Willkommensgegner x Willkommensüberzeugte?

[TeeRohr]

Nein. Ihr seid zum Scheitern verdammt, weil nämlich dieses eine Thema nur das erste von vielen sein wird wo ihr aneinander geraten werdet. Allein die Wortwahl für deine Angebetete zeigt ja wo du sie einordnest. Ich glaube kaum, dass sie sich als "Fanatikerin" sieht und dich nur als "Gegner".

[Louis XV.]

Eigentlich von Anfang an, sie war eine Grünenaktivistin, ich konservativer Burschenschafter in einer schlagenden Verbindung. Aber es hat irgendwie gepasst und wir haben uns beide gescheut politische Themen in Anwesenheit des jeweils Anderen tiefer anzusprechen. Ist auch heute noch so und auch die Kinder werden nicht indoktriniert. Letztens hat mein elfjähriger Sohn beim Nachrichten schauen gemeint, dass er es schon gut finde, dass wir die Flüchtlinge aufnähmen, weil wenn es bei uns Krieg gäbe... da habe ich schon schwer geschluckt, entweder war das eine eigenständige Denkleistung oder aber wird in seiner Schule so den Kindern vorgekaut. Ich schätze mal Ersteres. Und das ist dann auch in Ordnung. Ich möchte die Welt nicht verändern, verbitte mir aber auch, dass die Welt mich verändert. Oder meine Frau. Und vice versa.

Das finde ich jetzt aber mal höchst spannend.

a) Ich denke auch, dass man als Partner nicht in allen Bereichen einer Meinung sein muss, und dass es sogar auch "Herzensangelegenheiten" geben kann, in denen man unterschiedlicher Meinung ist. Es gibt ja im Leben mehr als nur die Partnerschaft. Wie du zurecht sagst: Dann blendet man diesen Bereich eben in der Beziehung aus. Wobei ich dein Beispiel schon bemerkenswert finde, weil der Unterschied zwischen "Grünenaktivistin" und "konservativer Burschenschaftler" ja möglicherweise mehr umfasst, als nur die Frage, welche Partei man wählt, oder welche Wirtschaftspolitik man bevorzugt. Im Zweifelsfall spielt das doch in ganz viele Bereiche des Alltags mit hinein: Was habe ich für eine Sicht auf diesen oder jenen Mitmenschen, wie gehe ich im Haushalt mit Ressourcen um, welche Werte vermittele ich an meine Kinder, etc...

b) "Kinder werden [von uns] nicht indoktriniert" - Geht das so einfach? Kinder sind ja Schwämme, die saugen ja alles um sich herum auf, ganz besonders von ihren Eltern. Kinder übernehmen ja Verhaltensweisen, Fragetechniken, den Umgang mit Ärger oder sonstige Details in ziemlich krassem Ausmaß. Sie "nicht zu indoktrinieren" hieße ja entweder, mit ihnen das Thema Politik, Ethik, Werte komplett auszublenden (was ich ebenfalls für eine Art Indoktrination hielte) oder in der Diskussion mit ihnen konsequent immer auf einerseits-andererseits hinzuweisen. Letzteres fände ich höchst bemerkenswert und richtig, allerdings auch eine große Herausforderung, für die es wiederum eigentlich einen Menschen benötigt, der selbst eben nicht fanatisch bestimmte Ansichten und Werte verfolgt.

c) "In der Schule vorgekaut" - Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann gab es da ehrlich gesagt keinen Lehrer, der imstande gewesen wäre, uns seine Überzeugungen einzutrichtern. Spontan erinnere ich mich an einen Geschichtslehrer, der glühender CDU-Anhänger war, einen wertkonservativen Lateinlehrer und eine feministische Englisch-Lehrerin. Wenn überhaupt, dann haben solche Figuren dazu geführt, zu lernen, dass es eben verschiedene Ansichten gibt, und Menschen eben ihre eigenen Standpunkte und Werte haben, was ja deinem Anspruch, wie du ihn formulierst, gerecht werden sollte. Vielleicht am stärksten geprägt hat mich da noch der Sozialkunde-Lehrer, der tatsächlich die Ruhe und die argumentative Kraft hatte, Dinge immer von verschiedenen Seiten zu beleuchten und bei aktuellen Fragen auch mal radikal den Stundenplan umzuschmeißen. Da bestand die "Prägung" aber weniger in einem Thema, als mehr in der Art und Weise, an Themen heran zu gehen. Ich würde mal sagen, dass ein gewisses Mitgefühl für andere Menschen eher menschlich ist, und die Argumente gegen Zuwanderung zum Teil auf einer rational-abstrakteren Ebene stattfinden ("Ja, aber bedenke die Folgen in Bezug auf A und B..."), es also nicht unbedingt einer "Indoktrination" bedarf, damit Kinder Mitgefühl empfinden, oder sich selbst in die Situation eines anderen versetzen ("Wenn bei uns Krieg wäre, dann..."). Es sei denn natürlich, die Diskussion triggert direkt Angstzustände (Angst vor Übergriffen, Angst vor Entfremdung...). Wobei Kinder wohl auch da generell eher vor ganz anderen Dingen Angst haben.

[Louis XV.]

Was das Thema angeht:

Natürlich kann man eine Partnerschaft führen, obwohl man unterschiedliche Ansichten zum Thema Zuwanderung hat. Ich würde aber sagen, man verbessert die Chancen dafür erheblich, wenn beide Seiten bereit sind, sich die Argumente des anderen zumindest anzuhören, und nicht den jeweils anderen instinktiv für seine Ansichten abwerten. Und man sich zumindest bewusst macht, dass es für (fast) jedes Problem auf dieser Welt legitime Argumente für oder gegen gibt.

Man kann ja trotzdem seine Meinung behalten. Aber es wäre in jeder Diskussion schon sehr viel gewonnen, wenn die Gegenseite nicht davon ausgeht, dass der jeweils andere wegen seiner Meinung ein Idiot ist oder keine Ahnung hat oder naiv ist, etc. Darauf laufen aktuell ja sehr viele Diskussionen ja hinaus ("Es geht nicht mehr darum, die andere Seite zu verstehen, sondern nur noch darum, die Diskussion zu 'gewinnen'.")

Die Frage ist, ob du dir das selbst zutraust, Radyserb.

Und dann ist die andere Frage, ob sie dazu ebenfalls bereit ist.

Ansonsten bleibt natürlich noch die Möglichkeit, das alles einfach komplett zu ignorieren. Aber dafür wiederum bräuchte es, aus meiner Sicht, andere Interessen, die zusammenschweißen, und ebenfalls einen sehr großen Respekt füreinander, damit das "ignorierte" Thema nicht wie eine schwärende Wunde ständig unterschwellig gegenseitige Verachtung generiert.

Und wie schon in diesem Thread gesagt, allein die von dir gewählte Wortwahl lässt erst einmal nicht darauf schließen, dass du Lust darauf hast, das Thema zu rationalisieren und vielleicht mal zu hinterfragen, um was genau es euch denn jeweils bei diesem Thema geht. Was sind denn eure jeweiligen Werte, auf die ihr euch beruft, um jeweils zu Antwort A oder zu Antwort B zu kommen? Was sind denn eure Überzeugungen? Schafft ihr es, zumindest die Existenz dieser Werte und Überzeugungen anzuerkennen, vielleicht sogar Respekt davor zu entwickeln? ("Ich habe großen Respekt davor, dass meine Partnerin es schafft, in dieser heutigen Welt noch an das Gute im Menschen zu glauben, aber ich selbst kann das nicht, dazu bin ich zu zynisch und zu misstrauisch geworden, und ist manchmal auch sehr hilfreich." / "Ich habe großen Respekt davor, dass mein Partner sich seine eigene Meinung bildet und sogar impulsive Helfer-Reflexe kritisch hinterfragt, weil sie langfristig vielleicht mehr Probleme schaffen, als sie lösen - auch wenn ich selbst froh darum bin, mir diese Barmherzigkeit zu bewahren, sie ist wichtig für mich.")

