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Thema: Das Hexenthema

  1. #16
    Civ-Rentner Avatar von HeymlicH
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen wurden eben in den meisten Fällen "von unten" (also durch die Bevölkerung selbst) oder von aufstrebenden Juristen in Gang gesetzt und eskalierten besonders dort, wo die staatliche und kirchliche Gewalt relativ schwach ausgeprägt war. Man merkt das auch daran, dass es wirklich auffällige regionale Schwerpunkte gibt, während andere Gebiete kaum betroffen waren.
    Das kannst du aber auch so auslegen, daß die Kirche dieses Mittel hauptsächlich zur Einschüchterung eingesetzt hat. In Gebieten, wo die Macht der Kirche stark ist, ist das natürlich nicht nötig.

    "von unten" ausgehen kann auch bedeuten, daß die Opfer unter Folter andere beschuldigt haben, und daß die Beschuldigungen hauptsächlich von Frauen kamen widerspricht dem nicht, denn die meisten Opfer waren Frauen.

    Was ich sagen will: Deine statistischen Angaben beweisen garnichts.

  2. #17
    Danke für den Kommentar.
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    Wenn du keine Ausagen hast mt denen du dagegen halten kannst, dann hör auf zu meckern…
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  3. #18
    Zurück im Norden
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    Zitat Zitat von HeymlicH Beitrag anzeigen
    Das kannst du aber auch so auslegen, daß die Kirche dieses Mittel hauptsächlich zur Einschüchterung eingesetzt hat. In Gebieten, wo die Macht der Kirche stark ist, ist das natürlich nicht nötig.

    "von unten" ausgehen kann auch bedeuten, daß die Opfer unter Folter andere beschuldigt haben, und daß die Beschuldigungen hauptsächlich von Frauen kamen widerspricht dem nicht, denn die meisten Opfer waren Frauen.

    Was ich sagen will: Deine statistischen Angaben beweisen garnichts.
    Die Protokolle vieler Verhöre haben sich ja erhalten, insofern lässt sich der Verlauf einer Verfolgungswelle recht gut nachvollziehen. Diese gingen nun einmal in aller Regel von irgendwelchen Nachbarinnen oder sogar Familienmitgliedern aus, nicht von Pfarrern oder gar Inquisitoren. Man merkt das auch an den ersten Anklagen, die sich fast immer auf die Lebenswelt vor Ort bezogen und meist keinerlei theologische Vorwürfe beinhalteten. Folter war dann der Grund für die Ausweitung der Verfolgung, bis sie in einigen Gegenden völlig aus dem Ruder lief - meist eben dort, wo keine starke staatliche oder kirchliche Autorität von außen gab, die das Ganze durch ein Machtwort beenden konnte.

    Außerdem sprichst du weiterhin von "der" Kirche. Da es sich um konfessionell verschiedenartige Territorien handelte, ergibt das eigentlich keinen Sinn; auch eine systematische, zentral gesteuerte Planung fällt damit aus und wäre mit den Mitteln und in der Gesellschaft der FNZ auch kaum durchzusetzen gewesen.

    Und mal ganz ehrlich: Welche Art von Konformität sollen die Hexenprozesse denn durch Einschüchterung erzwungen haben? Dass man nicht mit dem Teufel schlafen und auf Besen reiten soll? Das ganze Thema ist ja intensiv erforscht worden, und dieser Forschungsstand lässt sich nun einmal nicht mit einem "Du kannst das auch ganz anders auslegen" beiseite wischen - insbesondere, wenn man ihn offenbar noch nicht einmal zur Kenntnis genommen hat.

  4. #19
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Stimme dir in allen Punkten zu, aber hierzu

    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Und mal ganz ehrlich: Welche Art von Konformität sollen die Hexenprozesse denn durch Einschüchterung erzwungen haben? Dass man nicht mit dem Teufel schlafen und auf Besen reiten soll?
    eine Anmerkung und Frage(n):

    Dass die katholische Kirche grundsätzlich Konformität (auch durch Einschüchterung) einforderte, ist dennoch auf Grund der Inquisition nicht von der Hand zu weisen. Häresie wurde mit so ziemlich allen verfügbaren Mitteln (und eingespannten weltlichen Herrschern wie in Frankreich) verfolgt. Das ist von dem her ein eher schwaches Argument hinsichtlich der kirchlichen Zurückhaltung bei Hexenverfolgungen.
    Damit zur Frage: Ging man im Vatikan eigentlich überhaupt davon aus, dass es so etwas wie dunkle Mächte gab und/oder ging man etwaigen Hinweisen sozusagen mit damals vorhandener Wissenschaft bzw gesundem Menschenverstand nach?
    Die zeitgenössische Kritik an den Hexenprozessen bestand meines Wissens vorwiegend darin, dass die Folter als "Beweisführung" bereits angezweifelt wurde und, in diesem Zusammenhang, als inhuman angesehen wurde, nicht aber darin, dass "Übernatürliches"* grundsätzlich nicht existieren könne.
    Die Einführung Beweislastumkehr, das soll hier heißen, es muss dem Angeklagten die Anwendung dunkler Magie einwandfrei nachgewiesen werden, da der Tatbestand an sich aus den damaligen Strafgesetzen getilgt wurde, führte ja erst wesentlich später zum endgültigen Ende der Verfolgung.

    *) "Übernatürlich" in diesem Kontext mit sogenannten "bösen Mächten". Dass "Übernatürliches" existiert, gehört für die Kirche zum Selbstverständnis.
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  5. #20
    Civ-Rentner Avatar von HeymlicH
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Ging man im Vatikan eigentlich überhaupt davon aus, dass es so etwas wie dunkle Mächte gab und/oder ging man etwaigen Hinweisen sozusagen mit damals vorhandener Wissenschaft bzw gesundem Menschenverstand nach?
    Ich glaube der Wissensstand damals war wirklich sehr niedrig. Gerade für Krankheiten wurde alles Mögliche verantwortlich gemacht. Ich hab irgendwo gelesen - weiß nicht mehr wo - daß während der großen Pestepidemie der Papst einen Expertenausschuß zusammengerufen hat um die Ursache zu ergründen, und im Ergebnis eine ungünstige Planetenkonstellation verantwortlich gemacht wurde. Da hat man sicherlichlich auch an dunkle Mächte geglaubt.

  6. #21
    Zurück im Norden
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    Zitat Zitat von HeymlicH Beitrag anzeigen
    Ich glaube der Wissensstand damals war wirklich sehr niedrig. Gerade für Krankheiten wurde alles Mögliche verantwortlich gemacht. Ich hab irgendwo gelesen - weiß nicht mehr wo - daß während der großen Pestepidemie der Papst einen Expertenausschuß zusammengerufen hat um die Ursache zu ergründen, und im Ergebnis eine ungünstige Planetenkonstellation verantwortlich gemacht wurde. Da hat man sicherlichlich auch an dunkle Mächte geglaubt.
    Die Geschichte gibt es auch von Kaiser Karl IV. und von König Philipp VI. von Frankreich, es könnte sich also auch um eine Wanderlegende handeln. Es ist aber unbestritten, dass die Menschen zwischen 1347 und 1350 in ihrer Not vielerorts zu sehr eigenwilligen Maßnahmen griffen. Das gilt aber auch für die außereuropäische Welt, die von existenzgefährdenden Seuchen betroffen war und dürfte nicht mit einer konkreten religiösen Gesinnung zusammenhängen.

  7. #22
    Registrierter Benutzer Avatar von Suite
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    Nein, war er nicht (und übrigens ist der Satzanfang "Ich glaube, der Wissensstand damals..." recht ironisch ). Man hatte einen ganz anderen Bezug zum Kosmos als in der modernen Neuzeit und sehr vieles können wir einfach nicht mehr verstehen bzw. sind wir nicht mehr in der Lage, zu verstehen. Niemand heute kann sich noch vorstellen, wirklich über Jahre hinweg z.B. von engsten Angehörigen getrennt zu sein, ohne sie erreichen zu können. Sowas macht viel mit den Menschen. Und bitte nicht alles glauben, was mal ein mittelalterlicher Chronist evtl. im Suff als Anekdote beim Abschreiben eingefügt hat - für die Gegenwart sehe ich da schon eher schwarz, wenn Historiker in 500 Jahren das Webarchiv durchforsten und Fake News für die Widerspiegelung unserer geistigen Schaffenskraft halten... Wir nehmen ja auch nicht Herodots 3 Millionen Perser für bare Münze und bashen ihn, weil er nicht imstande war, den Zahlenraum bis zur Million zu erfassen.

    https://www.fu-berlin.de/presse/publ...tin/index.html

    Das Gutachten wurde vom frz. König in Auftrag gegeben. Unabhängig davon, dass der Einfluss der Sterne natürlich nicht sonderlich wissenschaftlich ist, solltest du eher fragen, was die Intention für die Erklärung gewesen sein könnte. Also wenn in Europa binnen kürzester Zeit ein extrem großer Teil der Bevölkerung stirbt und es kein bekanntes Heilmittel gibt, kann man doch froh sein, wenn die Welt nicht durch Raserei draufgeht. Den Planeten die Ursache zuzuschieben ist dann eben in gewisser Weise unbeeinflussbares Schicksal und sollte mMn dazu beigetragen haben, dass sich Menschen beruhigen. Hat damals nur bedingt funktioniert, siehe Geißlerbewegungen und teilweise Judenpogrome. Heutzutage würde unter dem Mantel der "Ursachenforschung" ebenso sofort die Suche nach Sündenböcken starten.

  8. #23
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Ja, schon. Aber nimm zB zur Veranschaulichung wie ich es meine Goethes Faust: Mephisto weiß, trotz seiner Wette um Fausts Seele mit Gott, dass er diesem nie ebenbürtig sein kann. Das Böse oder Versuchungen können demnach keine echten Alternativen sein.
    Wenn man dementsprechend also von guten und schlechten/bösen Mächten spricht, ist gemäß der kirchlichen Lehre und Hierarchie ebenjener eindeutig, dass die gute bzw göttliche Seite letztlich immer triumphieren wird.
    Es stellt sich also möglicherweise die Frage nach dem Impetus, wenn man so möchte, seitens der kirchlichen Obrigkeit, der Hexenverfolgung überhaupt nachzugehen.
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  9. #24
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Stimme dir in allen Punkten zu, aber hierzu



    eine Anmerkung und Frage(n):

    Dass die katholische Kirche grundsätzlich Konformität (auch durch Einschüchterung) einforderte, ist dennoch auf Grund der Inquisition nicht von der Hand zu weisen. Häresie wurde mit so ziemlich allen verfügbaren Mitteln (und eingespannten weltlichen Herrschern wie in Frankreich) verfolgt. Das ist von dem her ein eher schwaches Argument hinsichtlich der kirchlichen Zurückhaltung bei Hexenverfolgungen.
    Damit zur Frage: Ging man im Vatikan eigentlich überhaupt davon aus, dass es so etwas wie dunkle Mächte gab und/oder ging man etwaigen Hinweisen sozusagen mit damals vorhandener Wissenschaft bzw gesundem Menschenverstand nach?
    Die zeitgenössische Kritik an den Hexenprozessen bestand meines Wissens vorwiegend darin, dass die Folter als "Beweisführung" bereits angezweifelt wurde und, in diesem Zusammenhang, als inhuman angesehen wurde, nicht aber darin, dass "Übernatürliches"* grundsätzlich nicht existieren könne.
    Die Einführung Beweislastumkehr, das soll hier heißen, es muss dem Angeklagten die Anwendung dunkler Magie einwandfrei nachgewiesen werden, da der Tatbestand an sich aus den damaligen Strafgesetzen getilgt wurde, führte ja erst wesentlich später zum endgültigen Ende der Verfolgung.

