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Thema: Die letzte Schlacht des Keltenreiches

  1. #76
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 43 - Tanz und Gesang I

    Tage vergingen auf See nur langsam, jedenfalls für die Reisenden, die nichts weiter zu tun hatten, als darauf zu warten, an ihrem Ziel anzukommen. Viele der Kelten sahen tagsüber und sogar tief in der Nacht über den Horizont zu dem Küstenstreifen ihrer geliebten Heimat herüber. Teilweise brachten sie Stunden so zu, was ihrem Geisteszustand nicht gerade förderlich war.
    Für die neun Kinder, die mit an Bord gekommen waren, war das Schiff ein Erlebnis für sich. Viele von ihnen verstanden noch nicht, warum sie fort gegangen waren und hielten die große Reise nur für einen Ausflug. Die älteren Kinder, die schon anfingen zu begreifen, hingegen warfen immer wieder kritische Augen auf die Erwachsenen, die nicht wirklich erklärten, was geschehen war, und wurden immer missmutiger.
    Um die Anspannung zu lösen, hatte Llionel schließlich vorgeschlagen, wieder einen Abend mit Gesang zu füllen, einige der wenigen alkoholischen Getränke aus dem Lagerraum zu holen und über einer der Eisenpfannen etwas Fleisch zu braten. Da der Unterstand auf dem Oberdeck selbst für das gute Dutzend Kelten zu eng gewesen war, spannten einige der Matrosen Takelage zwischen an Leinen auf und vergrößerten so den windgeschützten Bereich um einige Meter.
    Erst nachdem diese Arbeit abgeschlossen war, beauftragte Frederick Beras damit, die restlichen Kelten zu informieren.
    Nach dem Gespräch, das sie vor zwei Tagen geführt hatten, war der Junge richtig aufgeblüht - und er wusste bereits, wo die kleinen Kelten herkamen. Sehr zur Beruhigung von Fredericks Nerven. Der Druide Garamanus hatte den Jungen wohl schon umfassendend unterrichtet. Das war auch wichtig, fand Frederick. Wenn er sich vorstellte, was Ginnys Großeltern mit Beras machen würden, wenn sie ihn mit ihrer Enkeltochter in einer eindeutigen Situation vorfänden...
    Nun, damit wollte er sich nicht belasten und verdrängte den Gedanken schnell. Wer wusste schon, wann dieses Situation tatsächlich eintreten würde?
    Um sich abzulenken, marschierte Frederick zum Ende des Schiffes. Er hatte inzwischen von den Seeleute gelernt, das dieser Platz "Heck" hieß und die entgegengesetzte Seite "Bug". Eine sinnvolle Lösung, denn ein Schiff war irgendwann halt überall zu Ende und so wussten die Matrosen genau, was gemeint war.
    Am Heck hatte sich Thorval, der junge Schmied niedergelassen. Zwar konnte er keine Waffen an Bord schmieden oder schwere Schäden an Metallwaffen reparieren, doch kümmerte er sich sorgfältig um Waffenröcke, Lederrüstungen oder verbogene Kettenhemden. Außerdem hatte er einen Weg gefunden einen Schleifstein aufrecht zu stellen, ohne das dieser vom Seegang immer wieder umgeworfen wurde. So konnte er nicht schnell an einem drehenden Stein arbeiten, aber kleinere Waffen mit der Hand schärfen.
    Bei der Arbeit mit den Rüstungen gingen ihm zwei Kinder zur Hand, die beide etwas jünger als Beras waren. Frederick sah erst auf den zweiten Blick, dass nur eines von ihnen ein Junge war.
    "Ho, Thorval", grüßte Frederick und sah zu den Kindern herunter, die Flicken auf Lederrüstungen nähten. "Beginnst du schon damit, neue Lehrlinge auszubilden?"
    Der Schmied erhob sich langsam und legte ein Kettenhemd bei Seite, dass auf seinen Knien lag. Es gehörte Collin O´Byrne, wusste Frederick und ein Stimme in seinem Kopf mahnte ihn, dass Derivon wohl noch am Leben gewesen wäre, wenn er auch so eine Rüstung getragen hätte.
    "Herzog Frederick", erwiderte der Schmied und reichte ihm eilig eine Hand. Bevor Frederick diese jedoch ergreifen konnte, zog Thorval sie zurück und wischte sie an seiner Schürze ab.
    "Verzeiht, ich bin mitten in der Arbeit."
    Diesmal schüttelten sie sich die Hände und Frederick spürte den festen Griff eines Mannes, der schon oft den schweren Schmiedehammer geschwungen hatte.
    "Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich mir Hilfe hole. Je mehr von uns Wissen, wie eine Rüstung geflickt wird, umso besser, dachte ich."
    Thorval war die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Sein Meister, Gernot hatte ihm aufgetragen Herzog Frederick zu folgen und nach dessen Auftritt in der Schmiede, war Thorval sehr beeindruckt von dem Mann, der nun die Kelten an Bord in die Fremde führte.
    "Ruhig, Mann. Ich bin Frederick, das haben wir schon geklärt, oder?" Der Schmied nickte und deutete auf seine Gehilfen.
    "Das sind Farell und Laine, sie machen ihre Arbeit gut. Inzwischen haben wir die Rüstungen von fast allen Kriegern an Bord reaperiert und an einigen Stellen den Schutz durch zusätzlichen Beschlag erhöht. Als Letztes bleibt nur noch das Kettenhemd von Krieger Collin."
    Kaum hatte sich das Gespräch auf ein greifbares Niveau verlagert, das ganz in dem Interesse von Thorval lag, wurde er deutlich ruhiger.
    "Kannst du davon nocht mehr anfertigen?"
    "Wie? Oh, natürlich, das kann ich. Allerdings nicht auf dem Schiff. Ich brauche eine Esse, um das Eisen zu bearbeiten und eine ordentliche Werkbank. Einen Platz für meinen Amboss und...."
    Frederick riss die Augenbrauchen in die Höhe.
    "Du hast einen Amboss an Bord getragen?!"
    Thorval nickte. "Deshalb wäre doch auch beinahe die Planke gebrochen, als ich darüber gegangen bin."
    Verblüfft von dem Gleichmut, mit dem der junge Schmied berichtete, wie er einen mehrere Zentner schweren Amboss alleine an Bord gebracht hatte, schwieg Frederick einen Augenblick lang.
    Dann fand er seinen Faden wieder und drückte Thorvals ein verbeultes Horn in die Finger, dass er an seinem Gürtel befestigt hatte.
    "Ich habe es bei Mountain Watch ein bisschen verbogen. Kannst du es bis heute Abend wieder einigermaßen reparieren? Ich habe ein Festmal angesetzt, dass uns Kelten näher zusammen bringen soll. Wir müssen einander kennen und vertrauen lernen, wenn wir gemeinsam diesen schweren Weg auf uns nehmen."
    Thorval nahm das Horn entgegen und begutachtete es beinahe ehrfürchtig. Eine besonders große Beule war schon fast dabei gewesen zu einem Riss zu werden.
    "Nun, es ist Bronze, keine Eisen. Ich hoffe, da kann ich was machen - müsste mir eine Kohlenpfanne besorgen... Heute Abend ist das Horn wieder heile. Willst du darauf spielen?"
    Ein Lachen entfuhr Frederick.
    "Bei den Ahnen - nein! Ich treffe keinen einzigen Ton! Die Kinder würden anfangen zu weinen und bei dem momentanen Wetter will ich die Götter nicht noch mehr verärgern."

    Die Nacht brach an und über einer Kohlepfanne drehte sich ein großes Stück gepökeltes Schwein. Das war zwar kein echter Braten, aber über offenem Feuer, knusprig und hin und wieder mit einem behutsamen Schluck Met oder Bier übergossen - davon gab es leider nicht viel - wurde daraus ein herrliches Mahl.
    Der Matrose, der schon zu Llionels Lied gespielt hatte, stimmte mit seiner Fiedel erneut einige Lieder an und fröhlich singende und tanzende Kelten ließen es sich gut gehen. Aus dem Augenwinkel sah Fredeick, dass auch Beras und seine Ginny einen Tanz wagten, der zwar etwas unbeholfen aussah, aber den beiden scheinbar viel Spaß machte.
    Zum Missfallen ihrer Großeltern. Insbesondere Melva vom Clan der Frostfüchse, Ginnys Großmutter, trat immer wieder an Frederick heran. "Er ist Euer Mündel, so tut doch etwas - sonst muss ich das noch!" Eingentlich hatte Frederick nicht vor, sich den Abend mit Streit zu verderben und war fast versucht, die Frau zu ignorieren, doch dann griff er nach ihrem Arm rief dem Matrosen mit der Fiedel etwas zu und zog sie auf die Tanzfläche.
    "He da! Wollt ihr wohl...", beschwerte sie sich, doch Frederick wirbelte sie einmel herum, in der Hoffnung so eine Verschnaufpause in ihrem Redefluss zu erreichen, um selber das Wort zu ergriefen. "Ehrenwerte Lady Melva, verzeih mir dieses harrsche Einschreiten, aber ich will heute keinen Streit. Verzeih, jetz rede ich", setzte er ernst hinzu, als Ginnys Großmutter wieder zu einer Antwort ansetzte. "Beras ist nicht mein Mündel, er ist ein tapferer junger Mann, der bald zu einem hervorragenden Krieger werden wird. Außerdem ist er kein Streuner, wie du es befürchtest, sondern ein Angehöriger des Clan Kupfergräber. Er hat mir ein Medallion gezeigt, das ich und mein Freund Llionel eindeutig identifiziert haben. Unabhängig voneinander."
    Kurz darauf brachte Frederick Melva wieder zurück zu ihrem Gatten, wofür er sich feixende Worte von Llionel und Collin anhören durfte. Dennoch - oder gerade deswegen schien der Abend zu gelingen.

  2. #77
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 44 - Geheimnisse

    Zwei Tage nach der Feier auf Deck waren auch die letzten Nachwirkungen verklungen und Frederick beauftragte Beras damit, den Kelten an Bord zu verkünden, dass er einen Rat der Clans einberufen wollte. Schon in frühen Tagen der keltischen Zivilisation hatten sich die Häuptlinge oder Stammesältesten einer Region getroffen, um die Probleme zu besprechen, die sie im täglichen Leben beschäftigten. Oftmals ging es nur daraum, wer gegen wen in den Krieg zog, doch auch einige friedliche Entscheidungen fußten auf dem Stammesrat. Wie der Rat der Kupfergräber, Könige, Hammerschläger und vier oder fünf weiterer Clans, die beschlossen hatten am Stirling River die Stadt Entremont besser zu schützen, da es sich damals schon um einen bedeutenden Handelsplatz handelte.
    Das war alte Geschichte, einige hundert Jahre her.
    Heutige Geschichte erlebten sie alle gerade selber. Und jeder Stamm würde seine Meinung kund tun können. Auch wenn es nur wenige Kelten gab, die tatsächlich verschiedenen Stämmen angehörten. Frostfüchse und Eisbrecher waren deutlich in der Überzahl.
    "Was soll das Ziel des Rates sein", fragte Llionel, der Frederick kaum noch von der Seite wich, seit sie das Schiff betreten hatten. Wo Frederick hin ging, da war auch Llionel zu finden, obwohl eine hübsche Keltin aus dem Eisbrecher-Clan Interesse an ihm gezeigt hatte. Frederick war die Gegenwart des Banditenkönigs nicht unangenehm, aber irgend wie wurde er das Gefühl nicht los, dass Llionel eine Bedrohung suchte, die gar nicht da war. Gerade lehnte er mit leicht durchgedrückten Knien an der Reeling und ignorierte das Meer völlig, sondern konzentrierte sich viel mehr auf alles, was in Fredericks Rücken geschah.
    "Zwei Punkte. Zusammenhalt und Zufriedenheit. Je mehr wir uns miteinander beschäftigen, umso mehr können wir einander vertrauen. Und wenn einige Mitglieder der Clans an den Entscheidungen teilhaben, dann mildert das die Unruhe an Bord, wenn einige unliebsame Wege eingeschlagen werden müssen." Frederick sah auf die raue See hinaus, die in der Ferne mit dem Horizont verschmolz.
    "Sollten wir die Seeleute auch hinzuziehen? Sie stammen aus verschiedenen Clans, Ahab ist ein Flussjäger, wenn ich ihn richtig verstanden habe."
    Plötzlich versteifte sich Llionel, als hätte ihn ein spitze Gegenstand getroffen, der Versuch seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten misslang kläglich. "Das halte ich für keine gute Idee" , meinte er schließlich und versuchte dabei Frederick nicht in die Augen zu sehen. "Sie werden nicht mit an Land gehen und sie folgen ihrem Kapitän. Er würde unsere Entscheidungen - deine Entscheidungen - stark beeinflussen, obwohl er keiner von uns ist."
    Mit einer unnatürlichen geistigen Klarheit spürte Frederick, das irgendetwas ganz entschieden nicht in Ordnung war. Llionel hatte viele Stunden mit Ahab über den Karten gesessen und verstand sich mit einigen Matrosen sogar sehr gut. Ihm musste irgend etwas aufgefallen sein.
    "Was ist los? Ich sehe, das etwas nicht stimmt und sag mir nicht ich bilde mir das ein", zischte Frederick zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Eine Hand ruhte plötzlich auf dem Oberarm von Llionel und mit einigem Erschrecken, musste der junge Steiner feststellen, dass der Arm schon vor seinem Griff angespannt gewesen war. Llionel hatte unter seinem Mantel mindestens einen Dolch gezogen!
    Sofort sprang Frederick von ihm fort und prüfte den Sitz seiner Axt. Er wollte diese nicht ziehen, doch machte er sich auf alle unvorsichtigen Bewegungen des Banditenkönigs bereit.
    "Was ist los! Sags mir Mann!"
    Llionel nickte resigniert, nachdem er mehrere Sekunden lang mit Frederick einen intensiven Blickaustausch vorgenommen hatte. Dann schwang er mit dem rechten Arm seinen Umhang bei Seite und legte den Blick auf eine Handaxt frei, deren Herkunft unbestritten war. An der Kling klebte sogar noch getrocknetes Blut.
    Wieder trafen sich die Blicke der beiden Männer, Llionel lies den Mantel wieder zurückgleiten und trat einen langsamen Schritt auf Frederick zu. In dessen Gesicht kämpfte Entsetzen mit blankem Hass. Was auch immer hier vor sich ging - wenn eine Axt der Rosanen damit im Zusammenhang stand, konnte es nichts Gutes bedeuten!
    "Ich habe am ersten Abend mit Ahab und zwei seiner Matrosen besprochen, wohin uns unser Weg führen wird. Aus irgend einem dummen Grund habe ich ihm verraten, was mein vorheriger Lebensunterhalt war. Er und seine Matrosen haben versucht mich damit aufzuziehen und zu provozieren. Also habe ich versucht, sie ebenfalls unter Druck zu setzen.
    Schau, diese Axt habe ich aus Lugdunum mitgenommen, ich weiß nicht mal mehr warum. Es ist nicht meine Art Waffen von Toten zu nehmen, sofern sie nicht einen gewissen Wert haben. Außerdem ist das nicht die Waffengattung mit der ich gerne kämpfe.
    " Er holte tief Luft und kam wieder zum Thema zurück.
    "Jedenfalls hab ich die Axt aus dem Mantel gezogen und auf den Kartentisch geschlagen. Ich behauptete ich hätte sie zwischen einigen Fässern am Vorderdeck gefunden - einfach nur, um Ahab Angst zu machen. Und... Nun, er hat..."
    Llionel sprach nicht weiter, sein Blick traf wieder den von Frederick und ein eisiger Hauch lag in den blauen Augen des jungen Steiner. Doch selbst mit seiner eigenen Menschenkenntnis, konnte der Banditenkönig nicht genau erkennen, was in Frederick vor sich ging. Sah er Wut? Zorn, weil er, Llionel, ihn verraten hatte? Mehrmals zuckte die rechte Hand zur massigen Axt, die an Frederick Hüfte hing, und ein oder zwei Mal, hätte Llionel schwören können, einen von Fredericks bekannten und gefürchteten Wutausbrüchen zu erleben. Doch dieser blieb ruhig. Er kochte in ihm, seine Gesichtszüge verkrampften sich heftig und mit der linken Hand griff er nach den Planken der Reeling, um seine Finger darin zu vergraben, doch er gab keinen Ton von sich. Für lange Zeit.
    Nach Minuten, die wie Stunden auf Llionel wirkten, lies Frederick die Reeling los.
    "Vielleicht hast du Recht. Es ist keine gute Idee, die Seeleute einzuladen. Heute Abend findet der Stammesrat statt. Du bist der Sprecher der Waldwölfe!" Der letzte Satz war einiges lauter, als die Worte zuvor. Vielleicht nur, um neugierigen Zuschauern ein nebensächliches Thema vorzuspielen. Ahab hatte überall seine Leute, auch wenn einige nicht aktiv daran beiteligt gewesen waren, die Rosanen nach Lugdunum zu bringen. Eine Hand voll der Seeleute waren nachweislich erst dort an Bord gekommen.
    Aber macht das alles noch einen Unterschied für Frederick?
    Llionel sah ihm sorgevoll nach, als dieser von dannen schritt. Obwohl es nicht klug war, sich dem Zorn des jungen Steiner zuzuziehen, folgte er ihm nach einiger Zeit. Es wäre auffällig gewesen, hätte er es nicht getan.

