Das mit dem Wiederholen ist halt eine frühe Form des Unterschichten-Fernsehens. Da wird auch alles drei mal gesagt: Durch die Person selbst, durch Untertitel und durch eine Stimme aus dem Off
Ich bezweifle eigentlich, dass es sich wirklich nur um eine Maßnahme für die einfachen Leute handelte. Wenn man eine solche Geschichte etwa an einem Winterabend erzählte, war das ja wahrscheinlich ein Gemeinschaftserlebnis. Auch Dichter und Sänger auf Adelssitzen wiederholten vermutlich einzelne Teile von Erzählungen, etwa, wenn noch ein Einschub kam oder um die Spannung zu steigern. So etwas gibt es ja sogar im heutigen Theater noch, weil man die Reaktion des Publikums direkt erlebt. Das ist ja bei Kino- oder Fernsehfilmen anders.
Zu der Lüge:
Jakob = der Fersenhalter bedeutet eben auch Betrüger. Und der Betrug ist eben genau der, den er hier tut. Auch später wird er sich noch als Schlitzohr herausstellen. Das Verhalten ist hier als falsch einzustufen. Grade bei Erzähltexten der Bibel wird eine ethische Wertung nicht mitgeliefert. Diese soll der Leser/Hörer selbst übernehmen, weil er auch das Gesetz kennen soll.
Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal
Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Aber Jakob wird durch diesen Betrug doch nicht von Gott bestraft, sondern im Gegenteil, Gott segnet ihn, gemäß seines Vaters Issak Ausspruch. Warum tut Gott das? Weil sein Bruder Esau verkommener ist, weil er sein Erstgeburtsrecht nicht wertschätzte?
Daraus stellt sich mir die nächste Frage: Wenn Jakob seinen Vater Isaak nicht betrogen hätte, hätte
a) Gott dann Esau gesegnet und zu einem großen Volk gemacht? Und Jakobs Nachkommen verworfen, so wie in der Bibel die Nachkommen Esaus? Oder hätte er
b) Esau trotz seines Vaters Segen verworfen gegenüber Jakobs Nachkommen?
Beide Varianten muten unangenehm an. Bei a) würde Gott den schlechten Charakter nur wegen der Fehleinschätzung seines Vaters stützen und Jakob deswegen verwerfen.
Und bei b) wäre Jakobs Betrug umsonst gewesen. Gott hätte Jakob gar verwerfen können, weil er sein Vertrauen nicht auf Gott stützte. Ein König Saul wurde wegen soetwas verworfen, als er selbst anfing zu opfern, und nicht auf den Propheten wartete.
Aber so wie es in der Genesis steht ist doch die Moral der Geschichte: Wenn du gut genug betrügst, und dir dadurch einen Vorteil verschaffst, hilft dir Gott. Das steht moralisch dann doch aber auf sehr dünnen Beinen, oder? Irgendwie hat man den Eindruck, dass der/die Schreiber dieser Geschichten stolz darauf sind, dass Ihr Vorvater ein Betrüger war, ja sogar seinen eigenen Vater am Sterbebett noch übers Ohr zu hauen. So ala, wir Israeliten/Juden sind vielleicht nicht die Stärksten/Bevölkerungsreichsten, aber wir machen das durch Schläue/Hinterhältigkeit wieder wett. Oder "Gott hilft dem Einfallsreichsten!"
Sind solche Geschichten dann nicht auch ein Ansporn zum Nachmachen?
Du musst halt die ganze Jakobsgeschichte lesen. Natürlich wird Jakob bestraft.
1.) Er muss aus seiner Heimat fliehen.
2.) Er wird später durch Laban (Spoiler...) selbst zum Betrogenen - da merkt er, wie das ist. Alle weiteren großen Probleme in seine Familie sind durch diesem Betrug Labans an ihm initiiert.
3.) Er kriegt von Gott den Schlag auf die Hüfte und wird zeitlebens hinken.
4.) Er demütigt sich vor Esau und bittet seinen Bruder um Vergebung. Und erst dadurch wird sein Leben zu dem, das es geworden ist.
Gott "bestraft" aber nicht nur, er segnet eben auch. Er ist treu, auch wenn Jakob ein Betrüger ist. Und die Strafe ist auch häufig keine Strafe sondern eher logische Konsequenz. Die Geschichte ist eher ein Bespiel für den frommen Spruch: "Gott schreibt auf krummen Zeilen gerade."
Wenn das anders gelaufen wäre und Jakob ehrlich geblieben wäre, hätte Gott einen andern Weg gehabt, seine Verheißung zu erfüllen. - Ok, diese Interpretation ist wieder eine aus dem christlichen Vertrauen heraus und nicht aus dem Text selbst.
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Interessant finde ich hierbei die quasi magisch anmutende Wirkung des Segens, die nicht zurückgenommen werden kann, auch wennn der Segen ja eigentlich jemand anders zugedacht war - vielleicht ist hierbei aber auch mehr eine Erbfolge als ein reiner Segen im Spiel...
Das klingt nach Action
Dann mache ich mal damit weiter, die ganze Geschichte zu lesen.
* * *
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Ein wenig Mitleid mit Esau hab ich jetzt schon. Von dem, was konkret im bisher Gelesenen geschildert wurde, war er zwar ein Hitzkopf, hat sich aber nichts zu Schulden kommen lassen. Ein wenig einfältig halt.
- Bei Menge wird immer direkt vom Segnen gesprochen. Bei den übrigen Übersetzungen soll Isaaks "Seele" (Luther, Elberfelder) oder seine "Lebenskraft" (EU) ihn segnen. Die Lebenskraft finde ich ob der Diskussion, die es hier zum Seelenbegriff schon gab, geeigneter. Dadurch wird aber nicht Isaak der, der den Segen gibt, sondern seine Lebenskraft.
- Jakob heißt ja Fersenhalter. Das soll das nun (Vers 36) "mit Recht" sein und passt zu der Interpretation, dass Jakob Esau immer zuvorkommen will. Bei der Geburt hat er es zwar nicht geschafft, aber beim Erstgeburtsrecht und beim Segen jetzt schon.
- Esau stellt sich jetzt schon ein bisschen an, wie ein Kind, das vorm Weihnachtsmann steht, der keine Geschenke mehr hat. Der ist mindestens 40 Jahre alt und schreit und heult hier rum - das passt wieder zu dem roten, emotional instabilen Fell
- Ab Vers 41: ein Bruder will den anderen erschlagen, weil der begünstigt wurde. Da sind wir seit Kain und Abel ja weit gekommen
- Bei Kain und Abel war es aber so, dass Abel als Viehüter mit dem Fleisch von Gott begünstigt wurde und der andere, der Bauer Kain, deshalb zornig wurde und ihn erschlug. Hier nun soll zwar wieder der Sohn, der das Fleisch nach Hause bringt (Esau) vom Vater begünstigt werden, aber der andere Sohn (Jakob) soll er schlagen werden, weil er sich den Segen erschlichen hat. Interessante Parallele - Gott, der Jakob noch bestrafen wird (laut Kantel), war ja selbst keinen Deut besser als Isaak. Es ist fast so, als wollte die Bibel dem Leser zu verstehen geben, dass man all seine Kinder gleichermaßen gerecht behandeln soll.
- Rebekka hat ihre Ohren auch überall
- Vers 46 kündigt an, warum das mit den Hethiterinnen im letzten Kapitel wichtig war: Esau hat so eine ja geheiratet und das misfällt Rebekka und Isaak. Als Vorwand, um ihn wegzuschicken, reicht das bei Bibellogik bestimmt.
Ach ja, noch was zu Esau und rot:
Rot heißt auf hebräisch Edom. Mit den Konsonanten ', D und M (Das ' ist im Hebräischen ein Konsonant. Heißt Aleph und bezeichnet den Klicklaut, den man am Anfang eines Wortes macht, das im Deutschen mit Vokal anfängt)
Adam heißt Mann. Mit den Konsonanten ', D und M - genau die gleichen wie bei Edom. Und für die Hebräer ist das jetzt so, dass durch die Konsonantengleichheit die beiden Wörter in Verbindung stehen. Dsa Esau rötlich ist, bedeutet also einfach: Er hat ein sehr männliches Erscheinungsbild - ist sozusagen ein ganzer Kerl - im Gegensatz zu Jakob, der mit lieber mit Mami kocht.
Das Rot taucht mit genau der gleichen Bedeutung in Hohelied 5,10 auf: "Mein Geliebter ist weiß und rot, hervorragend unter Zehntausenden."
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Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.
Verstehe, Esau ist also der männliche und Jakob der listige Bruder. Und die Israeliten stammen vom Listigen ab
* * *
Heute nehme ich mir gleich ein ganzes Kapitel vor, weil ich nicht weiß, ob ich morgen daheim bin.
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken:
- Eine Tochter vom Bruder der Mutter ist doch eine Cousine. Bei Cousin und Cousine ist doch aber das Fehlbildungsrisiko immer noch ungleich höher, als bei nicht so eng verwandten Menschen
- "Gott, der allmächtige" (Vers 3) ist in der Einheitsübersetzung "El-Schaddai". "Nord-Mesopotamien" ist in den übrigen Übersetzungen "Paddan-Aram"
- Durch die langen Verse 6 bis 8 hatte ich beim Lesen förmlich das Gefühl, Esau dabei zuzuschauen, wie der Groschen fällt
- Esau nimmt sich eine Tochter vom Bruder seines Vaters. So bleibt auch väterlicherseits alles in der Familie
- Ein Stein als Kissen stelle ich mir unbequem vor. Da der Stein heilig ist, könnte er auch den nachfolgenden Traum induzieren. Man müsste mal überall in der Bibel "heilig" durch "magisch" ersetzen und "segnen" durch "verzaubern" und schauen, ob eine brauchbare Fantasy-Geschichte dabei rauskommt
- Vers 12: bei der "Leiter in den Himmel" musste ich an das Lied hier von In Extremo denken. Dort geht es um sich zankende Barden, die auf den Sprossen einer "Leiter bis weit in den Himmel" darum buhlen, wer der Beste von ihnen ist. Keine Ahnung, wie bibelkundig die Bandmitglieder waren, aber mit dem Wissen um diese Bibelstelle könnte man mal versuchen, die besungenen Barden als Engel zu interpretieren. Mir gefällt es, wie mein Wissen wächst.
- Engel haben in der heutigen Vorstellung ja Flügel. Wozu brauchen die eine Leiter?
- Ich bin mir gerade nicht sicher, ob Jakob das Versprechen (Vers 14) schon bekommen hat. Ich glaube nicht. Dann hätte jeder neue Stammvater es von Gott nochmal persönlich erhalten.
- Bei Elberfelder und Lutherbibel wird der Vergleich dabei mit "dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden" geführt. Das ist einerseits ein netter Binnenreim, andererseits meiner Meinung nach mächtiger als nur die Vielzahl an Staubkörnern: Gott schuf die Menschen aus Staub. Wenn sein Geschlecht wie Staub wird, wird es zu dem Material, aus dem Gott Menschen schöpft.
- Wieso fürchtet sich Jakob (Vers 17?). Die "Schaurigkeit" der Stätte bei Menge finde ich nach heutigem Sprachverständnis nicht so passend wie "Ehrfurcht gebietend" (EU). Elberfelders "furchtbar" finde ich da unfreiwillig komisch
- Bet-El wird in EU passenderweise mit "Haus Gottes" übersetzt
- Die Art und Weise, wie Jakob den ersten Stein mit Öl begießt und schwört, wie ein Haus für Gott gebaut werden soll, lässt mich an eine Kirche denken. Auch der Zehnt passt da ganz gut dazu.
- Spannend finde ich auch, wie nicht nur Gott sein Verprechen jedem Sohn aufs neue geben muss, sondern wie auch jeder Sohn aufs Neue den HERRN zu seinem Gott machen muss.
Ich hab doch ein paar Minuten
* * *
1. Mose 29, https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.MENG.EU/1.Mose29
1 Hierauf setzte Jakob seine Wanderung fort und gelangte in das Land, das gegen Osten lag.
2 Als er sich dort umsah, gewahrte er auf dem Felde einen Brunnen, an dem gerade drei Herden Kleinvieh lagerten; denn aus diesem Brunnen pflegte man die Herden zu tränken; über der Öffnung des Brunnens aber lag ein großer Stein.
3 Diesen wälzte man erst dann, wenn alle Herden dort zusammengetrieben waren, von der Brunnenöffnung ab und tränkte das Kleinvieh; darauf legte man den Stein wieder zurück an seinen Platz über der Öffnung des Brunnens.
4 Da sagte Jakob zu den Leuten: »Meine Brüder, woher seid ihr?« Sie antworteten: »Wir sind aus Haran.« 5 Hierauf fragte er sie: »Kennt ihr Laban, den Sohn Nahors?« Sie antworteten: »Ja, den kennen wir.«
6 Da fragte er sie: »Geht es ihm gut?« Sie erwiderten: »Ja; und da kommt gerade seine Tochter Rahel mit dem Kleinvieh!«
7 Da sagte er: »Es ist ja noch hoch am Tage, und noch ist’s nicht die Zeit, das Vieh zusammenzutreiben; tränkt doch das Kleinvieh und laßt es dann wieder weiden!«
8 Sie antworteten: »Das können wir nicht, bis alle Herden beisammen sind; dann erst wälzt man den Stein von der Öffnung des Brunnens ab, und wir tränken das Kleinvieh.«
9 Während er noch mit ihnen redete, war Rahel mit dem Kleinvieh ihres Vaters herangekommen; denn sie war eine Hirtin.
10 Sobald nun Jakob Rahel, die Tochter seines Oheims Laban, und das Kleinvieh seines Oheims Laban erblickt hatte, trat er hinzu, wälzte den Stein von der Brunnenöffnung ab und tränkte das Kleinvieh seines Oheims Laban.
11 Dann küßte er Rahel, weinte laut
12 und teilte ihr mit, daß er ein Neffe ihres Vaters, und zwar ein Sohn Rebekkas, sei; da eilte sie weg und berichtete es ihrem Vater.
13 Als nun Laban die Nachricht über Jakob, den Sohn seiner Schwester, vernahm, lief er ihm entgegen, umarmte und küßte ihn und führte ihn in sein Haus; da erzählte er dem Laban seine ganze Lebensgeschichte.
14 Laban aber sagte zu ihm: »Fürwahr, du bist von meinem Fleisch und Bein.«
Bemerkungen/ Gedanken:
- Vers 2-3 klingt wie eine Anleitung für damalige Leute
- Wie schon der Knecht seines Vaters die Frau (Rebekka) für ihn am Brunnen von Gott "gezeigt" wurde, hält Jakob auch an einem Brunnen inne.
- In eine fremde Gegend kommen und sich über die geltenden Regeln hinwegsetzen, das ist immer eine gute Idee
- Jakob macht auf mich einen emotional verwirrten Eindruck. Er küsst sie und weint dann...?
Ja, die Jakobsleiter ist auf jeden Fall kulturell und popkulturell viel aufgegriffen worden...
Ehen zwischen Cousin und Cousine waren in vielen Gesellschaften nicht nur üblich sondern geradezu bevorzugt.
Tja, was das Kennenlernen von Frauen betrifft scheint der Brunnen wirklich der Treffpunkt zu sein.
Ich kenne das von den alten Griechen und Römern so, dass Wasser holen Frauenaufgabe war. Und oft der einzige Grund, warum man die Töchter aus dem Haus ließ. Am Brunnen war die einzige Möglichkeit, dass diese jungen Frauen überhaupt mal mit dem anderen Geschlecht in Berührung kamen und man schon vorfühlen, quasi Brautschau halten, konnte.
Achtung Spoiler:
Bemerkungen/ Gedanken
- Ich bezahle ja eher fremde Leute für ihre Arbeit, die eigenen Verwandten kriegen, wenn sie beim Umzug helfen, am Abend nen Kasten Bier und Pizza
- Lea heißt "die Ermüdete", "die sich vergeblich Mühende" - hach, wenn die in Vers 16 schon wüsste, wie es ihr 20 Verse später geht...; Rahel heißt "Mutterschaf"
- Sind matte Augen als Sehschwäche zu verstehen? Oder gar Blindheit? In der Lutherbibel wird hingegen "sanft" benutzt. Das lateinische "lippis" bedeutet triefäugig. Hier wird das auch einfach als "blödes Gesicht" abgetan (http://www.bibel-verse.de/kapitel/1....sis%29/29.html)
Die Lutherische Deutung scheint also arg beschönigend zu sein- Jakob merkt in der Hochzeitsnacht nicht, dass er mit Triefauge Lea schläft? Da gab es wohl guten und reichlichen Wein bei dem Festmahl . Von Laban allerdings kein feiner Zug, das hätte er ja vor den 7 Jahren schon sagen können. So schlägt er einfach nochmal 7 Jahre Arbeit raus. Jetzt verstehe ich zumindest, warum meine damalige Interpretation ("Der Weiße ~ der moralisch Reine") in Frage gestellt wurde
- Wieder die Sache mit der Fruchtbarkeit, jetzt also auch bei Jakob. Man könnte sich ja durchaus die Frage gefallen lassen, ob da nicht doch in der männlichen Linie etwas nicht stimmt...
- Die Namen der Kinder von Lea bedeuten
- "Sehet, ein Sohn" (Ruben) ~ Lea bekam einen Sohn
- "Gott hat gehört" (Simeon) ~ Weil der HERR Lea angehört hat
- "Anhänglich, der Verbundene/ Treue" (Levi) ~ ihr Mann soll Lea anhängen
- "Loben, preisen, danken" (Juda) ~ Lea will den HERRN preisen
- Dafür, dass Jakob lieber bei Rahel liegt, bekommt Lea recht viele Kinder.
- Hat Levi etwas mit den Leviten zu tun, die man bekanntlich gelesen bekommt?