    *) "Übernatürlich" in diesem Kontext mit sogenannten "bösen Mächten". Dass "Übernatürliches" existiert, gehört für die Kirche zum Selbstverständnis.
    Der Konformitätsdruck gerade im konfessionellen Zeitalter ist ja unbestritten und wurde auch aktiv aufrechterhalten. Es gibt dazu zahlreiche Quellen sowohl aus katholischen wie aus lutherischen und reformierten Regionen. Das wurde offenbar auch nicht als problematisch angesehen, sondern sehr offen formuliert. Gerade deshalb ist es ja so unwahrscheinlich, dass man bei der Hexenverfolgung religiöse Konformität in auf vorgeschobenen Gründen basierenden Akkusationsprozessen durchgesetzt haben soll. Den angeblichen Hexen wurden nämlich fast nie wirklich religiöse Vergehen zur Last gelegt, die auf eine echte konfessionelle Devianz hinweisen. Man wird ja nicht ernsthaft annehmen, dass die armen Frauen (und einige Männer) wirklich mit dem Teufel oder Dämoninnen Sexualverkehr oder geheime, nächtliche Treffen hatten. Die übrigen Anklagen lauteten nämlich zum größten Teil auf Schadzauber, was für die Ankläger(innen) fast immer entscheidend gewesen sein dürfte.

    Es gab tatsächlich auch Kritiker der Hexenverfolgung, die das Ganze für einen Schwindel hielten. Friedrich Spee scheint etwa dieser Ansicht zugeneigt zu haben. Sämtliche Theologen aller Konfessionen gingen natürlich davon aus, dass übersinnliche Kräfte (auch böse) existierten, aber die Möglichkeit zu einem Teufelspakt war umstritten. Immerhin gewann der Teufel dadurch im Volksglauben eine Stellung, die sich auch gegen die Heilsmittel der Kirche richten konnte.
    Geändert von Jon Snow (22. April 2019 um 21:03 Uhr)

  10. #25
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    Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass auch die Menschen des 17. Jh. schon damit rechneten, dass Hexenprozesse (etwa aus Habgier) bewusst herbeigeführt werden konnten. In dem Fall wurden Adel und Volk aber auch häufig beim Kaiser vorstellig und konnten sich manchmal auch durchsetzen. Ein Beispiel wäre Graf Ferdinand Karl von Hohenems, den die Stände der eigenen Grafschaft beim Kaiser wegen seiner Hexenprozesse anklagten, die er offensichtlich durchführte, um an die Vermögen der Beschuldigten zu kommen und gegen den dann auch eine Reichsexekution durchgeführt wurde.

  11. #26
    Pirat Avatar von Flati
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    Zitat Zitat von HeymlicH Beitrag anzeigen
    Wie verläßlich sind diese Angaben? Ich habe da irgendwie Zweifel.
    Da jetzt GGeschichte kein Revolverblatt ist und den eigentlich sehr selten Fehler unterlaufen denke ich mal dass das hinkommt. Habe das nun aber nicht weiter an anderen Quellen verifziert.
    Man muss natürlich dazu sagen das die (meisten) heutigen Hexenverfolgungen aus staatlicher Sicht "illegal" sind, das ist der große Unterschied zu Europa wo die Verfolgung vom Gesetz mehr oder weniger gedeckt waren.
    Ist jetzt natürlich von mir massiv verkürzt wiedergegeben in dem Heft waren das logischerweise viel mehr aufbereitet
    Wer Rechtschreibfehler findet darf diese behalten :)

    Original geschrieben von robertinho:
    "Asterix und Flati stehen für solide Kompetenz und Verlässlichkeit."

  12. #27
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Erst einmal danke für die ausführlichen Antworten. Trotzdem verstehe ich nicht, dass selbst wenn die Vergehen - heute würde man sie dann wohl unter Eigentumsdelikte einordnen - von Hexen nicht direkt religiöser Art sind, so liegt dort doch ihr Ursprung. Das heißt, die Kirche, als Organisation, müsste ein Interesse daran gehabt haben, dass Hexen vernichtet werden.
    Warum musste beispielsweise der Papst erst von einem Fanatiker wie Kramer - als Verfasser des Hexenhammers - überhaupt bearbeitet werden, bis dieser eine offizielle Verlautbarung zu diesem Thema herausgab bzw er musste ja nur lediglich sein Siegel unter die bereits vorgefasste Ausfertigung setzen?