  3. #78
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 45 - Stammesrat

    Es dämmerte über dem Schiff, langsam sank die schwache Sonne des keltischen Norden hinter einen dichten grauen Vorhang von Wolken und die Temperaturen sanken auf unangenehme Tiefen. Auf der von Gischt besprühte Takelage begann weißer Raureif langsam emporzuklettern und der Matrose oben im Mastkorb wickelte sich dichter in einen Pelzmantel und wärmte sich so gut es ging an der Gaslaterne, die er mit nach oben genommen hatte.
    Bis jetzt war der Seegang ruhig und auch die Seeleute hatten angekündigt, dass sie nicht mit größeren Wetterproblemen rechneten - außer dem fallenden Teperaturen natürlich. Llionel hatte zusammen mit Collin und Thorval drei Kohlepfannen in einem schlichten Dreieck aufgestellt, um den Clanältesten das Treffen angenehmer zu gestalten. Mit einem Stirnrunzeln dachte er daran, dass auch er selbst dazu gehörte. Stammesältester und das mit gerade einmal 32 Sommern! Nun, die Waldwölfe waren nie ein besonders großer Clan gewesen, in Hochzeiten umfassten sie gerade einmal zehn oder zwölf Familien, in geringer Zeit sogar manchmal nur eine. Jetzt gab es neben Llionel noch zwei weitere Männer seines Blutes, die Vettern von ihm waren, einer hatter schon Kinder gehabt. Es hätte eine gute Zeit für den Clan werden können, doch wer wusste schon, ob er nicht tatsächlich auch der Letzte war, der noch das Blut des Waldwolfes in sich trug. Nun, das musste nicht das Ende des Clans bedeuten, doch war es schwer ihn aus den Ruinen wieder aufzubauen.
    Als die Sonne endgültig versank, nahm Llionel links neben einem der Kohlepfannen Platz. Er hatte schließlich dafür gesorgt, dass auch auf dem Deck etwas Wärme herrschte, also konnte er sich das Recht auch herausnehmen. Außerdem war es so schwerer von rechts angegriffen zu werden. Sein Blick ruhte auf der Türe, die zu den Kajüten führte, in denen Frederick, Beras, er selber, Collin und viele andere der Kelten untergebracht waren. Wenn Ahab etwas unternehmen wollte, dann wäre heute sicher eine gute Nacht. Zumal Llionel nicht wusste, ob sein Gespräch mit Frederick am heutigen Tage belauscht worden war.
    Die ersten Besucher näherten sich. Ortang von Clan Frostfuchs, begleitet von seiner Gattin Melva! Sehr interessant, dachte Llionel. Wer hatte in diesem Clan wohl das Sagen? Ronkell von den Eisbrechern kam alleine, jedoch mit einer kleinen Flasche aus Ton, die er schweigend vor sich auf den Boden stellte. Frostfuchs und Eisbrecher nickten sich kurz zu, dann grüßten sie - etwas zurückhaltender - den Waldwolf, der neben seinem Feuer hockte. All dies geschah in Schweigen. Traditionell sollte niemand ein Wort an Seinesgleichen richten, bevor nicht alle anwesend waren. Ursprünglich entstammte diese Sitte der unterschiedlichen Reisedauer, die einige Clans hatten in Kauf nehmen müssen, um zu den Treffen zu gelangen. Es handelte sich schließlich um das Treffen von Gleichen.
    Am Rande der Dunkelheit nahm Llionel Gestalten wahr. Einer von ihnen war Thorval, der Schmied. Die jüngeren Kelten drängten sich in einiger Entfernung zusammen, um dem Ältestenrat zu lauschen. Sie durften nicht sprechen, aber zuhören war ihnen wohl erlaubt. Neugierde war kein Laster, sondern eine Tugend, mahnte sich Llionel, der am liebsten die Abgeschiedenheit einer kleinen Kammer für diese Zusammenkunft gewählt hatte. So hätte er wenigstens alle Kelten im Auge behalten können.
    Ein Poltern erklang und die Tür zu den Kajüten schwang erneut auf. Hinaus trat Frederick vom Clan Steiner und er schien keinen Zweifel daran aufkommen lassen zu wollen, welcher Bedeutung er diesem Rat zuschrieb.
    Er hatte seine Rüstung angelegt, die ein einigen Stellen mit Metallplatten und ersten Kettenbändern verstärkt worden war. Über eine seiner Schultern ragte das Axtblatt einer gewaltigen Streitaxt empor, an seiner rechten Seite funkelte seine Handaxt im Lichtschein des Feuers. Seinen Bart hatte er geringfügig gestutzt und sein Gesicht... Erst hatte Llionel geglaubt die Flammen hätten nur Schatten geworfen, doch auf der Haut des Kelten zeichneten sich schwarze Runen ab, die mit Farbe auf offenbar auf frische Wunden aufgetragen waren. Sie würden unter der Haut bleiben, wenn sich die Schnitte wieder schlossen.
    All dies wurde abgeschlossen durch das Banner König Brennus', das Frederick einem Umhang gleich um die Schultern trug. Er schritt heftig aus und stampfte deutlich hörbar auf das Schiffsdeck. Dann setzte er sich wortlos neben Llionel.
    Fast verborgen durch den Auftritt Fredericks, geschah aber etwas, das Llionel noch viel mehr verblüffte, als der Auftritt seines Freundes: Links neben Frederick saß Beras! Ebenfalls in eine Lederrüstung gehüllt, eine Tartsche auf den Rücken gebunden.
    Frostfüchse und Eisbrecher sahen kurz zu Beras hinüber und in der Sekunde, in der sie noch verarbeiteten, wen sie dort sitzen sahen, eröffnete Frederick die Zusammenkunft.
    "Ich bin Frederick, der Stammesälteste von Clan Steiner! Ihr seid meinem Aufruf gefolgt, wie ich sehe." Mit einem wilden Lächeln fügte er hinzu: "Ich habe geladen, somit bin ich der Zeremonienmeister für diesen Abend! Ich erkenne Ronkell von den Eisbrechern, Ortang von den Frostfüchsen, Beras von den Kupfergräbern und Llionel von den Waldwölfen."
    Eine Rituelle Formel. Der Ausrichter des Zusammentreffen leitete dieses auch und stellte die Anwesenheit der einzelnen Vertreter fest. Mit den Worten "ich erkenne" sprach er ebenfalls die Berechtigung der einzelnen Mitglieder aus, dem Rat der Ältesten beizuwohnen.
    Beras war darain bedacht - Melva von den Frostfüchsen hingegen nicht.
    Wie kaum anders zu erwarten, war diese Provokation nicht unbemerkt geblieben. Sie konnte es gar nicht. Schon begann der Protest der Frostfüchse und Llionel hoffte nur, dass Frederick nicht vergessen hatte, was er persönlich als Ziel dieser Versammlung gesetzt hatte. Freundschaft und Vertrauen.
    "Wie kannst du es wagen dieses Kind in unsere Runde aufzunehmen", rief Melva von den Frostfüchsen. Ihr Mann fügte hastig hinzu. "Und meine Frau nicht in dieser Runde zu erkennen?"
    Eine Falle, erkannte Llionel. Ein Köder und eine Grube. Und die Frostfüchse waren sofort darauf hereingefallen. Frederick atmete tief durch, dann wandte er sich an Ortang, ohne von Melva auch nur Notiz zu nehmen.
    "Ortang vom Clan der Frostfüchse - muss dein Weib für dich sprechen, weil du nicht dazu in der Lage bist?"
    Schon versuchte Melva aufzustehen und wütend zu antworten, doch ihr Mann hielt sie zurück und antwortete ruhig. Was wohl sein Glück war. "Frederick vom Clan Steiner, mein Weib Melva und ich sind gleichberechtigte Partner. Die Frostfüchse haben mit dieser Tradition vor wenigen Jahren begonnen und sehen sie als weise an. Ich bitte um Verzeihung, dass ich dich und unsere Gefährten nicht darüber aufggeklärt habe."
    Weise Worte und eine kleine Revolution in den Clans. Bisher hatten nur Männer das Sagen gehabt, doch bei vielen Gelegenheiten hatten auch die Frauen des Keltenreiches im Kampf gegen die Rosanen eingegriffen. Mit Erfolg, wusste Llionel. Und auch Frederick hatte dies nicht vergessen, wie er oftmals betonte. Einen Schritt in die Gleichberechtigung würde er sich nicht ablehnen.
    "Dann spricht sie ebenfalls für Euren Clan?"
    "Sie spricht mit meiner Stimme und ich mit ihrer", antwortete Ortang und nickte versöhnlich.
    Ein Wölfisches Grinsen überzog Fredericks Gesicht und die dunklen Runen begannen sich zu bewegen.
    "Wenn das so ist, Ortang von den Frostfüchsen, dann sei dir hiermit Folgendes versichert: Wenn dein Weib deine Stimme ist, dann wirst du für jeden Verstoß gegen unsere Sitten, die dein Weib begeht von mit persönlich zur Verantwortung gezogen! Und umgekehrt!" Er griff zu seiner Axt, löste sie vom Gürtel und legte sie auf die überkreuzten Beine. "Dieses Mal bin ich noch gnädig und erlaube ihr, in dieser Runde zu bleiben!"
    Neben Llionel knackte ein Stück Holz in der Glut und er erschrak sich unheimlich, so sehr hatte ihn der Wortwechsel zwischen Frederick und den Frostfüchsen gefesselt. Die Sitten der Clans waren eindeutig - nur ein Sprecher. Sicher hätte eine Ausnahme gemacht werden können, wenn es um das Argumentieren ging, sofern bei der Abstimmung nur eine stimme geltend gemacht wurde. Aber die Frostfüchse hatten es schlichtweg vergessen und somit die Traditionen missachtet.
    Die wütende Melva schwieg und Ortang, der intelligent genug war, nicht noch einmal einen Fehler zu begehen, brachte sein Anliegen nun ruhig vor. Dabei hatte er eine Hand um den Unterarm seiner Frau gelegt, die ihm, Frederick und vor allem Beras immer wieder böse Blick zuwarf.
    "Der Clan der Frostfüchse verlangt zu klären, warum dieser Junge in unserer Runde ist", sagte Ortang ruhig und deutete auf Beras, der sich sichtlich unwohl fühlte.
    "Krieger Beras ist der Stammesälteste von Clan Kupfergräber. Ich habe ihn hierher berufen."
    Bei den Frostfüchsen fand ein Handgemenge statt und fast so, wie Llionel es erwartet hatte, rang sich Melva durch und störte wieder die Sitten.
    "Er ist nur ein Kind! Ein Streuner noch dazu! Ein Krieger soll er sein - das ist lächerlich!"
    Wieder knackte etwas, doch diesmal waren es Frederick Finger und Llionel wusste, all dies war geplant gewesen. Vielleicht nicht von Anfang an, doch diese allgegenwärtige List passte sonst nicht zu Frederick. Er musste den ganzen Nachmittag darüber gebrütet haben.
    "Ortang! Hatten wir nicht eine Vereinbahrung?"
    Der Frostfuchs wurde rot hinter seinem Bart und sagte seiner Frau einige deutliche Worte. Ronkell von den Eisbrechern sah sich das ganze Schauspiel schweigend an und schüttelte nur den Kopf.
    "Frederick von den Steiner, ich bitte nochmals um Vergebung, meine Frau wird diesen Kreis sofort verlassen und ich biete Euch das Versagen meiner Stimme an."
    Das war die höchste Form der Entschuldigung. Das nicht mitstimmen bei der Entscheidung. Etwas anderes hätte Ortang nicht mehr tun können, doch Frederick schüttelte mit dem Kopf.
    "Nicht bei mir müsst ihr Euch entschuldigen, Ortang. Sondern bei Krieger Beras hier. Es scheint mir, dass Ihr einen Ehrenhändel auszufechten habt."
    Beras stand auf.
    Frederick sah ihn ermutigend an und fixierte dann die beiden Frostfüchse mit durchdringendem Blick.
    "Ich bin Beras vom Clan Kupfergräber! Ihr habt meine Integrität angezwifelt und meine Ehre beschmutzt! Ich verlange von Euch einen Zweikampf, Ortang vom Clan der Frostfüchse!"
    Llionel starrte auf die Szene die sich ihm bot und schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht gut gehen! Was bezweckte Frederick damit?
    Ortang saß dort, wie vom Schlag getroffen, Frederick lächelte grimmig zu ihm hinüber, Ronkell hatte inzwischen einen Schluck aus der Flasche genommen und deutete Llionel an, sie mit ihm teilen zu wollen. Dieser nahm sie dankbar entgegen und trank einen kleinen Schluck, doch das erwartete Brennen im Hals blieb aus. Wasser! Durch die Flammen sah Llionel zu Ronkell hinüber und sah ihm in die Augen.
    Er sah Verständnis und war sich sicher, mit diesem Mann noch reden zu müssen. Bis dahin lehnte er sich etwas zurück, atmete scharf aus und wischte sich über die Lippen, als habe er doch Alkohol getrunken.
    Auf der anderen Seite des Kreises war Ortang schwankend aufgestanden. Niedergeschlagen antwortete er:
    "Ich beuge mich dem Recht und den Sitten der Clans. Ich nehme diesen Ehrenhändel an!"

