Seite 2 von 3 ErsteErste 123 LetzteLetzte
Ergebnis 16 bis 30 von 39

Thema: [CK2] Welfenstolz und Welfentrotz

  1. #16
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Die Truppen der Adeligen wehrten sich tapfer. Doch Welf hatte bei der Auswahl der Söldner darauf geachtet, dass genügend Bogenschützen sein Heer verstärken würden, weil die Aufständischen zu einem guten Teil aus leichter Infanterie bestanden. Dementsprechend hatten sie die höchsten Verluste hinzunehmen, fast ein Drittel des Heeres fiel auf dem Schlachtfeld. Die Entscheidung war gefallen.



    Die Schlacht von Bonneval entledigte Welf eines schwelenden Problems mit seiner Geistlichkeit, denn der äußerst unbequeme Abt Martin von Pontigny fiel bei den Kämpfen, sein Verhältnis zum Herzog war sehr schlecht gewesen. Zu seinem Nachfolger wählte das Domkapitel den aus niederem Stand kommenden Arnulf, einem 38jährigen Egoisten mit grausamer Ader. Auch die Beziehung zwischen ihm und Welf war von Anspannung gekennzeichnet.

    Die Burgen Le Mans und Evreux der Aufständischen lagen nun unter Belagerungen, die sich über den Herbst hinweg in den Winter hinzogen. Unter den Entbehrungen der Kälte, des Hungers und der Krankheiten versuchten die herzöglichen Truppen, Evreux zu stürmen, wurden von den Belagerten aber blutig zurückgewiesen. Welf hatte dabei ein zynisches Kalkül, die kostspieligen Söldner sollten etwas tun für ihr Geld. Charles II. konnte seinen Feldzug in der Bretagne abschließen, Mortain fiel an Frankreich. Der Karolinger konnte sein Heer auflösen und heimschicken, Welf benötigte offenkundig keine weitere Unterstützung mehr, um mit seinen aufständischen Adeligen fertig zu werden.

    Das Frühjahr 869 brach an, am 25. Mai wurde dem Herzog von Hildegard eine zweite Tochter geboren, die kränkliche Adelais (-2,5 Gesundheit). Es war unwahrscheinlich, dass das Kind das zweite Lebensjahr überstehen würde, aber das war nicht ungewöhnlich in dieser Zeit mit seiner hohen Kindersterblichkeit. Endlich, am 19. August 869, musste die Festung Evreux als erste kapitulieren, in seiner Kampfkraft dem Hunger und Krankheiten erlegen. Graf Renaud fiel dem Herzog in die Hände.



    Die Ereignisse in Evreux fielen zusammen mit den neu ausbrechenden Diadochen-Kämpfen innerhalb der Karolinger-Reiche. Der italienische König Louis II. fühlte sich stark genug, seine Hand nach der lothringischen Krone von Lothar II. auszustrecken und sammelte seine Truppen für einen Marsch nordwärts über die Alpen. Mehr noch: Offenbar hatte er seinen Angriff auch durch Infiltration im Adel Lothringens vorbereitet und sich in der Umgebung Lothars Unterstützer verschafft. Denn im Oktober 869 kam der König bei einem verdächtigen Unglücksfall ums Leben und hinterließ seinen Thron dem nur wenige Monate alten Sohn gleichen Namens (Lothar III.). Schon bald setzte der offene Zerfall Lothringens ein, im Norden griffen die Adeligen um den Grafen von Kleve zu den Waffen und sagten sich los.



    Das war der erste Konflikt auf einer Süd-Nord-Achse. Es ergab sich noch ein zweiter auf einer West-Ost-Achse: Nachdem der französische König Charles II. sich der Ländereien der Pariser Ile-de-France persönlich bemächtigt hatte, griff er nach der Krone Baierns und erklärte Karlmanns Herrschaft für unrechtmäßig. Es ging bei dem Streit um den Umstand, dass der deutsche König Ludwig II. zu Lebzeiten die Krone von Baiern seinem Sohn Karlmann übergeben hatte. Für Herzog Welf war es die bisher wichtigste Ratssitzung am königlichen Hof in Paris, denn Charles musste die Angelegenheit dem Gremium vorlegen, wenn er Steuern für diesen Krieg erheben wollte.

    Mit seinem Schwager lag Welf Ende 869 im Clinch, es ging um die Normandie. Der Herzog verlangte vom König, ihm den Titel des Herzogtums Normandie zu übertragen sowie ihn mit dem zu diesem Lande gehörende Mortain zu belehnen. Dazu war der Karolinger nicht bereit, er hatte Mortain nicht von den Bretonen erobert, um es Welf auszuhändigen. Im Vorfeld der Ratsabstimmung fanden die beiden keinen Kompromiss, somit verweigerte Welf dem König die Zustimmung für den Krieg gegen Karlmann. Trotzdem erhielt Charles II. die gewünschte Zustimmung des französischen Adels.



    Als Welf nach Tours im Februar 870 zurückkehrte, war die belagerte Festung Le Mans jüngst gefallen. Die Revolte zugunsten der Kapetingerin Bertha war am Ende, auch die Grafen Gauzfrid und Herluin mussten sich in die Hände des Herzogs begeben. Damit waren alle drei Anführer der offenen Revolte inhaftiert. Doch wie sollte es weitergehen? Der Herzog musste sein dezimiertes Heer samt der teuren Söldner nun auflösen und war gezwungen, nun mit der weiterhin brodelnden Adelsfraktion umzugehen. Mangels Geldmittel wäre ein zweiter Aufstand, mit dem Ziel, die Kapetinger in Anjou zu installieren, für Welf äußerst gefährlich.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 052.jpg (122,2 KB, 251x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 053.jpg (276,5 KB, 252x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 054.jpg (326,5 KB, 262x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 055.jpg (137,8 KB, 276x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 056.jpg (129,8 KB, 257x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #17
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Der Herzog entschied sich für den Mittelweg, obwohl dieser in Zeiten der Gefahr oft den Tod bedeuteten konnte: Er arrangierte sich mit Graf Herluin von Rouen und ließ diesen gegen 70 Gold Strafe aus dem Kerker heimkehren. Geld, um sich für die Zukunft zu wappnen. Dies tat Welf auf Anraten seiner Berater, die in dem schwerkranken Herluin keine beständige Gefahr erkennen mochten. Es war wohl einträglicher, Herluin nicht im Kerker siechen und sterben zu lassen. Bei dem Gerichtstag in Tours am 1. Juni 870 inszenierte der Herzog eine öffentliche Versöhnung mit Herluin. Doch falls Welf gehofft hatte, Herluin würde sich nun zurückziehen und sich auf seine Grafschaft Rouen beschränken, sah er sich bald getäuscht. Umgehend betätigte sich der Graf wieder mit dem Ziel, einem Kapetinger den Herzogstitel zu verschaffen, dieses Mal dem jüngeren Bruder Berthas, Robert von Chartres. Für Welf war nun klar, dass er es sich nicht leisten konnte, gegenüber den beiden andern Inhaftierten eine ähnliche Nachgiebigkeit zu zeigen. Sie mussten in Haft bleiben, trotz der lauter werdenden Kritik innerhalb des Herzogtums. Die beiden Grafen drohten so oder so zu einer schweren Belastung für Welfs Regierung zu bleiben.



    Monate verstrichen, ohne dass es zu einer Entscheidung über die beiden Inhaftieren kam. Welf verlegte sich darauf, das Problem mit den Kapetingern auf seine Weise zu lösen. Solange sie lebten, würden sie durch ihre bloße Existenz Welfs Position in Frage stellen. Also mussten sie sterben, Welf beschloss, dass Robert von Chartres sterben musste. Ein gefährlicher Plan, der sich gegen den Herzog zu kehren drohte, als er in Anjou bekannt wurde. Welf sah sich genötigt, seine Beteiligung an diesem Komplott abzustreiten.



