf hatte zwar die Macht auf seiner Seite und führte eine Art Oberhoheit über die diversen Könige und Herzogtümer, hielt sich aber auch weitgehend aus den Quereleien heraus. Odo schaffte es, sich in London 471 von Papst Stephan (465-471) zum Kaiser krönen zu lassen und seinen Sohn zum Mitkaiser 472 von Papst Formosus (471-476). Gegen ihn ging Arnolf mit seinem Sohn Zwentibold 474 dann - wenn auch mit wenig Erfolg - vor, genau wie gegen Rudolf, der am Rand seines Einzugsgebietes für Störungen sorgte.

    Das wichtigste Problem war für Arnolf aber die Sorge um die Nachfolge. Zwentibold und Ratold waren aus einer illegitimen Verbindung, ihr Erbanspruch wurde aber von den Bischöfen anerkannt. Doch wurde ihm 476 ein legitimer Sohn Ludwig geboren. Nun erreichte Arnolf im Mai 477 die Krönung Zwentibolds als König von Böhmen, er selbst zog nach Odos Tod 478 durch die Neumark und Franken und sicherte das Gebiet von Odo für sich. Im Februar 479 wurde er von Papst Formosus zum Kaiser gekrönt, als dann das Schicksal erneut zuschlug.

    Arnolf erlitt Lähmungserscheinungen wie sein Vater und wurde in die Neumark zurücktransportiert. Schleunigst ließ er die Großen des Reiches einen Treueid auf seinen vierjährigen Sohn Ludwig das Kind leisten. Dieser wurde im Februar 480 zu seinem Nachfolger gekrönt, nachdem Arnolf im Januar zuvor in Magdeburg gestorben war. Zwentibold zog sich von allen verlassen zurück und starb bei einem Gefecht im August 480.

    Die Machtbasis von Ludwig dem Kind war allerdings bescheiden. Er wurde von Heribert von Bremen gefangen, dem er als Unterpfand und Spielball in dem Konkurrenzkampf mit Herzog Rudolf und anderen Adeligen diente. Der junge König fand ein unrühmliches Ende und starb in Bremen, dem Ort seiner Gefangenschaft, im April 489. Vermutlich hatte er sich durch einen Sprung von einem Turm der Burg selbst das Leben genommen. Diese Entwicklung hatte schwere politische Konsequenzen, denn der Tod des jungen Königs bedeutete trotz der Machtlosigkeit zu seinen Lebzeiten, dass der Thron nunmehr verwaist war.

    Nun sah der keltische Unterkönig Berengar von Friaul seine Chance gekommen und stellte sich an die Spitze einer einflussreichen Verbindung adeliger Familien. Mit seinem versammelten Heer trat er im Juli 489 in Bayern der Streitmacht des Welfen Rudolf entgegen, der ebenfalls Anspruch auf die deutsche Krone erhob. Trotz seines Sieges konnte Berengar nicht weiter gegen Schwaben vorrücken, da an der Ostgrenze seines keltischen Königreiches ein Heer der Magyaren in sein Land eindrang.

    Die Einheit des Reiches wurde in dieser Zeit durch die gegenseitige Schwächung der adeligen Fraktionen, die jeweils ihren eigenen Kandidaten zum (Gegen-) König erhoben hatten, nur noch durch die gemeinsame Kirche ausgedrückt. In dieses Machtvakuum stießen nun die Franzosen vor, indem sie aufgrund einer entfernten Verwandtschaft Königs Charles III. zu Ludwig dem Kind den Anspruch auf die Thronfolge und damit auf das deutsche Kaiserreich erhoben.



    Charles III. stellte sich damit gegen den Willen sämtlicher deutscher Adeligen und Bischöfe, hatte für seine Politik aber eine mächtige Unterstützung im Osten gefunden. Der russische Zarenhof unterstützte den Anspruch Frankreichs gegen die Deutschen und erhielt dafür die Zusicherung von Charles, dass die Gebiete östlich des Reiches sowie Pruzzen von ihm als russische Einflusssphäre respektiert würden.



    Nach dem Ende des Winters marschierte Charles III. im Mai 490 mit seinem Heer aus Berittenen zunächst in Schwaben ein, um dort die Unterwerfung des immer noch ernstzunehmenden Welfen Rudolf unter seine Herrschaft zu erzwingen. Die überlegenen Franzosen konnten das Heer von Rudolf zunächst aber nicht dazu bringen, sich ihnen in der Schlacht zu stellen.



    Charles III. teilte daher seine Streitmacht auf, um so die Kontrolle über Schwaben zu übernehmen und Rudolf, der seine Soldaten in die Festungen zurückgezogen hatte, zur Entscheidungsschlacht zu zwingen. Die Franzosen übten somit zwar die unmittelbare Kontrolle über die Gebiete aus, konnten diese aber nicht sichern, solange Rudolf mit seinen Männern die schwäbischen Burgen hielt.

    Eine Streitmacht der Franzosen wurde dann auch im Jahre 500 erstmals von einer ausrückenden Armee Rudolfs in der Nähe von Ulm überrascht und geschlagen. Rudolf musste sein Heer zwar wieder zurückziehen, für Charles III. zeigte diese Niederlage aber, dass er gezwungen war, die Befestigungen in Schwaben zu belagern und einzunehmen, wenn er nicht auf lange Sicht den Feldzug verlieren wollte.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #82
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    Charles III. bereitete die Belagerungen gründlich vor und ließ in ganz Frankreich Heeresgefolge zusammenziehen. Mit über 10.000 Soldaten, darunter zahlreiche Berittene und dieses mal auch schweres Kriegsgerät, zog er 505 erneut gegen Rudolf zu Feld.

    In dieser Zeit war Rudolf ebenfalls aktiv gewesen und hatte die deutschen Adeligen für die Unterstützung seines Kampfes gegen die französischen Eindringlinge gewinnen können. Die konkurrierenden deutschen Adeligen wurden durch die äußere Bedrohung vorläufig wieder geeint, wobei sich besonders die Würdenträger der deutschen Kirche politisch hervortaten. Der Kampf Rudolfs wurde nun von den anderen Reichsteilen, auch von Berengar von Friaul, militärisch und politisch unterstützt.

    Die Bedrohung des Reiches durch die Franzosen beschleunigte insbesondere die Entwicklung adäquater militärischer Einheiten, da den bestehenden Truppen eine erfolgreiche Abwehr der entschlossenen Angreifer nicht zugetraut werden konnte. Rudolf wurde von den Adeligen mit der Ausbildung von Soldaten an den neuartigen Langbögen unterstützt. Diese Bögen hatten in der Hand geübter Schützen eine enorme Reichweite und Durchschlagskraft. Die dafür notwendige Herstellung der Bögen und Ausbildung der Männer war langwierig und damit teuer, wurde aber durch die vereinten Anstrengungen der Adeligen ermöglicht.



    Etwa seit der Mitte des fünften Jahrhunderts waren die Liudolfinger, wie man die Familie nach ihrem Stammvater auch nannte, in eine führende Position unter den Sachsen aufgestiegen. Liudolf (gestorben 466), Graf im Weserland, ist derjenige, der am frühesten bezeugt ist. Dieser Teil des Reiches war nach der Hausordnung Kaiser Lothars I. seinem Sohn Ludwig unterstellt, der mit Liutgard eine Tochter Liudolfs geheiratet hatte. So waren Karolinger und Liudolfinger verbunden, eine besondere Nähe zum Königshaus war erreicht, dazu folgten auch andere Verbindungen zu den Karolingern.

    Liudolfs Sohn, Otto der Erlauchte, befand sich wohl im Heer Arnulfs, als dieser 474 gegen Rudolf von Schwaben zog. Seine Tochter Oda verheiratete er mit Arnulfs Sohn Zwentibold, nach dessen Tod heiratete sie Graf Gerhard von Lothringen. Die Ehe seines Sohnes Heinrich ließ Otto 509 lösen und verheiratete ihn mit Mathilde aus der Familie der Immedinger, dem auch der berühmte Widukind, einstiger Heerführer der Sachsen, entstammte. Durch diese Heirat konnten die Liudolfinger ihre Machtbasis nach Süden ausdehnen und so erheblich vergrößern.