  4. #79
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    Kapitel 46 - Freund oder Feind

    Mit einer Hand auf der Schulter schob Frederick Beras vor sich her und geleitete ihn so zurück zu den Kajüten. Immer noch im Schein des Feuers stand Ortang und musste sich eine Schimpfkanonade von seiner Frau anhören, doch dieses eine Mal, so schien es, ignorierte er die Gleichheit seiner Frau und antwortete sehr unhöflich. Einige der jüngeren Kelten am Rand des Geschehen lachten und viele der Kinder strahlten. Sie hatten mindestens fünf neue Schimpfwörter gelernt.
    Llionel ehob sich schnell, um hinter Frederick und den jungen Beras her zu eilen. Er war entsetzt, was sich abgespielt hatte und wollte wissen, was in aller Welt Frederick dazu bewogen hatte, ein Ehrenduell anzuzetteln. Und dann auch noch von Beras!
    Die Tür zu den Kajüten schloss sich und kaum hatte Llionel diese erreicht, wurde von innen ein Rigel vorgeschoben. Mit wütenden Schlägen trommelte er gegen das Holz und rief halblaut und mit an die Tür gepressten Lippen: "Mach die verdammte Tür auf oder ich tue es!"
    So harte Worte hatte er eigentlich gar nicht wählen wollen, doch sie zeigten Wirkung. Der Rigel wurde erneut bewegt und ihm wurde Einlass gewährt. Kaum hatte er den Gang dahinter betreten prallte er auf Frederick.
    "Setz dich in irgend eine Ecke und geh mir aus dem Weg!"
    Die Barthaare des jüngeren Kelten waren nur Zentimeter vom Gesicht des Banditenkönigs entfernt und einige Speicheltropfen trafen flogen wild umher. Llionel hatte jedoch schon lange gelernt Bedrohungen entschieden zu entgegnen, stieß Frederick mit beiden Armen zurück und funkelte ihn böse an. Mit einem Blick, der noch mehr Gewalt ausstrahlte, als der junge Steiner ihn bisher hatte zu Standen bringen können.
    "Wir klären das jetzt! HIER! Sag mir, was du mit diesem Spiel erreichen willst!" Mit einer Geste, die nicht versöhnlich war sondern vielmehr eine Drohung darstellte, zeigte er auf Beras. "Du tötest ihn!"
    Bisher war Llionel gerne bereit gewesen Frederick vom Clan Steiner zu folgen. Er hatte ein freundliches Wesen gezeigt, clevernes und Mut bewiesen und sie durch einige schwere Situationen geführt, doch das Verhalten in Lugdunum und hier an Bord hatten deutlich die dunklen Seiten dessen Charakters offenbahrt.
    Dunkle Seiten waren nicht grundsätzlich schlecht, Llionel wusste dies, dennoch konnten sie Schwächen darstellen und einen schwachen Anführer konnte er in dieser Situation nicht gebrauchen. Ambitioniert einen Platz an der Spitze einzunehmen war er nicht, vielmehr war ihm der zweite oder dritte Platz lieber. Dort war man sicher und konnte einem guten Mann an der Spitze jede Hilfe bieten. Und einen schlechten Mann an der Spitze... nun, ja.
    "Du, Llionel hast mich enttäuscht", brachte Frederick schließlich hervor. "Es war weise, nicht am ersten Tag von deiner Entdeckung zu berichten. Aber spätestens nach einer Woche hättest du mich warnen sollen! Ich nehme dir das persönlich! Klappe zu!"
    Llionel hatte kaum die Lippen bewegt, doch Frederick war noch nicht fertig. Bevor er weiter sprach, riss er seine Axt aus dem Gürtel und rammte sie in eine Kabinenwand. Splitter flogen fort und regneten über die beiden Männer.
    "Beras wird hinausgehen und den Kampf gewinnen! Ich dulde keinen Widerspruch mehr von diesen möchtegern-Kelten! Sie werden sich alle beweisen müssen! Du kannst doch sehen, was mir Freundlichkeit und Offenheit gebracht hat - sie weigern sich immer noch anzuerkennen, dass wir hier nicht abstimmen, welchen Weg wir gehen! Wir gehen meinen Weg! Ich habe nie diesen verdammten Mist gewollt, aber wenn ich schon eure Gallionsfigur seien muss - bei den Göttern, dann hört auf mir jeden Befehl madig zu machen!"
    Llionel musterte Frederick, der heftig keuchend vor ihm stand. Es war einsam an der Spitze und irgendwann entlud sich sämtlicher Ärger. Frederick vom Clan Steiner war auf einem guten Weg, aber er war noch jung. Und vielleicht zu früh an diese schwere Aufgabe geraten. Aber das war alles noch zu ändern.
    "Hilfst du mir, oder nicht?"
    Es dauerte keine Sekunde, dann hatte Llionel entschieden.
    "Ich werden dich nicht im Stich lassen. Und auch Beras nicht. Aber wenn du so etwas noch mal machst - dann sag mir Bescheid, verdammt! Das hätte ins Augen gehen können!"
    Frederick wischte den Einwand mit einer Geste bei Seite, doch in seinen Augen erkannte Llionel, das er ihn wohl bemerkt und beachtet hatte. Dann zog Frederick den Banditenkönig heran und begann ihn einzuweihen.

  5. #80
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 47 - Vor dem Kampf

    Nur eine Stunde später verließen Frederick, Beras und Llionel die Kajüten wieder und stellten sich den anwesenden Kelten. Sie boten einen imposanten Anblick. Vorneweg Frederick, in Vollausstattung, die Handaxt gezückt. Er stieß einen lauten Schrei aus, der auch den Letzten, der noch nicht bemerkt hatte, dass wieder Bewegung in den unterbrochenen Ältestenrat gekommen war, wieder zu absoluter Aufmerksamkeit nötigte. Danach schritt Beras aus, das Gesicht geschwärz, nur um die Augen war die Haut des Jungen zu sehen. Sein blonder Schopf, das numehr schwarze Gesicht und die riesig wirkenden Augen verliehen ihm etwas koboldhaftes. Kelten kannten Kobolde und sie hüteten sich davor, diese Wesen zu verärgern. Denn Trotz ihrer geringen Körpergröße, so erzählte die Sage, waren die Kobolde nicht weniger angriffslustig als andere Wesen. Ihre Aggressivität war denen der Menschen gleich zu setzen, nur auf ihre Körpergröße komprimiert.
    Mit wirrem Blick und einigen ruckartigen Kopfbewegungen jagte der Junge besonders den Kindern und den Älteren einen Schrecken ein. Hier und da wurde magische Zeichen geschlagen, um den Kobold abzuwehren.
    Der Letzte in der Triade war Llionel. Er hatte sich ganz in seinen Umhang eingeschlagen, sein Gesicht war vollständig hinter einem Tuch verborgen und nur seine Augen blitzten zwischen einer Lücke in den Gewebestreifen hindurch. Auf seinem Kopf ruhte ein Totem - ein ausgestopfter Wolfskopf. Dieses besondere Exemplar war schon fast einhundert Sommer alt und war dereinst von Llionels Großvater erschlagen worden. Besondere Konservierungstechniken und gute Pflege hatten ihn bis heute erhalten. Das offene Maul zeigte Reißzähne, die zwar nicht mehr vollständig aber immer noch eindrucksvoll waren, anstelle der Augen funkelten rote Steine, die durch den Schein des Feuers zum Leben erweckt wurden. Als sich die Beobachter gerade von diesem Bild erholt hatten, wirbelte er herum und riss zwei Dolche aus den Falten seinem langen Mantels und steckte sie deutlich sichtbar von außen in einen Gürtel. Der Wolf hatte nicht nur Zähne, er hatte auch Klauen!
    An einem Ende des Schiffes begannen zwei oder drei Kelten rhytmisch auf Trommeln zu schlagen. Vielmehr waren es leere Töpfe oder ihre Helme, doch der Klang untermalte den Auftritt der drei Keltenkrieger noch deutlicher. Unter den Trommlern war deutlich Thorval auszumachen und Frederick würde darauf wetten, auch Collin würde dabei sein - auch wenn dieser als Eisbrecher ein Freund der Frostfüchse war.
    "Dies ist der Ältestenrat der Clans! Wir haben einen Ehrenhändel auszutragen! Lasst uns beginnen", donnerte Frederick und das Trommeln schwoll an. Axtstiele schlugen gegen die Reeling, Schwertknaufe stimmten ein.
    Ortang von den Frostfüchsen trat an das Dreieck aus Kohlenpfannen heran und hob beide Hände in die Luft, mit offenen Handfläche zu Beras, Llionel und Frederick. "Einhalt! Frederick von den Steiner - ein Wort im Vertrauen!"
    Das Trommeln verebbte augenblicklich. Wollte der Frostfuchs den Kampf nicht antreten? Oder hatte er einen Plan ausgeheckt, wie er Beras doch der Runde der Stammesältesten verweisen lassen konnte?
    "Nun, dann sprecht", rief Frederick zurück. "Wo könnte mehr Vertrauen sein als hier?"
    Der Steiner riss die Arme in die Höhe und die Trommeln kehrten zurück. Sogar ein Dudelsack begann zu spielen. Laut. Und falsch. Sehr falsch.
    Die Last auf den Schultern des Frostfuchses schien immer weiter zuzunehmen, denn seine Arme sackten langsam und widerwillig dem Boden entgegen. In seinem, von den flackernden Flammen verstellten Gesicht, war keine Freude zu lesen. Ein grimmiger Ausdruck huschte über Ortangs Züge.
    "Ich bin ein alter Krieger", bekundete er schweren Herzens. Frederick verzog die Lippen zu einem Grinsen, das fast schon überheblich wirkte. Erst hatte Ortang seine Stimme im Kreis der Ältesten angeboten, jetzt rückte er von seinem Stand als Krieger ab. Obendrein die Peinlichkeit, die ihm sein Weib bereitet hatte. Der Frostfuchs demontierte sich vor den Augen aller Anwesenden selber. Und Frederick hatte es genau so gewollt.
    "57 Sommer habe ich hinter mich gebracht und meine Waffen seit der Geburt meines jüngsten Enkels nicht mehr in den Kampf geführt. Ich zweifele nicht daran, mich und mein Volk verteidigen zu können, doch selbst wenn dieser Ehrenhändel bis zum ersten Blute gehen sollte, vermag ich nicht zu sagen, ob ich noch genug Feingefühl besitze!"
    Ortang war ein guter Redner. Er weigerte sich nicht aus Furcht vor dem Kampf oder vor einer Niederlage sondern vielmehr davor, als Sieger vom Feld der Ehre zu gehen. Er wäre dann ein erfahrener Krieger, der ein Kind niedergeschlagen hätte. So eine Handlung war eines Stammesältesten nicht würdig und er würde sich viele Fragen aus den eigenen Reihen anhören müssen.
    "Dann willst du nicht kämpfen", warf nun wieder Frederick ein. Die Falle hatte zugeschnappt, schon vor langer Zeit, es konnte fast nichts mehr schief gehen und auch Ortang musste dies inzwischen erkannt haben. Er konnte nur noch versuchen, die Schmach zu mindern, die er über sich persönlich brachte.
    "Ich verweigere die Waffen nicht, dennoch...", er lies seinem Satz unbeendet.
    "So wählt einen Sekundanten - daran ist nichts unehrenhaftes!"
    Einen Moment lang musterte Ortang den vorher so unerbittlichen Frederick, verwundert über die dargebotene Hand. Doch als er dessen flammenerhelltes Gesicht sah, erkannte er, dass auch dieses Angebot eine Falle war. Wählte Ortang einen Sekundanten, dann würde es Beras auch keinen Ehrenverlust bringen, wenn dieser auch einen Stellvertreter im Kampf um sein Stammesrecht berief. Und Ortang konnte schon sicher erkennen, wer dieser Sekundant werden würden.
    Trotz all dieser Haken, trotz der Falle, die er sah, musste er den Köder Schlucken.
    "So sei es. Habe ich die freie Wahl?"
    "Nun, jeder Krieger deines Clans. Wie wäre es mit Thorval? Er ist ein guter Kämpfer."
    Das Netzt spannte sich fester um Ortang. Natürlich war der Schmied eine gute Wahl, doch alleine aufgrund seiner Nennung durch Frederick, war er schon wieder disqualifiziert. "Nein. Mit Verlaub, Frederick vom Clan Steiner, er scheint mir zu eng mit Euch befreundet."
    Einen kleinen Moment lang überlegte Ortang, dann rang er sich zu einer Entscheidung durch. "Ich berufe Seamus von Clan Frostfuch zu meinem Sekundanten."
    Dutzende Augenpaare wandten sich dem Genannten zu, der auf sein Schwert gelehnt an der Reeling stand und seine Verblüffung nicht verbergen konnte. Seamus war ein großer und kräftiger Mann, etwas jünger als Frederick, aber doch deutlich im Erwachsenenalter. Jedenfalls was seine Körperkraft anbelangte. Seine Intelligenz war - nunja, mäßig. Für einen Krieger war es nicht unbedingt notwendig hochintelligent zu sein, dafür waren Truppführer da und Kriegsherren. An seinen kämpferischen Fähigkeiten schien kein Zweifel zu bestehen und es konnte ja nicht jeder ein Kommandant sein. Dennoch besorgte Frederick diese Wahl, denn was er von Seamus bisher gehört hatte lies darauf schließen, dass der Frostfuchs das Bisschen Grips, das er besaß, hauptsächlich dazu verwendete seinen Sadismus auszuleben.
    Es dauerte eine Sekunde, dann hatte sich Seamus gefasst, zog sein Schwert hart an den Körper und trat vor, wobei er beinahe Ginny umgestoßen hätte.
    Beras knurrte und trat wütend einen Schritt nach vorne. Und Seamus bemerkte das. Er sah Beras grinsend an und drehte seinen Kopf dann langsam dem Mädchen zu. Die Worte, die er zu ihr sagte, gingen in einer Tirade aus Flüchen und Beschimpfungen unter, die von Beras Lippen kam. Und selbst Frederick wunderte sich, was für Vorstellungen der Junge von Anatomie besaß.
    "Ich glaube, dieser Vorschlag erhält die Zustimmung des Rates", bemerkte Ortang. Er versuchte selbst wieder Herr der Lage zu werden und den etwas aus der Bahn geratenen Frederick zu verunsichern. Dabei warf er dennoch einen besorgten Blick zu Seamus und seiner Enkelin und fragte sich schweren Herzens, ob er die Richtige Wahl getroffen hatte. Sollte Seamus den jungen Beras besiegen, so war Ortang vielleicht doch noch dazu gezwungen wieder zu seinem Schwert zu greifen und dem Rüpel Manieren beizubringen. Nein. Ein Schwert war eine viel zu ehrenhafte Waffe. Ein Schürhaken, frisch aus der Glut - das würde diesem Seamus gut tun. Aber das war eine ganz andere Geschichte.
    Zumal sich Frederick von Clan Steiner gleich zu Beras' Sekundanten berufen lassen und den Kampf für sich und seinen Schützling entscheiden würde.
    "Ich akzeptiere dieses widerwärtige Großmaul als meinen Gegner! Wohl an, dann bestimme ich zu meinem Sekundanten Frederick von Clan Steiner, den Herzog von Duran!" Erleichterung durchströmte Ortang, als der Steiner der Aufforderung rituell nachkam und vor Beras auf die Knie sank. Seamus hatte auf diese Geste verzichtet, stellte Ortang grimmig fest.
    Irgendwie wurde Ortang der junge Kupfergräber immer sympatischer. Wer sich der Freundschaft von Kriegern wie Llionel oder Frederick schon mit wenigen Jahren sicher seien konnte, musste einen guten Charakter haben.
    Frederick erhob sich und löste die Axt von seinem Gürtel. Dann trat er hinter Beras zurück, setzte sich hinter ihm auf den Boden und legte die Waffe auf seine überkreuzten Beine. Beras hingegen trat einen Schritt vor und zog einen blitzenden Dolch. Ortang wurde blass. Der Knabe wollte wirklich kämpfen! Bis jetzt hatte er alles für eine Finte gehalten! So sehr wie Frederick dieses Aufeinandertreffen schon geplant zu haben schien, hätte es doch auch der Steiner sein müssen, der nun zwischend die drei Kohlenpfannen trat! Oh, ja, dieser Beras macht gerade wirklich Punkte gut.
    "Bis das erste Blut fließt", verkündete Llionel vom Clan Waldwolf nun. Er hatte unaufgefordert die Position des Zeremonienmeisters übernommen, während Frederick dem Kampf beiwohnte. "Ich will einen Ehrenhaften Kampf sehen!"
    Seamus lachte leise und spieh auf den Boden, während er sein Schwert schwang.
    "Ich rate dir, keine Dummheiten zu machen, Frostfuchs! Wenn ich den Platz Krieger Beras' einnehmen muss, werde ich Blut vergießen! Das schwöre ich dir", bellte Frederick rau und rammte den Stiel seiner Axt auf die Planken des Schiffes.
    Die Irritation auf Seamus Gesicht dauerte nicht all zu lange. "Ich fürchte weder den Tod noch meinen Gegner", konterte er. Darauf antwortete Frederick nicht, sondern lächelte nur und prüfte die Schärfe seines Axtblatts.
    "Dann lasset uns beginnen", rief Llionel. "Und ein Rat, Krieger Seamus. Der Tod ist es nicht, den du befürchten solltest." Mit einigen Schritten trat er näher und raunte Seamus zu: "Herzog Frederick ist nicht darauf aus einen seiner Krieger zu töten. Dennoch solltest du vorsichtig sein. Er sammelt Ohren!"
    Diesmal verschwand der verstörte Ausdruck auf Seamus' Gesicht nicht.