    Erst ein zweites Attentat führte kurz vor dem Weihnachtsfest 870 zum Erfolg: Der junge Robert wurde auf einem Jagdausflug ermordet. Natürlich wies der Herzog seine Verwicklung in diese unchristliche Tat zurück, doch das glaubte ihm niemand mehr. Ein Anspruchsteller auf das Herzogtum war ausgeschaltet, doch der Preis war hoch: Das Verhältnis des Herzogs zu seinen Untertanen wurde noch mehr belastet (-10 auf alle Meinungen).



    Jetzt gab es unter den Kapetingern nur noch Bertha (die von Robert die Grafschaft Chartres erbte) und ihre kleine Schwester. Ihr unversöhnlicher Hass auf den Welfen war ihm gewiss. Der Herzog musste konsequenterweise auch sie ausschalten. Obwohl sich der Herzog noch wenige Monate zuvor mit seinem Schwager gestritten hatte, wandte er sich an den König und bat ihn um Hilfe. Welf erinnerte Charles II. an seinen Einsatz gegen die Bretonen und an den Umstand, dass es aktuell seine Grafschaft Ulm war, die von den bairischen Truppen Karlmanns verwüstet und belagert wurde, zeigte sich der König versöhnlich und lenkte ein. Er konnte dem Herzog helfen: Der König hatte nämlich kompromittierendes Material über Bertha gesammelt, die sie als Ketzerin bloßstellten. Für den Karolinger war es ein Leichtes, die Vorwürfe an den Erzbischof von Reims zu übergeben und ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Bertha zu veranlassen. Und tatsächlich: Der Erzbischof entsprach dem und exkommunizierte die Kapetingerin im April 871! In der Grafschaft Chartres brachen unter der einfachen Bevölkerung Unruhen aus, zu schwerwiegend waren die Vorwürfe der Häresie, gar der Verehrung Satans, durch die Gräfin.



    Einen Aufstand des bäuerlichen Mobs konnte der König nun auch nicht dulden. Nachdem Charles II. sich im Juni 871 zähneknirschend mit Karlmann von Baiern auf einen Frieden einigen musste, sendete er sein zurückkehrendes Heer nach Chartres und schlug die leichtbewaffnete Streitmacht der Bauern nieder. Bertha musste sich dem Urteil des Kirchengerichts unterwerfen und wurde vom königlichen Heer nach Paris verschleppt, um sich dort zu verantworten. Welf war seinem Schwager für sein Eingreifen so dankbar, dass er zustimmte, dass sein Sohn Eticho am Hof in Paris eine französische Erziehung (Erziehungsfokus dort: Tradition) genießen sollte. Er wurde in die Obhut des Kronprinzen Carlomann übergeben, ein eher zwielichter Charakter.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 058.jpg (117,0 KB, 251x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 057.jpg (91,0 KB, 234x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 059.jpg (110,9 KB, 231x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 063.jpg (204,8 KB, 237x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 060.jpg (355,1 KB, 238x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #18
    Seufz Avatar von GarfieldMcSnoopy
    Registriert seit
    24.08.06
    Beiträge
    6.904
    Großartige story!werden sich die welfen also langfristig nach Frankreich orientieren?
    Das ist alles, was wir tun können: immer wieder von neuem anfangen, immer und immer wieder. (Thornton Wilder)

  4. #19
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Danke - und ich denke mal, ja. Sofern ich mich im Herzogtum halten kann, sind ja reiche Gebiete. Ich habe aber nur einige Jahre vorgespielt, daher ist das noch in der Schwebe.


    Die Opposition war ihrer Führungsfigur beraubt, Welf konnte die Gelegenheit nutzen, um mit seinen Feinden im Herzogtum abzurechnen. Er entmachtete die ihm suspekten Grafen Ingelger und Herluin im Rat und rief zwei seiner Getreuen aus Ulm herbei. Wido wurde wieder als Kanzler, Walther als Hofspitzel eingesetzt. Eine neuerliche Kampfansage an den Adel in Anjou, die nicht unbeantwortet bleiben würde. Das kalkulierte der Welfe ein. Schon bald, noch im Juni 871, legte ihm der loyale Walther Beweise dafür vor, dass der entlassene Ingelger nach dem Zerschlagen der Kapetinger-Fraktion beabsichtigte, jetzt selber nach dem Herzogstitel zu greifen. Der Graf war in dieser Hinsicht berechenbar, weil er, von blutrünstigen Allmachtsphantasien getrieben, die Schwelle zum Wahnsinn nicht nur erreicht, sondern wohl schon überschritten hatte. Die Syphilis im fortgeschrittenen Stadium hatte seinen Verstand zerrüttet, was aber nichts an seiner Gefährlichkeit änderte.



    Kühl ließ Welf den Grafen nach Tours vorladen, wo er sich vor dem Gericht des Herzogs zu den Vorwürfen des Verrats erklären sollte. Ingelger erkannte, dass ihm die Kerkerhaft drohte und unterließ es, der Vorladung Folge zu leisten. Gemäß des Lehnsrechtes erfolgte nun eine zweite Ladung mit der Androhung der Acht, die Ingelger ebenfalls verstreichen ließ. Nun hatte Welf den Grafen da, wo er ihn haben wollte: Er konnte den Heerzug gegen Ingelger verkünden, gegen den sich keiner der anderen Grafen zu stellen wagte. Ingelger war in seiner Empörung isoliert.



    Es sollte trotzdem lange dauern, bis Ingelger in Ketten nach Tours gebracht werden konnte. Der Graf bereitete sich gut auf die Belagerung seiner Burg vor und trotzte über ein Jahr dem Herzog, der angesichts der sich hinziehenden Strapazen im Winter 872 allmählich den Mut verlor und depressiv wurde. So hatte sich Welf seine Herrschaft über Anjou nicht vorgestellt, seit fünf Jahren lag er im ständigen Clinch mit dem Adel. Zwar war auch Ingelger im Frühjahr 872 in der Hand des Herzogs, doch wie sollte er weitermachen? Er konnte die drei Grafen Ingelger, Renaud und Gauzfrid nicht ewig in Haft halten. Noch dazu kam es bei seinen Untertanen gar nicht gut an, dass Welfs Erbe Eticho eine französische Erziehung in Paris erhielt – in Anjou hielt man die fränkische Tradition hoch. Selbst der bislang treue Alarich, der Zweifaltener Abt deutscher Herkunft, rückte vom Herzog ab. Das war die Situation im Herbst 872.



    Meine zweite Sitzung in dieser Partie. Welf hat es zuvor geschafft, sich durch Brudermord zum Herzog über Anjou aufzuschwingen. Doch der Widerstand des einheimischen Adels ist unerwartet heftig, der Anspruch der Kapetinger hängt wie ein Damoklesschwert über der Herrschaft von Welf. Die Auseinandersetzungen haben Folgen, von den sechs Grafen innerhalb des Herzogtums sind inzwischen vier inhaftiert. Eigentlich müssten die Probleme allmählich abklingen....



    In der Tat wendete sich das Blatt nach fünf Jahren harter, existenzieller Kämpfe endlich zugunsten von Welf. Da verstarb zunächst im Oktober 872 der burgundische Herzog Ekkehard nach langer Krankheit und wurde von seiner erst einjährigen Tochter Jeanne – sein einziges Kind – beerbt. Für Welf bedeutete der Tod des Burgunders, dass von hier aus vorerst keine Gefahr mehr drohte (De jure Anspruch Burgunds auf die Grafschaft Auxerre).

    Burgund als Teil des Königreich Lothringen wurde einige Zeit darauf selber zum Spielball der großen Politik. Nach dem Tod des Karolinger Lothar II. im Jahre 869 war die Krone auf den minderjährigen Lothar III. übergegangen, dem nun (im Jahre 873) der deutsche König Ludwig den Thron von Burgund entriss. Dieses Teilkönigreich gehörte nun zum ostfränkischen Regnum, doch es war klar, dass dies nicht von Dauer sein würde. König Ludwig II. war bereits 67 Jahre alt und das Erbe würde zwischen seinen Söhnen aufgeteilt werden.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 061.jpg (213,9 KB, 210x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 062.jpg (130,2 KB, 224x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 064.jpg (166,2 KB, 215x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 065.jpg (97,2 KB, 207x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 066.jpg (433,1 KB, 208x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  5. #20
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Dieser Erbfall trat bereits Mitte 874 ein, als König Ludwig II. mit 68 Jahren starb und sein Reich zwischen seinen Söhnen Karlmann und Ludwig (der Jüngere) aufgeteilt wurde, wobei Karlmann sein Bayern mit dem Erbe Ostfranken vereinigte, während Ludwig die Krone von Burgund erbte.