    Es ist daher nicht erstaunlich, wenn Otto der Erlauchte als Königskandidat gehandelt wurde, als König Ludwig das Kind 489 gestorben war. Der sächsische Mönch Widukind von Corvey, der wohl ebenfalls aus der Familie der Immedinger stammte, ist die bekannteste Quelle für diese Zeit. Er schreibt aus der Sicht der führenden sächsischen Familie. Widukind berichtet über die Königskandidatur Ottos, dass dieser mit Hinweis auf sein Alter abgelehnt habe. Da Otto im nächsten Jahr verstorben ist, erscheint dies plausibel. Von den stattdessen führenden Kandidaten Berengar von Friaul und Rudolf von Schwaben hat Widukind keine hohe Meinung.

    Ottos Sohn Heinrich erlangte in der zersplitterten Verfassung des Reiches eine unabhängige Position und konnte sein Herzogtum stabilisieren. Im Jahre 510 versammelten sich unter dem Eindruck der französischen Bedrohung die Großen des Reiches in Magdeburg. Da Heinrich der einzige war, der mit seinem Heer dem Einmarsch Charles III. gewachsen schien, wurde ihm die Königswürde angetragen. Laut Widukind soll die Versammlung formuliert haben, dass das Heil und die Tugend nicht mehr mit dem Germanenkönig seien, sondern bei Heinrich dem Sachsen liegen. Diese Wahl wird als Translatio Imperii angesehen, das heißt, Widukind vertritt rückblickend die Ansicht, dass das Reich der Semnonen auf die Germanen und von ihnen auf die Sachsen übertragen worden sei, die das neue staatstragende Volk seien.

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    HEINRICH I. (510 BIS 526)



    Nach der Wahl durch die Reichsversammlung zum deutschen König hat Heinrich I. nach Angaben von Widukind die Salbung durch Erzbischof Heriger von Mainz abgelehnt. Über sein Motiv ist viel nachgedacht worden, denn eine Königssalbung hätte ihn legimitiert, im ganzen Reich Bischöfe und Reichsäbte einzusetzen. Heute wird die Ansicht vertreten, dass Heinrich I. zwar für würdig erklärt werden wollte, die Salbung aber aus taktischen Gründen ablehnte. Denn er glaubte, als primus inter pares leichter mit den übrigen Herzögen ins Reine zu kommen und eine gemeinsame Allianz gegen die Franzosen schmieden zu können.

    Nach der Wahl bedrohte Heinrich I. zuerst den der Versammlung ferngebliebenen Herzog Rudolf von Schwaben, in dessen Land die Franzosen standen. Der geschwächte Rudolf musste seine eigenen Ambitionen auf die Königswürde fallen lassen und erkannte Heinrich I. an, der ihn dafür als Herzog von Schwaben bestätigte. Danach wandte sich Heinrich I. gegen Arnulf, den er erst 512 mit einem Freundschaftsvertrag zum Einlenken in die gemeinsame deutsche Koalition bewegen konnte. Darin wurde Arnulf weitgehende Autonomie und auch die Kirchenhoheit für sein keltisches Reich eingeräumt. Die beiden Könige erkannten sich wechselseitig an und damit auch ihren Titel bzw. Besitzstand.

    Bayern war für lange Zeit ein Unruheherd geblieben. Herzog Giselbert von Bayern wechselte die Front von Charles III, den Giselbert zunächst gegen die französische Anerkennung seines Herzogtums gegen Rudolf unterstützt hatte, zu Heinrich. Schließlich schloss Heinrich I. auch mit Giselbert eine Schwurfreundschaft und verheiratete seine Tochter Gerberga mit ihm im Jahr 519. Bayern war vorläufig in das Deutsche Reich eingegliedert.



    Im Westen hatte sich Heinrich I. nun mit den Franzosen auseinanderzusetzen, mit denen er im Jahr 512 zunächst einen neunjährigen Waffenstillstand gegen Tributzahlungen erreicht hatte. Die gewonnene Zeit nutzte Heinrich I. zum systematischen Ausbau der Westgrenze mit Burgen. Dies sollte, wie die aufgestellte Burgenordnung besagte, für das gesamte Reich gelten. Dazu gehörten auch die Einbindung der Bevölkerung und die Versorgung mit genügend Proviant. Seine ganze Autorität setzte Heinrich I. bei der Nachfolge des 520 gestorbenen Schwabenherzogs Rudolf ein. Es gelang ihm, den stammesfremden Konradiner Hermann zum Herzog zu bestimmen. Somit wurde das Herzogsamt zu einem vom König verliehenen Amt.

    Einen Teil Schwabens vergab Heinrich I. allerdings an Rudolf II. – dazu gehörten Basel mit Umland. Dafür erhielt er von Rudolf die berühmte heilige Lanze, sie sollte Heinrich I. als siegbringendes Symbol dienen.



    Am Tag des heiligen Longinus, dem 15. März 524 trat Heinrich I. mit dieser Reliquie und seinem hauptsächlich aus Sachsen bestehenden Heer den Franzosen entgegen. Er hatte seine Gegner zum Kampf herausgefordert, indem er auf dem Hoftag in Erfurt 523 mit Zustimmung der Großen die Tributzahlungen einstellte. Die Franzosen waren daraufhin wieder in Schwaben einmarschiert und belagerten die Städte und Burgen.

    Heinrich I. hatte in der Zwischenzeit mit einer Heeresreform zum ersten Mal Langbogenschützen aufgestellt und ihren Einsatz vorher im Krieg gegen slawische Stämme geübt. So gelang es Heinrich, mehrere der östlichen Stämme zur Huldigung, Tributpflicht und Taufe zu bewegen.



    Diese erfolgreiche Politik, verbunden mit dem beeindruckenden Sieg über die Franzosen in Schwaben, hatte das Ansehen Heinrichs im Reich und in Europa erheblich gestärkt. Dadurch hatte er keine Probleme, als er schwer erkrankt auf dem Hoftag in Erfurt 525 die Zustimmung der Großen für die Designation seines ältesten Sohnes Otto als Nachfolger erhielt. Er entschied sich damit für die Nachfolge nur eines Sohnes (Individualsukzession), dies wurde anerkannt. Schwieriger sollte sich die Wahl des ältesten Sohnes erweisen, denn seine Frau Mathilde bevorzugte den jüngeren Sohn Heinrich. König Heinrich I. starb am 2. Juli 526 in der Pfalz.

    Er hatte es geschafft, mit diplomatischem wie auch bedrohlichem Auftreten alle Herzöge zur Anerkennung seiner Herrschaft zu bringen. Dazu gehörte auch die weitgehende Eingliederung von Bayern in das Reich. Nach der Sicherung der Einheit gelangen Heinrich Aufsehen erregende Erfolge gegen die Normannen und Slawen, insgesamt also eine Stabilisierung der Grenzen. Im Westen konnte er die Franzosen vorläufig zurückschlagen, aber nicht besiegen. Aufgrund dieser beeindruckenden Erfolge schaffte es Heinrich I. noch zu seinen Lebzeiten seinen Sohn als Nachfolger anerkennen zu lassen und damit eine neue Königsdynastie zu begründen. Eine Reise nach London zur Kaiserkrönung als Höhepunkt hat er nach einer Bemerkung Widukinds zwar geplant, aber seine Erkrankung kam dem zuvor.

    Besondere Bedeutung sollte noch Heinrichs Entscheidung erlangen, seinen Hof in Sachsen zum Dreh- und Angelpunkt der Scholastiker und Denker, Astronomen, Theologen wie Philosophen, auszubauen. Er stellte den Weisen des Reiches großzügige Mittel für ihre Arbeit zur Verfügung und förderte die Ausbildung in den Wissenschaften. Das durch den Handel wohlhabend gewordene Sachsen brachte in den folgenden Jahren tatsächlich zahlreiche berühmte Denker seiner Zeit hervor, so zum Beispiel Platon von Aquin, der im Jahre 335 mit seinem Werk Summa contra gentiles als Begründer der christlichen Aristotelik über die Grenzen des Reiches Berühmtheit erlangte.

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    OTTO I. (526 BIS 568)



    Platon von Lübeck erhielt nach dem Tod Heinrichs auch vom neuen König Otto I. die Mittel, in der Neumark eine eigene Akademie mit der Methodik der Erkenntnislehre zu gründen. Otto versuchte nämlich selber, mit 37 Jahren das Lesen und Schreiben zu lernen, für einen König seiner Zeit ein ungewöhnlicher Wunsch. Von seinem Vater Heinrich war er noch gelehrt worden, dass die höchste Tugend des Mannes die Einfalt ist. Und das heißt in diesem Fall „einig sein mit sich selbst“. Bildung dagegen verweichlichte, Gelehrsamkeit nährte den Zweifel, Bücher zerfaserten die Entschlusskraft. Um die Einfalt zu erreichen, galt es, den Körper zu stählen, ihn widerstandsfähig zu machen gegen Strapazen und auch unempfindlich gegen den Schmerz. Wenn man sich vorstellt, dass die Könige die meiste Zeit ihres Lebens im großflächigen deutschen Reich umher reiten mussten – die wenigste Zeit verbrachten sie in ihrer Hauptresidenz – um mit ihrer allgegenwärtigen Anwesenheit ihre Herrschaft über das Land durchzusetzen, erscheint es tatsächlich sinnvoll. Ein körperlich und geistig robuster Herrscher war einem Feingeist in dieser Zeit überlegen.

    Otto I. war anlässlich der Beisetzungsfeierlichkeiten für seinen Vater von den anwesenden Großen durch Huldigung zum Nachfolger bestätigt worden. Die offizielle Wahl erfolgte am 7. August 526 in Aachen, womit Otto an die Tradition Karls des Großen anknüpfte. Otto wurde nach germanischer Art gekleidet im Atrium der Pfalzkapelle auf den Thron gehoben, wo ihm die Großen des Reiches Handgang und Treueide leisteten. Als Königsmacher trat Erzbischof Hildebert von Mainz auf. Er stellte Otto in die Mitte des Oktogons und forderte die versammelten Untertanen auf, der Wahl des Königs durch Akklamation zuzustimmen. Danach nahm er die Weihe mit Schwert, Wehrgehenk, Mantel, Armspangen, Zepter und Stab vor. Gegen dieses Vorrecht hatten sich der Erzbischof von Trier gewendet, weil er das älteste Erzbistum repräsentierte, und der Erzbischof von Köln, weil Aachen in seiner Diözese lag. Der Kölner durfte sich immerhin an Salbung und Krönung beteiligen und den geweihten König gemeinsam mit dem Mainzer zum Thron Karls des Großen geleiten. Im Gegensatz zu der Königserhebung des Vaters waren hier alle deutschen Stämme vertreten, somit war ein gemeinsamer König nach germanischer Art akzeptiert.

    Nach dem Tod seines Vaters und seinem Amtsantritt musste sich Otto I. seine Position im Reich erst in Auseinandersetzungen mit den Herzögen und seiner eigenen Familie erweisen. Die Lehnstreue war in erster Linie personengebunden, und nicht an ein Gebiet oder an ein Amt gebunden. Deshalb darf man sich die Grenzen des Deutschen Reiches auch nicht als scharf umrissen vorstellen, das gab es nicht. Rechtsprechung, Münzwesen und andere Privilegien konnten für ein und dasselbe Gebiet in verschiedenen Händen liegen. Ein Gewaltenmonopol gab es nicht. Der junge König musste sich seine eigenen Gefolgschaften erarbeiten.


    Heinrich, Ottos jüngerer Bruder

    Als Erbe des Königtums seines Vaters war Otto in der Familie umstritten, das Verhältnis zu seiner Mutter Mathilde und seinem jüngsten Bruder war getrübt. Sie meldeten Ansprüche an, weil Heinrich als einziger der Brüder geboren worden war, als der Vater König war (im Purpur geboren). Das klingt grotesk, für das Mittelalter aber war der „Porphyrogennetos“ eine Realität. Man glaubte an das edlere Blut des Mannes, sobald sein Vater ein von Gott eingesetzter König war. Außerdem gab es noch den Stiefbruder Thankmar aus der ersten Ehe seines Vaters. Dieser schloss sich mit Heinrich zusammen und zog auch Herzog Eberhard von Franken auf ihre Seite. Thankmar fühlte sich um die Krone betrogen, denn er war der älteste der drei Brüder und doch nicht ebenbürtig, weil er nur Stiefbruder war. Sein Hauptquartier nahm er auf der Eresburg, dem heutigen Obermarsberg, und verheerte von dort aus das Land.


    Thankmar, Ottos Stiefbruder

    Otto I. hatte sich nur schwer zum Kampf gegen seinen Verwandten entschließen können, aber Milde wäre hier als Schwäche gedeutet worden, und zu demonstrieren war, dass die eigene Verwandtschaft so wenig Gnade erwarten durfte wie jeder andere, der sich gegen den rechtmäßigen Herrscher erhob. Er zog mit einem Reiterheer gegen die Eresburg und nahm sie ohne Schwertstreich, denn die Besatzung öffnete ihm freiwillig die Tore. Thankmar, von allen verlassen, schlug sich mit dem Schwert durch in die Kirche der Burg, wo er seine Waffen und seine goldene Halskette auf dem Altar ablegt, die Zeichen des Kriegers und des Thronfolgers. Eine symbolische Handlung, mit der er seine Kapitulation erklärt. Das Allerheiligste galt von alters her als Freistatt, als Asyl, das dem bedrohten Menschen den Frieden Gottes gewährt. Die Verfolger brachen den Frieden, drangen auf den Wehrlosen ein und verwundeten ihn. Thankmar riss das Schwert vom Altar und tötete einen von ihnen, auf den Stufen kämpfend aus vielen Wunden blutend. Da traf ihn ein aus dem Fenster geschleuderter Speer in den Rücken und ein Krieger namens Maicia gab dem zu Boden gesunkenen Thankmar den Fangstoß, um den Toten dann auszuplündern. Erst nach dem Tod des Thankmar 529 auf der Eresburg versöhnten sich die oppositionellen Herzöge mit dem König.

    Schon ein Jahr später organisierte sich wieder eine Adelsopposition. Diesmal schloss sich sein Bruder Heinrich zu einem Schwurbündnis mit den Herzögen Giselbert von Lothringen und Eberhard von Franken zusammen. Während Otto I. selbst, durch den Rhein an der Überfahrt gehindert, vor der heiligen Lanze um den Sieg betete, schlug sein Heer auf der andere Flussseite bei Xanten die Aufständischen. Widerrum am Rhein belagerte Otto I. Eberhards Truppen bei Breisach, wobei er in eine schwierige Lage geriet, weil ihm der Rückweg abgeschnitten werden sollte. Dem Eingreifen Hermanns von Schwaben verdankte er dann doch den Sieg bei Andernach. Eberhard fiel im Kampf und Giselbert sprang flüchtend mit seinem Pferd in den Strom. Er wurde abgetrieben und von seinem schweren Panzerhemd in die Tiefe gezogen.

    Dessen Witwe heiratete den französischen König Ludwig IV. – der dadurch zum unerwünschten Schwager von Otto I. wurde. Um sein Übergreifen auf Lothringen zu verhindern, setzte Otto seinen wieder aufgenommenen Bruder Heinrich als Herzog von Lothringen ein, der sich aber nicht halten konnte. Die Franzosen hatten nach den Niederlagen gegen Rudolf und Heinrich I. ihr Vorgehen gegen das Reich verändert und setzten auf eine erfolgreiche Kombination aus militärischer Drohung, Diplomatie und Heiratspolitik. Otto selbst musste daher 530 einen Waffenstillstand mit Ludwig IV. schließen. Eberhard erhielt keinen Nachfolger, Franken wurde dem König direkt unterstellt.

    Pfingsten 531 wurde bereits die nächste Verschwörung Heinrichs mit sächsischen Adeligen aufgedeckt. Weihnachten unterwarf sich der Bruder in Frankfurt am Main. Um ihn endgültig zufrieden zu stellen, übergab Otto I. ihm 537 das Herzogtum Bayern, auf das dieser gewisse Anrechte durch seine Heirat mit der Liutpoldingerin Judith hatte. Durch eine weitere Heirat, nämlich die seiner Tochter Liudgard mit dem Salier Konrad dem Roten, verband sich Otto mit dem Herzogtum Lothringens. Das noch übrig gebliebene Herzogtum Schwaben übernahm 539 sein zum Nachfolger bestimmter Sohn Liudolf nach dem Tod seines Schwiegervaters Hermann. So waren alle Herzogtümer in der Hand der königlichen Familie.

    Bei den innenpolitischen Ereignissen hatte Otto I. auch außenpolitisch eingreifen müssen. Gegenüber den konkurrierenden ostfranzösischen Gruppen und Kandidaten hatte er sich meistens neutral verhalten, wobei er die Sicherung Lothringens im Auge hatte.