[Der Falke]

Ich würde da klar abgrenzen, ob es "nur" eine politische Meinung oder eine echte Lebenseinstellung ist. Für mich und alle meiner Verwandten wäre es bspw. völlig undenkbar, einen Nichtchristen als Ehepartner zu haben. Alleine die Gewissheit, dass der Ehepartner bei seinem Tod in die Hölle fährt, wäre eine nicht enden wollende Belastung.

Schier unverständlich sind für mich Menschen, die sich selbst als Gläubig bezeichnen, aber dann ihre eigenen Kinder nicht in diesem Glauben erziehen wollen. Damit treibt man sie quasi zum Schlimmsten aller Schicksale, das kann niemand für seine Kinder wollen. Das will man ja nichtmal für seine schlimmsten Feinde!

[Tiramisu]

Heutzutage werden sogar bedenkenlos Bastarde gezeugt. Schlimm sowas!

[Der Falke]

Das hat jetzt nichts mit dem Thema zu tun.

[Radyserb]

Also. Ich akzeptiere und respektiere ihre Überzeugungen und Engangements. Sie kommen ja nicht aus dem luftleeren Raum, sondern sind Teil ihrer Biografie. Es wäre ziemlich respektlos und man kann es dann gleich lassen, irgend eine Art von Beziehung aufzubauen, wenn man nicht das Gegenüber so akzeptiert, wie es ist.

Am liebsten hätte ich das komplette Thema rausgehalten aus den Gesprächen, aber sie wollte unbedingt darüber diskutieren.

Man kann ja trotzdem seine Meinung behalten. Aber es wäre in jeder Diskussion schon sehr viel gewonnen, wenn die Gegenseite nicht davon ausgeht, dass der jeweils andere wegen seiner Meinung ein Idiot ist oder keine Ahnung hat oder naiv ist, etc. Darauf laufen aktuell ja sehr viele Diskussionen ja hinaus ("Es geht nicht mehr darum, die andere Seite zu verstehen, sondern nur noch darum, die Diskussion zu 'gewinnen'.")

Das ist halt die Frage: Wollte sie auch nur einfach die Diskussion "gewinnen"?

Ich wollte sie dann zum Kino einladen. Sie hat daraufhin auf unsere Meinungsverschiedenheiten in der Flüchtlingsfrage hingewiesen und dass es ja dann keinen großen Sinn hätte. Ich bin aber am Drücker geblieben. Hat ihr das imponiert? Wir haben dann noch Stunden lang geredet (nicht nur über die Flüchtlinge). Als die Bibliothek zugemacht hat, ging es draußen weiter. Wir konnten quasi nicht voneinander lassen. Ein schlechtes Zeichen ist allerdings, dass sie mir zum Schluss nicht ihre Handynummer geben wollte.

[TeeRohr]

Die Frage ist doch: Was willst du von ihr? Willst du dich nur mit Fanatikerinnen-Sex brüsten oder liegt dir (viel) mehr an ihr?

[Radyserb]

Nee. One-Night-Stands sind nichts für mich. Wäre auch glaube ich nicht mit ihr möglich. Hatte noch vergessen zu erwähnen, dass sie gläubige Christin ist.

[Louis XV.]

Das ist halt die Frage: Wollte sie auch nur einfach die Diskussion "gewinnen"?

Klar. Ich "verhöre" natürlich in erster Linie dich, weil du die Frage gestellt hast und hier präsent bist. Die Frau können wir ja aktuell nicht fragen. Aber selbstverständlich gilt die Frage an beide Seiten.

[Der Kantelberg]

Nee. One-Night-Stands sind nichts für mich. Wäre auch glaube ich nicht mit ihr möglich. Hatte noch vergessen zu erwähnen, dass sie gläubige Christin ist.

Lass das blos nicht den Falken hören.

Im Ernst: Finde so eine Religionsgrenze viel schwieriger als ne politsche Grenze. Weil Religion so viel mehr mit dem ganzen alltäglichen Leben zu tun hat. Über Flüchtlinge diskutierst du 4 Mal im Jahr. Ob du zum Gottesdienst gehst oder nicht 52 Mal.

[Radyserb]

Lass das blos nicht den Falken hören.

Im Ernst: Finde so eine Religionsgrenze viel schwieriger als ne politsche Grenze. Weil Religion so viel mehr mit dem ganzen alltäglichen Leben zu tun hat. Über Flüchtlinge diskutierst du 4 Mal im Jahr. Ob du zum Gottesdienst gehst oder nicht 52 Mal.

Also, ich denke mit ihr wäre das weit mehr als 4 Mal im Jahr .
Das mit dem Gottesdienst: Ich habe ihr gesagt, dass ich lediglich von der Identität her ein Protestant bin, aber nicht an Gott glaube. Sie sagte, dann sollte man auch nicht in die Kirche gehen. Problem geklärt...

[Louis XV.]

Lass das blos nicht den Falken hören.

Im Ernst: Finde so eine Religionsgrenze viel schwieriger als ne politsche Grenze. Weil Religion so viel mehr mit dem ganzen alltäglichen Leben zu tun hat. Über Flüchtlinge diskutierst du 4 Mal im Jahr. Ob du zum Gottesdienst gehst oder nicht 52 Mal.

Kommt darauf an, wie fanatisch, orthodox oder strikt man seine Religion, beziehungsweise die Vorgaben der jeweiligen Religionsgemeinschaft und ihren obersten Repräsentanten, auslebt.

"Christen" sind ja keine homogene Gruppe, auch gläubige Christen und Kirchgänger nicht. Das beginnt mit dem Unterschied zwischen Katholiken/Protestanten, geht weiter über zahlreiche Fraktionen, gerade auch bei den Protestanten, und endet noch lange nicht im jeweiligen Umfeld der Kirchengemeinschaft, oder der persönlichen Auslegung.

Ich kenne gerade unter überzeugten Protestanten, aber auch unter aktiven Katholiken, eine ganze Reihe an Menschen, für die jetzt Sex vor der Ehe nun wirklich kein dogmatischer Punkt wäre. Ich halte es auch für ziemlich absurd, Religion auf solch kritteligen Details zu reduzieren.

[Der Falke]

Also, ich denke mit ihr wäre das weit mehr als 4 Mal im Jahr .
Das mit dem Gottesdienst: Ich habe ihr gesagt, dass ich lediglich von der Identität her ein Protestant bin, aber nicht an Gott glaube. Sie sagte, dann sollte man auch nicht in die Kirche gehen. Problem geklärt...

Wenn du nicht an Gott glaubst, bist du auch kein Protestant.

Das witzige ist ja, dass es viele Leute gibt die pro forma Kirchenmitglied sind, aber nix mit Glauben am Hut haben. Die zahlen aus Unbekannten Gründen einfach immer weiter Kirchensteuer.

Ich dagegen war nie in der Landeskirche Mitglied und hab auch nie Kirchensteuer bezahlt .

[Louis XV.]

Das witzige ist ja, dass es viele Leute gibt die pro forma Kirchenmitglied sind, aber nix mit Glauben am Hut haben. Die zahlen aus Unbekannten Gründen einfach immer weiter Kirchensteuer.

Glauben hat ja bisweilen auch mit Zweifeln zu tun. Manche finden ja durchaus im Laufe ihres Lebens stärker zur Religion zurück. Andere sind natürlich vielleicht auch einfach zu faul, um auszutreten.

Ich dagegen war nie in der Landeskirche Mitglied und hab auch nie Kirchensteuer bezahlt .

Das heißt? Sekte?

Oder was ist das für eine Art von Gruppierung, die nicht "Landeskirche" ist?

Eben hast du ja noch betont, wie überaus wichtig dir das Christentum sei.