    Die Bühne war bereitet für einen der ehrgeizigsten Personen jener Zeit. Bei diesem Mann handelte es sich um den illegitimen Sohn des Königs Karlmann, nämlich Arnulf. Dieser Arnulf, den Chronisten ob seiner wenig freundlichen Politik gegenüber der Kirche mit dem Beinamen „der Böse“ versahen, war eigentlich ein Bastard, ausgeschlossen von der legitimen Erbfolge. Aber in dem charismatischen Arnulf (seht Euch im folgenden Bild die fetten Boni an) brannte der unvergleichliche Wille, es an die Spitze zu schaffen. Lange schon hatte sich der junge Mann auf den Tod seines Großvaters Ludwig II. vorbereitet. Arnulfs Vater, der neue König Karlmann von Ostfranken-Bayern, hatte als legitimen Nachfolger seines Thrones den minderjährigen Berthold. Und Arnulf wollte nicht solange warten, bis Berthold so alt werden würde, ihm den Weg zur Macht versperren zu können. In Franken und Schwaben besaß Arnulf zahlreiche Anhänger unter den Fürsten, die er sich dank der Gelder, die er zuvor der Kirche entwendet hatte, gewogen gemacht hatte.

    Nach der Krönung Karlmanns dauerte nur wenige Tage, bis er bei einem ungeklärtem Unfall ums Leben kam. Arnulf sicherte sich in einer Blitzaktion die Macht im mittleren Deutschland, Franken und Schwaben und Thüringen hielten zu ihm, während sich die Bayern und die Sachsen auf die Seite des legitimen Sohnes Berthold schlugen.



    Arnulf war sich sicherlich bewusst, dass Berthold ihm aufgrund seines jungen Alters politisch unterlegen war. Doch das durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Arnulf nicht ohne weiteres möglich war, sich gegen den vereinten Willen der sächsischen und bayerischen Fürsten zu stellen. Er musste sich nach anderen Möglichkeiten umschauen, seine Macht zu vergrößern. Denn eines Tages würde sein kleiner Bruder Berthold erwachsen werden und ihn daran erinnern, dass er nur ein illegitimer Nachkomme des Königs sei. Anstatt direkt aufeinander loszugehen, trachteten beide Parteien danach, ihre Position bis zu diesem unvermeidlichen Konflikt zu verbessern – und zwar auf Kosten von Burgund. Sowohl Arnulf wie auch den bayerischen Anhängern Bertholds erschien zu dieser Zeit die Position des Onkels Ludwig dem Jüngeren angreifbar. Der hatte die Krone von Burgund ja auch erst vor kurzer Zeit erhalten und hatte sich dort noch nicht etablieren können.



    Im Herzogtum Anjou kehrte zu dieser Zeit tatsächlich so etwas wie Ruhe ein. Die vier eingekerkerten Grafen konnten Welf keine Probleme mehr bereiten. In gewisser Weise herrschte eine Pattsituation zwischen dem Herzog und seinen Fürsten. Die Grafen waren physisch in Welfs Hand, rechtlich gesehen konnte er ihnen jedoch nichts, denn die Gesetze verboten es dem Herzog, einem seiner Untertanen das Lehen zu entziehen – egal, unter welchen Umständen. Solange Welf verschuldet war und sich im Falle eines neuerlichen Aufstands nicht den Sold käuflicher Truppen leisten konnte, war es viel zu gefährlich, die adeligen Gefangenen freizulassen. Das Verhältnis zum Klerus war ebenfalls angespannt. Die Geistlichen folgten allesamt dem reformorientierten Papst Marinus, der seit 867 die katholische Kirche führte. Da Welf bei der Besetzung kirchlicher Positionen nicht mitreden konnte, brachten auch Personalwechsel unter den Geistlichen keine Änderung der Situation. Die investierten Äbte waren handverlesene Anhänger der Reformpartei, so wie der 874 ins Amt eingeführte Abt von Chinon. Dort war der blutrünstige Hedonist Liudolf gestorben. Seinen Nachfolger Adalbero konnte man am besten als einen kaltherzigen Sadisten beschreiben, der es gleichwohl verstand, Menschen für sich einzunehmen.



    Welf konnte sich bei seiner Regierung allenfalls auf die Städte verlassen. So war es unumgänglich, dass sich der Herzog zumindest der Nähe seines gekrönten Schwagers Charles II. versicherte und bereitwillig seine Kinder zur Erziehung an den königlichen Hof nach Paris entsandte, wo sie in französischer Kultur unterrichtet wurden. Der König ließ bei der Auswahl der Erzieher Sorgfalt walten, die Kinder wurden von bedeutenden Personen wie Catherine die Heilige unterrichtet. Der Umstand, dass Welf seine Kinder am französischen Hof erziehen ließ, zeigte, dass er ihre Zukunft nicht im deutschen Ulm sah, sondern in Tours bzw. dem Herzogtum Anjou.



    Damit drohte sich Welf erneut zwischen alle Stühle zu setzen. Die Deutschen an seinem Hof, darunter so mancher Kirchenfürst, missbilligten seine Entscheidung (-20 Meinung), weil sie um ihren Einfluss in Anjou fürchteten. Die französischen Grafen rieben sich daran, dass Welf sich immer noch mit deutschen Ratgebern niederen Standes umgab. Er dürfte keine ernsthaften Absichten mehr zum Umsturz betrieben haben, aber der Graf von Rouen, Herluin de Ponthieu, posaunte seinen Unmut allzu unvorsichtig in die Öffentlichkeit. Damit gab er dem Herzog die Gelegenheit, gegen ihn vorzugehen. Herluin wurde im Juli 875 in einer überraschenden Aktion verhaftet und nach Tours gebracht, wo er in Haft genommen wurde. Dort dürfte er mit Schrecken vom Tod des Grafen von Maine, des Rorgoniden Gauzfrid, mitbekommen haben, der nach der jahrelangen entbehrungsreichen Gefangenschaft starb. Der weinerliche Intrigant Gauzfrid wurde von seinem Sohn beerbt, dem 30jährigen Gauzbert, einem nur mäßig begabten Mann.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 068.jpg (109,1 KB, 236x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 069.jpg (646,8 KB, 206x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 071.jpg (103,1 KB, 206x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 067.jpg (420,7 KB, 237x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 070.jpg (123,1 KB, 201x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  6. #21
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Welf konnte sich inzwischen entspannen, die Machtfrage in Anjou war geklärt. Der Anspruch der Kapetinger war gebrochen, die Grafen entmachtet. Die Phase, in der der Herzog über wiederkehrende Depressionen litt, waren vorbei. Ja, der Herzog wurde sogar gesellig, und das verdankte er seinem Freund Ramnulf, dem Herrn des benachbarten Herzogtums Poitiers, der ihn immer wieder zu Feiern bei sich einlud und ihm tatkräftig zur Seite stand. Welf, einst nur der Graf von Ulm, hatte seinen Platz in Frankreich gefunden. Er war sogar zu einem der mächtigsten Fürsten in Frankreich aufgestiegen.



