Zitat von
RobinWood
Nach der Katastrophe von Stalingrad eroberte die Rote Armee auch Charkow zurück. Doch die deutschen Truppen wurden so umgruppiert, dass sie Stalins Armeen unvermutet in den Flanken angreifen konnten.
Schön sind Erfolge immer, manchmal aber werden sie geradezu überlebenswichtig. Zwei Wochen waren Anfang März 1943 seit der propagandistisch exzellent inszenierten Rede von Josef Goebbels über den „totalen Krieg“ vergangen. Doch substanziell verbessert hatte sich nichts.
Deshalb warnte das Oberkommando der Wehrmacht in seinen nur an die engste Führung des Dritten Reiches verschickten täglichen Lageberichten am 2. März 1943: „Gerüchte über eine eventuelle mögliche Wiedereroberung Charkows entbehren jeder Grundlage.“
Nur wenige Tage nach der schweren Niederlage von Stalingrad hatte die Wehrmacht die ostukrainische Stadt Charkow räumen müssen. Aus eigener Entscheidung hatte der Waffen-SS-General Paul Hausser seinen Truppen den Abzug befohlen, entgegen den klaren Befehlen von Hitler, des Heeresgruppen-Oberbefehlshabers Erich von Manstein und seines direkten Vorgesetzten Hubert Lanz.
Hausser tat also das, was General Friedrich Paulus in Stalingrad nicht getan hatte: Er widersetzte sich klaren Weisungen, um seine Truppen vor der absehbaren Einkesselung zu bewahren. Hitler war wütend, setzte aber erstaunlicherweise nicht den SS-General ab, sondern Lanz, weil der sich gegenüber dem ihm unterstellten General nicht durchgesetzt hatte. Vielleicht war Hausser als populärer Panzergeneral zu wichtig? Jedenfalls brauchten Manstein und damit auch Hitler ihn, um die Truppen des SS-Panzerkorps für den Gegenangriff zu motivieren.
Zuerst bestand der Diktator bei einem Besuch in Mansteins Hauptquartier rund 300 Kilometer südwestlich von Charkow auf einem sofortigen Gegenangriff; die Stadt müsse zurückerobert werden. Manstein konnte ihn aber überzeugen abzuwarten. Entscheidend dafür war, dass sich die sowjetischen Panzerspitzen mit großem Tempo dem Hauptquartier Mansteins näherten. Am 19. Februar 1943 hatte Hitler sowjetisches Artilleriefeuer gehört und daraufhin entschieden, seinen auf fünf Tage angesetzten Besuch hinter der Front bereits nach zwei Tagen abzubrechen.
Nun konnte der Generalfeldmarschall, der als der beste deutsche Stratege galt, seinen Plan umsetzen: Er tat weiter so, als würde er sich nach Westen zurückziehen, konzentrierte dabei aber seine Truppen für einen „Schlag aus der Nachhand“. Die Wehrmachts- und SS-Einheiten setzen sich immer weiter vom Gegner ab, der mit ungeschützten Flanken nachstieß. Nicht einmal, als zwischen dem 22. und 28. Februar 1943 der deutsche Gegenschlag begann und zwei sowjetische Armeen in kurzer Zeit aufgerieben wurden, verstand Stalins Hauptquartier in Moskau, die Stawka, was geschah.
Dieser Sieg, der propagandistisch nicht groß verkündet wurde, war wahrscheinlich der Ursprung der Gerüchte über eine Wiedereroberung von Charkow. Doch selbst das Oberkommando der Wehrmacht kannte Anfang März 1943 offenbar die genauen Pläne Mansteins nicht. Dem kam das Wetter zu Hilfe. Auf eine kurze Matschperiode folgte noch einmal starker Frost, sodass sich die deutschen Panzer frei entfalten konnten. Stellenweise gewannen sie sogar eine zahlenmäßige Überlegenheit.
So waren beide Oberkommandos, das sowjetische ebenso wie das deutsche, einigermaßen überrascht, als am 6. März 1943 von Süden her deutsche Einheiten auf die zweitgrößte Stadt der Ukraine vorstießen. Die sowjetischen Stellungen wurden durchbrochen und Charkow bis zum 11. März eingekreist.
Einen Tag später trafen Panzer der Roten Armee dieselbe schwache Stelle, die sich zuvor deutsche Verbände bei ihnen zunutze gemacht hatten: die unverteidigten Flanken vorstoßender Einheiten. Beinahe wäre der Angriff daran gescheitert, obwohl deutsche Panzerspitzen bereits von Norden her den Roten Platz Charkows erreicht hatten. Doch die Katastrophe blieb aus.
„Der Schwerpunkt des feindlichen Widerstandes liegt im Südwesten der Stadt“, meldete das Oberkommando der Wehrmacht. Durch Feindaufklärung habe man festgestellt, dass die Rote Armee Verbände aus der Stadt gen Osten abziehe.
Tatsächlich hatte die Stawka nun erkannt, dass in Charkow eine Situation wie in Stalingrad entstehen könnte, nur umgekehrt und etwas kleiner. Deshalb wurden motorisierte Einheiten abgezogen, während Infanterieverbände blieben und die Stadt verteidigen sollten. Sie wurden eingekesselt und aufgerieben; mehrere Zehntausend Rotarmisten gingen schließlich in Gefangenschaft. Am 15. März 1943 hatte Paul Hausser Charkow mit seinem SS-Panzerkorps zurückerobert.
Schon am 10. März 1943 war Hitler persönlich erneut in Mansteins Hauptquartier gekommen, um dessen Strategie nachträglich zu billigen. Selten war der Diktator, der sich selbst für seinen besten General hielt, zu einer solchen Geste bereit.
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