  6. #81
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 48 - Auge um Auge und... Ohr um Ohr?

    When first under fire an' you're wishful to duck,
    Don't look nor take 'eed at the man that is struck,
    Be thankful you're livin', and trust to your luck
    And march to your front like a soldier.
    Front, front, front like a soldier . . .

    If your officer's dead and the sergeants look white,
    Remember it's ruin to run from a fight:
    So take open order, lie down, and sit tight,
    And wait for supports like a soldier.
    Wait, wait, wait like a soldier . . .

    Rudyard Kipling - The Young Soldier

    Wie Irrlichter wanderten die blauen Augen Seamus' vom Clan der Frostfüchse hin und her. Er versuchte noch immer die geflüsterten Worte Llionels zu verarbeiten, der in einem langen Mantel gehüllt den Zeremonienmeister des nun anstehenden Zweikampfes darstellte. Das war in seinem Gesicht erkennbar und beinahe hätte eine seiner Hände nach oben gezuckt, um seine Ohren zu schützen. Gleichzeitig richtete er seinen Blick auf Beras, stierte ihn wild grinsend an und brachte sein Schwert in Angriffshaltung. Der Junge hingegen vollführte einige schnelle Bewegungen mit dem Dolch, um zu zeigen, dass er trotz seiner wenigen Jahre und der Waffe mit der deutlich kürzeren Reichweite kein Gegner war, den man unterschätzen sollte.
    Dennoch stürmte Seamus vor schlug mit dem Schwert nach Beras, der schnell der Klinge ausweichen konnte. Dennoch war der Frostfuchs geübter im Kampf und konnte dem Jungen noch einen Tritt in die Seite versetzen, wodurch dieser in einen Kistenstapel stürzte. Mit einem lauten Krachen schlug er zwischen die Kisten und stieß sich Knie und Kopf an einigen Kanten. Sekundenbruchteile lang sah er Sterne und wollte sich einfach nur verstecken, doch er wusste, warum er hier stand. Er hatte er Frederick versprochen. Er hatte es sich selber versprochen - und was noch viel wichtiger war: Wenn er dieses Duell überstand, dann würde niemand mehr wagen ihm seine Ginny streitig zu machen!
    Mit zitternden Knien stand er auf, zwängte sich zwischen zwei Kisten durch und umrundete so Seamus, der an den Stapel herangekommen war und mit seinem Schwert hineinstach in der Hoffnung Beras zu verwunden. Urplötzlich tauchte Beras neben Seamus' linker Seite auf, stieß mit Dolch nach seinem Kontrahenten und durchtrennte dessen Gürtel.
    Seamus fluchte laut, zuckte zurück und geriet selber ins Wanken, doch er konnte sich schnell genug auffangen und setzte zu einer Verfolgung des Jungen an, wobei er darauf achten musste, seine Hose nicht zu verlieren. Die umstehenden Kelten johlten vor Freude, doch Beras konnte sich nicht so richtig freuen. Er hätte nur höher oder tiefer zuschlagen müssen, dann wäre Blut geflossen - dann wäre es vorbei gewesen! Dann hätte er gewonnen. Während er noch halblaut vor sich hinmurmelte und versuchte Abstand zwischen sich und Seamus zu bringen, erhaschte er einen Blick seiner Ginny. Sein Herz schlug höher, seine Auen versanken in ihren und.... seine Beine wurden langsamer.
    Er riss sich los von ihren Augen und dachte schon fast, den mit großen Schritten näher kommenden Seamus abgehängt zu haben, da traf ihn schmerzhaft die blanke Seite der Klinge in den Rücken und auf den hintern, warf ihn im hohem Bogen nach vorne und lies ihn hart auf die Planken schlagen.
    Diesmal war der Schmerz stärker. Tränen begannen sich den Weg in Beras' Augen zu kämpfen und als er sich kaum wieder auf Kniee und Hände aufgerichtet hatte, traf ihn ein Tritt wie ein Vorschlaghammer in die Seite.
    Langsam wurde es dunkel um ihn, irgendwo im Hintergrund hörte er die hassverzerrte Stimme Fredericks, der sich anschickte seiner Rolle als Sekundant gerecht zu werden. Doch bevor Beras nicht das entscheidende Zeichen gegeben hatte, war es auch Frederick nicht erlaubt den Kreis der Gleichen zu betreten, der nun symbolisch um die Fläche lag, auf der Beras und Seamus gegeneinander kämpften. Nur dem Zeremonienmeister war es außer den Kontrahenten gestattet in das Kampfgeschehen einzugreifen. Und dann auch nur, um den Sieg eines der Kämpfer festzustellen - und um den anderen womöglich vor dem Tode zu bewahren.
    Nun rechnete Beras jeder Zeit damit, dass Seamus seinen letzten und endgültigen Streich anbringen würde, wahrscheinlich an einer sehr empfindlichen, schmerzhaften und gleichzeitig besonders peinlichen Stelle. Hatte nicht Llionel gesagt, das der Kerl ein Sadist war. Selbst, wenn er das Schicksal nicht mehr abwenden konnte, so wollte sich Beras doch wie ein Mann stellen und begann sich auf die Füße zu stemmen. Seine rechte Seite brannte wie Feuer und das Atmen fiel ihm schwer, doch langsam kam er wieder auf die Beine.
    Seamus war nirgends zu sehen - obwohl das an seinem inzwischen geschrumpften Sichfeld liegen konnte. Kaum hatte sich Beras wieder zum eigentlichen Kampfplatz umgedreht, sah er warum nicht. Seamus feierte sich selber und warf Ginny obzöne Blicke zu und sage Dinge, die...
    Beras begann zu rennen, er humpelte, schleppte seinen geschundenen Körper vorwärts und hielt den Dolch in einer Stellung, die Llionel ihn vor kurzem gelehrt hatte. Sollte er sein Ziel erreichen ein tödlicher Stich!
    Die Meter schrumpften und nicht wenige Zuschauer sahen erstaunt auf, als sie den Jungen wieder auf den Beinen sahen. Seamus hätte Beras nicht bemerkt in seiner Selbst-Beweihräucherung, doch er bemerkte, dass nicht mehr alle Augen auf ihm ruhten. Im letzten Moment sprang der Kelte bei Seite, wich Beras Ansturm aus und lies den Jungen passieren.
    Jedenfalls dachte Beras dies, bevor eine Hand wie eine Klaue nach seinem Hemd griff, ihn am Kragen packten und wieder durch die Luft warf. Diesmal landete er beinahe zu Füßen Frederick, mit dem Oberkörper voran. Nur ein leises Wimmern drang kam noch von seinen Lippen.
    "Ich werde dich töten, du Feigling! Ich werde dir jeden Knochen brechen und auf dein gottverfluchtes Grab pissen", bellte der Steiner und versuchte Seamus so zu reizen, dass dieser selbst einem Angriff auf Frederick beging. Dann durfte er sich verteidigen - Kreis der Gleichen hin oder her und das würde kein gutes Ende für Seamus bedeuten.
    Beras schwanden die Sinne, sein Blickfeld verengte sich weiter, bis es nur noch ein winziger Ausschnitt aus der schmerzerfüllten Welt zu sehen war. Eine abgenutzte Planke, auf der ein Stück Metall lag. Seltsam vertraut.
    Dann begriff Beras.
    Sein Clanabzeichen!
    Es musste von der Kordel gerissen sein, die er um den Hals trug!
    Seine Vergangenheit und seine Zukunft in den Staub getreten. Die Ehre seines Clans, den er nicht einmal kannte. Er griff danach, klammerte die Faust um das kalte Metall und zog es langsam zu sich hin. Keuchend wälzte er sich afu den Rücken und hob den Kopf etwas. Seamus befand sich in einem Wortgefecht mit Frederick und versuchten nun seinerseits den Steiner zu reizen, den Kreis der Gleichen zu brechen. Ein Vergehen auf dem nichts weniger als der gewaltsame Tod stand.
    Und Frederick sah aus, als wenn er kurz davor stand, dies zu ignorieren.
    Am anderen Ende des Decks sah Beras Ginny weinen. Sie hatte ihr Gesicht in dem Gewand ihrer Großmutter vergraben, und ihre Schultern bebten.
    Frederick stand davor sein Leben zu riskieren, Ginny war dem Zusammenbruch nahe, er selbst war zerschlagen und hatte mehr ausgehalten, als er sich selber zugetraut hatte. Während Seamus triumphierte und alle drei in das Verderben reißen würde. Frederick, ihn, Beras, und vor allem Ginny.
    Beras rechte Hand begann zu zittern, die Hand in der er das Amulett hielt. Es war schwer für seine Größe, massiv und stabil. Das Zittern wurde stärker, neue Kraft - die letzten Reserven flossen durch Beras Körper und dann griff er nach seiner Schleuder.
    Er richtete sich schwanken auf, unbemerkt von vielen und begann die Schleuder zu schwingen, das Amulett als Wurfgeschoss. Als er genug Schwung geholt hatte, sammelte er seinen letzten Atem.
    "SEAMUS!!!"
    Der Kelte drehte sich herum, als der Schrei des Jungen die Luft über dem Deck zerfetzte. Zwei Dutzend und mehr Augenpaare richteten sich verwundert auf Beras, der immer noch nicht besiegt war. In dem Moment, als Seamus erkannte, dass er seinen Gegner immer noch nicht zu Boden gezwungen hatte, war es auch schon zu spät für ihn. Das Amulett des Clan Kupfergräber überbrückte die geringe Distanz, durchschnitt die Luft und traf ihn mitten im Gesicht. Zähne splitterten, die Nase brach und Blut spritzte in alle Richtungen davon.
    Blut.
    Das erste Blut!
    Der Kampf war entschieden.
    Frederick und Llionel sprangen jubelnd in die Höhe, aus der Zuschauermenge dröhnte Applaus. Beras knickte ein und sank auf ein Knie. Die Schleuder fiel ihm aus der Hand und ihn verließen endgültig die Kräfte. Er sah nur noch, wie Ginny aus der Menge auf ihn zugerannt kam und ihn in die Arme schloss. Er nahm ihren Geruch war, ihre Wärme, danach folgte nur noch Dunkelheit.

  7. #82
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 49 - Land!