    Jetzt konnte er es sich erlauben, die unklare Situation mit den gefangenen Grafen zu beenden. Dabei ging Welf durchaus differenziert vor: Mit dem Grafen Ingelger versöhnte er sich und ließ diesen frei, erhob ihn vier Jahre später sogar zum Marschall (als der bisherige Marschall Abt Gautselin starb) und fand in Ingelger einen späten loyalen Parteigänger. Dem wiederholt abtrünnig gewordenen Herluin dagegen versprach der Herzog ein Schmachten im Kerker bis zum Ende seiner Tage. Und die Kapetingerin Bertha ereilte in Paris ein schreckliches Schicksal: Der König ließ sie aus ihrer Zelle holen und öffentlich als Ketzer und Verräterin zweiteilen. Für Charles II. war mit diesem Schritt der Freundschaftsdienst an seinem Schwager beendet. Um Welf von dem Gedanken abzubringen, sich nun auch Berthas Grafschaft Chartres einzuverleiben, ließ der König zu, dass Berthas kleine Tochter Adelaide mit einem Karolinger verlobt wurde. Welf blieb daraufhin nichts anderes übrig, als die kleine Adelaide mit Chartres zu belehnen, wenn er keinen Ärger mit dem König bekommen wollte. Das Verhältnis zwischen Welf und Charles war sowieso schon angespannt (-34).

    Das Jahr 875 endete, das neue Jahr brach an. In den Truhen des Herzogs hatten sich inzwischen Geldmittel von über 500 Gold gesammelt, was Welf die Gelegenheit gab, seine Schulden zu tilgen, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre legte er stets Wert darauf, genügend Mittel für das Anheuern von Söldnern zu besitzen.

    Das inzwischen beschauliche Leben in Tours kam lediglich im September des Jahres einmal in Wallung, als die Kunde von einer großen Umwälzung im Familienzwist innerhalb der Karolinger eintraf. Der glücklose Thronfolger von Lothringen, Lothar III., der zuvor schon den Verlust von Burgund hatte hinnehmen müssen, wurde von seinem Onkel Louis II. entmachtet und in sein Herzogtum Luxemburg geschickt. Louis vereinte die Königreiche Italien und Lothringen jetzt in seiner Hand und warf zweifellos sein Auge auf Burgund, das er zur Verbindung des italienischen und des lothringischen Teils benötigte. Ludwig der Jüngere dürfte sich sehr unwohl bei dem Gedanken gefühlt haben, er verteidigte seinen Thron ja bereits gegen Berthold und Arnulf.



    Arnulf festigte derweil weiter seine Macht in Ostfranken, offenbar war er sich des Rückhalts in Franken, Sachsen und Schwaben nicht mehr gewiss. Welf kannte nicht genau die Hintergründe, warum Arnulf den schwäbischen Herzog Karl, genannt der Fette, die Gunst entzog und ihn anklagen ließ. Noch zehn Jahre zuvor war Karl der Lehnsherr von Welf gewesen, jetzt saß der Urenkel Karls des Großen in Arnulfs Kerker – und erblickte das Licht der Sonne nicht wieder. Unter ungeklärten Umständen starb der schwäbische Herzog in der Gefangenschaft seines Neffen Arnulf. Wie erwähnt, der historische Arnulf hatte den Beinamen „der Böse“ erhalten. In der Partie ist das anders: Hier bekommt er den Namen Arnulf der Edle. Das hat schon was Ironisches.



    Das Weihnachtsfest 876 wurde an Welfs Hof überschattet von einem tragischen Unfall. Der Hofkaplan Alarich, ein alter Vertrauter des Herzogs aus Ulmer Zeiten, sollte die Messe lesen. Auf dem Weg zur Kirche stolperte der Abt und fiel kopfüber eine Treppe herunter. Der zeitlebens asketische Mann erlitt schwere Kopfverletzungen und war an das Krankenbett gefesselt. Der Herzog bangte die Weihnachtstage hinweg um das Leben seines Kaplan. Doch auch am Dreikönigstag 877 ging es Alarich nicht besser, nur zeitweise erlangte er das Bewusstsein. Es sah so aus, als würde er sich nicht von den Verletzungen des Sturzes erholen. Es dauerte noch einige Monate des Siechtum, bis Alarich im Juli des Jahres schließlich an den Folgen des Unfalls verstarb.



    Auf geistlichen Beistand konnte Welf jedoch nicht verzichten, er musste sonst um sein Seelenheil bangen. Mindestens der Brudermord, auch der Tod in den Reihen der Kapetinger, belasteten Welf vor dem Jüngsten Gericht. Von den Äbten seines Herzogtums bewarben sich zwei um das Amt des Kaplan: Da war zum einen Adalbero von Chinon, ein Sadist, der seine Gegner ungerührt und mit kaltem Herzen dem Tod überantworten konnte. Neben ihm trachtete Arnulf von Pontigny nach dem Amt, auch er ein rücksichtsloser Mann, der bedenkenlos das Blut anderer vergoss, um im Leben nach oben zu kommen. Welf entschied sich, den kaltherzigen Adalbero zu seinen Hofkaplan zu machen, er hatte dazu immerhin die Fähigkeit von 16, besser als die 12 von Arnulf.

    Nach dem Tod von Alarich im Juli 877 brauchte Zweifalten einen neuen Abt. Das Domkapitel wählte den reformorientierten Alarich II. zu ihrem neuen Abt. Der hinterlistige Zyniker war 35 Jahre alt, als er das Amt übernahm, Welf würde wohl eine längere Zeit mit ihm auskommen müssen. Die Geistlichkeit machte dem Herzog wenig Freude, auf Gelder durfte er bei ihnen insgesamt nicht hoffen.

    Ein weiteres Jahr verging, in dem Frieden herrschte in Anjou. Im Juni 878 hielt Welf einen großen Landtag ab in Tours, auf dem er sich öffentlich mit Renaud von Evreux versöhnte, der seit dem gescheiterten Aufstand acht Jahre lang im Kerker geschmachtet hatte. Schwer gezeichnet von den Entbehrungen dieser Zeit gelobte Renaud Lehnstreue und Gehorsam. Von der „großmütigen“ Geste hatte der letzte verbliebene Gefangene von Rang und Namen wenig: Graf Herluin blieb von der Gnade des Herzogs ausgeschlossen: Er sollte zweieinhalb Jahre später, noch immer im Kerker, sterben.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 073.jpg (178,5 KB, 187x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 072.jpg (658,5 KB, 212x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 075.jpg (92,7 KB, 183x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 074.jpg (302,2 KB, 184x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 076.jpg (191,0 KB, 195x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #22
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Zu dieser Zeit überprüfte Welf ernsthaft ein möglichst doppeltes Heiratsbündnis und ein damit einhergehendes militärisches Verteidigungsbündnis, das er mit seinem Freund, dem Herzog Ramnulf von Poitiers, abschließen wollte. Denn in der benachbarten Bretagne übernahm der Wikinger Haesteinn das Ruder, ein heidnischer Heerführer. Die Normannen gaben sich nicht mehr mit dem Plündern zufrieden, sie waren gekommen, um sich niederzulassen und zu bleiben. Besonders betraf das Ingelger von Anjou, dessen Grafschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Horden lag. Auf Seiten der christlichen Truppen schloss er sich dem Kampf gegen die Invasoren an. Militärisch waren die Wikinger jedoch nicht zu bezwingen, durch Event ließen sich fast 7.000 ihrer Krieger in der Bretagne nieder. Es gab schließlich nur eine Lösung des Konfliktes: Den Normannen wurde zugestanden, sich in den bretonischen Landen niederzulassen, im Gegenzug ließ sich Haesstein taufen und trat zum Katholizismus über. Im Ergebnis aber hatte Welf nun einen Nachbarn, der siebentausend Mann in den Kampf werfen konnte. Zum Glück hielten sich die Normannen vorerst an ihr Wort und siedelten friedlich.



    Das beherzte Vorgehen von Ingelger, mit dem sich Welf ja bereits auf dem Hoftag vier Jahre zuvor ausgesöhnt hatte, beeindruckte den Herzog. Und Ingelger wurde selbstbewusster in seinen freundschaftlichen Forderungen, die er diesem gegenüber erhob: Er wollte das Amt des Marschalls haben. Das aber hatte seit zwölf Jahren der kriegserprobte Abt Gautselin inne, den sogar Welf insgeheim fürchtete. Auch die Klagen der einfachen Bevölkerung über das rigide Vorgehen von Gautselin konnte den Herzog nicht dazu bringen, sich von seinem Marschall zu trennen. Im Gegenteil: Er beauftragte ausgerechnet Gautselin, die Unruhen zu zerschlagen, die er selbst herbeigeführt hatte. Für Welf war das allerdings doppelt ärgerlich, denn Tours war ansonsten eine wirtschaftlich prosperierende Grafschaft. Das Verhalten des Marschalls schmälerte diese Entwicklung spürbar.



