Die Geschichte vom Käsbert
Als ich neulich einmal wieder von Missionaren belästigt wurde, kam mir folgende Fabel in den Sinn:
Die Geschichte vom Käsbert
Vor langer Zeit lebte am Rande einer Bergwiese ein Mann in seiner kleinen Hütte.
Käsbert wurde er von den Menschen genannt, denn er besaß ein paar Ziegen, aus deren Milch er regelmäßig und mit großer Leidenschaft, leckere, goldgelbe Käselaibe zubereitete.
„Ziegenkäse ist gesund, gibt Kraft und hält den Verstand klar“, pflegte er stets zu sagen und aß seinen Käse zum Frühstück, zum Mittag und zum Abendessen.
Sein Nachbar, der Schweinezüchter Wursthard, konnte da nur mit dem Kopf schütteln, denn Käse mochte er überhaupt nicht.
„Schinken und Mettwurst – da schmeckt das Leben!“, hielt er stets dagegen, betrachtete den Nachbarn aber mit einem Lächeln. Denn im Grunde genommen war ihm egal, was dieser aß.
Nun sah Käsbert das allerdings etwas anders. Und im Laufe der Zeit war er von der Idee besessen, alle Menschen weit und breit von der Qualität seines Käses zu überzeugen.
Fortan machte er sich in jeder freien Minute mit einem kleinen Bauchladen auf den Weg, um die gelben Laibe unter das Volk zu tragen.
Tatsächlich fanden sich schnell immer mehr begeisterte Anhänger, die seine Leidenschaft für das Milchprodukt teilten.
Allerdings traf er auch auf solche Zeitgenossen, die von seiner Ware überhaupt nicht angetan waren. Ja, diese wagten sogar zu behaupten, der Käse stinke und sei das Widerlichste, was sie jemals verkostet hätten!
Ihre Worte machten Käsbert traurig.
„Nein“, sagte er sich. „Diese Menschen müssen einfach nur richtig probieren, dann werden sie schon auf den Geschmack kommen!“
Doch egal was Käsbert versuchte, sie blieben bei ihrer ablehnenden Haltung.
Auch Wursthard schüttelte weiterhin den Kopf.
„Laß mal“, sagte er freundlich. „Ich bleibe lieber bei meinen Räucherschinken, wie sie mein Vater schon gemacht hat.“
Da wurde Käsbert böse.
Er rief seine Anhänger zusammen und gemeinsam griffen sie zu den Waffen, um den Menschen das Glück des Käseessens notfalls mit Gewalt zu vermitteln.
Zunächst töteten sie alle Schweine und Rinder im Land.
„Schluß mit Wurst und Schinken!“, riefen die Käsekrieger. „Schluß mit Butter und Quark!“
„Warum tust du das?“, fragte Wursthard. „Warum zwingst du Menschen, deinen Käse zu essen, die das gar nicht wollen? Mir kannst du jedenfalls mit dem Zeug gestohlen bleiben, ich werde es nicht essen, nie und nimmer!“
„Ihr sollt nur noch Käse essen und keiner anderen Versuchung mehr erliegen!“, schrie Käsbert zornig. In seinem Wahn erhob er die Axt und schlug den vollkommen überraschten Wursthard tot.
„So sei es!“, wandte Käsbert sich an sein Gefolge. Dabei hielt er die blutverschmierte Axt triumphierend in die Höhe.
„Und jetzt treibt alle zusammen, die sich noch immer weigern, unseren Käse zu essen und tötet sie ebenfalls!“
Damit wurden die letzten Wurstesser ausgerottet oder gefügig gemacht.
Aber ganz heimlich hatte der ein oder andere Bauer doch noch ein paar Schweine, versteckt im Wald oder an geheimen Weideplätzen in den Bergen.
So blieb es über viele Generationen, bis die Verfechter guter Wurst es in der heutigen Zeit endlich geschafft haben, die alten Rezepte wieder legal gebrauchen zu dürfen.
Den Käseessern ist das ein Dorn im Auge. Doch die Zeiten, da sie einfach zur Axt greifen konnten, sind vorbei.
Daher haben sie eine neue Taktik entwickelt.
Statt der Krieger gibt es heute Vorkauer. Diese fahnden gezielt nach Andersessern und setzen sich uneingeladen zu ihnen an den Tisch.
Anschließend schieben sie sich von ihrem Käse in den Mund und beginnen genüßlich schmatzend vorzukauen.
„Das ist lecker, das ist gut, das ist das beste auf der Welt - probier doch mal!“, fordern sie in einer Aufdringlichkeit, die ihresgleichen sucht, während es die Andersesser vor Ekel durchschüttelt.
„Oh bitte werdet mit eurem Käse glücklich, aber laßt uns doch endlich in Ruhe unsere Wurst essen“, flehen die Bedrängten.
Und nicht nur sie fragen sich, wann jene Fanatiker endlich begreifen, daß es nun mal Menschen gibt, die keinen Käse mögen.