    Schmerzhaft drang helles Sonnenlicht in die Abgedunkelte Kabine und brannte in Beras Augen. Das linke war immer noch angeschwollen, aber wenigstens konnte er nun wieder damit sehen. Zuerst hatte er befürchtet, die zugeschwollenen und blutunterlaufenen Lider nie wieder auseinander bringen zu können. Doch dank seiner Anleitung war es Llionel gelungen aus einigen Kräutern eine Salbe zu mischen, die zwar roch wie das Hinterteil eines ziemlich toten Tieres, aber binnen von wenigen Tagen den Heilungsprozess so weit unterstützte, dass die Schwellung abklang und der Schmerz nachlies.
    Am liebsten hätte sich Beras von oben bis unten damit einreiben lassen.
    Nachdem er in den Armen seiner Liebsten zusammengebrochen war, hatten Llionel und Frederick ihn sofort in seine Kabine gebracht und ihn notdürftig versorgt - wie sie es auf den Schlachtfeldern gelernt hatten. Stets war einer seiner Gefährten an seiner Seite geblieben, um über ihn zu wachen. Außer, wenn sie dieses Ginny überließen. Diese Zeit dauerte dann zwar meistens nur kurz, aber es war eine Wohltat das Mädchen gesund und munter zu sehen.
    Seamus hatte ihr Sachen angedroht... Beras wollte nicht einmal darüber nachdenken. Doch er tat es und malte sich aus, was er alles mit diesem Feigling anstellen würde sobald er von seinem Krankenbett aufstehen konnte. Und mindestens zwanzig Zentimeter gewachsen war.
    Eine leise Stimme drang an Beras Ohr und holte ihn endgültig aus dem Schlaf.
    "Guten Morgen", sagte Ginny, beugte sich über sein Bett und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Eine der wenigen Stellen in seinem Gesicht, die nicht durch schmerzhafte Prellungen geschunden war. "Ich muss dir etwas zeige - steh auf!"
    Freude strahlte in ihrem Gesicht, ihre grünen Augen funkelten und blitzten lebhaft. "Frederick hat gesagt, du darfst aufstehen, wenn du dich kräftig genug fühlst. Komm schon!" Sie zog ihn die Decke weg. Einen Augenblick lang fragte sich Beras erschrocken, ob er überhaupt bekleidet war. Er hatte nicht gewagt sich übermäßig zu bewegen und nachzusehen. Ein Hemd trug er nicht, nur einen leidlich behelfsmäßigen Verband um die Brust. Im letzten Moment schien dieser Gedanke auch Ginny gekommen zu sein und sie bemühte sich zwanghaft die Wand hinter Beras anzusehen, doch zu seiner Erleichterung trug er noch immer die kurze Hose, die er schon beim Kampf gegen Seamus getragen hatte.
    Das lies ihn noch mehr schaudern, als der Gedanke, dass Ginny ihn hätte nackt sehen können. Er musste Frederick und Llionel dringend mehr über die Versorgung von Verletzten beibringen. Vor allem davon, dass eine Hose, die er nun schon mindestens vier Tage trug und in die er Blut und Schweiß - nein, glücklicherweise kein Blut - vergossen hatte, nicht die geeignete Kleidung für einen Verletzten war. Meister Garamanus war immer der Meinung gewesen, dass Kranke oder Verletzte jeden tag neue Kleidung bedurften und die alte Kleidung in einem Kessel mit kochendem Wasser gereinigt werden musste. Er nannte dies Infektionsgefahr.
    Ginny holte Beras wieder aus seinen Gedanken.
    "Puh, ich hatte schon fast gedacht, die hättest nichts an...", sagte sie grinsend.
    Irgendwie übernahm seine Zunge plötzlich die Selbstkontrolle, bevor sein Gehirn eingreifen konnte und brachte ein: "Was wäre denn so schlimm daran?" hervor. Erst lief Ginny rot an, dann er selber. Schließlich lachten sie beide, was ihm immer noch Schmerzen im Brustkorb bereitete. Dann stieg Beras schwankend aus dem Bett. Seine Beine fühlten sich wacklig an und Ginny musste ihn beim Gang durch die Kabine stützen, doch er kam voran und konnte einen Blick durch das Fenster erhaschen.
    Dort draußen, auf dem weiten blauen Meer lag ein grüner Klecks über dem Wolken schwebten.
    Land.
    Nicht das Keltenreich, sondern irgendwelche fremden Gestade!
    "Ein Ort auf den noch nie ein Kelte seinen Fuß gesetzt hat", stieß Beras hervor, doch dann korrigierte er sich schnell. "Ach, nein. Die Seeleute waren ja schon da."
    "Ist doch egal! Los komm mit nach draußen!"
    Sie zog den hinkenden Beras mit sich und achtete nicht auf seine leise Proteste. Als sich die Tür zum Oberdeck öffnete, war Beras noch immer von der Sonne des Wintermorgens geblendet, doch irgendwie war die Luft wärmer, als er es erwartet hätte.
    Ein Horn ertönte plötzlich über ihm und er zuckte erschrocken zurück.
    Llionel sprang von einer Kiste und blies erneut in ein kleinen Horn, dabei verursachte er einen Lärm, der auf dem ganzen Schiff zu hören war.
    Der Banditenkönig näherte sich Beras und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Das hast du gut gemacht. Besser, als alle es erwartet hätten. Wir sind alle sehr stolz auf dich." Damit wandte er sich wieder von Beras ab und der Menge zu, die innerhalb kürzester Zeit wieder auf dem Oberdeck versammelt war.
    "Ich bin der Zeremonienmeister", verkündete Llionel mit kraftvoller Stimme und auch ohne seinen alles verdeckenden Umhang sah er beeindruckend aus. "Ich erkläre diesen Ehrenhändel für beendet. Sieger ist Krieger Beras vom Clan Kupfergräber!"
    Das Trommeln von Waffen auf Holz erklang. Die Kelten erbaten ihm den Kriegersalut!
    Vielmehr noch. Der Stammesrat hatte auf ihn gewartet!
    Vor ihm saß Frederick in dem Dreieck aus Kohlepfannen, in denen nun nur noch Glut schwelte. Ebenso Ortang von den Frostfüchsen und Ronkell von den Eisbrechern. Llionel gesellte sich an Fredericks rechte Seite, Beras nahm vorsichtig und mit Hilfe von Ginny links neben dem Steiner platz.
    "Nachdem er seine Verantwortung im Ehrenhändel nicht mehr erfüllen muss, lege ich die Aufgaben des Zeremonienmeisters wieder in die Hände Fredericks vom Clan Steiner", verkündete Llionel und reichte Frederick das angeschlagen und zerkratz wirkende Horn, das dieser wieder an seinem Gürtel befestigte.
    Er besah sich die Runde, diesmal ohne Ortangs Weib Melva, und nickte dann gelassen.
    "Wir haben einen harten Kampf gesehen, in dem der würdigere Krieger gewonnen hat. So lasst uns ihn hiermit in unserer Runde endgültig willkommen heißen. Ich erkenne Beras vom Clan Kupfergräber!" Zustimmendes Gemurmel kam von den drei anderen Stammesältesten und Beras wurde schon wieder rot. Frederick sah darüber hinweg und erhob sich.
    "Dort draußen liegt Land. Der Kapitän sagte mir vorhin, dass wir um die Mittagszeit dort sein werden. Ich will mit einem Erkundungstrupp an Land gehen. Ich erbitte die Stammesältesten Freiwillige aus ihren Clans zu mir zu schicken."
    Mit einem Handzeichen erbat Ronkell das Wort und Frederick erteilte es ihm mit einer ebenso schlichten Geste.
    "Herzog Frederick", sprach er ihn in formellen Ton an, der deutlich davon zeugte, dass er vom Auftreten Fredericks und vor allem dem Sieg des jungen Beras schwer beeindruckt worden war. "Ich vermute, dass ein jeder sich freiwillig melden wird, wenn ihr den Aufruf dazu startet. Nennt einfach die Männer, die Euch begleiten sollen. Aus meinem Clan wird sich niemand streuben."
    "Wie sehe ich das bei den Anderen", fragte Frederick mehr formell, als um eine wesentlich andere Antwort zu provozieren. Beras und Llionel sprachen zwar auch für ihren Clan, aber nur für sich selber. Und Ortang wagte nicht zu widersprechen. Lächelnd nickte Frederick und ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht.
    "Damit ist das geklärt. Ich werden mich bei Euch allen melden. Der Stammesrat ist damit vertagt!"
    Eilig zogen sich Ortang und Ronkell zurück, Beras eilte zu seiner Liebsten. So blieben nur Frederick und Llionel übrig und wechselten einen langen und bedeutungsschweren Blick.
    "Es war sehr gefährlich den Erfolg deines Plans von Beras abhängig zu machen", meine der Banditenfürst leise. "Nicht so sehr für den Erfolg, als für den Jungen selber. Er hat Einiges einstecken müssen."
    Frederick sah seinen Gefährten an und legte einen zustimmenden Gesichtsausdruck auf.
    "Es war hart, was Beras ertragen musste, dafür ist er nun ein Mann und niemand wird dem widersprechen. Vor allem wird mir hier niemand so schnell mehr widersprechen und das ist das Ziel gewesen. Das alleine. Als nächstes, mein Freund, hast du mir herauszufinden, wer von den Seeleuten erst in Lugdunum angeheuert hat. Und sag Thorval er soll nochmal alle Klingen schärfen. Wir werden sie bald brauchen."

  8. #83
    Papierchenschweizer Avatar von Aterianer
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  9. #84
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    Meinen aufrichtigen Dank und Applaus fuer diese gelungene und fesselnde Story.
    Ich bin jeden Abend erfreut oder konsterniert, wenn ich auf diesen Thread besuche und auf einen neuen Beitrag von Dir hoffe.

    Dankeschön und meinen tiefen Respekt, ob der klasse und der Mühe...

  10. #85
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Bei solch hohem Lob, muss ich ja weiter machen Vielen Dank.

    Das nächste Update folgt.

  11. #86
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 50 - Landgang

    Als die Mittagszeit angebrochen war, hatte das Schiff mit den Kelten das fremde Eiland erreicht. Saftiges grün leuchtete ihnen entgegen, die Temperaturen waren hier wärmer, als im keltischen Nordmeer und mit jedem Meter, den das Schiff näher an die Insel kam, stieg die Temperatur noch etwas weiter. Ahab hatte es erklärt. Ein Strom warmen Wassers aus dem Süden kam hier um den Rand von Keltia herum. Er erwärmte das Nordmeer nicht mehr, jedoch die Gewässer um eben jene Insel und so war das Klima hier deutlich milder, als in Lugdunum.
    Nahe einer Landzunge ließen die Seeleute den Anker fallen und bereiteten zwei Beiboote für den Landgang vor. Auf Anraten von Llionel hatte Frederick als Besatzung für die Boote die sechs Seeleute genannt, die erst in Lugdunum an Bord gekommen waren. Dazu kamen Collin, Thorval, Llionel und Ronkell sowie er selber. Diese Gruppe sollte die Insel erkunden und sichern. Außerdem noch Melva, Ginny, zwei weitere Frauen aus Entremont sowie Beras, die den Strand und die nähere Umgebung nach Nahrung und Frischwasser absuchen sollten. Ihnen waren zum Schutz die sechs Seeleute zugeteilt.
    Um in einem Notfall noch Verstärkung holen zu können, hatte Ortang den Befehl bekommen mit den vier verbliebenen Kriegern, darunter auch der immer noch nicht vollständig genesene Seamus, das letzte Beiboot auszurüsten und auf ein Signal hin sofort vom Schiff zur Insel über zu setzen. Außerdem waren sie die Garantie dafür, dass Ahab nicht sofort die Insel verlies.
    Zwar hätte Frederick es für sinnvoller erachtet, Llionel an Bord zu lassen, um den Kapitän im Auge zu behalten, doch Ortang hatte so viel einstecken müssen, dass er nun wieder aufgebaut werden musste. Wenn er den Auftrag gut ausführte, dann würde seine Selbstachtung und die Achtung der anderen Kelten ihm gegenüber wieder wachsen. Außerdem würde er Frederick für dessen Unterstützung dankbar sein. Das würde seine Loyalität sichern und nicht nur seine Unterwerfung.
    Dennoch hatte Llionel empfohlen, um Ortang von jedem Gedanken auf heimliche Rache zu befreien, dessen Frau und Ginny der Erkundungsgruppe zuzuteilen. Die Zuteilung des Mädchen war einmal eine Geste, die Beras galt und seinem kampf Anerkennung zollte, gleichzeitig war es ein Vertrauensbeweis für Ginny und ein Dank, den sie für ihre Wachstunden am Bett ihres verwundeten Liebsten verdient hatte. Darüber hinaus würde Ortang seine Enkelin nicht so einfach zurücklassen.
    Für seine Frau sollte Ähnliches gelten, obwohl Frederick die beiden heftig hatte streiten hören. Sie schien sich auch der Tatsache bewusst, dass sie eine Geisel war, die den Anstand ihres Mannes sichern sollte, doch Frederick übergab ihr noch an Bord die Leitung über ihre Gruppe. Nur für die Sicherungsaufgaben musste sie sich mit den Seeleuten abstimmen. Ein Friedensangebot und eine weitere Chance, wie jene, die Ortang gegeben wurde. Es war gut, die beiden Frostfüchse wissen zu lassen, wer die Macht in ihrer Gruppe hatte und wie schwer ein Vorgehen gegen diese Macht geahndet werden würde. Doch sie waren zwei von nur knapp zwei Dutzend Kelten und somit unverzichtbar für das Gelingen ihrer Mission. Sie zu verstoßen wäre dumm gewesen.
    Seamus war eine andere Geschichte.
    Kaum hatte der Stammesrat geendet, war der immer noch arg angeschlagene Krieger aufs Deck gewankt und hatte Beras heftig bedrängt. Doch der Junge hatte sich verändert, seit er den Kampf hinter sich gebracht hatte. Zwar brauchte er noch immer einen Augenblick, um seine Verwunderung und auch den Mantel der Furcht abzuwerfen, doch dann sah er Seamus in die Augen, spieh ihm ins Gesicht und trat ihm zwischen die Beine. Als der Krieger jaulen auf die Knie sank, griff Beras mit einer Hand nach der gerochenen Nase, drückte hefitg zu und schickte seinen Gegner in einen Alptraum aus Schmerzen. Es dauerte fast zehn Minuten, bis sich Seamus wieder halbwegs aufrichten konnte.
    Entweder hatte er nun gelernt, das es nicht ratsam war Beras zu attackieren. Und sollte er es in einem unbedachten Moment des Jungen dennoch versuchen oder ihn durch seine überlegene Körperkraft und Größe einfach keine Chance lassen, dann hatten Frederick und Llionel vereinbart, Seamus den Wellen zu überlassen.
    In Stücken.
    Sie wollten mit einem Finger anfangen und sich langsam weiter vorarbeiten. So hätte der Mistkerl noch gut und gerne ein bis zwei Chancen, ohne das aus ihm ein Krüppel würde. Und selbst, wenn die Finger notwendig waren ein Schwer zu halten, würden auch ein oder zwei verlorene Zehen ihn nicht kampfunfähig machen.
    Aber das waren Gedanken für andere Tage, ermahnte sich Frederick, als sein Beiboot sich langsam dem Strand näherte. Ein Schlag traf den Rumpf, dann waren sie angekommen. Um das Heck des Beibootes und die Flanken wogten noch immer kleine Wellen, der Bug hingegen war einen guten Meter weit auf den Strand geschoben worden. Nun sprang der Steiner in den Sand, der unter seinen Stiefeln nachgab. Wellen umspielten seine Füße und er stapfte mit kräftigen Schritten vorwärts. Festes Land unter seinen Füßen! Nach drei Wochen auf See ein sehr angenehmer Eindruck. Nichts wackelte hier oder warf sich von links nach rechts.
    Einige der Kelten, hauptsächlich die Frauen sanken kurz auf die Knie und machten beschwörerische Gesten, die wohl sowohl Geister und Dämonen vertreiben sollten, als auch Dank für die Erlösung von der Enge des Schiffes waren. Und für die... Stabilität.
    "Ich hatte schon befürchtet, ich würde nie wieder aufhören breitbeinig zu laufen, um mein Gleichgewicht zu bewahren", murmelte Llionel halblaut. "Das Meer ist schön, aber festes Land ist mir lieber."
    Zustimmendes Gemurmel kam von vielen der Keltenkriegern, die schon ihre Waffen zückten. Sie hatten die Anweisung bekommen auszuschwärmen und alle Gefahren zu beseitigen. Die Kelten wollten hier ein Lager aufschlagen und dann weiter ziehen.
    Die Bezeichnung Insel war insoweit auch falsch, wie Ahab schon früh berichtet hatte, da diese Insel ein vorgeschobene Stück Land war, das über einen rauen Kamm aus Geröll und dürrer Vegetation mit einem Hauptkontinent verbunden war. Allerdings waren die Seeleute nie sehr weit die Küste heraufgefahren, denn das Geröll zog sich auch unterirdisch weiter und bildete einen Wall aus scharfen Klippen. Doch die hier einheimischen Sildkröten waren eine gute Nahrungsquelle, hatte der Kapitän berichtet und wurden von ihm gelgentlich an Dörfer im Nordwesten von Keltia verkauft. Dort gediehen sie zwar nicht gut und gingen schnell ein, doch wenn er ein trächtiges Weibchen erwischte, war der Bauch des Tieres meistens mit vielen Eiern gefüllt, die gekocht sehr gut schmeckten.
    Wenigstens diese Information schien richtig gewesen zu sein, denn viel mehr Positives konnte Frederick nicht mehr an Ahab finden. Deshalb waren auch die sechs Seeleute hier, die mit dem Transport der Rosanen nichts zu tun hatten. Sie würden verschont werden, mussten aber erst einmal auf Frederick und die übrigen Kelten eingeschworen werden. Sofern auch nur ein Funken Anstand in ihnen war, würden sie trotz der schwere der Anklage gegen Ahab, wenigstens einen Augenblick lang loyal zu ihrem Kapitän stehen. Wenn nicht sogar noch länger.
    Als die Seeleute einen Ring vor den Frauen gebildet hatten, um diese vor Gefahren aus dem vor ihnen liegendem Unterholz zu schützen, gingen diese langsam los, um Feuerholz zu sammeln und Büsche und Sträucher auf essbare Früchte zu untersuchen. Das sie sich mit den Frauen befassen mussten, war Absicht. Melva war schon einige Tage älter und Ginny wurde von Beras begleitet, dessen Ruf an Bord inzwischen bekannt war, doch die beiden anderen Frauen waren ohne feste Bindung und die Seeleute waren bis auf eine Ausnahme noch relativ jung.
    "Wann beginnen wir", fragte Llionel.
    "Lass sie noch etwas weiter in den Wald gehen, dann kommen wir hinterher."
    Nachdenklich betrachtete Frederick das grüne Dickicht vor sich. Eine schöne Insel, hier könnte er es sicher eine Zeit lang aushalten. Das war auch der Plan. Ahab und seine Crew von Verrätern töten, lernen das Schiff zu steuern - dafür brauchten sie die sechs Seeleute - eine Schmiede und Hütten bauen und den Winter hier verbringen, um die Stürme auf dem Meer zu meiden. Nach einem halben Jahr würden die sozialen Bindungen zwischen den Kelten gefestigt sein und die ersten Familien würden sich formen. Frederick war immer noch froh darüber, dass unter den Familien aus Lugdunum viele Frauen und Mädchen waren. Sonst hätte es ein ernstes Problem geben können. Im Moment gab es fünf feste Paare. Dazu neun Mädchen und Frauen in Heiratsfähigem Alter und Llionel, Thorval und Frederick sowie drei weitere Krieger, die ungebunden waren. Bei den Kindern gab es ein etwas ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen. Mit den sechs Seeleuten würden zwar wieder einige Krieger ohne Weib bleiben müssen, doch das war schon zu schaffen.
    Es gab nicht nur Rache zu bedenken, die Strafe der Verräter an Bord des Schiffes, das Finden von Verbündeten im Kampf gegen die Rosanen, sondern auch die Zukunft seines Volkes. Der Männer und Frauen, die ihn begleiteten. Elf Männer - Beras mitgerechnet - vierzehn Frauen. Sie mussten das neue Keltia begründen.
    "Sie sind weit genug im Wald. Lass uns beginnen!"

  12. #87
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 51 - Landgang II

    "Zieht blank", befahl Frederick und seine Begleiter griffen nach ihren Waffen. Llionel zog seine Dolche, Thorval legte einen Streitkolben in beide Hände, Collin präsentierte sein Schwert, Ronkell und Frederick griffen nach ihren Äxten. Sie eilten geschlossen in den Wald, gingen die Formation der Seeleute von der Seite an und wählten mit Bedacht den Maat Denbar als ihr erstes Ziel aus. Dieser war der Älteste unter den Seeleuten, war deutlich kräftiger als sie und einige Narben in seinem Gesicht zeigten, dass er nicht zögerlich war, in einen Kampf zu gehen.
    Als erster näherte sich Ronkell und grüste den Seemann leise, der darauf hin sofort zu dem Stammesältesten der Eisbrecher kam. Ein kurzer Wortwechsel folgte, der augenblicklich unterbrochen wurde, als Denbar zwei leichte Stiche in seinem Kreuz spürte. "Eine Bewegung und ich töte dich, Seemann", flüsterte Llionel. "Waffe fallen lassen." Einen Moment lang wog Denbar die Möglichkeiten ab, die ihm blieben, dann lies er die Hände sinken, öffnete die Faust, die sein Entermesser hielt und starrte Ronkell böse an. Die Klinge fiel auf den Boden.
    "Mann, ich dachte wir wären Freunde! Was soll das?"
    Frederick trat durch das Buschwerk und musterte Denbar. "Das wirst du sehen. Wer ist der nächste in der Reihe?"
    "Madragor vom Clan der Seeleoparden", antwortete Denbar gepresst. Sein ledriges Gesicht verzog sich immer mehr und sein Widerwille wurde deutlich. Llionel musste mit seinen Dolchen harte Überzeugungsarbeit leisten.
    "Ruf ihn her. Nur ihn, verstanden", knurrte der Banditenkönig in das Ohr seines Gefangenen. Danach drehte er Denbar so, dass ein Neuankömmling nicht sehen würde, was los war. Der Maat fluchte und spieh üble Beschimpfungen aus.
    "Ja, und deine Mutter war eine Heilige! Jetzt ruf den Mann her!" Ein Messer stach in das Fleisch über der linken Niere und hinterlies einen blutigen Striemen.
    Mit einem Seufzen kam Denbar der Anweisung nach und kurz darauf trat ein junger Kelte mit dünnem Bartflaum und grauen Augen aus dem Dickicht. "Was ist los? Ich dachte wir sollten die Frauen.... Was?"
    Hinter ihm trat Throval aus dem Unterholz und drückte ihm den Streitkolben ins Kreuz.
    "Kein Laut und vortreten. Langsam! Und lass die Axt fallen!"
    Nach vier weiteren Wiederholungen waren die Seeleute versammelt, entwaffnet und sehr missmutig. Kurz schienen sie zu überlegen, ob sie ihre Überzahl ausnutzen und gegen die Kelten kämpfen wollten, die zwar bewaffnet aber einer weniger als sie waren. Doch als die Frauen begleitet von Beras zu den Männern stießen und die Schwerter und Äxte der Seeleute aufhoben und sie damit ebenfalls bedrohten, wich ihr Widerwille akuter Verwunderung.
    "Willst du uns nun mal verraten, was dieser Hinterhalt hier zu bedeuten hat, du gottverdammter...", erklang die raue Stimme von Denbar, doch sie wurde von einem handfesten Argument unterbrochen. Direkt in den Stamm des Baumes, neben dem der Maat stand, schlug eine geworfene Axt ein. Die Klinge bohrte sich mehrere Zentimeter in die Rinde und der Axtstiel vibrierte mit einem markanten Geräusch vor sich hin.
    "Das", sagte Frederick und deutete mit einer Hand auf die Axt, die wie von Zauberhand unter Llionels Mantel aufgetauch war. "Ist die Waffe eines Kriegers der Rosanen!"
    Mit gebanntem Blick folgten die sechs Seeleute dem ausgesteckten Finger des Steiner und begannen die Axt intensiv zu mustern. Einige erkannten die Art der Waffe wieder, zumal es genug Rosane in Lugdunum gegeben hatte.
    "Wie mich mein Freund Llionel informiert hat, hat er diese Axt an Bord gebracht, aus reinem Zufall. Durch einen weiteren Zufall konfrontierte er damit euren Kapitän Ahab und hat eine interessante Erkenntnis gewonnen."
    Frederick verstummte, trat bei Seite und überlies Llionel das weitere Reden. Der Banditenkönig wiederholte in kurzen Worten, was am ersten Abend auf See in der Kapitänskajüte geschehen war. "Der Kapitän hat mir gegenüber eindeutig zugegeben, dass er Rosane Truppen den Stallion herauf an die Küste transportiert hat. Eben jene Truppen, die kurze Zeit später in Lugdunum eingefallen sind!" Er vollzog eine Drehung auf den Fußballen und starrte in den Wald, bevor er sich wieder den gefangenen Seeleuten zuwandte.
    "Ich erzähle Euch das alles, weil ihr erst in Lugdunum an Bord gekommen seid und ich davon ausgehe, dass ihr nichts von diesem Verrat gewusste habt. Ich habe mit vielen von Euch in der letzten Woche intensive Gespräche geführt, ebenso wie Ronkell und Thorval. Das ist der Grund, warum ihr noch am Leben seid."
    Llionel trat einen Schritt zurück und lehnte sich an den Stamm eines Baumes, nickte Frederick zu und überlies ihm wieder das Reden.
    Sie hatten dies nicht geprobt, es gab nur die kurze Absprache, dass Llionel persönlich von den Vorfällen in der Kapitäsnkajüte berichten sollte. Dennoch ging der Wechsel zwischen ihnen so reibungslos vor sich, als hätten sie lange dafür geübt.
    Die Anspannung bei den Seeleuten wuchs, ebenso ihr Entsetzen. Bisher hatten sie immer noch nicht herausfinden können, warum sie von ihren eigenen Leuten gefangen und entwaffnet worden waren. Denbar schien allmählich zu begreifen worum es ging, sein ledernes Gesicht hatte den wütenden Ausdruck verloren, die er aufgesetzt hatte, nachdem er von Llionel unsanft dazu überredet worden war, ihnen bei ihrem Hinterhalt zu helfen. Vielmehr zeigte es nun Abscheu und Verachtung.
    "An Bord des Schiffes befinden sich vierzig Seeleute, die ihr Volk verraten haben und unserem Feind bei der Invasion unseres Landes Unterstützung geleistet haben! Wir haben vor sie für ihren Verrat zahlen zu lassen - mit ihrem Blut und ihrem Leben! Ein jeder von Euch wird mir hier auf seine Ehre und auf sein Überleben einen Schwur leisten, dass er uns helfen wird, die Verräter zu töten! Jeder der dieses verweigert wird an Ort und Stelle sterben!" Er zog seine Axt vom Gürtel und präsentierte die Klinge im Sonnenlicht, das durch den dichten Blätterwald grünlich wirkte.
    "Entscheidet jetzt! Und entscheidet weise!"
    Llionel, Collin, Ronkell, Thorval und Beras nahmen ihre Waffen ebenfalls wieder in die Hände und richteten sie drohend auf die sechs Seeleute. Diese standen perplex vor den kampfbereiten Kelten, starrten diese an wie Kaninchen vor einer Horde Schlangen.
    "Nur damit ich das richtig verstehe", warf Denbar ein, zog die Nase hoch und spieh vor seine Füße. "Ihr wollt den Kapitän und die gesamte Mannschaft aufknüpfen?" Er musterte die sechs Bewaffneten vor sich. "Ja, das traue ich euch zu. Aber habt ihr auch nur einen Moment daran gedacht, dass dieses Schiff nicht nur von sechs Seeleuten gesteuert werden kann? Ihr werdet hier nicht wieder fort kommen!"
    Ein Lächeln trat auf Fredericks Gesicht. Denbar schien der Mann zu sein, als der er von Llionel beschrieben worden war. Ruppig, rau, manchmal etwas zu konservativ in seinem Denken, aber von wachem Geist und erfahren.
    "Wir werden vorerst hier bleiben. Den Winter abwarten. In dieser Zeit werden wir zur Ruhe kommen, unsere Wunden versorgen, neue Waffen schmieden, Vorräte ansammeln - und lernen, wie man ein Schiff steuert. Ihr werdet uns das beibrigen!"
    Denbar verschränkte die Arme vor der Brust. "Das habt ihr euch schon alles gut überlegt, wie ich sehe." Ein grimmiger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. "Bei den Göttern, wenn Ahab unser Volk an Rosane verraten hat, dann werd ich ihn an der höchsten Rah aufhängen! Ich bin dabei!"
    Nur wenige Minuten später hatten die Seeleute ihre Waffen zurück. Keiner hatte es abgelehnt gegen Ahab ins Feld zu ziehen. Etwas anderes hätte Frederick auch nicht erwartet.
    Und auch nicht toleriert.
    Schnell machten sich beide Gruppen daran ihre eigentlichen Aufgaben auszuführen, die Insel grob zu erkunden sowie Feuerholz und Nahrungsmittel zu sammeln. Nur wenige Schritte Fußmarsch von dem Ort entfernt, an dem der Hinterhal gelegt worden war, befand sich eine Lichtung im Wald, kurz dahinter sprudelte eine kleine Quelle und Beras hatte es geschafft mit seiner Schleuder ein Reh zu erlegen. Die Frauen waren mit einigen Hände voll Holz und Früchten zurück an den Strand gekommen. Sie beluden die Beiboote, wie sie es schon an Bord angekündigt hatten, und setzten wieder Kurs auf das Schiff. Grimmige Entschlossenheit zeigte sich in den Gesichtern, sie würden an Bord gehen, die dort befindlichen Seeleute damit beauftragen die Fracht aufzunehmen und dann losschlagen. Sie waren sich bewusst, dass der Gegner drei zu eins in der Übermacht war und sie Frauen und Kinder an Bord hatten, die geschützt werden mussten. Letzteres war ebenfalls an Ortang delegiert worden. Er sollte alle Familien in eine Kajüte bringen, diese mit Dolchen und Knüpplen ausrüsten und von zwei Kriegern bewachen lassen. Er selber und Seamus sollten zu Ahab gehen und diesen in ein Gespräch verwickeln, sobald die Beiboote wieder in die Nähe des Schiffes gelangten.
    Auf ein Zeichen würden sie gemeinsam gegen die Verräter vorgehen. Auf deren Territorium, in gefährlicher Unterzahl, Frauen und Kinder in der reichweite gegnerischer Schwerter. "Heute Abend öffnen wir die Lagerräume", knurrte Frederick. "Ich weiß, wo dieser Bastard Ahab den Met und das Bier versteckt hat!"
    In ihrem aufkommenden Kampfrausch und benebelt von Wut und Adrenalin bemerkten sie nicht die Gestalt, die leise über den Strand schlich, als die Beiboote abgelegt hatten.

  13. #88
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    Gespannt warte *sabber*

    Edith meint, dass ein Sabber-Smiley auch ned schlecht wär

    Zwar nicht so gut, aber immerhin
    Zitat Zitat von Paul McCartney
    And in the end
    the love you take
    is equal to the love
    you make.

  14. #89
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 52 - Mann gegen Mann

    Ortang von den Frostfüchsen fühlte sich nicht sehr wohl bei seiner Aufgabe. Er hatte den Befehl bekommen, Ahab zu bewachen und auf Kommando gegen den Kapitän des Schiffes loszuschlagen. Frederick hatte ihm mitgeteilt, welche Gründe für eine Meuterei sprachen und Ortang war nur zu gerne bereit, die Verräter, die es gewagt hatten feindliche Truppen nach Lugdunum, seiner alten Heimat zu bringen, zu töten. Dennoch wünschte er sich für dieses Unterfangen mehr Unterstützung als nur Seamus.
    Sicher, Soren und Opem, zwei Krieger aus dem Eisbrecher-Clan, standen bei den Familienquartieren Wache, doch aus diesem Grund konnte er die beiden Männer dort nicht abziehen. Und Seamus würde er die Sicherheit seiner Familie nicht anvertrauen. Jedenfalls von dem Teil, der noch an Bord war. Melva und Ginny befanden sich in der Obhut der Krieger um Frederick und selbst wenn Ortang noch immer schlechte Laune hatte wegen des Ältestenrates, des Ehreduells und aller daraus entstandenen Folgen, so machte er sich um die Sicherheit seiner Frau und Enkeltochter keine Sorgen.
    Mit einem Blick zur Insel sah er, wie die beiden Beiboote wieder Kurs auf das Schiff nahmen. Ein Eingreifen im Notfall war jetzt unwahrscheinlich, also winkte er Seamus zu ihm zu folgen, und machte sich auf den Weg zu Ahab. Dieser wartete auf der Brücke, die am Heck des Schiffe noch über das Oberdeck aufragte. Dort war das große Steuerrad zu finden, ebenso der Eingang zur Kapitänskajüte, die größer war als drei der normalen Quartiere zusammen. Ortang erstieg die vierstufige Holztreppe zur Brücke, nickte dem Steuermann kurz zu, als dieser ihn musterte und suchte nach dem Kapitän. Seamus folgte ihm.
    Ahab stand im Eingang zu seinem Quartier und tauschte sich mit einem Matrosen aus, der hin und wieder das Steuer übernahm, also nicht sehr weit unten in der Schiffshirarchie zu stehen schien. Bisher hatte Ortang diese noch nicht verstanden und in einigen Augenblicken würde sie auch keine Rolle mehr spielen. Mit einer auffälligen Geste grüßte der Frostfuchs den Kapitän, um sich dessen Aufmerksamkeit auch sicher zu sein. Menschen erkannten Gefahr selten, wenn sie ihnen direkt ins Gesicht sprang, das hatte Ortang in seinem Leben gelernt. Selbst gute Krieger witterten hinter jedem Busch einen Feind, doch ließen sie einem Vertrauten sehr oft gefärhlich nahe an sich heran. Ortang hatt so einen Bruder und seinen Vater verloren, als ein entfernter Vetter sich sein Elternhaus und den Wohlstand seiner Familie unter den Nagel reißen wollte. Niemand hatte den Vetter verdächtigt, es hatte eine Hexenjagd gegeben und beinahe wäre ein Unschuldiger gestorben, bis Ortang selbst, damals gerade sechzehn Sommer alt, bemerkte, wie der Vetter in das Zimmer seiner Schwestern schlich. Nervös und zitternd hatte Ortang die schwere Axt seines Vaters genommen, die mit schwarzer Trauerflor geschmückt, neben dem Treppenaufsatz stand, war dem Vetter hinterher geschlichen und hatte ihn in einem harten Handgemenge erschlagen.
    "Ahab! Seht, die Männer sind zurück", rief Ortang also aus voller Kehle und deutete auf die Bucht hinaus. Ahab beendete das Gespräch mit seinen Matrosen und näherte sich dem Frostfuchs mit einem dünnen Lächeln.
    "Sie scheinen einige Sachen von der Insel mitgebracht zu haben, ihre Boote haben mehr Tiefgang."
    Ortang runzelte die Stirn und versuchte herauszufinden, ob der Kapitän wohl Recht hatte. Als er keine Veränderung zur Abfahrt feststellte, wandte er sich dem bärtigen Ahab zu und zuckte mit den Achseln.
    "Das kann ich nicht sehen. Aber ich beuge mich Eurem geschulten Auge." Er räusperte sich. "Wollen wir einige Männer zum Abladen abstellen? Wenn sie doch beladen sind, wie ihr sagt."
    Wortlos nickte Ahab, gab einen knappen Befehl weiter und schon machten sich zwei Mann von der Brücke und zwei weitere vom Unterdeck auf den Weg zu den Winden, an denen die Beiboote heraufgezogen wurden. Sie würden beschäftigt sein. Und nicht zwischen Ortang und Ahab stehen. Nun war es immerhin nur noch ein fünf zu zwei, damit sollte ein erfahrener Krieger fertig werden. Zumal er schnell Unterstützung erwartete.
    Er wechselte einige weitere belanglose Worte mit dem Kapitän, dann hörte er ein Rumpeln an der Schiffswand, als beide Boote zeitgleich an Bord gezogen wurden. Die Matrosen kämpften mit den Winden und wirkten erschöpft, als der Erkundungstrupp über die Reeling auf das Oberdeck kam. Frederick hatte sein Horn in der Hand, erkannte Ortang. Bald würde es los gehen. Er warf einen Blick zu Ahab, Seamus und den vier Seeleuten auf der Brücke und lies die Hand langsam zu seiner Axt sinken. Er strich sanft über den Schaft der Waffe und senkte den Kopf leicht, seine Augenlider schlossen die Augen zu dünnen Schlitzen. Er sah, wie Frederick das Horn an den Mund führte, wie der Erkundungstrupp wie in Zeitlupe nach seinen Waffen griff. Der Steiner holte Luft und blies in das Horn, ein greller Signalton erklang und zerfetzte die Stille der schwülen Luft über dem Schiff.
    Dann bewegte sich die Zeit wieder normal. Ortang schloss die Faust um seine Axt, zog sie aus dem Gürtel und wandte sich sofort dem ersten Mann zu, der neben ihm stand. Unbewaffnet und ohne Chance zu reagieren schlug die Klinge der Keltenaxt auf den nackten Oberkörper des Seemannes ein, riss eine klaffende Wunde auf seinem Brustkorb, brach Rippen und schob diese in seine Lungenflügel. Ein weiterer Schlag, der den zusammensackenden Mann an der Schläfe traf, brach dessen Schädel. Ein Strom aus Blut ergoss sich aus Nase und Mund, noch bevor er auf dem Boden aufschlug.
    Schon stellte Ortang den nächsten Mann, der sich schützend vor den Kapitän geworfen hatte. Dieser war nur mit einem dünnen Hemd bekleidet, schwang jedoch ein glänzendes Entermesser. Messer war ein Euphemismus, die Waffe des Seemannes konnte es gut mit jeden Schwert aufnehmen, das schon auf Ortang gerichtet worden war. Diesmal war es Ortang, der sich gegen heftige Angriff zur Wehr setzen musste, als der Seemann vorrückte. Wild kreisende Bewegungen mit seinem Schwert durchschnitten die Luft vor Ortang und plötzlich brannte ein stechender Schmerz an seinem linken Arm. Er war getroffen worden, das Entermesser war von dem Lederpanzer abgeglitten und hatte eine blutige Wunde am linken Oberarm hinterlassen. Es war ein Fehler gewesen einer Übermacht ohne Schild gegenüber zu treten, doch das hätte ihn nur verraten. Jetzt musste er mit den Kosnequenzen leben.
    Der Matrose grinste Ortang boshaft an.
    "Na, alter Mann! hast du Schmerzen?"
    Er schlug noch eine Finte, Ortang zuckte zurück, dann stach er zu.
    Doch er rechnete nicht mit der Reaktion des Kriegers.
    Ortang schoss vor, schlug mit dem linken Arm nach der Klinge und traf die flache Seite. Metall ritzte in seinen Arm, doch er stand mit erhobener Axt vor dem Seemann und schlug ihm das Lächeln aus dem Gesicht. Das Axtblatt sauste auf den Nasenrücken nieder, drückte diesen in den Kopf des Seemannes hinein und verkantete sich an irgendwelchen Knochentrümmern. Mit einem Ruck befreite Ortang seine Axt, riss ein Jochbein mitsamt Auge aus dem zersplitterten Schädel und wurde in ein Blutfontäne gehüllt.
    Ein kurzer Blick zur Seite sagte ihm, dass Seamus mit den beiden anderen Männern beschäftigt war und diese mit seinen Schwertkünsten arg in Bedrängnis brachte. Jedenfalls im Moment noch - doch er fing schon wieder an seine Gegner zu unterschätzen und mit ihnen zu spielen. Ein gefährlicher und dummer Charakterzug.
    "Mach sie tot, Seamus! Spiel nicht rum", befahl Ortang und wandte sich dem Kapitän zu. Dieser war zur Tür seiner Kajüte geeilt, hatte diese jedoch nicht betreten. Er versuchte krampfhaft eine Kiste zu öffnen, als Ortang ihn schon fast erreicht hatte. Hektisch fingerte der Kapitäm am Schloss herum und war sich der tödlichen Gegenwart Ortangs nur halb bewusst.
    Dessen Axt sang das Lied des Blutes, es hallte in Ortangs Ohren wieder. Doch bevor er seine Waffe in den Körper des Verräters versenken konnte, hatten zwei weitere Matrosen die Brücke erreicht.
    Beide hielten auf Ortang zu, weil sie Seamus beschäftigt glaubten, doch der junge Kelte entledigte sich seiner beiden Gegner mit einem blutigen Streich, der Gedärme auf die Brücke klatschen lies, nur Sekunden später folgten die zuckenden Körper ihrer vorherigen Besitzer. Dann schwang der immer noch von seinem Zweikampf gezeichnete Kelte herum, lies seinen Schwertarm immer länger werden, und schlug einem der beiden neuen Matrosen eine tiefe Kerbe in den Oberschenkel.
    Der Mann stürzte der Länge nach zu Boden, rappelte sich aber schnell wieder auf und ging nun mit deutlicher Vorsicht gegen Seamus vor. Ortang traf auf den zwei Seemann. Ein untersetzter Kelr mit einem breiten Kreuz, der nur einen einfachen Knüppel in der Hand hielt. Zwei Hiebe parierte Ortang mit der Axt, dann traf ihn das Holz in die Seite. Ein stechender Schmerz deutete darauf hin, dass einige Knochen nicht mit dieser Art der Behandlung einverstanden waren und das Atmen wurde schwieriger.
    Es war nicht nur ein einfacher Knüppel erkannte Ortang in einem Moment schmerzerfüllter Klarheit. Viele Kerben waren in den massiven Holzkopf geschlagen. Und der Frostfuchs schien zu wissen, wofür eine jede Kerbe stand.
    Er wollte nicht auch zu einer Kerbe in dem Holz werden. So schnell er noch konnte, drängte er nach vorne und teilte gewaltig aus. Drei kurze Salven von jeweils vier Axtschlägen ließen den Seemann zurückweichen. Der letzte Schlag saß voll, traf den Knüppel, den der Mann mit beiden Händen gepackt hatte und brach ihn in der Mitte durch. Entsetzt auf seine zerstörte Waffe starrend, hatte der Seemann kaum Zeit zu reagieren. Die Axt des Frostfuchses senkte sich gegen den Hals des Untersetzten, doch im letzten Moment lies dieser sich fallen und entging dem tödlichen Schlag. Kaum auf dem Boden angekommen, sprang er auf die Beine und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf Ortang. Eine Schulter traf den Frostfuchs in der Magengegend und sämtlicheLuft wich auf einen Schlag aus seinen Lungen.
    Beide Männer torkelten zurück, bis Ortang gegen die Wand der Kapitänskajüte gedrückt wurde. Schwärze breitete sich in seinem Blickfeld aus. Die kräftigen Arme des Seemannes schlossen sich um seinen Brustkorb und versuchten die Rippen zu brechen. Die bereits angeschlagenen Knochen protestierten mit heißem Schmerz. Verzweifelt versuchte Ortang die tödliche Umarmung zu brechen. Er warf sich hin und her, sein Kopf zuckte nach links und nach rechts. Bei einer der Bewegungen nahm er wahr, was der Kapitän aus seiner Kiste geholt hatte:
    Einen Bogen - jedenfalls so etwas ähnliches. Kompakter und schwerer wirkte es. Er spannte mit einer Kurbel die Sehne oder irgen etwas anderes. Ortang konnte keine Sehne erkennen. Aber ihm fiel der Name dieser Waffe ein. Armbrust! Es gab nur wenige davon, eine neu aufgekommene Art der Waffen. Binnen von Wochen sollte jeder Knecht lernen können sie zu bedienen, während Bogenschützen ein halbes Leben brauchten, um gut ausgebildet zu werden. Sie durchschlug Panzerplatten und war tödlicher als jedes Schwert.
    Wenn Seamus noch mit seinen Gegner beschäftigt war und Ortang hier unterlag, dann würde Ahab damit auf das untere Deck feuern können! Gegen diesen Angriff konnte sich niemand wehren! Niemand! Egal wie gut er als Krieger war!
    Die Erkenntnis mobilisierte die letzten Adrenalinreserven in Ortang. Er sammelte den letzten Funken Klarheit in seinem Kopf, lies ab von dem Versuch die Arme des Mannes auseinande rzu zwängen und griff mit beiden Händen nach dessen Kopf. Die Rippen knirschten, als Ortang seine Daumen auf die angstvoll geweiteten Augen seines Gegners presste und seine Fingernägel in dessen Augäpfeln vergrub. Sie leisteten nur kurz Widerstand, dann platzten sie mit einem leisen Ploppen. Der Seemann schrie bestielisch auf und sein Griff lockerte sich. Er lies sogar ganz von Ortang ab und griff sich an die blutigen Höhlen, die einmal seine Augen gewesen waren und sank mit aschfahlem Gesicht auf die Knie.
    Ortang wankte, knickte auf ein Knie und schlug mit aller Kraft nach seinem Gegner. Er traf ihn hart ab Kopf und warf ihn nach hinten. Fast wäre er selbst umgefallen, doch neue Luft drang in seine brennenden Lungen, Sauerstoff erreichte sein Hirn und seine Muskeln.
    Dort lag seine Axt, er hatte sie fallen gelassen. Eine Schande für jeden Keltenkrieger! Mit noch immer tauben Fingern griff er nach seiner Waffe und erlöste den geblendeten Seemann von dessen Leid.
    Immer noch schwer atmend wuchtete sich Ortang auf die Beine.
    Wo war Ahab?
    Ortang sah Seamus, der immer noch mit seinem Gegner rang. Beie tauschten Streiche und Hiebe aus und der junge Kelte blutete bereits aus zwei Wunden an Armen und Beinen. Dann jedoch konnte Seamus einen Vorteil erlangen! Er trat einen Schritt nach vorne, unterlief so einen Schlag seines Gegners und rammet diesem die Klinge in den Bauch. Mit einem Schmatzen drang der Stahl durch den Leib des Matrosen und trat aus seinem Rücken wieder aus. Seamus ruckte noch einige Male an seiner Klinge, dann erschlaffte der Körper daran.
    Doch wo war Ahab?
    Verzweifelt sah sich Ortang um. Nicht in seiner Kajüte, die Türen waren nicht bewegt worden. Nicht auf der Brücke.... Doch!
    Dort war er!
    Der Kapitän hatte sich zwischen die Brüstung und das große Steuerrad gezwängt, um so seinen Rücken etwas zu schützen und legte gerade auf das Unterdeck an. Wieder wurde die Zeit zähflüssig, Ortang sprang vorwärts, auch Seamus erkannte die Gefahr und hechtete auf den Kapitän zu, der offenbahr ein Ziel gefunden hatte. Er hielt die Armbrust ruhig und langsam krümmte sich sein Finger um den Abzug.
    Wen würde es treffen? Welchen Kelten hatte sich der Verräter ausgesucht.
    Ein Geschoss löste sich, beschrieb eine schnell berechnete Flugbahn und schlug mit voller Wucht ein.

  15. #90
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
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    Kapitel 53 - Das Deck frei

    Durch die Betätigung des Abzuges, sank ein Metallsplind, der die Sehne der Armbrust gehalten hatte einige Millimeter nach unten. Die Spannung der Sehne erreicht ihr Maximum und nur wenige Sekundebruchteile nach dem Druck auf den Abzug, löste sich die Spannung in einer explosiven Beschleunigung des Bolzens nach vorne. Dieser war ein etwa zwanzig Zentimeter langer Metallstab, der sich an der Spitze gefährlich verjüngte. Durch die enorme Spannung der Sehne, die durch eine Kurbel an der Armbrust auf das Vielfache eines Bogens gebracht wurde, verwandelte sich der Bolzen in ein tödliches Geschoss, dass sich selbst durch Panzerungen fraß, von einem menschlichen Körper gar nicht erst zu sprechen.
    In dem Moment, als der Bolzen die Laufschiene beinahe verlassen hatte, geschah jedoch etwas mit dem der Schütze nicht gerechnet hatte. Ein unkalkulierter Aufschlag auf die Armbrust zwang die Waffe aus der ruhigen Schusshaltung heraus. Der Bolzen löste sich immer noch, doch er streifte sein Ziel nur, anstelle davon es schwer zu verletzen odr zu töten.
    Der Bolzen bohrte sich durch zwei Zentimeter Muskeln und Sehnen, dann endete sein Kontakt mit dem eigentlichen Opfer. Blut spritzte, doch es war nur wenig.
    Frederick warf sich zur Seite und griff vor Schmerz fluchend nach seinem Oberarm. Blut sickerte durch seine Finger und die Muskeln begannen taub zu werden. Wo kam das denn her?
    Er wich seinem Gegner gerade noch aus, als dieser versuchte aus der Notlage des Steiner Kapital zu schlagen und schlug ihm die Axtklinge auf den Fuß. Das Metall schnitt durch den Stiefel des Seemannes, drang in das Fleisch ein, zertrümmerte die dünnen Zehenknochen und trennte drei Zehen vom Fuß.
    Laut brüllend riss der Seemann die Augen auf, er riss den Fuß nach oben, mit vor Schock weißem Gesicht. Dann traf Fredericks Axt das Knie des anderen Beines und der Seemann krachte brutal auf den Boden. Sich aufrichten konnte er schon nicht mehr, da riss die Keltenaxt ein klaffendes Loch in seinen Schädel, aus dem Blut und Hirnmasse drang.
    Schnell brachte sich Frederick aus dem Kampfgeschehen und versuchte zu erkennen, was ihn da getroffen hatte. Irgendwer musste einen Pfeil auf ihn abgeschossen haben. Wild fegte sein Kopf von links nach rechts, seine Augen irrlichterten. Ein Bogenschütze auf einer erhöhten Position! Das wäre tödlich!
    Dann fand sein Blick Ahab, der auf der Brücke stand und mit irgendeiner Waffe hantierte, die Frederick noch nie gesehen hatte. Das musste eine Art Bogen sein! Doch bevor er sich weitere Sorgen um den Kapitän machen konnte, wurde dieser von einem Schwert durchbohrt. Die Klinge Krieger Seamus' drang durch die Brust Ahabs ins Freie, rot von Blut. Der Kapitän lies seine Waffe fallen, sank zusammen und war sofort tot. Über Seamus mochte Frederick denken, was er wollte, aber der Krieger wusste, wo er einen Gegner treffen musste, um diesen auszuschalten.
    Insgesamt sah der Angriff sehr gut aus. Thorval, Collin und Llionel hielten die Seeleute davon ab aus ihren Mannschaftsquartieren auf das Oberdeck zu kommen. Ronkell und Frederick säuberten das Deck von allen Gefahren, ebenso die beiden Krieger, die von Ortang vor die Quartiere der Familien postiert worden waren. Einer von ihnen blutete heftig aus einer Wunde am linken Arm, doch er hielt sich auf den Beinen. Die Seeleute um Denbar hatten sich an den Bug des Schiffes begeben und drangen in den Laderaum vor, nachdem sie die Männer erschlagen hatten, die sich an den Winden um die Beiboote gekümmert hatten. Der Plan sah vor, dass Denbar und die Seinen irgendwann auch den Letzten Seemann in die Arme von Llionel, Collin und Thorval treiben würden.
    Nun blieben noch sechs ängstliche Seeleute auf dem Oberdeck, zwei von ihnen waren nicht einmal bewaffnet, sondern hatten sich in ihrer Not die ersten Gegenstände gegriffen, die sie zu fassen bekommen hatten. Einer hielt den abgebrochenen Stiel eines Besen in der Hand, der andere eine gusseiserne Lampe. Ronkell geriet durch Fredericks kurzfristigen Ausfall etwas unter Druck, doch der Steiner trat schnell wieder in den Kampf ein. Ebenso Seamus, der die geräumte Brücke ganz alleine Ortang überlies, der schwer angeschlagen aussah.
    Dann tauchte irgendwo her Beras auf. Er schlich sich an den Mann mit der Lampe heran, hatte seinen Dolch in einer Haltung, die er nur von Llionel haben konnte, überraschte diesen und stach mit seiner Waffen in dessen Leiste. Dort drehte er den Dolch brutal um und zog sich zurück, bevor der verletzte Seemann mit der schweren Lampe zuschlagen konnte. Der Hieb verfehlte sein Ziel deutlich, er trat einen Schritt vor, doch plötzlich verfärbte sich seine Hose blutrot, sogar aus dem Hosenbein rann Blut und tropfte auf das Deck. Entsetzt griff der Seemann nach seinem Bein, verlor dabei jeden Augenblick mehr Farbe im Gesicht. Beras hatte offenbahr ein großes Blutgefäß getroffen, eine Wunde die nicht mehr zu schließen war! Der Mann bewegte sich noch, doch würde er binnen von Sekunden tot sein.
    Frederick nahm sich vor einige ernste Worte mit Llionel zu wechseln. Beras musste sich verteidigen können, doch diese Art von Kampf war noch nichts für einen jungen Knaben.... äääh Krieger in seinem Alter. Dennoch musste Frederick anerkennen, dass der Junge ein große Unterstützung war.
    Nun war auch Seamus auf dem Oberdeck, zusammen mit Frederick und Ronkell schlug er die letzten Seeleute tot, dann wandten sich die Kelten dem Ausgang zu, vor dem Llionel, Collin und Thorval standen. Wenn alles gut gegangen war, würden Denbar und seine Männer die wenigen Seeleute unter Deck in die Arme der Kelten treiben - und in ihren sicheren Tod.
    Angespannt lauschten die Männer den Geräuschen aus dem Schiffsrumpf.
    War da ein Poltern gewesen? Ein toter Körper, der auf die Planken schlug?
    Und dieses Geräusch? Unverkennbar Metall auf Metall!
    Dann drängte die erste Gestalt ins Freie.
    Ein Seemann mit langen und wirren Haaren und zerschlissener Kleidung. Blut hatte Spuren auf seinem schäbigen Hemd gezogen. Eine Sekunde lang stand in dessen Augen Erleichterung, endlich das Tageslicht wieder zu sehen, die Hoffnung auf Rettung durch seine Kameraden.
    Doch diese Hoffnung wurde herbe enttäuscht, als ihn ein Axtblatt und zwei Schwerter trafen und klaffende Wunden in Brust, Bauch und Seite rissen. Mit einem erstickten Schrei sank der Seemann zu Boden und polterte die Treppen hinab. Dabei warf er schon den nächsten Mann um, der rückwärts die Treppe herauf kam und mit einem Schwert gegen zwei anrückende Gegner focht, die ihn langsam zurück trieben.
    Der Aufprall war hart, der Seemann fiel rücklinks auf die Treppe, stieß sich hart Kopf und Rücken und brüllte in Panik, als er sich umzingelt vorfand.
    Sein Schrei endete schnell. Collin schwang sein Schwert und mit einem gewaltigen Hieb eine tiefe Kerbe in den Hals des Mannes. Gurgelnd sickerte Blut aus der klaffenden Wunde und vermischte sich mit dem Blut des anderen Toten.
    Von unten erklang Denbars rauchige Stimme.
    "Das war der Letzte! Alle anderen sind tot!"
    Gemächlich stapfte der stämmige Matrose die Stufen hinauf und ignorierte dabei, dass Blut auf ihnen klebte. Selbst die schmatzenden Geräusche, die seine Schritte erzeugten, ließen ihn unbewegt, während Collin und Beras angewidert ihre Gesichter verzogen und schnell etwas zu tun suchten.
    Hinter Denbar kamen vier weitere Männer die Treppe hoch, zwei stützten einen Kameraden, der eine tiefe Wunde am Bein aufwies und die Zähne zusammenbiss.
    Nach einer kurzen Befragung stellte sich heraus, dass einer der Seeleute es nicht mehr rechtzeitig geschafft hatte, einer Wurfaxt auszuweichen, die ihn entmannt hatte. Er war kurz darauf gestorben.
    "Eine unwürdige Art in den Tod zu gehen", murmelte Llionel und schüttelte den Kopf.
    Es wurde beschlossen den Seemann auf ein Floß zu legen und ihn nach alter Sitte auf das Meer hinaus treiben zu lassen. Seine Leiche würde mit Öl übergossen werden und angezündet, um seine Seele zu den Göttern zu geleiten und für seine Gefährten ein leuchtendes Fanal darzustellen.
    Die Aufräumarbeiten begannen. Beras kümmerte sich um die Verwundeten, verband Fredericks Arm und zog mit einer kleinen Metallnadel einen schwarzen Faden durch die Haut, um die Wunde zu schließen. Der Steiner wurde dabei blass und konnte kaum dabei zusehen, wie sich das Stück Metall immer wieder in seine Haut bohrte. Als Beras fertig war, wischte sich Frederick den Schweiß von der Stirn.
    "Das wird helfen, die Wunde verheilen zu lassen", meinte Beras entschuldigend, als er den entsetten Gesichtsausdruck von Frederick sah.
    "Helfen? Ich schwöre dir, das hat mehr weh getan als die Verletzung selber! Das nächste Mal gib mir was zu trinken, wenn du mir Nadeln in die Haut rammst!" Llionel und Collin, die in der Nähe standen, brachen spontan in Gelächter aus.
    Wie um einen schlimmen Traum zu vertreiben, schüttelte sich Frederick, stand auf und entfernte sich schnell von Beras. Der Junge barg eine Vielzahl von Geheimnissen, die ihm seine Lehrmeister Garamanus und nun auch Llionel vermacht hatten. Irgendwie befürchtete Frederick, dass sich diese Art der Versorgung von Verletzten durchsetzen würde. Bald würde es keine Kriege mehr geben, da war er sich sicher, wenn jeder Krieger nach einer Verletzung eine Tortur wie diese über sich ergehen lassen musste.
    Um seine Gedanken von der blitzenden kleinen Nadel zu befreien, begab sich Frderick auf die Brücke, wo ein schwer angeschlagener Ortang und der Frostfuchs-Krieger Opem gerade die Leiche Ahabs von Bord schafften.
    "Haltet ihr es für eine gute Idee, die Leichen einfach so ins Meer zu werfen? Sie werden an Land treiben", warf Frederick ein, doch Ortang konnte seine Zweifel zerstreuen.
    "Wir werfen sich nicht einfach ins Meer. Wir beladen eines der Beiboote und fahren hinaus auf die See, einige Meilen. Denbar hat von einer Strömung berichtet, die von der Insel weg führt. So werden sie nicht mehr unsere neuen Gestade verseuchen."
    Mit einem Nicken Stimtme Frederick Ortang zu. "Sie haben geholfen unser Volk zu vernichten und wir haben ihrer Gegenwart lange genug ertragen", knurrte er mit grimmiger Mine. Eine tiefe Falte bohrte sich senkrecht zwischen seine Augen. Dann trat er näher an Ortang heran, wobei ihm der Geruch von Blut und anderen Körpersäften in die Nase stieg. Männer konnten im Tode nichts bei sich behalten.
    "Ortang, du hast deine Aufgabe gut gemacht. Ich bin zufrieden mit dir und deinen Kriegern. Ich hoffe dich noch in vielen Schlachten an meiner Seite zu haben. Meinen Dank."
    Balsam für die Seele des gechundenen Frostfuchses, Zufriedenheit stach aus dessen Zügen. Und doch war da etwas Anderes.
    "Danke, Frederick. Aber ich glaube, dies war mein letzte Kampf auf dem Feld der Ehre. Ich werde meine Kriegsaxt endgültig an den Nagel hängen."
    "Das geht nicht", widersprach Frederick hastig und mit unverhohlenem Entsetzen. "Wir brauchen jeden Mann!"
    Ortang lächelte und packte den Leichnahm des Kapitäns bei den Füßen. "Du hast Recht. Vielleicht nicht sofort, aber bald. Ich hoffe, ich kann den jungen Kriegern noch einige Tricks beibringen, bevor sie mich für einen richtigen alten Mann halten. Aber dann werde ich mich vom Schlachtfeld zurückziehen."
    Damit wandte er sich ab, befahl Opem fester zuzupacken und schleppte den Kadaver von der Brücke hinab zu den Beibooten.
    Sie hatten das Schiff erobert, die Verräter getötet und würden ihre Leichen in die Tiefen des Meeres werfen, damit ihre Seelen niemals den Weg zu den Göttern finden könnten! Es war Zeit etwas auszuruhen und sich richtig auf der Landzunge umzusehen.
    Die Brücke war von Toten befreit. Nur Thorval saß nahe dem Steuerrad, die Waffe Ahabs auf den Knien. Frederick trat näher, um sich mit dem Schmied zu besprechen. Danach wollte auch er bei den Aufräumarbeiten helfen.

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