    Es war wohl Ingelger, der das Murren seines Herzogs über Gautselin vernommen hatte und sich des Problems mit dem Marschall annahm. Jedenfalls kam der kriegerische Abt im August 879 bei einem tragischen Unfall ums Leben. Welf nahm die Nachricht von Gautselins Tod wohlwollend zur Kenntnis und hegte offenbar keinen Groll gegen Ingelger: Ihn ernannte Welf nämlich zum Nachfolger auf dem Posten des Marschalls, Ingelger dankte es mit einer Meinung von +97 und loyalem Stimmverhalten im Rat des Herzogs. Nachfolger des Verunglückten als Abt von La Charite wurde übrigens der psychopathische Augustin, eine ebenso gewalttätige wie einnehmbare Person.



    Es war einige Tage nach der Geburt seines dritten Sohnes Welf, als auch der französische König die Unterstützung des Herzogs in einer delikaten Angelegenheit suchte. Charles II. wollte den Kapetinger Eudes, Herzog von Berry, entmachten und suchte unter den Fürsten Frankreichs Unterstützung dafür. Für Welf war das eine willkommene Offerte: Denn Eudes war sein Gegner, der Kapetinger beanspruchte die Grafschaft Tours für sein Herzogtum. Eine Schwächung von Eudes durch den König konnte Welf da nur recht sein.

    Eben dieser Eudes stellte aus einem weiteren Grund ein Problem dar. Welf hatte so lange unter den Familienangehörigen der Kapetinger innerhalb seines Herzogtums gewütet, dass nur noch zwei junge Mädchen als Sprösslinge dieses Hauses übrig geblieben waren – die achtjährige Gräfin Adelaide von Chartres und ihre jüngere Schwester Regelinde. Diese Regelinde starb nun im September 879 an der Tollwut und es gab nach Adelaide keine weiteren Kapetinger innerhalb von Anjou, die bei einem plötzlichen Tod der Gräfin hätten erben können. Der nächste Verwandte, dem die Grafschaft dann als Erbe zufallen würde, war jetzt Adelaides Großonkel Eudes von Berry.



    Zwar eröffnete König Charles II. im Oktober 879 die Fehde gegen Eudes, um die Grafschaft Bourbon einzuziehen (was Charles zwei Jahre später dann auch tat). Der Ausgang dieses Feldzugs änderte nur nichts an der Nachfolgesituation in Chartres. Für Welf war das eine nicht akzeptable Situation. Es wäre zwar der gewöhnliche Weg gewesen, abzuwarten, bis die Gräfin erwachsen ist, heiratet und einen Erben für die Grafschaft zur Welt bringt. Doch das Risiko, dass das achtjährige Mädchen bis dahin einer Krankheit oder einem Attentat oder sonst etwas zum Opfer fallen würde, war einfach zu groß. Bei einem so jungen Mädchen gab es natürlich keinen Anlass, der Welf zum legalen Einziehen des Lehen berechtigt hätte. Also blieb ihm nur der Bruch des feudalen Rechtes – er musste Adelaide das Lehen ohne statthafte Begründung entziehen. Aber auch dafür hatte Welf nicht das Recht, die Gesetze von Anjou gestatteten es dem Herzog unter keinen Umständen, ein Lehen einzuziehen. Welf musste also zunächst zusehen, dass ihm das Recht dazu gegeben wurde.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 077.jpg (637,4 KB, 167x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 078.jpg (283,4 KB, 165x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 079.jpg (185,9 KB, 162x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 080.jpg (420,4 KB, 164x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 081.jpg (118,4 KB, 188x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  8. #23
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Die fünf amtierenden Ratsmitglieder hatten über diese Angelegenheit abzustimmen. Graf Ingelger von Anjou hatte sich wie erwähnt zum loyalen Parteigänger des Herzogs entwickelt. Abt Adalbero II. sowie Kanzler Wido standen dem Vorhaben kritisch gegenüber. Es musste Welf also darum gehen, die beiden unentschiedenen Räte – den Kämmerer Bouchard von Vendome und den Spitzel Walther – für sich zu gewinnen. Beide traf der Herzog im noch im Oktober zu diskreten Verhandlungen, man war sich schnell einig. Sowohl Bouchard wie Walther verlangten für ihre Stimme im Rat aber jeweils 81 Gold. Das waren Summen, die für Welf etwa den zweifachen Jahreseinnahmen aus dem Herzogtum entsprachen.



    Welf stimmte den Begehrlichkeiten der beiden zu und forderte im Gegenzug ihre Unterstützung im Rat ein (das Einkaufen eines Gefallens und das Einfordern der Unterstützung im Rat sind im Spiel zwei getrennte Vorgänge!). Jetzt hatte der Herzog im Rat die Stimmmehrheit und konnte im November 879 ohne Risiko die Gesetzesänderung zur Abstimmung vorlegen.



    Sie endete wie erwartet mit der Annahme der Vorlage. Welf hatte jetzt das Recht, straffälligen Vasallen ihre Lehen zu entziehen. Die Möglichkeit zum Einziehen von Lehen erstreckte sich allerdings auch auf Vasallen, die zuvor nicht in einem Prozess verurteilt worden waren. Diese Option setzte Welf nun gegen die kleine Adelaide ein, die er Anfang Dezember zur Aufgabe ihrer Grafschaft Chartres zwang. Bei den übrigen Fürsten Anjous kam dieser Bruch des Lehnsrechts natürlich nicht gut an: Sie mussten fürchten, dass sie es sein würden, die beim nächsten Mal ein solches Vorgehen treffen würde.



    Welf verhielt sich in der folgenden Zeit entgegen der Befürchtungen aber ruhig. Im Sommer 880 wurde ihm von Hildegard das fünfte Kind, ein Junge, geboren, der zu Ehren des Königs auf den Namen Karl getauft wurde. Neben Eticho (dem Sohn aus erster Ehe), Johann (Jean) und Welf war Karl nunmehr der vierte Sohn des Herzogs, der sich sicherlich Gedanken über einen möglichst standesgemäßen Erbteil für sie alle gesorgt haben dürfte. So ist es wohl zu verstehen, dass Welf sein Herzogtum möglichst zu einem Familienbesitz seines Hauses wandeln wollte.

    Wie sich die Verhältnisse im Anjou-Herzogtum zugunsten Welfs geändert hatten, zeigte schlaglichtartig die Gleichzeitigkeit zweiter Ereignisse: Am 5. Januar 881 starb der entmachtete Herluin im Kerker und hinterließ seine Grafschaften Rouen und Eu einer ungewissen Zukunft in der Hand seiner erst zwölfjährigen Tochter Berengere. Das Mädchen grämte sich über das schreckliche Ende ihres Vaters und entwickelte sich zu einer konfliktscheuen, demütigen Person – für Welf eine bequeme Vasallin.

    Am selben Tag erhielt Welfs ältester Sohn Eticho in Tours seine Schwertleite. Der junge Mann, der einmal das Herzogtum Anjou erben sollte, war ein eher weicher Charakter: Bescheiden, gütig und zufrieden. Eigenschaften, die ihm vielleicht einmal die Zusammenarbeit mit der Geistlichkeit erleichtern würde. Einzig die amourösen Eskapaden des 16jährigen Eticho sorgten unter den Äbten für Stirnrunzeln.



    Einige Zeit war verstrichen, seitdem Welf unter Bruch des Feudalrechts der jungen Kapetingerin Adelaide das Lehen Chartres entzogen hatte. Außer verbalen Protesten war eine Reaktion des Adels ausgeblieben, der Herzog konnte sich seiner Position in Anjou endlich sicher fühlen. Die meiste Kritik unter den Vasallen erzeugte allenfalls die Anhäufung der Hausmacht (das Domäne-Limit ist um zwei Liegenschaften überschritten, somit -20 auf alle Meinungen), Welf legte seinen Fokus auf die Intrige nunmehr ab und konzentrierte sich auf die Städte und die Wirtschaft seines Herzogtums. Das brachte ihm naturgemäß die Zustimmung des bürgerlichen Standes, dummerweise erhöhte sich das Limit aber nicht. Welf konnte stattdessen Ende 884 (fünf Jahre nach der letzten Gesetzesänderung) den legalistischen Weg gehen und hatte in dem inzwischen willfährigen Rat eine bequeme Mehrheit, um die Mittlere Zentralisierung im Herzogtum einzuführen – was das Limit um eine Liegenschaft auf fünf zulässige erhöhte.

    In der großen Politik, und das waren die Familienzwistigkeiten innerhalb der Karolinger, musste der Burgunder Ludwig der Jüngere Ende 883 den Angriffen von drei Seiten nachgeben und seine Krone dem bayrischen König Berthold übergeben. Genau genommen war es der süddeutsche Adel, dem sich Ludwig geschlagen geben musste, denn Berthold selber war erst zehn Jahre alt. Man hatte in Bayern erkannt, dass ein Ausgreifen sowohl des skrupellosen Arnulf nach Burgund, als auch eine Vereinigung des lothringischen mit dem italienischen Reichsteil unter Louis II. eine Bedrohung für Schwaben und Bayern bedeutete. Das auf diese Weise zusammengeschmiedete Königreich Bayern hatte indes den Geburtsfehler, dass es räumlich in drei Teile gespalten war, die sich schlecht verteidigen ließen: Bayern-Schwaben, Sachsen und Burgund. Spürbar wurde das bereits jetzt an den wiederholten Einfällen dänischer Wikinger in Sachsen. Trotz alledem: Zwischenzeitliche Erwägungen Welfs, von dem Knabenkönig Berthold die Grafschaft Schwyz (die Welfs Vater einst zu Lehen gehabt hatte) zurückzufordern, blieben angesichts der Stärke des süddeutschen Adels bloße Gedankenspiele.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 082.jpg (194,0 KB, 171x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 083.jpg (40,9 KB, 153x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 084.jpg (143,7 KB, 179x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 085.jpg (125,8 KB, 173x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 086.jpg (516,6 KB, 185x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  9. #24
    Seufz Avatar von GarfieldMcSnoopy
    Registriert seit
    24.08.06
    Beiträge
    6.904
    So'n Fleckerlteppich Hat der Welfe schon um einen Ablass gebeten, wenn ihn das Gewissen derart drückt? Die entmachtete Adeleide tut mir voll leid. Noch dazu scheint die Supertraits zu haben: Gute Werte mit erst 8 Jahren... Die solltest Du im Hinterkopf behalten...
    Das ist alles, was wir tun können: immer wieder von neuem anfangen, immer und immer wieder. (Thornton Wilder)

  10. #25
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186
    Ne, einen Ablass hatte ich in diesem Fall gar nicht im Kopf. Ich spiele/schreibe hier nur mehr nach Rollenspiel. Wobei die Erwägungen durchaus die sind, die ich in der Partie anstelle. Adelaide ist für mich nicht mehr greifbar, sie wurde landlos und ging an einen anderen Hof.
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  11. #26
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Für seinen Sohn Eticho setzte Welf auf die lothringisch-italienische Karte: Er verhandelte 884 mit Louis II. einen Heiratsvertrag aus, der Eticho mit einer Tochter (Engelberga) verbinden sollte. Die Verlobung der beiden wurde 884 beschlossen, die Eheschließung folgte zwei Jahre später, als Engelberga das heiratsfähige Alter erreichte. Für Welf war das eine bedeutende Aufwertung, denn Louis II. hatte nur zwei Töchter.



    Der Plan einer Doppelhochzeit mit dem lothringischen Zweig der Karolinger kam vorerst jedoch nicht zustande, das Schicksal schlug zu: Welfs Tochter Adelais, die für eine Verlobung mit einem der beiden Söhne Louis' (Bohemond/Michele) vorgesehen war, starb im Oktober 884 an einer Lebensmittelvergiftung.

    Zwei weitere Todesfälle in der Umgebung des Herzogs ereigneten sich im folgenden Jahr: Mit dem Grafen Renaud ging einer jener normannischen Adeligen, die sich so vehement gegen Welf und für einen Kapetinger ausgesprochen hatten. Dem Rorgonide waren zunächst drei Töchter geboren worden, bevor er zwei Jahre vor seinem Tod – das Krebsleiden machte sich da schon bemerkbar – Vater eines Sohnes (Renaud II.) wurde. Eine Regentschaftsrat musste nun die kommenden Jahre die Geschäfte für den Knaben führen. Für den Herzog war das eine gute Entwicklung: Aus der Grafschaft Evreux hatte er bis aufs Weitere keine Probleme zu befürchten.

    Im Sommer des Jahres 885 starb dann jedoch auch Welfs Frau Hildegard mit nur 34 Jahren. Neben der persönlichen Tragik brachte der Todesfall dem Welfen eine politische Unsicherheit: Die Ehe mit der Tochter des französischen Königs hatte ihm stets einen Schutzschirm geschaffen vor etwaigen Begehrlichkeiten von Seiten Charles II., der selber durchaus Welfs Gebieten in der Normandie oder der Grafschaft Chartres interessiert war. Die Sorge des Herzogs erwies sich als unbegründet: Der König war bereit, die Bindung der beiden Häuser durch eine neue Eheschließung zu erneuern. Dieses Mal wurde eine Verlobung zwischen Welfs Tochter Hildegard mit dem Sohn des französischen Thronfolgers vereinbart. Dass die Dame zehn Jahre älter war als der siebenjährige Dauphine, war nebensächlich. Für den Welfen war es eine Investition in die Zukunft: Es war klar, dass die Krone von Westfranken nach dem Tod von Charles II. auf seinen Sohn Louis (der bereits über Aquitanien herrschte) übergehen würde, und von diesem auf seinen Sohn Charles – der Bräutigam für Hildegard. Eines Tages also sollte Welfs Tochter Königin von Frankreich werden, wenn alles gut ging. Es war sogar möglich, dass der kleine Charles eines Tages auch über den aquitanischen Reichsteil herrschen würde, denn hier stand lediglich sein Onkel Carloman vor ihm in der Thronfolge.



    Im Juni dieses Jahres 885 gab es noch einen dritten Todesfall, der aber nicht in der Umgebung des Herzogs stattfand. In Rom starb „endlich“ Papst Marinus, der seit 18 Jahren die Kirche geführt hatte und den Klerus stets auf seiner Seite gewusst hatte. Doch die Hoffnung Welfs, dass sich dies unter dem Nachfolger ändern könnte, zerschlugen sich. Die Geistlichen von Anjou orientierten sich weiterhin an der Reformpartei und zahlen ihre Kirchensteuern nach Rom. Tatsächlich folgten auf Marinus innerhalb kurzer Zeit sogar drei Nachfolger, nämlich Anastasios III. (885-888), Calixt II. (888) und Silvester II. (ab 888), ohne dass sich daran etwas änderte. Welf musste dauerhaft auf die erheblichen Einnahmen der Kirchenfürsten verzichten.

    Nachdem die durch den Tod von Welfs Gattin entstandene „offene Flanke“ politisch wieder gesichert war, konnte der Herzog den nächsten Schritt unternehmen, seine Macht innerhalb von Anjou auszuweiten. Es ging darum, möglichst viele Ländereien für seine vier Söhne zu sichern. Der Herzog war inzwischen 50 Jahre alt und musste sich allmählich Gedanken machen, wie er sein Haus hinterlassen wollte. Das Opfer seines Landhungers wurde seine Vasallin Berengere de Ponthieu, die ihren Vater Herluin im Kerker des Herzogs verloren hatte. Von diesem hatte Berengere die beiden Grafschaften Rouen und Eu geerbt – ein lohnenswertes Ziel für den Herzog. Es war eine Intrige.