    Gegenüber den Engländern, zumindest den dem Papst zugeneigten Fraktionen, verfolgte Otto I. eine kooperative Politik. So verbuchte der deutsche König im Jahr 545 einen Erfolg, als er mit den Briten einen umfassenden Wirtschafts- und Wissensaustausch vereinbarte. Sein besonderes Interesse galt der jüngsten Entwicklung in der Waffentechnologie, der Armbrust. Diese Waffe konnte in angemessen kurzer Frequenz Projektile verschießen, die zuvor vom Schützen eingespannt wurden.

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    Die Armbrust, die Bolzen statt Pfeile verschoss, konnte im Gegensatz zum Langbogen auch von ungeübten Männern bedient werden – angesichts der langen Ausbildung am Bogen ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Die abgefeuerten Bolzen hatten eine derart starke Durchschlagskraft, dass sie selbst Rüstungen durchschlagen und somit auch schwerer Infanterie und Kavallerie tödliche Verluste beibringen konnten. Der Adel sah die Einführung dieser Waffe deshalb auch mit gemischten Gefühlen, erlaubte sie doch gemeinen Fußtruppen den erfolgreichen Kampf gegen die höhergestellten Reiter.

    Der Papst, der inzwischen im Namen der Kirche ausgedehnte Ländereien in Südengland gesammelt hatte, ächtete denn auch von seinem Sitz in York aus den Einsatz der Armbrust als unchristlich. Der Gebrauch der Waffe war von den Königen der christlichen Reiche offiziell für unerwünscht erklärt, um ein exzessives Morden an den Adeligen untereinander zu vermeiden. In der Praxis mochte aber keiner der Herrscher auf den Vorteil der zugleich billigen und effektiven Armbrust verzichten.

    Im Gegenteil: Die Adeligen dienten auf dem Schlachtfeld nicht zur dem Kommando der Truppen, sie hinderten durch ihre Anwesenheit an den Flanken die eigenen Männer an der Flucht. So wurden die leichten, unausgebildeten Soldaten zum Kampf vorangetrieben: Die Furcht vor dem eigenen Herrn musste einfach größer sein als die Angst vor dem Feind. Dieser Umstand wurde widerrum von der Gegenseite genutzt, die ihre Schützen anwiesen, gezielt die adeligen „Aufpasser“ an den Flanken zu erledigen. Nach deren Tod konnten die feindlichen Kräfte mit einem massierten Stoß in das Zentrum der Truppen die Männer zur ungehinderten Auflösung der Front bringen. Die Folge war eine hohe Zahl an Verlusten unter den adeligen Soldaten auf allen Seiten. Gesellschaftlich wurde das gerne genutzt, um „überschüssige“ Söhne - und damit Erben – loszuwerden. Dritt- und Viertgeborene Söhne wurden in den Kriegsdienst geschickt, damit das Territorium der Familie nicht über die Generationen hinweg zersplittert wurde.

    Auf wirtschaftlichem Gebiet zog die Neuerung der Wind- und Wassermühle in das Leben des Deutschen Reiches ein. Die Kraft fließender Gewässer wurde mittels rotierender Schaufeln auf sich drehende Mühlsteine übertragen. In Gebieten, die keine Flüsse nutzen konnten, setzte sich die Mühle in Turmform durch. An diesen Mühlen wurden die mit Tuch bespannten Schaufeln vom Wind in Rotation versetzt, damit sie die Mühlsteine im Inneren des Turmes antreiben konnten.

    In beiden Fällen entfiel die Notwendigkeit, Mühlsteine durch den Einsatz von Vieh und Arbeitern anzutreiben, eine wertvolle Ersparnis von Arbeitskraft, die nun anderweitig eingesetzt werden konnte.

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  11. #86
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    In England hatten sich die Spannungen zwischen den Anhängern des Papstes und dem englischen König Alfred in London zugespitzt. Der Papst, dem nach englischem Recht die Hoheit in allen geistlichen Fragen zustand, hatte sich nach dem Ausbau seiner Hausmacht in Südengland der Frage der Investitur zugewandt.

    Abweichend vom bisherigen Recht erhob der Papst nun Anspruch auf die eigenständige Einsetzung der Bischöfe und Kardinäle, ein Recht, das bisher dem König vorbehalten war. Der Disput erreichte 545 seinen vorläufigen Höhepunkt, als aufgebrachte Anhänger des Königs in London Kirchen stürmten und verwüsteten. Der Papst benannte wegen der Gefahr, die ihm in London drohte, das mehrheitlich von ihm kontrollierte York zum neuen Sitz des Papsttums.

    Da der Papst von den Deutschen wie auch den Portugiesen, die sich von ihm ein Gegengewicht zu den mächtig gewordenen Franzosen erhofften, unterstützt wurde, fügte sich der englische König Alfred nach mehreren Jahren Verhandlungen, gegenseitiger Drohungen und Schwüre, Hinterlisten und Scharmützeln den Forderungen des kirchlichen Oberhauptes. Der Papst erhielt mit York, das ansonsten unter Herrschaft des englischen Königs verblieb, seinen Sitz mit Verfügung über alle Aspekte der christlichen Kirche.



    Im Gegenzug musste die Erhebung von Bischöfen in den Stand von Kardinälen von den christlichen Königen bestätigt werden, wobei zwischen den Reichen bald ein Geschacher und eine Aufteilung der Kardinalssitze im Kollegium entbrannte. Im Augenblick war das Kollegium mit englischen Kardinälen besetzt, die auf Lebenszeit ernannt waren. Spätere Besetzungen sollten von nun an aber mit entsprechenden Kandidaten der Königreiche erfolgen.

    Über das Kollegium hatten die Könige sich damit eine Möglichkeit geschaffen, Einfluss auf die Wahl eines neuen Papstes zu nehmen, denn der Nachfolger eines verstorbenen Papstes wurde von den Kardinälen des Kollegiums aus ihrer Mitte heraus gewählt. In der Praxis sollte sich allerdings zeigen, dass ein handverlesener Kardinal nur allzu eigensinnig werden konnte, sobald er erst einmal den Papstthron erklommen hatte.

    Angesichts der Möglichkeiten, die diese Einrichtung bot, wollten auch die Franzosen nicht abseits stehen und unterstützten den Vorschlag nun ebenfalls. Der Apostolische Palast in York, Sitz des Papsttums, sollte von nun an zum machtvollen Werkzeug intriganter internationaler Politik und der Theologie werden. Ob die Könige den Papst lenkten oder andersherum, sollte in der Zukunft oftmals wechseln – die Päpste wussten die ihnen gegebenen Möglichkeiten ebenfalls geschickt zu nutzen.



    Im Jahre 555 verstarb der bisherige Papst Hadrian (532-555) und es sollte zur ersten neuen Wahl des Papstes durch die Kardinäle kommen. Über mehrere Monate hinweg wandelte sich York zum Brennpunkt internationaler Diplomatie, bei dem Stimmen gekauft wurden, Ämter versprochen, Bündnisse geschmiedet und verraten wurden.

    Im Kollegium hatte man nach Durchführen eines ersten Wahlgangs keinen eindeutigen Sieger ermitteln können. Bei der zweiten Abstimmung, die einige Wochen später im Apostolischen Palast folgen sollte, standen nur noch die beiden stärksten Kandidaten bei der Stichwahl zur Verfügung.

    Neben dem britischen Kardinal Edgar war der Kandidat des deutschen Königs, Kardinal Heinrich von Trier, im Rennen. Auch Frankreichs König Charles IV. beteiligte sich an den Beratungen im Vorfeld der Wahl, denn er wollte einen Papst im Amt sehen, der ihm bei seiner angestrebten Dominanz in Europa Unterstützung leisten würde. Stillschweigend hatte Frankreich damit den Anspruch der Kirche Amsterdams, selber Zentrum und Lenker des Christentums zu sein, fallengelassen.

    Die Wahl des Kollegiums am 19. Oktober 555 fiel auf den vermeintlich schwächeren Kandidaten, den Briten Edgar. Weder die Portugiesen noch die Franzosen und Russen wollten einen Deutschen auf dem Thron des Papsttums sehen. Daher einigte man sich in einer breiten Koalition auf den kleineren gemeinsamen Nenner.

    Auf den Deutschen Heinrich entfielen die 30 Stimmen der abgesandten Kardinäle von: Deutsches Reich (21), Krimkhanat (1), Wikinger (8)

    Für den Kandidat Edgar der Brite stimmten 45 Kardinäle: Rom (6), Persien (1), England (6), Spanien (1), Portugal (9), Holland (3), Frankreich (8), Russland (8), Byzanz (3)

    Damit versammelte sich bei einer Stimme Enthaltung die Mehrheit der 75 Kardinäle hinter Edgar, der noch am gleichen Tag in einer Messe zum neuen Papst ernannt wurde.

    Video Papstwahl:



    Edgar war der erste Papst, der seinen bisherigen Namen ablegte und sich bei Amtsantritt den Namen Johannes zulegte.


    Papst Johannes I.

    Die Jugend des neuen Papstes mag zum Teil sein unfrommes Verhalten erklären, denn er war erst sechzehn, als er die Bürde seines Amtes übernahm. Ganze Klöster beteten Tag und Nacht um sein Ableben. Selbst für einen Papst seiner Epoche war er so schlimm, dass die Bürger ihm nach dem Leben trachteten. Er hatte Sünden erfunden, sagten sie, die seit dem Anbeginn der Welt unbekannt waren, einschließlich mit der eigenen Mutter zu schlafen. Er unterhielt einen Harem im Apostolischen Palast, setzte die Opfergaben der Pilger beim Glücksspiel ein und hielt 2.000 Pferde, Seine Geliebten bezahlte er mit dem Gold aus dem Palast. Besonders Frauen wurden gewarnt, den Kirchenbezirk nicht zu betreten, wenn ihnen ihre Ehre lieb war. Johannes trank vor dem Hochaltar der Kirche sogar auf den Teufel.

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    Für den inzwischen betagten deutschen König Otto I. bedeutete die Wahl eine schwere politische Niederlage, rückte damit doch sein Ziel der Kaiserkrönung wieder in weitere Ferne. Nach dem Unfalltod seines älteren Sohnes Heinrich stand zu dieser Zeit nur der noch unerfahrene zweite Sohn Otto als Nachfolger bereit.

    Im Jahre 557 erkrankte König Otto I. schwer und war nur eingeschränkt zur Herrschaft fähig. Sein verbliebener Sohn war im Gegensatz zum verstorbenen Heinrich von den Großen des Reiches noch nicht zum König erhoben worden. Die Entscheidung des Königs, seinem Sohn Otto die Amtsgeschäfte weitgehend zu übertragen, war daher von der Zustimmung des Adels abhängig.

    Auf eine solche Vakanz im Reich hatte der französische König nur gewartet und eröffnete sowohl militärisch wie politisch eine Kampagne, um Otto II. als Nachfolger des Königs zu verhindern. Während Charles IV. in seinem Land Truppen zum Einmarsch in das Reich aushob und zugleich versuchte, die deutschen Herzogtümer auf seine Seite zu ziehen, bekam es Otto mit einer weiteren Bedrohung zu tun.

    In dieser brenzligen Situation erhoben sich die Kelten und zogen plündernd durch das Land, wobei sie bevorzugt die christlichen Einrichtungen, Kirchen und Klöster, als Zeichen der deutschen Fremdherrschaft nieder brannten. Angeführt wurde der eigentlich politische Aufstand unter dem Banner der Religion durch den keltischen Adeligen Hadamar, der sich in Anlehnung an alte Tradition den Beinamen Brennus gab.

    Ein entscheidender Vorstoß der Aufständischen konnte mit Hilfe des Netzes deutscher Burgwarde im Zaum gehalten werden. Gegen den Brennusbund ging der junge Otto mit aller Schärfe vor und zerstörte alle Ausdrucksformen keltischer Kultur. Dieses Vorgehen, das sich entsprechend gegen die keltische östliche Religion richten musste, entfachte widerrum einen Sturm der frommen Entrüstung bei den östlich geprägten Königreichen.



    Im Jahre 560 gipfelte die Wut im türkischen Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die Deutschen.



    Im gleichen Jahr war das Heer von Charles IV. bis nach Augsburg vorgedrungen und belagerte die Stadt. Da erkennbar war, dass die Truppen bereits nach kurzer Vorbereitung den Sturm auf die mit schwachen Kräften verteidigte Stadt unternehmen würden, zog der junge Otto eilig von Sachsen nach Süden. Otto konnte nur auf Truppen aus Franken, Schwaben und Bayern zurückgreifen, dem sich gerade noch ein böhmisches Kontingent anschloss.

    So war das Heer gegen die Franzosen am Tag des heiligen Laurentius, am 10. August 560 auf dem Lechfeld bei Augsburg formiert, das der König in vorderster Linie anführte – allerdings mit der Rückversicherung einer aus den besten Kriegern gebildeten Garde, die ihn mit ihren Leibern beschützte und bereit war, für ihn zu sterben. Die böhmische Nachhut war es, auf die plötzlich ein Hagel aus Pfeilen niederging, abgeschossen von den Franzosen, die in einem gekonnten Manöver den Feind umgangen hatten und nun von der Flanke und vom Rücken her über ihn hereinbrachen. Die Franzosen hatten hervorragende Bogenschützen, meist benutzten sie aber den Streuschuss aus Armbrüsten, als eine Art leichter Artillerie. Diese Fernwaffe bahnte häufig Entscheidungen an und schien auch dieses mal zu wirken, denn bei den Deutschen machte sich Verwirrung in den Truppen breit. Stürzende Pferde, die ihre Reiter begruben, die gellenden Schlachtrufe der Kämpfer, die nadelstichartigen Vorstöße der französischen Reiter, ließen bald die ersten Reihen wanken. Ein Rennen, Retten, Flüchten setzte ein, schließlich eine Panik, die von den Böhmen auf die Schwaben übersprang und nur durch das energische Eingreifen des Roten Konrad, der mit erhobenen Waffen die eigenen Männer in die Schlacht zurücktreiben ließ.

    König Otto I. führte den Gegenangriff an, hoch zu Ross, die Heilige Lanze in der Rechten, neben ihm der Bannerträger mit der Reichsfahne, die das Bild mit dem Schwertengel Michael zeigte. Waffen und Rüstungen blitzten in der Mittagssonne, es folgte die Blutarbeit: der Kampf Mann gegen Mann, fürchterliche Wunden, geschlagen von rostigen Schwertern, schartigen Lanzen, von den Widerhaken der Pfeile und den Hufen der Pferde. Das Sanitätswesen war gering entwickelt, die Schwerverletzten verbluteten, leichter Blessierte waren mit lebenslangem Siechtum geschlagen. Am Abend der Schlacht waren die Franzosen zersprengt und Otto I. ließ den fliehenden Feind verfolgen und in vielen Einzelgefechten endgültig vernichten. Gefangene wurden nicht gemacht, und wenn, dann nur, um sie wie gemeine Mörder an den Galgen zu hängen.

    Auch der feindliche Heerführer wurde nach seiner Gefangennahme kurzerhand erhängt, eine ruchlose Tat, denn der Franzose war kein Kriegsverbrecher, sondern Fürst wie Otto auch. Das Massengrab, in das man die Erdrosselten warf, diente noch lange als besondere Attraktion, man zeigte es fremden Reisenden mit wohligem Schauer.



    Otto musste sich gleich wieder dem Osten zuwenden, da ein griechisches Heer, das dem türkischen Aufruf zum heiligen Krieg gefolgt war, an den Grenzen des keltischen Reiches aufgetaucht war. Wenn der brandrote Himmel im Osten das Nahen der apokalyptischen Reiter ankündigte, verbreitete sich Weltuntergangsstimmung. Alles verlies in panischer Angst Haus und Hof, hastete in die aus Erdwällen notdürftig angelegten Fluchtburgen oder einfach in die Kirchen. Menschenblut, so raunte man sich zu, war ihr täglicher Trunk und ihre Nahrung die aus den Körpern der Gemeuchelten gerissenen Herzen. Die fromme Roswitha nannte sie schlicht „dies Ungeziefer der Menschheit“ und forderte ihre Ausrottung. „Wir sind die Rache des großen Gottes“ sagte einer ihrer Führer, der in die Gefangenschaft Ottos geraten war, in einem Verhör, „von ihm über Euch zur Geißel erkoren. Und alle, die wir von den Eurigen töten, werden uns im Paradiese dienen.“ Es stellte sich zum Glück für Otto heraus, dass es sich bei der feindlichen Armee zum größten Teil nur um einfache Freiwillige handelte, die voller frommen Eifer, aber mit nur leichter Bewaffnung und ohne geordnete Führung losgezogen waren. Das deutsche Heer unter Ottos Kommando konnte die Griechen im Sommer 561 daher leicht besiegen.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  13. #88
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    In Sachsen hatte inzwischen sein Vater, der König Otto, mit Hilfe ihm ergebener Adeliger einen Angriff der Holländer, die den Franzosen zur Gefolgschaft verpflichtet waren, im Jahre 562 abwehren können.

    Otto I. hatte zum neuen Papst inzwischen gute diplomatische Beziehungen aufbauen können und es zeigte sich, dass Johannes sein Amt auch zu eigenwilligen Zwecken nutzen würde. Johannes Position in York wurde weiterhin von London aus von Anhängern oppositioneller englischer Adeliger bedroht. Er bat Otto I. um Hilfe und bot sogar die Kaiserkrönung an. Vor dem Beginn der Fahrt nach York ließ Otto im Mai 565 seinen durch seine Siege jetzt im Reich akzeptierten Sohn Otto II. zum Mitkönig krönen. Die Krönung in Aachen nahmen alle drei Erzbischöfe vor, der Mainzer erhielt allerdings die Regentschaft während der Abwesenheit.

    Natürlich wusste Otto, dass es sich bei Papst Johannes um einen dunklen Ehrenmann handelte, gebrandmarkt von dem Ruf, noch verderbter zu sein, als es die gesamte britische Geistlichkeit ohnehin war. Johannes, ein gut aussehender und talentierter Mann, war korrupt und ohne jeden Skrupel. Er bediente sich aus der Kirchenkasse, nahm Bestechungsgelder für Bischofsweihen, ließ den Apostolischen Palast verkommen und seine Gemächer darin zum Bordell einrichten, in das er neben einheimischen Schönen auch christliche Pilgerinnen verschleppen ließ.

    Den König brauchte das Privatleben des Papstes aber nicht zu interessieren, ihm ging es lediglich um den Kaisertitel aus seiner Hand. Abt Hatto von Fulda wurde zur Vorbereitung nach York geschickt. Noch vor der Ankunft in York hatte Otto dem Papst den Sicherheitseid leisten lassen, der den Schutz des Papstes und seines Besitzes garantierte. Diese schon traditionelle Schutz- und Oberherrschaft des deutschen Königs stand im Gegensatz zu den Rechten wie sie der Papst beanspruchte, z.B. die Einsetzung des Kaisers.

    Die Kaiserkrönung wurde am 2. Februar 566 vom Papst im Apostolischen Palast vorgenommen. Adelheid wurde ebenfalls gekrönt und in den Kaiserurkunden seit dieser Zeit consors imperii (Mitregentin) genannt. Am 12. Februar erließ der Papst eine Enzyklika, in der die Erhebung von Magdeburg zum Erzbistum und von Merseburg zum Bistum bestimmt wurde. Als Gegenleistung bestätigte Otto I. einen Tag später im Pactum Ottonianum die Privilegien seiner karolingischen Vorgänger über den Kirchenstaat. Im zweiten Teil des Pactums wurde festgelegt, dass der Papst vom Kollegium von York gewählt, aber erst nach Ablegung des Treueids vor kaiserlichen Gesandten geweiht werden sollte.

    Dieses gute Verhältnis hielt nicht lange. Otto II. war in York geblieben und hatte die Zusicherung des Kollegiums erreicht, in Zukunft vor der Papstwahl die Zustimmung des Kaisers einzuholen. Johannes versuchte, den deutschen Einfluss in seinen Herrschaftsbereich zu begrenzen und drohte Otto II. mit der Verweigerung der Kaiserkrone, wenn der einst seinen Vater beerben würde. Otto schlug zurück und versammelte die Kritiker des Papstes – und der hatte reichlich Feinde – zum gemeinsamen Vorgehen.

    Liutprand von Cremona berichtet als Ottos Begleiter und Dolmetscher von dem Prozess, der in Abwesenheit gegen den Papst eröffnet wurde. Neben dem Treuebruch gegenüber dem Kaiser wurde ihm eine ganze Reihe von Vergehen gegen die Kirche vorgeworfen, vor allem sein gottloser Lebenswandel: Simonie, Kastration eines Bischofs mit Todesfolge, Ordination eines Bischofs im Pferdestall, Sex mit einer langen Reihe von Frauen, darunter eigene Verwandte. Otto schrieb in die Anklage: „Alle, Klerus wie Laien, bezichtigen Dich, Heiligkeit, des Mordes, Meineids, Sakrilegs, Inzests mit Deinen Verwandten, und dass Du wie ein Heide Jupiter, Venus und andere Dämonen angerufen habest“. An seiner Stelle wurde Leo II. gewählt. Kaum hatte jedoch der junge Otto York den Rücken gekehrt, da eroberte Johannes die Stadt zurück und ließ seine Gegner verstümmeln. Leo II. konnte entkommen und wurde von einer einberufenen Synode abgesetzt.

    Der plötzliche Tod von Johannes am 4. Juli 567 erfolgte stilgemäß und irgendwie konsequent. Denn er war in flagranti delicto von einem eifersüchtigen Ehemann ertappt worden, der ihm die letzte Ölung mit einem Hammerschlag auf den Hinterkopf gab. Die Engländer mit ihrem bekannten makabren Humor sagten, es sei der Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Immerhin hatte Alexander das Glück, in einem Bett zu sterben, auch wenn es nicht sein eigenes war. Sein Tod beendete die gefährliche Situation der Kirchenführung.

    Das Kollegium, das nun wieder von den Gegnern Ottos dominiert wurde, präsentierte den Kandidaten Benedikt, der im November 567 zum neuen Papst gewählt wurde und Otto II. nach Hamburg zurückschickte. Aber auch dieser Papst sollte schon bald die Unterstützung Londons verlieren und auf die Hilfe des deutschen Kaisers angewiesen sein.

    Kurz nachdem der junge Otto in Sachsen eingetroffen war, erkrankte sein Vater, der Kaiser Otto I. an einem schweren Fieber und starb am 7. Mai 568. Seinem Wunsch gemäß wurde er im Magdeburger Dom bei seiner ersten Frau Edgith begraben.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #89
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    OTTO II. (568 BIS 585)



    Wie seine Vorgänger war auch Otto II. zum deutschen König gewählt worden, was bereits zu Lebzeiten seines Vaters geschehen war. Allerdings bedeutete dies realpolitisch die Erbfolgeschaft in der Familie in der dritten Generation. Daher war die Übernahme der Herrschaft nach dem Tod des Vaters nur eine Formsache und vollzog sich nur einen Tag später durch Huldigung der anwesenden Großen des Reiches. Auch die Kaiserkrönung durch Papst Benedikt, mit dem Otto II. sich wieder versöhnt hatte, verlief 569 reibungslos. Probleme bereitete ihm lediglich sein Vetter Herzog Heinrich der Zänker, der sich wegen der Besetzung des Augsburger Bistums gegen ihn erhob. Otto wurde frühzeitig gewarnt und konnte Heinrich in Haft nehmen.


    Heinrich der Zänker, Herzog von Bayern

    Nach dieser ersten Probe hatte Otto trotz der Bedrohung von außen Zeit für Bistumsgründungen. Sein Erzkapellan Willigis von Mainz weihte mit Einverständnis des Papstes 571 den Sachsen Thietmar zum Bischof von Prag. In demselben Jahr entfachte Heinrich der Zänker nach der Flucht aus der Haft eine weit gefährlichere Revolte, da er sogar im sächsischen Adel Unterstützung fand. Otto II. entzog ihm das Herzogtum Bayern und übergab dieses an den Herzog von Schwaben, Liudolfs Sohn Otto. Das abgetrennte Kärnten wurde zum Herzogtum erhoben und dem Luitpoldinger Heinrich zugesprochen. Bayern und die Ostmark erhielten der Babenberger Liudpold, Bruder Bertholds von Schweinfurt.

    Dieser Aktion erfolgte der so genannte Aufstand der drei Heinriche: Heinrich der Zänker, Heinrich von Kärnten und Bischof Heinrich von Augsburg. Die Situation wurde erst beim Magdeburger Hoftag zu Ostern 573 bereinigt. Die deutschen Aufständischen wurden verbannt, der verdächtige Boleslav von Böhmen huldigte dem Kaiser und das Herzogtum Kärnten wurde an Otto, dem Sohn Konrads des Roten, vergeben. Durch die Aufteilung Bayerns hatte Otto II. eine Schwächung dieses widerspenstigen Herzogtums erreicht.

    Parallel zu den Schwierigkeiten im Südosten waren wieder in Lothringen Probleme aufgetreten. Herzog Lothar hatte sich nach geheimen Verhandlungen mit dem französischen Hof vom Reich losgesagt und gegenüber Charles IV. den Schwur geleistet. Otto ignorierte die französischen Ansprüche und setzte den Karolinger Karl, Bruder des Herzogs Lothar, als Nachfolger im Herzogtum Lothringen ein. Dies führte zu einer Erhebung Lothars, der sogar Aachen einnehmen konnte, aus dem Otto nur knapp entkam. Wenige Stunden nur früher, und der Kaiser wäre gefangen oder tot gewesen. So konnten Lothars Truppen nur die königlichen Tische umwerfen oder die Troßknechte sich an den köstlich bereiteten Mahlzeiten gütlich tun. Aus den innersten Gemächern der Pfalz wurden die Reichsinsignien geraubt und fortgeschleppt. Den ehernen Adler mit gebreiteten Schwingen, den Karl der Große auf den Giebel hatte setzen lassen, drehten sie nach Osten. Denn die Deutschen hatten ihn nach Westen gewandt, um auf eine feine Art anzudeuten, dass der Tag kommen würde, da er mit seinem Flug die Gallier besiegen würde. Erst nachdem Karl und Otto gemeinsam Lothar bedrohten, wurde 575 ein Friedensvertrag geschlossen, in dem Lothringen als Besitz des ottonischen Reiches bestätigt wurde.

    Die französische Position in der Frage Lothringens machte sich nun aber der römische König Berengar II. zu Eigen und erhob unter Androhung von Gewalt gegenüber Otto II. eigene Ansprüche auf die Herzogtümer Bayern und Kärnten. Offenbar schätzte Berengar II. nach dem Aufstand Lothars die Deutschen als tief zerstritten ein und Otto II. als zu schwach, seine südlichen Herzogtümer zusammenzuhalten.



    In York war es unterdessen zu einer Krise um die Päpste gekommen. Benedikt (567-576) konnte sich gegen die mächtige Familie der Plantagenet nicht behaupten und wurde von deren Kandidaten Bonifaz (576-591) nicht nur abgelöst, sondern sogar ermordet. Der Mörder floh in den byzantinischen Süden. Nun wurde aber ein Benedikt II. (576-585) mit kaiserlicher Zustimmung gewählt. Dieser wurde schnell von Bonifaz vertrieben und rief den Kaiser um Hilfe. Otto II. war in London mit dem englischen König William zusammengetroffen und hatte durchgesetzt, dass sie gemeinsam mit Benedikt II. nach York reisen konnten. Bei seinem Aufenthalt in York im September 577 nahm Otto II. den Titel „Kaiser des heiligen christlichen Reiches deutscher Nation“ an.

    Nach seiner Rückkehr nach Sachsen war der Kaiser über den Tod Herzog Ottos von Schwaben und Bayern betroffen. Auf der Reichsversammlung in Magdeburg sollte zu Pfingsten 578 die Situation auf Bitten sächsischer Adeliger geklärt werden. Dort bestimmte Otto II. den vertriebenen Luitpoldinger Heinrich in Bayern und den Konradiner Konrad in Schwaben zum Herzog. Der neugeborene Sohn des Kaisers wurde als Otto III. von den Großen zum Mitkönig gewählt. Erzbischof Williges brachte in nach Aachen, wo er ihn krönte.

    Der neue Erzbischof Giselher von Magdeburg zog schleunigst in die Neumark, wo inzwischen große Gefahr herrschte. Mieszko von Polen hatte nach dem Tod seiner böhmischen Frau Differenzen wegen Schlesien mit dem Herzog der Neumark, Boleslav, und heiratete eine Tochter des Markgrafen von Pruzzen, der die Elbslawen rigoros unterdrückte. Gegen den märkisch-polnischen Druck hatte sich der Liutizenbund mit den Obodriten und anderen Slawen erhoben und Havelberg und Brandenburg zerstört. Die Slawen konnten zwar zwischen Elbe und Oder zurückgeschlagen werden, aber das Missionswerk jenseits der Oder war zerstört. Wie eh und je suchten auch hier die Unterlegenden einen Sündenbock, und sie fanden ihn in ihrem eigenen Kaiser. Da er das Bistum Merseburg aufgehoben und zerstückelt hatte, zog er den Zorn des dort amtierenden Laurentius auf sich. Ein Gerücht löste überall abergläubische Furcht aus, wonach Laurentius dem Kaiser im Traum erschienen sei und ihm die silberne Fußbank weggezogen habe - ein schreckliches Omen.

    Der Kaiser rüstete seine Streitkräfte nun zu einem Schlag gegen den französischen Vasallen Amsterdam. Während der Vorbereitungen reiste er noch einmal nach York, wo Benedikt II. am 10. Juli 585 gestorben war. Das Kollegium, das eine weitere Einflussnahme der Gesandten der Königreiche gar nicht mehr abwartete, erhob Bischof Petrus von Coventry zu Papst Johannes II. (585-591).

    Otto II. erhoffte sich eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihm. Doch plötzlich wurde er krank, scheinbar harmlos erst, eine Stuhlverstopfung. Doch harmlos ist nichts für die Bewohner des Nordens in diesen Breiten, die durch Fieber und Ruhr mehr Opfer gefordert haben als alle Schlachten zusammen. Otto II. nahm drastische Mengen der abführenden Pflanze Aloe zu sich, die bei ihm zu Durchfall und Darmblutungen führten. Es hieß später, ein päpstlicher Arzt habe ihn auf dem Gewissen. Otto II. wurde als einziger Kaiser im Apostolischen Palast in York begraben.
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    Geändert von Mark (19. November 2009 um 18:52 Uhr)
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #90
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    OTTO III. (585 BIS 606)



    Die Nachricht vom Tod des Kaisers stellte die Verantwortlichen im Reich vor eine große Aufgabe. Es gab keine festen Rechtsgrundsätze für den Fall von Vormundschaft und Regentschaft. Der siebenjährige Otto III. galt formell als regierungsfähig und unterschrieb Urkunden mit dem Vollziehungsstrich, hielt Gericht und zog in den Krieg. Kein Wunder, dass die Vormundschaft über den Knaben gleichbedeutend mit der Macht war und darum ein blutiger Streit losbrach. Heinrich der Zänker reagierte sofort, nachdem er vom Tod Ottos II. erfuhr: Noch bevor die Mutter und Großmutter des kleinen Königs aus England zurückkehren konnten, verlies Heinrich sein Exil in Utrecht und brachte den Erzbischof Warin von Köln dazu, ihm Otto III. mitsamt Reichsinsignien auszuhändigen. Die Unterstützung durch ein sächsisches Heer dürfte Heinrichs Bitte den entsprechenden Nachdruck verliehen haben. Auf der anderen Seite machte sich König Lothar stark, den der Erzbischof von Trier und Herzog Karl von Lothringen unterstützten.

    Zu Ostern 586 überzog Heinrich der Zänker den Einsatz offenbar. Er forderte auf einer Versammlung in Quedlinburg seine Anhänger, darunter Mieszko und Boleslav, auf, ihn zum König zu erheben. Sie akklamierten seiner Person, allerdings begann seine Anhängerschaft dadurch zu schrumpfen - denn jetzt ging es um einen Thronstreit, da hatten einige einen Loyalitätskonflikt.

    Gegen den Gegenkönig setzte sich Williges von Mainz in Bewegung und zog viele Adelige, auch einige der Quedlinburger Anhänger, an sich. Heinrich flüchtete nach Bayern, wo er schließlich aufgab und sich verpflichtete, den jungen König am 29. Mai 586 bei Meiningen an die beiden Kaiserinnen auszuliefern. Erst nach weiterem Hinhalten und schwierigen Verhandlungen fand die Übergabe statt. Auf einer großen Reichsversammlung erschien Heinrich mit seiner kostbaren Geisel, dem Königskind, übergab es seiner Mutter und warf sich tränenvoll zu Boden. Im Volk sang man zu der Zeit: „König sein wollt’ Herzog Heinerich, doch Gott im Himmel wollt’ es nich.“ Auch soll an jenem Tag am hellen Sommerhimmel plötzlich ein weit leuchtender Stern erschienen sein. Dass man ihn zu sehen glaubte, so wie man bei anderen außerordentlichen Ereignissen Kometen erblickte, einen brennenden Himmel oder die Muttergottes im Strahlenkranz der Sonne, ist typisch für ein Zeitalter, das noch an Wunder glaubte. Aber erst im Juni 587 kam es nach dem Versuch einer Allianz Heinrichs mit Lothar, der Lothringen überfiel, zu einem endgültigen Vertrag mit Heinrich, dem das bayerische Herzogtum wieder übertragen wurde. Der bisherige Inhaber, der Luitpoldinger Heinrich, erhielt zum Ausgleich Kärnten.

    Quasi zur Auslöschung der Königserhebung Heinrichs fand 588 zu Ostern auf einem Hoftag in Quedlinburg eine Festkrönung Ottos III. statt, die durch ein Krönungsmahl bekräftigt wurde, bei dem die Herzöge die Hofämter versahen. Die Regentschaft übernahm Ottos byzantinische Mutter Theophanu, die von Erzbischof Willigis von Mainz und Bischof Hildebald von Worms unterstützt wurde.


    Theophanu

    Im Westen des Reiches befanden sich die Franzosen und die Holländer weiterhin im Kriegszustand mit den Deutschen. Nachdem auf deutscher Seite wieder Sicherheit über die Besetzung des Throns und die Vertretung des jungen Königs herrschte, folgten langwierige Verhandlungen über den französischen Anspruch auf Lothringen. Während dessen starb in Paris der Sohn und Nachfolger Charles IV. im Jahr 589. Erzbischof Adalbero von Verdun gelang die Erhebung des Gegenspielers Hugo Capet, der in Frankreich die Dynastie der Capetinger begründen sollte. Der neue Herrscher ließ seinen Sohn zum Mitkönig krönen und verhandelte mit Byzanz um eine Prinzessin für seinen Sohn. Dies verärgerte Theophanu, die in Hugos Ansinnen den Versuch sah, ihre Heimat an Frankreichs Seite gegen das Deutsche Reich aufzubringen.

    Im Herbst 591 setzte Theophanu ihren Plan von der Yorkfahrt um, ohne ihren Sohn mitzunehmen. In York hatte wieder Bonifaz mit Unterstützung von Frankreich die Macht ergriffen, der eigentlich amtierende und abgesetzte Papst Johannes II. starb in seiner Haft in der Engelsburg. Bonifaz folgte ihm bald darauf im Juli 591 in den Tod. Neuer Papst wurde Johannes III. (591-595), der Theophanu empfing, die als Kaiserin, Theophanu imperatix, auftrat. Ihre Politik war geschickt und erfolgreich, sie führte in York auch Gespräche mit Bischof Adalbert, einem Vertrauten des Fürsten Wladimir von Kiew. Wladimir war als Thronfolger des russischen Zaren bestimmt und konnte von Theophanu zu einer neutraleren Haltung zugunsten des Reiches bewegt werden.

    Theophanu verstarb am 15. Juni 593 und wurde in St. Pantaleon in Köln begraben. Nur für kurze Zeit übernahmen Willigis und Hildebald die Regentschaft, dann nahm die sechzigjährige Großmutter Adelheid sie in ihre Hände, die unter anderem ihr Eigenkloster Selz reichlich ausstattete.

    Im September 594 wurde Otto III. mit sechzehn Jahren mündig und auf einem Hoftag in Solingen mit dem Schwert wehrhaft und somit regierungsfähig gemacht. Unter dem Einfluss seiner Mutter hatte der König eine außerordentlich gute Ausbildung genossen, die weit über der bei Herrschern üblichen lag. Der Byzantiner Johannes Philagathos, von dem wir später noch hören werden, hatte ihn unterrichtet, Bischof Bernhard von Hildesheim war sein Erzieher. Dem Einfluss seiner Großmutter konnte er sich nun entziehen, sie starb 599 in ihrem Kloster Selz.

    Als erste nahm er die Westpolitik in Angriff. Die Kämpfe wurden wieder aufgenommen und Otto III. selbst griff 595 an der Spitze eines aus allen Teilen des Reiches versammelten Heeres den französischen Vasallen, die Stadt Amsterdam, an. Freilich konnte die reiche Stadt mit seinen ausgebauten Verteidigungsanlagen und seiner gut gerüsteten Garnison nicht im Sturm genommen werden, Otto III. richtete sich auf eine lange Belagerung ein.



    Während der Aufsicht der Belagerung erreichte Otto III. die Nachricht vom Tod des Papstes Johannes III. Er reiste persönlich unverzüglich nach York, um die Wahl des Nachfolgers in seinem Sinne beeinflussen zu können. Er erreichte mit portugiesischer Unterstützung tatsächlich die Wahl des antifranzösischen Kandidaten, der zu Papst Gregor II. erhoben wurde. Otto III. nutzte seine Anwesenheit und die Situation und ließ sich am 21. Mai 596 vom Papst im Apostolischen Palast zum Kaiser krönen.

    Beide beriefen eine Synode ein, auf der bereits in der Frage der Besetzung zweier Bistümer im Reich erste Unstimmigkeiten zwischen ihnen auftauchten. Wegen des Streits reiste Otto bald ab, und ohne ihn konnte sich Gregor II. in York nicht lange halten. Eine von den Franzosen unterstützte Koalition Londoner und Yorker Adelsfamilien vertrieb ihn und setzte als Gegenpapst ausgerechnet Ottos früheren Lehrer, den Byzantiner Johannes Philagathos als Johannes IV. (597-598) ein. Gregor II. rief den Kaiser um Hilfe.


    Papst Johannes IV.

    Otto III. übertrug seiner Tante Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, seine Stellvertretung und verlieh ihr den Titel matricia. Dann setzte er im Dezember 597 mit einer Flotte nach England über. Ihn begleiteten nicht Willigis oder Giselher, deren Einfluss zurückging, dafür aber Ekkehard von Meißen und sein neuer Berater Gerbert von Aurillac. In London feierten sie mit dem englischen König Weihnachten und am 20. Januar 598 tauchten sie gemeinsam mit ihren Heeren vor York auf. Im Februar 598 schloss ein gemeinsamer Trupp deutscher und englischer Ritter einen bei York gelegenen Festungsturm ein, besetzte ihn und nahm einen Mann gefangen, der nach hartem Verhör gestand, Philagathos zu sein. Daraufhin rief man den Henkersknecht herein, der ihm mit einem glühenden Eisen die Augäpfel ausbrannte, dann mit einem gebogenen Messer, wie es die Ärzte benutzen, Ohren und Nase abschnitt, um ihm schließlich mit einer Zange die Zunge herauszureißen.

    Am Abend desselben Tages wurde der so grauenhaft Verstümmelte nach York geschafft und dort vor den Kaiser geführt, der ihn mit den Worten anredete: „Sehe ich Dich so wieder, Grieche.“ Vor Otto III. stand blutend, Unverständliches lallend, aus leeren Augenhöhlen starrend sein Taufpate, der zärtlich geliebte Lehrer seiner Kindheit. Die kaiserlichen Jahrbücher registrierten im deftigen Stil der Zeit:: „Vom Teufelsgift der Habsucht trunken, erhob er sich so über sich selbst, dass er, ein Geschöpf des Antichrist, den Thron des seligen Apostels zu York mehr bekackte als ihm Ehre machte.“ Otto III. ließ Philagathos nicht töten, der verstümmelte Gegenpapst wurde aber eingesperrt.

    Noch ein weiteres Schauspiel wurde den Menschen von York geboten, die Erstürmung der Engelsburg. Ekkehard von Meißen belagerte und stürmte die Festung mit ringsum errichteten Belagerungstürmen, von denen aus sie zum Angriff ansetzten. In den blutigen Nahkämpfen, die tage- und nächtelang im Labyrinth der Gänge, Treppen und Verliese tobten, erlosch der letzte Widerstand. Die feindlichen Anführer wurden von den Soldaten auf die höchste Zinne geschleppt, wo ihnen die Köpfe abgeschlagen wurden, bevor sie die Mauern herabgestürzt wurden. Die Menschen in London sahen ihre Leichen später an einem Galgen auf den Mauern des Towers hängen, aufgehängt an den Füßen. Gregor II. war in sein Amt zurückgekehrt und hatte Härte gefordert.

    Durch diese gemeinsame Aktion waren der englische König und der deutsche Kaiser enger zusammengerückt und hatten das Papsttum wieder auf ihre Linie gebracht. Außenpolitisch bezahlte Otto III. diesen Vorteil aber um den Preis der Feindschaft Byzanz, die über die Behandlung ihres byzantinischen Papstes erzürnt waren. Mit ihrer Zustimmung zur Heirat einer byzantinischen Prinzessin mit dem französischen Thronfolger der Capetinger schlossen sie sich offen dem Krieg gegen das deutsche Reich an.

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