    Zitat Zitat von Flati Beitrag anzeigen
    Man muss natürlich dazu sagen das die (meisten) heutigen Hexenverfolgungen aus staatlicher Sicht "illegal" sind, das ist der große Unterschied zu Europa wo die Verfolgung vom Gesetz mehr oder weniger gedeckt waren.
    Das Rechtssystem und -Verständnis sind entscheidende Punkte:
    Wenn heute Hexerei noch ein Straftatbestand wäre, müsste die Staatsanwaltschaft Beweise darlegen, dass der Angeklagte sich dieser schuldig gemacht hat, da es sonst hieße in dubio pro reo.
    Damals verhielt es sich aber genau umgekehrt und der Angeklagte musste beweisen, dass er unschuldig ist (s. Wasserprobe), was praktisch unmöglich war bzw glücksabhängig.
    Geändert von Des Pudels Kern (22. April 2019 um 21:47 Uhr)
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  13. #28
    Geschichtsmeister Avatar von maxim_e
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    Zitat Zitat von Flati Beitrag anzeigen
    Da jetzt GGeschichte kein Revolverblatt ist und den eigentlich sehr selten Fehler unterlaufen denke ich mal dass das hinkommt. Habe das nun aber nicht weiter an anderen Quellen verifziert.
    Man muss natürlich dazu sagen das die (meisten) heutigen Hexenverfolgungen aus staatlicher Sicht "illegal" sind, das ist der große Unterschied zu Europa wo die Verfolgung vom Gesetz mehr oder weniger gedeckt waren.
    Ist jetzt natürlich von mir massiv verkürzt wiedergegeben in dem Heft waren das logischerweise viel mehr aufbereitet
    Das hat Jon Snow auf der vorherigen Seite im Prinzip bereits angeschnitten: Die frühneuzeitlichen Hexenprozesse waren vor allem (nicht nur) dort verbreitet, wo es entweder keine starke geistliche oder keine starke weltliche Macht gab oder sogar beides fehlte. "Rechtlich legal" war in jenen Zeiten nicht das verschriftlichte, sondern das durchgesetzte Recht und wenn es keine höhere Instanz gibt, ist es eben die Dorf-/Stadtgemeinschaft, die Recht spricht.
    Cancel Culture ist ein Synonym für kritische Gesellschaft.
    Wokeness ist ein Synonym für Anstand.

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    cause swimming alone in the sea/is not the kind of freedom that you actually want
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  14. #29
    The Man behind the Screen Avatar von Empirate
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Erst einmal danke für die ausführlichen Antworten. Trotzdem verstehe ich nicht, dass selbst wenn die Vergehen - heute würde man sie dann wohl unter Eigentumsdelikte einordnen - von Hexen nicht direkt religiöser Art sind, so liegt dort doch ihr Ursprung. Das heißt, die Kirche, als Organisation, müsste ein Interesse daran gehabt haben, dass Hexen vernichtet werden.
    Warum musste beispielsweise der Papst erst von einem Fanatiker wie Kramer - als Verfasser des Hexenhammers - überhaupt bearbeitet werden, bis dieser eine offizielle Verlautbarung zu diesem Thema herausgab bzw er musste ja nur lediglich sein Siegel unter die bereits vorgefasste Ausfertigung setzen?



    Das Rechtssystem und -Verständnis sind entscheidende Punkte:
    Wenn heute Hexerei noch ein Straftatbestand wäre, müsste die Staatsanwaltschaft Beweise darlegen, dass der Angeklagte sich dieser schuldig gemacht hat, da es sonst hieße in dubio pro reo.
    Damals verhielt es sich aber genau umgekehrt und der Angeklagte musste beweisen, dass er unschuldig ist (s. Wasserprobe), was praktisch unmöglich war bzw glücksabhängig.
    1. "Die Kirche" ist selten eine nützliche Kategorie in vormodernen Zeiten. Einen Papst musste man im Zweifel zu allem bearbeiten, was nicht dessen unmittelbaren derzeitigen Zwecken entsprach. Hexen irgendwo im deutschen Reich? Pfff, ich hab drängendere Probleme, diese Napoletaner sind doch ernsthaft der Meinung, ihren Zehnt dieses Jahr stunden zu lassen, wäre eine gute Idee!

    2. Die berühmte Wasserprobe war ja jetzt nicht das Standardmittel zur Beweisfindung. "Die Kirche" war seit dem Hochmittelalter eher auf dem Trip, solche Gottesurteile verbieten lassen zu wollen - es hatte arg den Beigeschmack, Gott zur Stellungnahme zwingen zu wollen. Einen Unschuldsbeweis erbrachte man im Mittelalter ohne Schwierigkeiten schon durch den Eid unbescholtener Personen "der/die xyz ist unbescholten und aufrichtigen Lebenswandels" (wenn man genug Freunde hatte).
    Auch hier war "die Kirche" dann doch eher eine fortschrittliche Institution. Der Inquisitionsprozess sollte schon immer die Wahrheit ans Licht bringen, statt nur sozusagen die soziale Eingebettetheit von Beklagten zu überprüfen wie durch das alte Eidhilfeverfahren. Ein Inquisitor ist einer, der nach der Wahrheit sucht - idealerweise.

  15. #30
    Zurück im Norden
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Erst einmal danke für die ausführlichen Antworten. Trotzdem verstehe ich nicht, dass selbst wenn die Vergehen - heute würde man sie dann wohl unter Eigentumsdelikte einordnen - von Hexen nicht direkt religiöser Art sind, so liegt dort doch ihr Ursprung. Das heißt, die Kirche, als Organisation, müsste ein Interesse daran gehabt haben, dass Hexen vernichtet werden.
    Warum musste beispielsweise der Papst erst von einem Fanatiker wie Kramer - als Verfasser des Hexenhammers - überhaupt bearbeitet werden, bis dieser eine offizielle Verlautbarung zu diesem Thema herausgab bzw er musste ja nur lediglich sein Siegel unter die bereits vorgefasste Ausfertigung setzen?

    Das Rechtssystem und -Verständnis sind entscheidende Punkte:
    Wenn heute Hexerei noch ein Straftatbestand wäre, müsste die Staatsanwaltschaft Beweise darlegen, dass der Angeklagte sich dieser schuldig gemacht hat, da es sonst hieße in dubio pro reo.
    Damals verhielt es sich aber genau umgekehrt und der Angeklagte musste beweisen, dass er unschuldig ist (s. Wasserprobe), was praktisch unmöglich war bzw glücksabhängig.

    Es gab im kirchlichen wie im weltlichen Bereich sehr unterschiedliche Denkweisen, was die Möglichkeit eines Teufelsbundes angeht. Ich bin kein Theologe, aber soweit ich weiß, galt Hexerei in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Theologie nur dann als möglich, wenn man sich der Hilfe von Dämonen bediente. Dabei neigten katholische Theologen dazu, einen "vermittelnden" Hexenmeister vorauszusetzen (weshalb in katholischen Gegenden fast immer auch ein paar wenige Männer unter den Betroffenen waren), während dies in der evangelischen Theologie eher abgelehnt wurde, weil in der Heiligen Schrift nicht davon die Rede war (so dass es dort auch Verfolgungswellen gab, die nur Frauen betrafen). Die Möglichkeit, Hexenkunst zu üben wurde aber nur ganz selten bestritten, weil sie im Alten und Neuen Testament bezeugt war.

    Es war aber grundsätzlich allen Theologen und Juristen klar, dass man eine Nachbarin auch aus Neid, Hass, Habgier etc. als Hexe "besagen" (denunzieren) konnte, so dass denunzierte Frauen (und Männer) manchmal auch freigesprochen wurden. Ein prominentes Beispiel ist die Mutter von Johannes Kepler. Ein solcher Freispruch war natürlich bei Personen mit einem gewissen Einfluss wahrscheinlicher als bei einfachen Leuten, Wohlhabende wurden in Deutschland aber auch eher Opfer bewusst falscher Beschuldigungen, weil man nach der Strafrechtsordnung des Reiches als Denunziant bei schwerwiegenden Verbrechen einen Teil vom Vermögen des Verbrechers beanspruchen konnte (der Rest ging dann meist an den Landesfürsten oder die Stadt).

    Entscheidend war also, wie man mit den "Besagungen" umging und welche Folgen man damit verband. Hier scheinen beispielweise viele Dominikaner (deren Orden die meisten Inquisitoren entstammten) mit ihrem großen Ordensmitglied Thomas von Aquin angenommen zu haben, dass auch ein Teufelsbund wie eine normale Ketzerei oder schwere Sünde zu betrachten sei. Ziel war es also, dass die Angeklagten ihrer Irrlehre und Sünde abschworen und sie öffentlich bereuten. Deshalb wurden in von der Inquisition geführten Hexenprozessen nur sehr selten Todesurteile vollstreckt, weil die angeblichen Hexen ja anders als Häretiker in aller Regel nicht an ihrer (fiktiven) Teufelsbuhlschaft bzw. Irrlehre festhielten. Echte Hexenjäger wie Heinrich Kramer / Institoris waren in der Inquisition eher selten. Anders sah es in bischöflichen Herrschaftsgebieten aus. Hier kam es auf die Ansicht des jeweiligen Amtsinhabers an, so dass es in einigen Hochstiften zu regelrechten Verfolgungswellen kam, etwa im Rheinland und in Franken.

    Bei den evangelischen Territorien scheint der Bezug auf einen "Spitzenreformator" eine große Rolle gespielt zu haben. In Württemberg folgte man beispielsweise weitgehend der Linie von Johannes Brenz, nach der viele "Besagungen" ungerechtfertigt waren und auch die Möglichkeit bestand, reumütige Hexen in die Glaubensgemeinschaft zurückkehren zu lassen. In Thüringen, dem evangelischen Franken, Mecklenburg und Nordeuropa bezog man sich hingegen auf Martin Luther, der mit Verweis auf Ex 22 die Hinrichtung von Hexen verlangte, auch wenn sie bußfertig waren. Ähnliches gilt für die Schweiz und Johannes Calvin, der in Genf selbst Hexenprozesse durchführte.

    Es geht also keinesfalls darum, die Kirche(n) von ihrer Verantwortung freizusprechen, wenn man auf den Forschungsstand hinweist. Nur sind eben viele Mythen über das Thema im Umlauf, die man richtigstellen muss, um vernünftig darüber diskutieren zu können. Ein Beispiel sind die genannten "Hexenproben". Diese waren erstens nach weltlichen wie kirchlichem Recht verboten (wurden aber natürlich gerade in kleineren Territorien trotzdem durchgeführt) und führten entgegen verbreiteter Annahme nicht automatisch zum Tod der Beschuldigten. Eine "milde" Möglichkeit war es beispielsweise, lesefähige angebliche Hexen und Zauberer die Passion Jesu vorlesen zu lassen. Gelang dies ohne Stocken an besonders entscheidenden Stellen, galten sie häufig als entlastet.

    Es kam einfach sehr stark auf die Richter vor Ort und deren Rechtsverständnis an, ob man eine "Besagung" überlebte oder nicht. Gefährlich waren hier vor allem die kleinen weltlichen und geistlichen Territorien des Heiligen Römischen Reiches, wo wenig gebildete Richter noch stark nach Gewohnheitsrecht entschieden oder Kleinfürsten sich am Vermögen der Hingerichteten zu bereichern versuchten und wo der Druck des Volkes besonders hoch war. Ein "nicht armierter" kleiner Graf oder Fürstabt tat sich nun einmal schwerer als ein mächtiger Reichsfürst, seinen Untertanen die "gerechte Vergeltung" zu versagen, wenn sie voller Angst darauf drängten. Auch damals gab es schon Klagen aus der Bevölkerung, ihre Obrigkeit schütze sie nicht ausreichend vor dem Verbrechen und sei insgesamt zu milde.

    Edit: Empirate und Maxim-e haben ja schon ein paar Dinge deutlich gemacht, die ich nochmals aufgegriffen habe.

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