    Berengere entschied sich überraschend, sich gegen die Vorwürfe, die ihr vom Herzog zur Last gelegt wurden, zur Wehr zu setzen. Allerdings hatte sie weder vom König noch von den anderen Grafen in Anjou Unterstützung zu erwarten: Welf hatte seinen Coup in dieser Hinsicht abgesichert. Lediglich der gerade in Ulm aufflackernde Bauernaufstand kam dem Herzog zur Unzeit und band einen Teil seiner Truppen in Süddeutschland.

    Welf sammelte gerade seine Soldaten zur Heerschau in Tours, als ihn die Kunde vom Tod zweier Karolinger-Könige erreichte. Zum einen starb der Italiener Louis II., der 876 nach dem Tod seines Bruders seinen kleinen Neffen entmachtet und sich das Königreich Lothringen einverleibt hatte. Durch den Tod von Louis wurden Italien und Lothringen nun wieder aufgeteilt, denn er hatte zwei Söhne: Bohemond (*871) erhielt Lothringen, während Italien an den jüngeren Michele (*875) ging.

    Bedeutender für Welf war der Tod seines Lehnsherrn Charles II., den sie „den Kahlen“ genannt hatten. Der Herzog hatte mit der Verlobung seiner Tochter zwei Monate zuvor für eben diesen Fall politisch vorgesorgt und sich mit dem Thronfolger Louis II. „der Stotterer“ gut gestellt. Westfranken und Aquitanien waren in der Hand des Stotterers vorläufig wieder vereint.



    Welf zögerte den Abmarsch seines Heeres gegen Berengere hinaus, um an den Hof des neuen Königs zu eilen. Dort leistete er gegenüber Louis den Lehnseid, erhielt seine Lehen sowie sein Amt als Heerführer des Königs bestätigt. Jedoch: Das Amt des Kämmerers, das Welf seit 867 unter Louis' Vater innegehabt hatte, bekam ein Aquitaner. Das sorgte bei Welf für Unmut, als Herzog von Anjou pochte er darauf, im Rat des Königs Berücksichtigung zu finden. Der neue König fand eine Lösung des Problems und schuf für Welf eigens die Position des „königlichen Beraters“ am Hof.

    Das persönliche Zusammentreffen mit dem Stotterer erstaunte den Herzog. Louis sah mit seinen 42 Jahren ungewöhnlich krank aus. Narben und eitrige Pusteln verunstalteten das Gesicht des Königs, eine Hand war ihm aufgrund einer Entzündung bereits amputiert worden. Für Welf war erkennbar, dass dieser Mann nicht lange auf dem Thron sitzen würde. Aquitanien würde nach seinem vermutlich baldigen Tod an Louis' ältesten Sohn Carloman fallen, während Welfs Schwiegersohn Charles die Krone von Westfranken tragen würde.

    Vertraulich sprach Ramnulf, der Herzog von Poitou, seinen Freund Welf auf Carloman an. Für beide Herzöge war der kommende Mann auf Aquitaniens Thron eine Gefahr. Die beiden Herzöge waren sich einig, dass Carloman ein ehrgeiziges Ekel war, das seine kommende Macht gegen sie einsetzen würde. Die beiden langjährig befreundeten Herzöge Ramnulf und Welf versprachen, sich einander gegen diesen gefährlichen Mann beizustehen.

    Die Absprache war nicht unverbindlich, sie wurde durch die Verlobung von Welfs sechsjährigen Sohn Welf mit Marie, der achtjährigen Tochter Ramnulfs, bekräftigt. Diese Verbindung hatte sich Welf gut überlegen müssen, denn Ramnulf hatte keinen Sohn, die kleine Marie hatte also die Aussicht, einmal die Herzogin von Poitou zu werden. Ihre Verbindung mit dem kleinen Welf eröffnete dem Haus der Welfen also neue Erbaussichten. Andererseits schwächte es die Position des Erstgeborenen Eticho, der einmal als Herzog von Anjou nachfolgen sollte. Sein jüngerer Bruder würde seinen Erbteil mit nach Poitou nehmen (Eticho und der junge Welf würden dann nämlich beide Herzöge sein).

    Nach diesen wichtigen Weichenstellungen kehrte Welf in sein Herzogtum zurück und besiegte im Norden die Gräfin Berengere. Die bemitleidenswerte schwangere Frau, die sich ja nur gegen die konstruierten Vorwürfe ihres Lehnsherrn empört hatte, landete wie ihr Vater Herluin in Welfs Kerker. In einem Prozess erklärte der Herzog Berengeres Lehen für eingezogen und ließ sie aus Vorsicht weiter in Haft schmachten. Dort brachte sie ihren Sohn zur Welt. Erst drei Jahre später, als der Herzog sich sicher genug fühlte, erbarmte er sich und ließ Mutter und Kind ziehen. Berengere, land- und mittellos, suchte Zuflucht am Hof von Amiens.

    Jetzt, da Welf neben Eu auch über die Küstenprovinz Rouen verfügen konnte, realisierte er die lange vorbereitete Handelsroute nach Litauen, die ihm einen enormen Zuwachs an Geld, Prestige und Wohlwollen der Bürger einbrachte.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 087.jpg (132,2 KB, 136x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 088.jpg (89,2 KB, 116x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 089.jpg (89,7 KB, 133x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 090.jpg (382,8 KB, 116x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 091.jpg (384,8 KB, 119x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #27
    Seufz Avatar von GarfieldMcSnoopy
    Registriert seit
    24.08.06
    Beiträge
    6.904
    @Hildegard: Du hast da aber keine matrilineare Hochzeit vereinbaren können, oder? Nicht, dass es eine Rolle spielt: Bei solchen Plänen über 3 Generationen kommt sowieso immer ein blöder Todesfall dazwischen
    Das ist alles, was wir tun können: immer wieder von neuem anfangen, immer und immer wieder. (Thornton Wilder)

  13. #28
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186
    Nein, das war natürlich nicht drin (Hildegard oo Charles III.), wäre aber auch wurscht gewesen, wenn ich mich gerade richtig erinnere: Die Thronfolge in Frankreich ist rein agnatisch, ich kann mir durch die Heirat keinen Anspruch auf die Krone in meine Familie importieren.
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #29
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Im August 888 ergab sich zudem eine wohl einmalige Gelegenheit, den Einfluss der Welfen auch auf die Region Toulouse auszuweiten. Hier war überraschend der Herzog verstorben und hatte die ausgedehnten Ländereien seiner 16jährigen Tochter Assalhida vermacht. Über Nacht wurde die junge Frau zu einer der begehrtesten Partien Südfrankreichs, und auch Herzog Welf machte im Namen seines eben volljährig gewordenen Sohnes Jean (ehemals auf den Namen Johann getauft) bei ihr seine Aufwartung.



    Er hatte Erfolg, die Herzogin ehelichte Jean und band ihr Haus an das der Welfen. Nun hatten sie sich sowohl in Anjou, als auch in den Herzogtümern Poitou und Toulouse verankert. Wie erwähnt, für Eticho, dem Erben von Anjou, würde das einen beträchtlichen Machtverlust bedeuten, da nun zwei seiner Brüder ihr Erbe mit in das fremde Herzogtum mitnehmen würden. Doch mit einem Welfen an der Spitze von fünf Herzogtümern (in der Champagne und in Hochburgund regierten ja noch Welfs Brüder) konnte in Zukunft wohl kaum ein französischer König gegen dieses Haus agieren. Und wer weiß, vielleicht würden die Welfen eines Tages die Karolinger als Königsgeschlecht ablösen?



    Die Absicherungen des Welfen waren nicht zu früh erfolgt: Noch im selben Monat starb Louis der Stotterer mit nur 45 Jahren – im noch jungen Alter, ganz wie es Welf erwartet hatte. Der Erbfall trat nun ein: Welfs zehnjähriger Schwiegersohn bestieg als Charles III. den französischen Thron, mit Hildegard als Königin an seiner Seite.



    Die Krone von Aquitanien hingegen ging an den gefürchteten Carloman. Militärisch versiert, gierig, stolz und ehrgeizig, würde der neue König nicht vor Gewalt zurückschrecken, um seine Macht zu vergrößern. Der Fall, gegen den sich die Herzöge Welf und Ramnulf gewappnet hatten, war eingetreten. Carloman regierte ab dem ersten Tag energisch und würde sicher schon bald von sich hören lassen.



    Für den zehnjährigen Charles III. galt das sicherlich nicht, sein Erbe war nicht unangefochten. Der 874 vom burgundischen Thron gestoßene Ludwig der Jüngere hatte sich ebenfalls auf diesen Tag vorbereitet und mit einigen Adeligen in der Bourgogne seine Rückkehr auf einen Thron ausgehandelt – diesmal auf den französischen Thron. Der Umstand, dass hier ein Zehnjähriger die Krone trug, machte es möglich. Knapp 1.500 Mann erhoben sich Ende 888 in der Bourgogne, um auf Paris zu marschieren. Der junge König musste aus der Stadt fliehen, denn er fand kaum Rückhalt beim Adel. Offenbar hatte Ludwig der Jüngere auch hier vorgesorgt und die Stimmung vergiftet.

    Für Welf stand die Krone seines Schwiegersohnes auf dem Spiel, der Junge würde es alleine nicht gegen Ludwig und seine Komplizen aufnehmen können. Welf selbst war nun der entscheidende Faktor im französischen Thronfolgestreit, nur er konnte ein ebenbürtiges Heer aufstellen. Und das tat er auch.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 092.jpg (208,7 KB, 96x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 093.jpg (221,0 KB, 110x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 094.jpg (664,8 KB, 93x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 095.jpg (161,6 KB, 90x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 096.jpg (218,5 KB, 91x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #30
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    1. Welf der Deutsche

    Im Frühjahr 889 trafen die etwa gleichstarken Heere Welfs und Ludwigs bei Eu aufeinander. Die Schlacht wurde blutig, über sechshundert Männer verloren an diesem Tag ihr Leben, doch das Feld wurde von Welfs Männern behauptet. Ludwig war angeschlagen, aber noch nicht besiegt. Während Welfs Heer die Bourgogne verwüstete, schickte Ludwig seine Truppen wie geplant gegen Paris und belagerte die Stadt. Die Stimmung unter den Adeligen in Paris drehte sich nun gegen Ludwig: Der Sieg von Welf hatte gezeigt, dass sich Charles III. wohl doch auf dem Thron halten würde, und nun waren es ihre Ländereien um Paris, die Ludwigs Männer verwüsteten. So hatten sie sich die Sache nicht vorgestellt gehabt. Der junge Charles kam nun doch in die Lage, mit Hilfe seines Adels ein stattliches Heer gegen Ludwig aufzustellen.

    Ludwig erkannte, dass sein Unternehmen wegen des Eingreifens von Welf zu scheitern drohte und trug den Konflikt nun seinerseits in das Herzogtum Anjou. Ludwig ließ allen dort ansässigen Fürsten besondere Privilegien versprechen, die sie nach seiner Thronbesteigung erhalten sollten. Die jahrelang gedemütigten Grafen Bouchard und Gauzbert waren gerne bereit, die ersehnte Gelegenheit zum Aufstand gegen Welf zu nutzen.



    Doch die Schritte der Empörer waren zu schlecht aufeinander abgestimmt: Mit Leichtigkeit zerschlug Welf nacheinander die Heere der Grafen, bevor sie sich zu einer gefährlichen Streitmacht vereinen konnten. Der Aufstand war gescheitert, bevor er richtig begonnen hatte. Bouchard und Gauzbert mussten sich dem Herzog unterwerfen und wurden ihrer Lehen aberkannt: Auch Maine und Vendome waren jetzt in der Hand des Herzogs.

    Auch für Ludwig den Jüngeren bedeutete dies das Ende seiner Thronhoffnungen. Er musste seinen Verzicht auf die Krone Frankreichs erklären, nachdem das königliche Heer von Charles III. die Grafschaften von Ludwigs Komplizen (Bourgogne und Amiens) besetzt hatte. Dabei gab es ein tragisches Wiedersehen mit Berengere. Nachdem ihr Vater, sie selbst und ihr kleiner Sohn im Kerker von Welf geschmachtet hatten, ihr der Herzog all ihre Lehen entzogen hatte und sie zur Flucht an den Hof von Amiens gezwungen hatte, geriet sie beim Fall von Amiens erneut in Gefangenschaft – dieses Mal in die von Charles III. dem königlichen Schwiegersohn von Welf. Man konnte nicht gerade sagen, dass das Haus der Ponthieu von Glück gesegnet war.



    Das Geschlecht der Welfen hingegen hatte sich fest in Frankreich und Aquitanien verankert: Mein Charakter Welf hatte seinen jüngeren Bruder Hugo ermorden lassen und war Herzog von Anjou. Welfs Bruder Konrad bzw. dessen Sohn Rudolf herrschten über Hochburgund. Und Welfs Cousin, auch mit Namen Konrad, war Herzog der Champagne. Auch die Aussichten für Welfs Kinder waren glänzend: Eticho würde Anjou erben, Hildegard war über ihre Ehe mit Charles III. die Königin von Frankreich, Jean und der junge Welf würden über ihre Ehefrauen Herzog von Toulouse bzw. Poitou werden.



    Ganze zehn Grafschaften (grün markiert) hatte Herzog Welf als Familienbesitz zusammengerafft. Für seine vier Söhne sollte allesamt ein ordentlicher Erbteil herausspringen. Denn was war ein Herzogstitel wert ohne persönliche Hausmacht?



    Überraschend verstarb im September 893 der italienische König Michele mit nur 18 Jahren, ohne einen Nachkommen als Erben zu hinterlassen. Das führte zu der erneuten Vereinigung der Königreiche Italien und Lothringen unter Micheles Bruder Bohemond. Dieser Mann war nun die vielleicht mächtigste Person in Europa – und der Schwager von Welfs Sohn Eticho, der ja seit 884 mit Engelberga, der Schwester dieses Königs, verheiratet war.

    Aber kommen wir zurück auf Carloman, den König von Aquitanien. Er war vielleicht nicht so mächtig wie Bohemond, sicher aber gefährlicher als dieser. Denn jetzt zeigte sich, dass Welfs Freund Ramnulf recht damit gehabt hatte, vor Carlomans Thronbesteigung zu warnen. Der allzu lebenslustige Herzog von Poitou war offenbar ein leichtes Ziel für Carlomans Intrigen. Beharrlich hatte der aquitanische König bei Papst Silvester II. vorsprechen lassen und schließlich die Exkommunikation von Ramnulf erreicht. Jetzt hatte Carloman den gewünschten Vorwand, sich den Herzog vorzuknöpfen: In einem aufsehenerregenden Prozess wurde Ramnulf der Ketzerei für schuldig befunden und öffentlich verbrannt. Einen so hochrangigen Adeligen hatte man noch nie auf diese Weise ins Jenseits befördert!



    Für Welf bedeutete die Hinrichtung nicht nur den Verlust seines Freundes. Jetzt griff die durch das Verlöbnis ihrer Kinder geflochtene Band: Ramnulfs Tochter Marie wurde Herzogin von Poitou, mit dem jungen Welf als künftigen Gatten an ihrer Seite. Dieser verließ den Hof des Vaters in Tours, um zu seiner Verlobten nach Poitou zu gehen, in eine aussichtsreiche, aber auch ungewisse Zukunft. Die Gefahr, dass Carloman auch das junge Paar zur Strecke bringen würde, war groß. Andererseits winkte Marie nach dem Erbe von Poitou weitere Macht: Ihre jüngere Schwester hatte vom verurteilten Vater das Herzogtum Aquitanien geerbt, Marie war hier vorläufig die erste in der Erbfolge.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 097.jpg (132,5 KB, 97x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 098.jpg (610,9 KB, 101x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 099.jpg (371,2 KB, 90x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 100.jpg (47,5 KB, 93x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 101.jpg (430,5 KB, 94x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

Seite 2 von 3 ErsteErste 123 LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •