Seite 4 von 4 ErsteErste 1234
Ergebnis 46 bis 50 von 50

Thema: Koloniale Denkmuster in Spielmechaniken (4X und Civilization im Besonderen)

  1. #46
    Herzog von Duran Avatar von Frederick Steiner
    Registriert seit
    28.03.05
    Beiträge
    37.594
    Zitat Zitat von slowcar Beitrag anzeigen
    Hallo Hauns, willkommen im Forum


    Da möchte ich mal einwerfen, dass ich den Glauben, dass Amerikanische Ureinwohner ("Indianer") im Einklang mit der Natur gelebt haben, auch für einen Mythos halte, eine eurozentristische Exotisierung aus Wunschdenken, die mit historischen und archäologischen Belegen nicht konform geht.
    Da habe ich viele interessante Bücher zu gelesen. Es gibt Vermutungen, dass die Indianer in Nordamerika mit regelmäßiger Brandrodung eine Art Parklandschaft geschaffen haben, die sehr fruchtbar war.

    Es gab kombinierte Plantagen. Sagen wir mal Mais, Kürbis und Beerenarten auf einer Fläche. Der Kürbis konnte sich am Mais hochranken, die Beerensträucher haben Sonnenschutz geboten.

    Mais ist auch keine Pflanze, die sich natürlich entwickelt hat. Mais muss eine Kreuzung aus unterschiedlichen Vorgängerpflanzen gewesen sein. Das muss also ein Werk der Ureinwohner gewesen sein.


    Einen Einklang mit der Natur sehe ich da schon. Eine Art behutsames Bio-Engeneering, die deutlich nachhaltiger ist, als das, was die Europäer geschaffen haben.


    Zitat Zitat von justanick Beitrag anzeigen
    Also um 1900 herum war Europa schon recht dicht bevölkert, vor allem verglichen mit Afrika oder auch der Türkei. Technischer Fortschritt etc. hat zuerst in Europa eine wesentlich erhöhte Bevölkerungsdichte ermöglicht. Andere Länder erlebten ihre Bevölkerungsexplosion erst später, oft wie in Afghanistan zum Nachteil der dort lebenden Menschen.
    Um 1900 war das Spiel doch schon gespielt. Die Frage muss doch sein, wie nach anno 1492 Europa den Weg gegangen ist, die Welt für Jahrhunderte zu prägen. Deshalb: 1492 war Europa mit Sicherheit in Produktion und vermutlich auch Technik hinter Asien zurück. Technisch maximal gleichwertig. Trotzdem kam es zur bekannten Entwicklung.

  2. #47
    Registrierter Benutzer
    Registriert seit
    08.10.21
    Beiträge
    3
    Hallo Slowcar, danke danke.

    Die heutige Welt und deren Entwicklung kennen wir natürlich nur auf Basis diverser Aufzeichnungen oder anderer Mittel, die unser heutiges Denken maßgeblich bereichert oder beeinflusst haben. Würden wir im 15. Jahrhundert geboren worden sein und uns persönlich um AD 1500 in Amerika bewegen, hätten wir vermutlich einen ganz anderen Blickwinkel und Erfahrungsschatz gewonnen, der zu einem ganz anderen Weltbild geführt hätte. Wäre sicher eine total spannende Erfahrung. Wir können uns nur auf die heutigen Aufzeichnungen verlassen und uns ein Bild davon machen, das richtig - oder auch falsch sein kann.

    Die mesoamerikanischen Hochkulturen waren in ihrer Blütezeit schon sehr landwirtschaftlich geprägt und durchaus mit anderen Kulturen in Europa oder Asien vergleichbar. Vielleicht hätten sie sich, wenn sie nicht untergangen oder erobert worden wären, gleich entwickelt, vielleicht aber auch nicht... ich vermute letzteres.

    Ein Großteil der relativ modernen Welt wurde vom Europäer erobert und beeinflusst. Das ist die Welt, die sich seitdem natürlich weiter entwickelt hat, aber immer noch die, die von Europa und später von Amerika grundsätzlich stark geprägt wurde. Der Amerikaner, führt das Ganze nach westlicher Sichtweise in einem Civilization-Spiel zusammen. Doch, im Grunde ändert es nichts daran, dass die europäische, oder wenn man so will, die westliche Vorstellung im Spiel abgebildet ist. Der Cree fragt sich dabei zu Recht, wo kann er in diesen Spiel seine Geschichte und Entwicklung wirklich spielen - wenn im Endeffekt alles im gleichen Resultat landet, jedes Volk die selbe Entwicklung durch macht. Wo ist hierbei die alternative Geschichtsschreibung ohne westlichen oder europäischen Einfluss nachspielbar...

    Alternative Entwicklungen sind ein sehr komplexes Thema, doch ist die geradlinige, gleiche Entwicklung aller Völker hin zum selben Ergebnis doch auch nicht gerade sehr spannend. Das wäre doch was, was man von einem CivX in 20XX erwarten könnte - sofern ich es noch erlebe.

    Im Falle des nomadischen Indianers, zB dem Sioux, würde ich mir erwarten, dass ich diverse Vorteile aus der Natur nutzen könnte und so wenig wie möglichst verbauen müsste, Bezirke und Wunder nicht mehr das Landschaftsbild versauen, Städte oder Dörfer im Nu aufgelöst werden können und das Volk weiterziehen kann. Vor allem möchte ich keine Millionenstädte, sondern nur Dörfer die ich zu einer Macht zusammenziehen kann. Die Natur, die Vorteile daraus, der Schutz derselben sollte hier vielleicht einen größeren Effekt haben. Also, wenn ich einen Wald stehen lasse und nicht rode oder ein Sägewerk draufstelle. Oder, eine Stadt, inkl. Bezirke und Wunder nicht ganz Deutschland oder Frankreich darstellt.
    Geändert von Hauns (18. März 2022 um 01:48 Uhr)

  3. #48
    Registrierter Benutzer
    Registriert seit
    28.09.12
    Beiträge
    10.188
    Guter Text Hauns!

    Aber das lässt sich wohl schlecht in einem Spiel darstellen, dass alle Völker ihren eigenen, individuellen Entwicklungsweg gehen. Auch wenn Du ein Volk spielst, das voll im Einklang mit der Natur lebt und sogar im Notfall viele Krieger zusammenziehen kann...

    ...am Ende gewinnt halt trotzdem der mit den Atombomben


    Verschiedene Forschungsbäume für alle Völker könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber es führt halt doch irgendwann zu einer Konfrontation mit "modernen" Waffen. (Leider, der Mensch ist halt so )

  4. #49
    Registrierter Benutzer
    Registriert seit
    28.09.12
    Beiträge
    10.188
    Zitat Zitat von Frederick Steiner Beitrag anzeigen
    Um 1900 war das Spiel doch schon gespielt. Die Frage muss doch sein, wie nach anno 1492 Europa den Weg gegangen ist, die Welt für Jahrhunderte zu prägen. Deshalb: 1492 war Europa mit Sicherheit in Produktion und vermutlich auch Technik hinter Asien zurück. Technisch maximal gleichwertig. Trotzdem kam es zur bekannten Entwicklung.
    Ich könnte mir vorstellen, dass in Europa einfach weniger Platz war als in Asien. Es musste nach neuen Ländern gesucht werden wegen Überbevölkerung... Viele lebten in Armut. Und vielleicht haben die Europäer auch einfach (mit Christentum?) einen größeren Expansionsdrang verspürt, als die Asiaten?

    Auch die Araber waren uns ja technologisch eigentlich weit überlegen. Weiss nicht, warum wir uns gegen die durchgesetzt haben... und noch Amerika besiedelt

    [EDIT] nicht besiedelt natürlich, sondern brutal in Besitz genommen!
    Geändert von brettschmitt (18. März 2022 um 02:03 Uhr)

  5. #50
    Pfeffersack Avatar von slowcar
    Registriert seit
    04.01.06
    Ort
    hh
    Beiträge
    18.155
    Zitat Zitat von Frederick Steiner Beitrag anzeigen
    Da habe ich viele interessante Bücher zu gelesen. Es gibt Vermutungen, dass die Indianer in Nordamerika mit regelmäßiger Brandrodung eine Art Parklandschaft geschaffen haben, die sehr fruchtbar war.

    Es gab kombinierte Plantagen. Sagen wir mal Mais, Kürbis und Beerenarten auf einer Fläche. Der Kürbis konnte sich am Mais hochranken, die Beerensträucher haben Sonnenschutz geboten.

    Mais ist auch keine Pflanze, die sich natürlich entwickelt hat. Mais muss eine Kreuzung aus unterschiedlichen Vorgängerpflanzen gewesen sein. Das muss also ein Werk der Ureinwohner gewesen sein.

    Einen Einklang mit der Natur sehe ich da schon. Eine Art behutsames Bio-Engeneering, die deutlich nachhaltiger ist, als das, was die Europäer geschaffen haben.
    Ich denke, dass man da bei der Beurteilung vorsichtiger sein muss. Fruchtfolgen oder Dreifelderwirtschaft gibt es in Europa auch schon sehr lange (11. Jahrhundert), und bewusste Nachhaltigkeit ist ein eher modernes Konzept, das vielleicht auch als Folge der Intensivierung der Landwirtschaft, und dem Aufkommen des Kunstdüngers, an Bedeutung gewonnen hat.
    Die heutige industrielle Landwirtschaft mit der damaligen nordamerikanischen zu vergleichen ist offensichtlich nicht zielführend. Ganze Kontinente, mit allein in Nordamerika auch sehr unterschiedlichen Klimazonen, über einen Kamm zu scheren, finde ich auch zu Verallgemeinernd.

    Zitat Zitat von Hauns Beitrag anzeigen
    Die mesoamerikanischen Hochkulturen waren in ihrer Blütezeit schon sehr landwirtschaftlich geprägt und durchaus mit anderen Kulturen in Europa oder Asien vergleichbar. Vielleicht hätten sie sich, wenn sie nicht untergangen oder erobert worden wären, gleich entwickelt, vielleicht aber auch nicht... ich vermute letzteres.
    Dann erzähl doch mal, worauf Du Deine Spekulationen basierst.

    Meine Überlegungen gehen vor allem davon aus, das Menschen grundsätzlich gleich sind. Kulturelle Unterschiede gibt es ganz sicher, oft auch durch die äußeren Lebensumstände bedingt. Feudale Systeme haben sich unabhängig voneinander in Europa, China, Japan und anderen Orten entwickelt, u.a. auch in Südamerika.
    Die Gottkönig-Mayas führten eine Art Turbo-Feudalismus ein, einschließlich der exzessiven Ausbeutung von Ackerland und Bevölkerung, was letztendlich, als die Dürreperioden hereinbrachen, die Überlebensmöglichkeit auf einer überlieferten, natürlichen Basis zerstörte.
    Deutschlandfunk: Wo „Rauchfrosch“ und „Schnute“ herrschten

    Schon jungsteinzeitliche Kulturen beuteten die Natur derart aus, dass Siedlungen aufgegeben werden mussten. Eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

    Die hiesig wahrgenommene "Indianer"-Kultur geht wohl, neben dem Fabulierer und Lügner Karl May, grösstenteils auf Nordamerikanische Religionssysteme wie z.B. die der Irokesischen Sprachfamilie (5 Nationen) zurück, in denen animistische Vorstellungen der Natur vorherrschten, und diese deshalb mit großem Respekt behandelt werden sollte.
    Diese Wahrnehmung ist aber in jedem Fall auch durch die Linse der damaligen Beobachter geprägt, wo es neben der Ansicht, dass die Ureinwohner keine Seele hätten (und damit auch kein dem christlichen Menschen gleichgestelltes Lebensrecht), durchaus auch andere Richtungen gab, zum Beispiel, dass der biblische Garten Eden gefunden worden sei und die "Edlen Wilden" (Bon Sauvage) eine deutlich edlere Kultur darstellten. Lederstrumpf ist ein bekannter Roman dieser Ausprägung, und der schon erwähnte Karl May (dessen Bücher ich als Jugendlicher alle - bis auf die Briefbände und Gebete - gelesen habe) hat diese Mythen tief in der Deutschen Seele eingepflanzt.
    Dabei geht es letztlich nicht um die Beurteilung der amerikanischen Ureinwohner, sondern um eine Kritik an den eigenen Lebensumständen.

    Während in traditionellen mythologischen Weltbildern die Abfolge der Weltzeitalter gewöhnlich als Abstieg und eine Verschlechterung gesehen wird, verwarfen die Entwickler des modernen aufklärerisch-evolutionistischen Weltbilds diese traditionelle Sicht der Dinge und kehrten sie um, indem sie Geschichte als permanente kulturelle Höherentwicklung aus einem keineswegs paradiesischen, sondern „rohen“ Urzustand beschrieben.
    Wikipedia zu Edler Wilder

    Um mal die Kurve zurück zu Civilization zu finden, die hier im Thread ursprünglich kritisierte Grundlage der zivilisatorischen Entwicklung ist ja quasi der Evolutionismus (den Begriff kannte ich bis eben noch nicht und fand ihn bei der Lektüre des Edlen Wilden Artikels).
    Also, dass es eine Entwicklung zu höherer Kultur gibt, die vorherigen also weniger waren, ganz vereinfacht gesagt.
    Problematisch sind dabei vor allem die daraus folgenden Handlungsanweisungen, nämlich die Zivilisierung "primitiver" Völker, die Verbreitung der (europäischen) Hochkultur, im letzten Mittel auch mit Einsatz von Waffen, vulgo Kolonialismus.

    Meiner Meinung nach sind beide Ansätze falsch, weder ist unsere heutige Kultur (was auch immer das sein soll, ich verweise mal auf Leitkultur-Debatten) allen anderen überlegen, noch waren die Ureinwohner Amerikas die besseren Menschen, zu deren Lebensweise wir irgendwie zurückkehren sollten.

Seite 4 von 4 ErsteErste 1234

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •